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In diesem Jahr haben die Organisatoren des Gratisrollenspieltags erstmals mittels Umfrage Daten erhoben, um das Event auszuwerten. Dabei sind einige interessante Ergebnisse zustande gekommen, die wir im Gespräch mit Karsten und Andreas von der Orga betrachteten. Und natürlich warfen wir auch einen Blick auf die Planungen für das nächste Jahr.

Der Gratisrollenspieltag dürfte inzwischen einigen Rollenspielern etwas sagen. Angelehnt am Free RPG Day in den USA, existiert das deutsche Pendant inzwischen auch schon einige Jahre – seit 2013. Nachdem der GRT, wie das Event allgemein abgekürzt wird, in diesem Jahr am 8. April entsprechend zum fünften Mal stattfand, schrieb man die angemeldeten Veranstalter dieses Jahr erstmals im Nachgang an, um mittels Fragebogen Feedback zu bekommen und Statistiken zu erstellen.

Gratisrollenspieltag? Was ist denn das? Kurz gesagt, ein bundesweites Event in Läden und Vereinen, bei dem Interessierten das Hobby Pen&Paper-Rollenspiel näher gebracht werden soll sowie um erfahrene Rollenspieler und das Szeneumfeld zu vernetzen. Bei den teilnehmenden Locations finden sich daher in der Regel mehrere Spielleiter, die einsteigerfreundliche Spielrunden anbieten zu diversen Systemen – was erfahrene Rollenspieler jedoch natürlich auch nicht ausschließt. Verlage und Autoren stellen für den GRT Material bereit, von Flyern über Abenteuer und Schnellstartern bis hin zu teils exklusivem Material oder gar vollständigen Regelbüchern. Die Spielorte beziehungsweise Ausrichter können für einen Unkostenbeitrag von 10 EUR ein entsprechendes Paket ordern, um dessen Inhalte an diesem Tag an die Besucher auszugeben – ähnlich wie beim bekannteren Gratiscomictag.

Entwicklung

Da man erstmals in diesem Jahr konkrete Daten erhob, ist laut der Orga eine Einschätzung der Entwicklung schwierig. „Anfangs haben wir 100 Pakete verschickt, inzwischen sind es 150“ weiß Karsten, in der Szene auch als Blechpirat bekannt, zu berichten. „Allerdings haben wir anfangs auch stumpf ein Paket pro Veranstalter verschickt, ohne die Größe der Events zu berücksichtigen, was dazu führte, dass an einigen Spielorten mit wenig Besuchern jeder alles haben konnte, während das Prinzip bei großen Events mit zuweilen über 100 Besuchern nicht sehr günstig war. Das haben wir inzwischen allerdings auch angepasst.“

Statistik: Gesamtzahl Besucher
Statistik: Gesamtzahl Besucher

Auch in Österreich und der Schweiz nehmen Veranstalter teil. „Gerade 2014 war, inspiriert vom 2013er-Event, in den beiden Ländern ordentlich was los“ berichtet Karsten. „Danach ist es etwas abgeflaut, und seit diesem Jahren wieder auf dem guten Niveau von damals.“ Generell würde die Teilnehmerzahl wohl langsam steigen, soweit man es einschätzen kann, ohne dabei jedoch plötzliche, große Sprünge zu machen. Insgesamt findet der GRT an über 100 Orten statt, wobei einige Veranstalter zwar teilnahmen und auch das Paket orderten, sich allerdings nicht in die separate Liste der Teilnehmer eintrugen, weswegen sich dort nur 41 Läden und 47 Vereine finden. Diese Trennung von Anmeldung und Paket-Bestellung hatte übrigens logistische Gründe – insbesondere bei Vereinen wird das Paket ja häufig an eine andere Stelle geschickt als die Veranstaltung stattfindet, was in der Vergangenheit zuweilen zu Problemen geführt hat. „Wir wollen da aber auch noch eine Step-by-Step-Anleitung online stellen für das nächste Jahr, damit so etwas nicht mehr untergeht“ ergänzt Andreas.

