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Das Shrike – todbringender Gott mit metallenen Klauen und rotglühenden Augen, Hüter der Zeitgräber, Vernichter allen Lebens. Wer würde diesem Wesen wohl freiwillig gegenübertreten? Eine Gruppe von Pilgern, deren Wege sich einst alle mit dem Ding kreuzten, kehrt zum Planeten der Bestie zurück. Wir haben Simmons Roman als Hörbuch getestet.

Nehmen wir eines zuvor – der Roman ist der Auftakt zu einer großen Saga und erzählt keine geschlossene Handlung. Viel eher werden die Hintergründe der Akteure beleuchtet, was sie dazu bringt, eine derartige Kreatur nochmals zu besuchen.

Handlung

Nach einem fast unwirklich wirkenden Start auf einem Dschungelplaneten mit brüllenden Dinosauriern treffen sich im Jahr 2700 sechs Pilger an Bord eines Templer-Baum-Raumschiffes. Handlungsführend ist „der Konsul“ – jemand mit offenbar militärischem und politischem Hintergrund, der einst bereits auf der Welt des Shrike war und mit der Kreatur zusammentraf.

Die Erde ist durch den „Großen Fehler“ – der ungewollten Erzeugung eines schwarzen Lochs im Erdkern – längst vernichtet. Die Menschheit kommuniziert über ein von KI gesteuertes galaxienweites Netz und verfügt über „Farcaster“ (Sprungportale), um große Distanzen in kürzester Zeit zu überbrücken.

Warum Pilger? Weil sich um die Kreatur ein Kult, eine Art Todeskult, aufgebaut hat. In Gruppen reisen diese Pilger zum Planeten Hyperion, denn es heißt, dass das Shrike immer einen aus einer Gruppe erwählt, um einen Wunsch, egal welcher Größe, zu erfüllen. Die anderen jedoch tötet es.

Und genau das ist das Element, welches alle miteinander verbindet. Alle Akteure sind bereits mit der Kreatur auf die eine oder andere Art zusammengetroffen. Während sie auf der Reise nach Hyperion sind, losen sie untereinander aus, wer seine Geschichte zuerst erzählen muss – jeder möchte ja vom anderen wissen, warum ein Mensch eine solche Wesenheit freiwillig aufsucht. Reizvoll? Ja, weil der Hörer aus diesen Geschichten viel über das Universum des Romans erfährt (und zugleich viel zu wenig).

Was ist das Shrike? Das wird im Rahmen des Hörbuchs nie genau klar, aber es scheint eine halb-mechanisch, halb-organische Kreatur (die Haut ist glänzendes Metall) zu sein, welche die Zeit manipulieren kann und auf dem Planeten Hyperion Vernichtung bringt. Sie entstieg den dortigen sogenannten Zeitgräbern, Bauwerke aus grauer Vorzeit, die sich „rückwärts durch die Zeit bewegen“ und „Entropiefelder“ um sich haben, die deren Zerfall verhindern.

Die einzelnen Geschichten sind jedoch von deutlich unterschiedlicher Qualität. Drei der Akteure erzählen ihre Erlebnisse im ersten Roman: der Priester, der Soldat und der Poet. Dabei hat die Geschichte des Priesters den höchsten Reiz für uns gehabt: Hier treffen cthuloide Impressionen zusammen mit einer künstlich geschaffenen Kultur und verbinden sich mit frühchristlichen Mysterien. Mehr als einmal gruselte es uns angenehm und mit Spannung erwarteten wir die nächste Szene.

Ist in dieser Geschichte noch der Horrorfaktor subtil, aber allgegenwärtig, explodiert die Erzählung des Soldaten in eine Orgie von Gewalt, Blut und Sex. Wir sind sicher nicht zartbesaitet, aber stellenweise sind die Episoden innerhalb der Erzählung jenseits des guten Geschmacks. Beginnt sie noch als Space Opera mit Raumgefechten und Abstürzen auf Planeten, eskaliert sie bald in etwas, was man wohl nur noch als „adult content“ bezeichnen kann.

Die Geschichte, die dem Zuhörer am meisten Kraft abverlangt, ist die des Poeten. Schnoddrig und mit aggressivem Wortschatz versehen – was sehr reizvoll ist -, ergeht sie sich in langes Gefasel ohne näher erkennbaren Zweck. Letztendlich erzählt er über sein Leben, vom Aufstieg zum meist verkauften Autoren des irdisch besiedelten Raumes, bis hin zum Abstieg in die Gossen einer Künstlersiedlung auf dem Planeten des Shrike. Der Klimax lässt den Erzählenden als Psychopathen dastehen.

Damit endet auch der erste Roman der Saga, was in Summe recht unbefriedigend ist. Auch ist, trotz all des wunderbaren Wortschatzes und des gelungenen Ausdrucks, eher ungünstig, dass Vieles der Welt nicht erklärt wird.

