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Bereits vor Tausenden von Jahren malten Menschen Geschichten von Bedeutung an die Wände von Höhlen und Pyramiden. Die ersten Comics wurden geboren. Paul Levitz spürt dieser Tradition des Geschichtenerzählens in einem fulminanten Kunstband nach, der Fanherzen höher schlagen lassen wird – und das nun auch noch zu einem erschwinglichen Preis.

Bereits im Jahre 2010 setzte der Verlag TASCHEN den Comics aus dem Hause DC anlässlich des 75ten Verlagsjubiläums ein eindrucksvolles Denkmal. In einer übergroßen Box and sich eine eindrucksvolle Sammlung von Comickunst, versehen mit dem liebevoll persönlichen Text von Comiclegende Paul Levitz. Ganze acht Kilo brachte das Kolossalwerk auf die Waage und vermochte schon allein deshalb den Leser mit Ehrfurcht zu erfüllen. Über 700 Seiten farbige Comickunst von den Anfängen in den 1930er Jahren bis ins Jahr 2010 erwarteten den zahlungskräftigen Fan. Denn das Kunstwerk von einem Buch hatte einen stolzen Preis. Etwa 150 Euro sollte das Paket damals kosten. Heute ist es zurück, etwas kleiner und handlicher und vor allem deutlich günstiger. Den Leser erwartet eine Zeitreise voller Nostalgie und Comicromantik, aber auch eine Ode an die Kunst der kleinen Bilder und ihre großen Geschichten.

Inhalt

Wer 75 Jahre DC Comics in den Händen hält, dem ist schnell klar, dass der Text nicht den Kern des Buches ausmacht. Natürlich, Comic-Legende Paul Levitz, der auch die Worte für 75 Jahre Marvel lieferte, erzählt aus der Sicht eines echten Insiders über die Geschichte der Comics und gibt einen kleinen Abriss über die Entwicklung der Helden aus dem Hause DC Comics, aber auch tiefe Einsichten in die Kunst des Geschichtenerzählens an sich. Aus jedem seiner Worte spricht die Liebe, die er für die Welten von Superman, Batman und all den anderen Helden empfindet. Auch vermag er es, eine kleine Wahrnehmungsgeschichte der Neunten Kunst aufzuzeigen und gibt einen interessanten, heute schon fast ein wenig prophetisch erscheinenden Ausblick darauf, wie die Digitalisierung den Blick auf die Comics verändern könnte. Doch bleibt vieles an der Oberfläche, erinnert an einen Lobgesang und wagt nicht den Blick in die Tiefe, auf die Schattenseiten des Verlages, sei es der Umgang mit Bill Finger oder mit den Superman-Erschaffern, oder die vielen Inspirationen, die man sich beim Konkurrenten Marvel geholt hat. Stattdessen wirft Levitz einen glorifizierenden und sehr amerikanischen Blick auf die Zeitalter, in die sich die Geschichte der Comics unterteilen lässt.

Er erzählt, wie die Superhelden während ihres Goldenen Zeitalters in den Kampf gegen die Nazis zogen und ihren amerikanischen Landsleuten Mut und Hoffnung gaben. Denn wenn Batman und Robin Hitler schlagen konnten, dann konnten die G.I.s das auch. Er schildert die schrille und bunte Zeit des Silbernen Zeitalters in den 60er Jahren, in der Serien wie Batman mit Adam West die Comiclandschaft veränderten und der selbst auferlegte Comic Code die Jugend vor den Schattenseiten der bunten Comicwelt schützen sollte. Oder wie im Bronzenen Zeitalter die Wissenschaft und die rasanten Entwicklungen der Technik die Comics in kosmische Höhen trieben und ungewöhnliche Superkräfte plötzlich immer mehr in den Fokus der Leser gerieten, sodass Helden wie der Flash den Höhepunkt ihres Daseins erlebten. Und er beschreibt das Herausziehen des Düsteren Zeitalters, Ende der Achtziger und durch die kompletten Neunziger, als eine kleine Elite überwiegend britischer Autoren und Künstler eine neue Ernsthaftigkeit für sich entdeckten, Helden wie Swamp Thing und Antihelden wie Lobo zum Leben erwachten und die Comics plötzlich erwachsen wurden. Er endet in der von ihm so genannten Neuzeit, in der die Notwendigkeit für neue Geschichten aus dem alten Stoff zum Vorschein trat, die Helden neu interpretiert und in den All Star – Reihen teilweise radikal verändert werden durften. Auch erhielten die Helden nun mehr Persönlichkeit und hatten wirklich in ihren Konflikten auch auf der Gefühlsebene mehr zu gewinnen oder zu verlieren. In dieser Zeit entstand Green Lantern: Rebirth, eine Graphic Novel, die bekannte Elemente aus dem Leben von Hal Jordan aufnehmen und neu ausrichten sollte. Dieser Band ist bis heute relevant und gilt als Vorvater des Rebirth-Ereignisses, in dem sich die DC-Titel im deutschen Lauf derzeit befinden.