Auswertung 2017

Andreas ist auch jener Organisator, der die Umfrage geschrieben und ausgewertet hat – „eine ziemliche Leistung“ findet Karsten. Andreas ist dabei dem GRT persönlich sehr verbunden, lernte er doch hierdurch viele Spieler kennen, was letztlich zur Gründung des Paderborner Vereins Die Rollenspielergilde e.V. und deren eigener Convention Padercon führte. „Die Idee zur Umfrage stammte aber nicht von mir, sondern kam während unserer Videokonferenz nach dem Event auf.“ Ziel ist es dabei gewesen, überhaupt erstmal das Event zu „vermessen“ hinsichtlich Besucherzahlen und Spielrunden, allerdings auch konkretes Feedback zum Inhalt der Pakete zu erhalten. „Wir haben zwar nicht sonderlich Einfluss darauf, was uns geschickt wird, aber wir haben uns gedacht, wenn wir die Wünsche der Ausrichter vor Ort präsentieren, hilft das vielleicht auch den Verlagen und Autoren oder interessiert sie.“ Wobei nicht alle Ausrichter daran teilnahmen. „Meistens erhält man vor allem Feedback von denen, die am meisten gemacht haben – oder die, die sich über uns geärgert haben.“ Von den 88 Ausrichtern in der Liste nahmen jedoch zumindest 55 daran teil.

Paketinhalt

„Jeder Inhalt sollte gewürdigt werden” betont Andreas. “Wir freuen uns über jeden Inhalt, der uns zur Verfügung gestellt wird.” Dennoch haben Besucher und Ausrichter natürlich Präferenzen und es gibt Inhalte, die beliebter sind als andere – und gerade reine Werbeflyer sind nicht sehr beliebt. Im Vergleich zu Vorjahren vermissten relativ viele Ausrichter mehr am Spieltisch einsetzbare Inhalte, was in der Umfrage sehr deutlich wurde. Allerdings wurden einzelne Inhalte auch besonders gelobt, wobei insbesondere die Old School Rollenspielfibel von System Matters viele begeisterte und von jedem sechsten explizit hervorgehoben wurde.

Bei den Läden kommen insbesondere Schnellstarter zu großen Systemen und „coole Gimmicks“ gut an, von einzelnen Ausnahmen abgesehen. Dies mag zu Teilen auch daran liegen, dass hierzu üblicherweise Verkaufsmaterial vorhanden ist und die Spieler ausgehend vom Schnellstarter beispielsweise in ein System einsteigen und es erwerben. Bei Independent-Produkten ist dies schwieriger, da die Systeme nicht unbedingt in den Regalen vorhanden sind. Allerdings wird dies auch bei den Ladenbesitzern unterschiedlich gesehen – einige sehen den GRT und Paketinhalt als Werbung für neue Spieler, die sie erreichen möchten, während andere es im Gegensatz als Kundenpflege sehen. „Meine eigenen Beobachtungen bezüglich der Läden sind auch so“, berichtet Karsten. „Es gibt im Wesentlichen zwei Ladentypen. Zum einen die, bei denen das Material auf dem Tresen liegt, und man kann sie mitnehmen, wenn man etwas kauft. Die haben andere Interessen als jene, die im Laden spielen lassen oder in Kooperation mit dem lokalen Rollenspielverein etwas machen. Dort steht eher der Anfix-Gedanke im Vordergrund – im Idealfall zu einem System, welches der Händler im Regal stehen hat. Bei ersterem kommen die Besucher dagegen wegen dem Paket, oft auch nur wegen dem Paket, und sollen zum Einkauf noch etwas cooles dazu bekommen.“

Die Vereine und Clubs dagegen sind überwiegend mit allem zufrieden, was sie im Paket finden – sofern es in einer ausreichenden Anzahl zu finden ist, so Andreas. Deren Kernziel liegt jedoch naturgegeben auch nicht im Verkauf, sondern vor allem im Gewinn neuer Spieler. Die Bedeutung beziehungsweise die Werbewirkung des Gratisrollenspieltags wird dabei von den Verlagen scheinbar recht unterschiedlich eingeschätzt. So gab es in der Vergangenheit beispielsweise den ersten Schnellstarter zu Splittermond – damals die erste Möglichkeit, das neu entstehende System zu spielen – im Paket, und in diesem Jahr wurde die Veröffentlichung von 7te See auf den GRT terminiert. „Ich war ziemlich geflasht davon“, erzählt Karsten. „Dort hat man erkannt, dass der Gratisrollenspieltag genau wie RPC oder die SPIEL ein geeigneter Moment ist, um eine wichtige neue Linie zu starten.“ Bedauerlicherweise nehmen jedoch nicht immer alle Verlage teil – auffällig für viele Besucher war in diesem Jahr insbesondere, dass Ulisses Spiele kein Material zur Verfügung stellten – im Gegensatz zu früheren Jahren. Generell werden jedoch alle Verlage Jahr für Jahr angeschrieben. Sollten sich Verlage die Frage stellen, welche Inhalte geeignet sind für das GRT-Paket, so könnten die Ergebnisse der Umfrage eine Antwort geben.

