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Bisher waren die Filme aus dem DCEU (DC Extended Universe) sehr umstritten, sei es nun Suicide Squad oder Batman v Superman. Mit Wonder Woman, so meinen die Kritiker, sei der Fluch gebrochen. Doch kann dieser neue Superheldinnenfilm wirklich so viel mehr als seine Vorgänger?

Unterhielt man sich bisher mit Filmfreunden über DC-Filme, so waren die Reaktionen gespalten. Die Comicfans feierten die Authentizität der Filme wie Man of Steel, Batman v Superman oder Suicide Squad. Die Kritiker und die Zuschauer, die in den Comic-Kosmos nicht eingeweiht sind, beklagten die Düsternis der Filme, ihre Langatmigkeit und ihren ernsten Ton. Sie jubelten dafür die seichten Unterhaltungsstreifen aus dem Hause Marvel/Disney in fantastische Höhen.

All dies scheint nun auf einen Schlag auf den Kopf gestellt, denn Wonder Woman erobert im Sturm die Herzen von Fans und Kritikern. Das Mädchen aus Themyscira scheint mit Lasso und Schild alle Sorgen um das DCEU in den Wind zu schlagen. Der Streifen wird gefeiert als der beste Superheldenfilm der letzten Jahrzehnte. Doch Wonder Woman ist gar kein Superheldenfilm.

Story (Spoilerwarnung!)

Wonder Woman beschreibt den Weg der jungen und unschuldig-naiven Amazonenprinzessin Diana zur größten Superheldin der Welt. Es ist ein Weg voller Opfer und bitterer Erfahrungen, der die junge Frau reifen und erwachsen werden lässt. Es ist aber auch ein Weg der Liebe und der Hoffnung, der ihr einen Grund gibt, sich für die Welt und all jene Bewohner derselben einzusetzen, die nicht für sich selbst kämpfen können.

Dianas Weg beginnt mit ihrer Kindheit auf der paradiesischen Insel Themyscira, auf der die Amazonen isoliert und geschützt von der Welt leben. In dieser Idylle üben sie sich im Bogenschießen, Schwertkampf und Reiten als Vorbereitung auf einen Tag, von dem sie hoffen, dass er nie eintreffen wird und an dem sie zu ihrer Bestimmung gerufen werden. Denn Zeus, der Göttervater, hat die Insel vor den Augen vor der Welt und insbesondere seines Sohnes Ares, des eifersüchtigen Gottes des Krieges, verborgen, damit die Amazonen bereitstehen können, wenn Ares die Welt mit seiner finsteren Macht überzieht.

Doch die Tage des Friedens sind für die Amazonen vorüber, als zur Zeit des ersten Weltkrieges das Flugzeug von Steve Trevor auf der Insel notlandet und ein Mann in das Idyll eindringt. Und dieser Mann bringt den Krieg mit sich, denn deutsche Soldaten folgen ihm. Es kommt am Strand zu einem Blutbad, bei dem die Deutschen, aber auch Dianas geliebte Tante und Kampflehrerin den Tod finden. Diana begreift, dass sie in das Geschick der Welt eingreifen und den Krieg beenden muss. Denn es ist der Krieg, der alle Kriege beenden soll, und das kann nach ihrer Ansicht nur eine Amazone tun, indem sie Ares tötet. Also verlässt Diana ihr sicheres Heim und begibt sich auf eine Reise in eine ihr fremde Welt, die gegen ihr Inselparadies scheußlich, kalt und grau anmutet.

Sie erfährt über Steve von den Machenschaften von General Erich Ludendorff, der mithilfe des neuartigen Giftgases der entstellten Dr. Poison den Krieg auf eine neue, brutalere Ebene zu führen droht. Steve plant, gegen die Befehle, die er erhalten hat, Ludendorff zu finden und aufzuhalten. Dazu sucht er ein Team zusammen, wie es eigenartiger nicht sein könnte. Denn es sollen ihn der Schauspieler Sameer, der traumatisierte Scharfschütze Charlie und ein indianischer Schmuggler, den man den Chief nennt, begleiten, sowie natürlich Diana. Unterstützung erhalten sie unerwartet durch den aufrichtigen und friedliebenden Sir Patrick Morgan, der sie mit den nötigen finanziellen Mitteln ausstattet.