Die Zeichnungen

Die Zeichnungen machen den Kern dieses Kunstbandes aus. Wer das Buch öffnet, sieht sich mit vielen hundert Titel- und Innenseiten aus alten und neueren Comics konfrontiert, die zum Teil zu festen Bestandteilen der Popkultur geworden sind. Bizarres wie ein Blick durch Hitlers Mund, ein fliegendes Superpferd oder Lois Lanes Ritt auf einem Hexenbesen mischt sich mit Bedeutungsvollem wie dem Titelblatt von Action Comics 1, der Geburtsstunde des Superhelden an sich. Filmplakaten und Sammelobjekte haben Eingang in die Sammlung dieses Bandes gefunden. Der Reichtum an Charakteren, die man als Leser hier wiederfinden darf, ist überwältigend und vielfältig. Von den Superfreunden bis zu Neil Gaimans Sandman, vom Gruftwächter aus Tales from the Crypt bis Plastic Man, sie sind alle da und warten darauf, mit nostalgischem Blick oder mit der Neugier über die vielen kuriosen Interpretationen neu entdeckt zu werden.

Erscheinungsbild

Sieben Jahre sind seit dem Erscheinen der Erstauflage vergangen und inhaltlich hat sich an 75 Jahre DC Comics nichts geändert. Noch immer erscheint der Band als ein gelungener Versuch, nach dem Scheitern der Reihe mit Einzelbänden zu den Zeitaltern der Comicgeschichte, nun doch noch die Zeitreise zu einem Ende zu führen. Denn Teile dieses Buches wurden bereits in The Golden Age of DC Comics, The Silver Age of DC Comics und The Bronze Age of DC Comics veröffentlicht, und zum Teil sogar umfassender. Leider hat diese Einzelbandreihe aber nach dem dritten Band ein Ende gefunden und ist nie zum Abschluss gebracht worden. 75 Jahre DC Comics schafft dies.

Acht Kilo brachte die Erstauflage auf die Waage und war im Format noch größer als diese neue Version. Doch das fällt kaum auf, denn mit knappen fünf Kilo ist auch dieser Band noch ein Gigant. Die Illustrationen erstrahlen auf hochwertigem Papier und kommen wunderbar zur Geltung. Einband und Gesamtverarbeitung sind großartig und langlebig.

Der deutsche Text wird in einem Zusatzheftchen mit extrem kleinem Schriftbild geliefert und umfasst knapp 60 Seiten.

Wem die Erstausgabe mit ihrem Preis von 150 Euro zu teuer war, der findet jetzt diese erstaunlich umfangreiche und kunstvolle Sammlung von Popkultur zu einem Preis, der fast schon erschreckend niedrig erscheint. Denn die Einbußen, die man bei der günstigeren Variante in Kauf nehmen muss, fallen kaum auf, wenn man nicht die Erstausgabe direkt daneben legt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: TASCHEN
  • Autor(en): Paul Levitz
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: Bildband
  • Seitenanzahl: 720
  • ISBN: 978-3836554565
  • Preis: 49,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, TASCHEN Verlag

 

Fazit

75 Jahre DC Comics ist eine Art Festschrift. Es ist ein Loblied auf einen Verlag, der das Superhelden-Genre begründete und maßgeblich prägte. Das Buch ist jedoch keine objektive Geschichte der Comickunst, kein Werk, aus dem spektakuläre Enthüllungen zu erwarten wären. Das will es auch gar nicht sein. Paul Levitz und TASCHEN haben hier dem Verlag DC Comics, seinen zahlreichen Charakteren, Künstlern und Geschichten ein Denkmal gesetzt. Dabei ist die Sammlung an Illustrationen, Plakaten und Sammelobjekten, die der Leser hier beim Schmökern vorfindet, ausgesprochen umfangreich und lädt dazu ein, das Buch wieder und wieder zur Hand zu nehmen. Wer in schönen Erinnerungen schwelgen oder der Vorgeschichte seiner Helden nachstöbern möchte, noch einmal einen Hauch Kindheit erleben oder Nostalgie erfahren will, der wird in diesem Kunstband finden, was er sucht.

Dabei steht die sehr preisgünstige Neuauflage der ersten Auflage nur in Sachen Gewicht und Größe ein wenig nach. Der Band ist ein paar Zentimeter und wenige Kilos, aber im Preis erheblich geschrumpft. In dieser Version gehört er eigentlich ganz fest in den Schrank eines jeden ernsthaften DC-Fans und Sammlers. Für den weniger Eingeweihten wird er vermutlich ein Kuriosum bleiben: interessant zu sehen, aber nicht mehr.

 

Artikelbild: Taschen Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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