Besucher und mehr

„Bei der Rekrutierung neuer Spieler kann ich mir kaum etwas effektiveres vorstellen als den GRT“ meint Karsten. Andreas belegt dies auch mit Zahlen: „Bei neun von zehn GRT-Events waren Neulinge anwesend – und bei rund 40 % waren es sogar sechs oder mehr. Rechnet man das auf die Gesamtzahl hoch, sind also wohl hunderte Neulinge aktiviert worden und mit unserem Hobby in Berührung gekommen – und oft auch direkt in Rollenspielrunden gekommen.“ Schließlich fanden bei fast allen Events auch solche statt – nur bei rund 5 % der an der Umfrage teilgenommen Veranstalter gab es keine. Rund ein Drittel ordnete sich in der Kategorie „1 – 5 Runden“ ein, und mehr als jeder vierte Ort hatte sechs oder mehr. „Ein Event hat sogar über 20 Runden gehabt“ zeigt sich Andreas begeistert.

Gesamtzahl Neulinge
Gesamtzahl Neulinge
Gesamtzahl Spielrunden
Gesamtzahl Spielrunden

 

 

 

 

 

 

 

Ebenso freut er sich über das viele Feedback, was in der freien Kommentarfunktion der Umfrage genutzt wurde, worüber sehr viele positive Rückmeldungen gekommen sind. „Das große Bild, was sich bei mir ergeben hat, ist dass die Rollenspielszene – einschließlich Läden, Clubs, Autoren und engagierter Hobbyisten – aktiv wird, und eine Vernetzung der Szene gefördert wird. Dies bedeutet eine nachhaltige Stärkung, die ich persönlich für wichtiger halte als einen kurzfristigen Verkauf. Wenn man die Szene voranbringen und präsenter machen möchte sowie die Vernetzung fördern will, dann scheint genau dieses Ziel oft erreicht worden zu sein.“ Karsten betont hierzu, dass sich auch immer wieder neue feste Runden bilden, die sich über den GRT gefunden haben. „Was wir damit tun, ist in gewisser Weise eine Offline-Version der Szene zu sein – auch in Städten, in denen es keinen Rollenspielladen mehr gibt.“ Während man früher häufig über diese Läden zu Gruppen fand, findet dies heute eher übers Internet statt – oder eben bei Events wie dem Gratisrollenspieltag. Das direkte, persönliche Kennenlernen und gemeinsame Spielen hat dabei unbestreitbare Vorteile gegenüber Medien wie Facebook.

Zukunft

Für das nächste Jahr hat sich das fünfköpfige Team unter anderen vorgenommen, das Paket, welches in diesem Jahr erst wenige Tage vor dem Event selbst auf den Weg gebracht wurde, eher zu versenden – dies ist auch mit der häufigste Wunsch für das nächste Jahr. Beim nächsten Mal – zum 24. Februar 2018 – möchte man dies bewerkstelligen. „Wir sind guter Hoffnung, dass die Pakete knapp drei Wochen vorher vor Ort sind“ meint Andreas. Möglicherweise auch wieder mit gedruckten Postern: „Wenn man die Plakate zwei Wochen vorher aufhängt, sollte das reichen – deutlich früher wäre das sowieso nicht sinnvoll.“ Ob diese jedoch realisiert werden können, steht jedoch noch nicht fest, da der GRT selbst keinerlei finanzielle Mittel besitzt. Nicht unterschätzt werden sollte nach Karstens Meinung die Online-Werbung. Hierzu möchte man in einem Guide auch ein paar Tipps und Anregungen geben und steht dabei auch in Kontakt mit einigen jener Events, die besonders viele Besucher angezogen haben. Besonders ergiebig sollen dabei Werbung in lokalen Gruppen als auch Kontakt zur Lokalpresse sein, während Flyer, die einige Veranstalter ausgelegt hatten, von diesen in der Nachbetrachtung als als nicht effektiv eingeschätzt wurden.

Der frühere Versand ist jedoch auch deswegen häufiger gewünscht worden, um sich vorab mit dem bereitgestellten Material befassen zu können, damit Spielleiter mit diesem Runden anbieten können. Andreas betont jedoch, dass sie hier auch von den einzelnen Verlagen abhängig sind, die in der Vergangenheit zuweilen erst verspätet ihr Material zum Versender geschickt haben. Mit einer früh terminierten Deadline zur Einsendung will das Team dafür sorgen, dass es im nächsten Jahr besser läuft, und sich das Event weiter verbessert und wächst. Wir freuen uns jedenfalls schon auf das nächste Jahr!.

Artikelbilder: Gratisrollenspieltag

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