Diana brennt darauf, die Front zu erreichen und Ludendorff zu stellen, vermutet sie in ihm doch ihren Widersacher Ares. Sie ist davon überzeugt, dass Ludendorffs Tod den Krieg beenden wird. Doch der Weg zur Front wird für die Amazone zur Reifeprüfung. Das Ausmaß an Hass, Gewalt und Verzweiflung, das sie zu sehen bekommt, hat die junge Kriegerin nicht erwartet. Dies hat nichts mit dem Heroismus zu tun, den sie aus den Kämpfen mit ihren Mitstreiterinnen auf Themyscira kannte. Dies ist reales Elend, das sich in ihre junge Seele einprägt und sie verändert. Diana erkennt, dass die Menschheit ihren Schutz braucht, und aus der jungen Amazonenprinzessin wird in einem fulminanten Endkampf die Heldin Wonder Woman.

 

Darsteller

Die Besetzung hätte besser nicht gewählt werden können. Gal Gadot bietet eine Wonder Woman, der man jeden Schritt auf ihrem Weg zur Heldin voll abkauft. Dabei schafft sie es, Ernsthaftigkeit und Humor so geschickt in ihrer Figur zu verquicken, dass es eine Freude ist, ihr dabei zuzusehen. Eine derart stark dargestellte weibliche Heldenfigur findet man in kaum einem anderen Film.

Chris Pine steht ihr als Steve Trevor zur Seite und ist ihr in seinem Spiel mindestens ebenbürtig. Die Emotionalität und Tiefe, die Pine in seinen Charakter zu bringen imstande ist, macht es dem Zuschauer leicht, Steve zu lieben und sein Opfer zu beklagen. Das ist ganz großes Kino.

In den Nebenrollen brillieren David Thewlis als Sir Patrick Morgan, dem man seine Schwäche und sein Ringen nach Hoffnung nur zu gerne abkaufen möchte, Danny Huston als General Ludendorff und Elena Anaya als vom Schicksal gezeichnete Dr. Poison. Allen Darstellern, bis in die kleinsten Nebenrollen, kann man ein durchweg großartiges Spiel attestieren. Es ist vor allem der Verdienst dieses unglaublich gelungenen Casts, dass der Zuschauer so tief in das Erleben des Films gezogen wird.

Inszenierung

Wonder Woman ist kein Superheldenfilm, er ist sehr viel mehr. Regisseurin Patty Jenkins ist ein Film zwischen Coming-of-Age, Heldenepos und Anti-Kriegs-Film gelungen, den man an Dichte und Atmosphäre kaum übertreffen kann. In genialen Farbkompositionen, die immer zum derzeitigen Kapitel des Handlungsstranges passen, schildert sie den Weg der kleinen Diana von der Paradiesinsel in das graue England und schließlich an die senfgasgelbe Front in Belgien. Untermalt werden die gewaltigen Bilder von einem einfühlsamen Soundtrack, der durch das Aufgreifen des Wonder-Woman-Themas aus Batman v Superman den Zuschauer stets daran erinnert, dass er hier der Geburt dieser Heldin beiwohnen darf und dass sich der Film als ein Teil des Ganzen des DCEU versteht. Jenkins lässt die düsteren Kulissen der anderen DC-Filme hinter sich, was Wonder Woman wunderbar eigenständig wirken lässt.

Erzählstil

Jenkins erzählt ihren Stil mit dem angemessenen Ernst, ohne in eine zu tiefe Düsternis zu stürzen. Dies tut dem Film sehr gut, denn es erlaubt dem Zuschauer, sich stärker auf die Figuren und ihren Weg einzustellen. Auch der Humor, feingeistig und geschickt eingesetzt, kommt diesmal nicht zu kurz und verschafft einige schöne Momente der Entspannung. Angenehm fällt auf, dass hier ein weiblicher Regisseur am Werk war, denn nie geraten Dianas Geschlechtsmerkmale in übertriebener Form in den Blick der Kamera. Diana Prince ist eine starke, begehrenswerte und attraktive Frau, weil sie Stärke und Charakter ausstrahlt und nicht, weil ihre Brüste und ihr Hinterteil sie dazu machen.

Die harten Fakten:

  • Regie: Patty Jenkins
  • Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, David Thewlis, Danny Huston, Elena Anaya
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: 3D

 

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Fazit

Wonder Woman ist tatsächlich einer der stärksten Filme der letzten Jahre. Es fällt schwer, einen vergleichbaren Titel zu benennen. Patty Jenkins liefert eine gelungene Mischung aus Coming-of-Age, Anti-Kriegs-Film und Heldenepos. Dabei zeichnet sie ihren Film in großartigen Bildern mit gelungenen Farbkompositionen und untermalt diese mit einem sehr ausdrucksstarken Soundtrack. Der Weg der kleinen Diana zur größten Heldin des DCEU wirkt glaubhaft und absolut nachvollziehbar. Tatsächlich könnte sich der Zuschauer dabei erwischen, sogar die Motive des Ares für einen Augenblick abzukaufen und einzusehen, dass die Menschheit ihr Schicksal verdient.