Was ist die Fuge – eine Art Kryostase? Was ist eine Zeitschuld, die offenbar irgendwas wie eine Währung zu sein scheint? Ist die Hegemonie mehr als eine galaxienüberspannende Allianz? Was ist Force? Mehr als eine pangalaktische Sicherheitstruppe? Was sind Baumschiffe?

All diese kleinen Fragen haben uns beim Zuhören immer wieder ins Stocken kommen lassen. Manches kann man sich herleiten, aber eben nicht in der Tiefe, wie wir es uns gewünscht hätten.

Der Autor

Dan Simmons wurde 1948 in Peoria (Illinois, USA) geboren. Er verfasste Horror-Romane, Psycho- und Action-Thriller, genauso wie Science-Fiction-Geschichten. Dabei überschreitet er oft Genre-Grenzen. Andere bekannte Romane von ihm sind Kinder der Nacht und Terror. Hyperion entspringt ursprünglich 1989.

Simmons Werke wurden und werden oft prämiert, wie unter anderem Song of Kali (Göttin des Todes), welches den World Fantasy Award erhielt.

Der Sprecher

Detlef Bierstedt ist ein deutscher Schauspieler, Synchron- und Hörspielsprecher. Geboren 1952, ist er vor allem bekannt für die Stimme von George Clooney und Jonathan Frikes. Neben seiner Tätigkeit im Synchronatelier arbeitet Detlef Bierstedt auch als Sprecher für Hörspiele, Hörbücher, Dokumentationen und Werbespots.

Als Hörbuchinterpret vertonte Bierstedt unter anderem mehrere Romane von Dick Francis, Wolf Serno und Rebecca Gablé, darunter Der König der purpurnen StadtDas zweite Königreich und Das Spiel der Könige sowie Diabolus von Dan Brown. Das vielfältige Talent des Sprechers wird auch in diesem Hörbuch offenbart, gibt er doch jedem Akteur seine ganz eigene Stimme. Das bringt Wiedererkennungswert und macht Freude.

Bonus/Downloadcontent

Es existiert kein weiterer Inhalt.

Erscheinungsbild und Klangqualität

Beim Kauf als Download entfällt natürlich die Verpackung, das Cover wird aber als kleine eingeblendete Grafik in der App mitgeliefert. Das Cover zeigt eine recht unspektakuläre Sonne, die über dem Horizont eines Planeten aufgeht.

Klanglich lässt sich rein gar nichts beanstanden, die Stimme Bierstedts ist kristallklar, weder Bässe noch Höhen übersteuern.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Audible GmbH
  • Autor(en): Dan Simmons
  • Erscheinungsjahr: 2008
  • Sprache: Deutsch
  • Format: proprietäres Format für Audible
  • Preis: 20,95 EUR oder 9,95 EUR im Abo
  • Bezugsquelle: Amazon, Audible

 

Fazit

Etwas ist sicher zu begrüßen – Science-Fiction fernab des Military-Genres ist immer gut. Aber wie kann man den Roman klassifizieren? Als ein Zelebrieren der kritischen Note über Religion, Kriegsführung, Lyrik und Kunst? Als traumatisierende Vision über ein Monster und dessen Auswirkung? Eines ist der Roman ganz sicher nicht: eine Space Opera.

Die Erzählungen dreier Akteure über ihren Kontakt mit dem metallenen Gott des Todes von jenseits der Zeit, dem Shrike, sind deutlich unterschiedlicher Qualität. Eine ist faszinierend, eine ist eine Gewaltorgie, eine eher das wirre Gerede eines Künstlers ohne Halt in der realen Welt.

Uns hat das Zuhören angestrengt und wir sind sicher nicht nur leichte Kost gewohnt. Der Auftakt ist erschöpfend langweilig, die erste Geschichte zog uns erst ab der Mitte in den Bann, dann aber auch wirklich. Die Gewaltexzesse der zweiten Geschichte kratzten an der Grenze jedes guten Geschmacks (bargen aber auch ihre eigene Faszination), die dritte Geschichte zog sich wie Kaugummi und wurde erst zum Ende interessant.

Dennoch, und das ist das Merkwürdige wie auch Erwähnenswerte, hielt uns das Hörbuch bei der Stange. Wir wollten wissen, wie es weitergeht, haben uns immer wieder ermutigt, weiterzuhören. Etwas muss also dran sein an dem Erfolg der Hyperion-Saga. Es ist die Vielfalt der Welt, der Wortschatz, der selbst in der Übersetzung noch beeindruckend wirkt, aber auch zu großen Teilen die Stimme des Sprechers, der jeder Rolle gekonnt ein Eigenleben und Wiedererkennungswert verleiht.

Ob wir der Serie weiter folgen werden? Nein, denn dafür hat es uns nun wieder nicht genug gefesselt.

Der Preis von 20,95 EUR ist der Qualität und dem Umfang von knapp zehneinhalb Stunden angemessen, jedoch spricht der Roman keinen breiten Hörerkreis an.

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbild: Audible GmbH, Ricardo Robles
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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