Doch das lässt der Film nicht zu, denn es ist auch eine Geschichte über Menschlichkeit, Liebe und die Macht der Hoffnung. Gal Gadot verkörpert diese Werte in ihrer Figur und ermöglicht dem Zuschauer, an diese Wonder Woman zu glauben. Sie, Chris Pine und die vielen anderen Darsteller liefern in dem Film schauspielerische Leistungen, die ein Genuss sind und den Zuschauer wirklich verzaubern. Wonder Woman schenkt dem Kinogänger für den Preis einer Kinokarte fast zweieinhalb Stunden Unterhaltung und ein Filmerlebnis, dass ihn lange bewegen wird.

Artikelbilder: Warner Bros.
Der Besuch dieses Kinofilms wurde durch die Einnahmen des Patreon-Projektes finanziert.

 

10 Kommentare

  1. DC besitzt nicht automatisch Tiefgang, nur weil die Filme düster sind (oder versuchen, es zu sein). Ebenso ist Marvel nicht automatisch seicht, wenn die Filme nicht auf grimdark getrimmt sind. Mein größter Vorwurf an DC (bei Comics wie bei Filmen) ist viel eher eine allzu holzschnittartige Charakterzeichnung und ganz simpel gestrickte Gut/Böse-Schablonen ohne Subtext oder ironische Brechung. Mir gefiel Wonder Woman, der Film ist die Ehrenrettung des DCEU nachdem alle drei Vorgänger bei Plot, Spannungskurve und Charakterzeichnung unterschiedlich stark scheiterten. Aber „bester Film der letzten Jahre“? Im Vergleich zu Captain America 2 war die Story hier doch etwas schwach auf der Brust, und bewegte sich so etwa im Bereich des thematisch ähnlich gestrickten „Rise of the first Avenger“.

  2. Der FIlm bekommt auf jeden Fall ein Plus dafür, dass er endlich mal mit dem Mythos bricht, weibliche Superhelden seien Kassengift. Zwei Daumen hoch für mehr weibliche Protagonisten im Popcornkino! (Wie auch in den letzten zwei Neuzugängen des Star Wars-Kosmos.) Was mich an „Wonder Woman“ störte, war das mancherorts verschenkte Potenzial. ***Spoilerwarnung*** ***Spoilerwarnung*** Für einen Film, der das sinnlose Schlachten des ersten Weltkriegs als Anklage gegen die interne Logik des Krieges durchaus auf dem Schirm hatte, blieb es dann doch bei „Briten=gut, Deutsche=böse“, und der Kriegsgott wurde per Gewalt überwunden. Wie anders hätte der Film schon gewirkt, wenn die Briten mit dem Notizbuch von Dr. Poison Giftgas hergestellt hätten, um Vergeltungsschläge vorzubereiten? Und wie viel wirkungsvoller wäre es gewesen, Ares NICHT durch einen Vernichtungsschlag auszulöschen, sondern seine Macht durch eine Abkehr vom Kampf zu brechen, nachdem der Konflikt seine Kräfte nur immer weiter wachsen ließ?

  3. Ja, es gibt immer noch Marvel Filme, die besser sind. Aber nicht mehr viele. Wonder Woman war ein toller, unterhaltsamer Film mit mehr Tiefgang und ernst als viele Marvel Filme aber auch mir mehr Witz, Leichtigkeit und vor allem hellem Heldentum als alle DC Filme zuvor. Ich hoffe, das sie sich für die noch laufenden reshoots von Justice League diesen Film zum Vorbild nehmen.

  4. Das Kritikerecho zum Prä-Wonder Woman DCEU als „gespalten“ zu bezeichnen, entspricht in etwa der Bezeichnung des Klimawandels als „kontrovers“:

    Das Urteil war recht einhellig und mäßig bis vernichtend:
    Man of Steel war noch der „Beste“ der drei, mit 55/100 auf Metacritic und 55% positiven Reviews bei Rottentomatoes.
    Batman v Superman hingegen bekam VERNICHTENDE Kritiken (44/100 bei Metacritic, 27% positive Reviews bei RottenTomatoes.)
    Und Suicide Squad? 40/100 bei Metacritic, und 25% bei RottenTomatoes.

    Haben Kritiker immer recht? Natürlich nicht. Aber sie geben doch schon einen ungefähren Eindruck davon, ob die handwerklichen Aspekte eines Films (Plotkohärenz, Spannungskurve, Charakterzeichnung, Kamera, schauspielerische Leistungen, Dialoge uvm.) etwas taugen oder nicht. Wirtschaftlicher Erfolg allein zeigt da wenig (siehe: 50 Shades of Grey, Transformers: Revenge of the Fallen, etc.)

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