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Nicht ohne Skepsis begutachteten die Comic- und Cosplay-Szenen eine neue Con-Reihe in Stuttgart. Kann eine Con südlich von Frankfurt genug Leute anziehen um die große Halle der Messe Stuttgart zu füllen? Sie konnte und dieses Jahr kam noch eine Halle dazu. Wir waren da und berichten was ihr verpasst habt.

Ein Artikel von Michael Engelhardt und Myriam Bittner

Die Comic Con Germany in Stuttgart legte 2016 einen beachtenswerten Start hin, und 50.000 Besucher strömten in die Halle 1 der Messe. Trotz einiger Kritik, besonders am Einlass, der nicht auf so viele Besucher vorbereitet schien, wurde die professionelle Organisation gelobt. Doch diese ist kommt nicht von ungefähr, denn hinter der Comic Con Germany steht Dirk Bartholomä, der bereits seit gefühlten 100 Jahren die FedCon und MagicCon (ehemals RingCon) organisiert und entsprechend Erfahrung und Kontakt mitbringt. Dennoch ist eine Con mit mehreren 10.000 Besuchern nochmal eine andere Hausnummer. Doch erhielt bereits die erste Auflage sehr gute Kritiken, so dass viele Fans sich auf eine Fortsetzung in diesem Jahr freuten.

Das Aufgebot

Wer sich im Vorfeld über die Gäste schlau machte, fand dort sowohl einige große bekannte Namen, als auch ein paar Perlen für waschechte Fans eines Franchise.

Das verzückteste Fankreischen dürfte den Leser wohl bei John Barrowman überkommen haben, der Star aus Torchwood und Arrow hatte auch gleich zwei Panels. Ältere Semester dürften ähnliche Reaktionen bei Michael Biehn, der mit Alien und Terminator große Erfolge feierte, aber ebenso Herbert Jefferson Jr. und Dirk Benedict, die in der alten Serie Kampfstern Galactica die Menschheit retten mussten, an den Tag gelegt haben. Überraschend für viele war sicher auch die Teilnahme von Kevin Sorbo. War er einst als Hercules aus gleichnamiger Serie oder Captain Dylan Hunt aus Andromeda nicht aus der Serien-Landschaft wegzudenken, ist es sehr still um ihn in den letzten Jahren geworden.

Aber auch Comic-Fans kamen ganz auf ihre Kosten, und eine große Riege deutscher und internationaler Zeichner gaben sich die Ehre. Für die meisten Lacher sorgten da wohl Joshua Sauer und Haiko Hörnig, besser bekannt als NICHTLUSTIG.

Wie inzwischen eigentlich üblich, reihten sich auch zahlreiche bekannte Cosplayer in die Gästeliste ein. So gaben unter anderem Bakka Cosplay, Eye of Sauron, Evil Ted, Lilly Fortune, Calssara und Liechee spannende Einblicke in ihre Arbeit und viele wertvolle Tipps für aktive Cosplayer.

Leider gab es aber auch einige Absagen. Lena Headey, besser bekannt als Cersei Lannnister, und Ming-Na Wen hatten leider berufliche Verpflichtungen. Schon wieder, möchte man sagen, hat sie doch schon letztes Jahr absagen müssen. Kurzfristig ist auch Eric Roberts ausgefallen. Das wurde jedoch auf der Con selber so schlecht kommuniziert, dass an beiden Tagen Fans auf sein Panel warteten. Im Vorfeld bekannte Absagen wurden jedoch offen und rechtzeitig kommuniziert, so dass die enttäuschten Fans zumindest etwas milder gestimmt wurden.

Organisatorisches

Die Messe Stuttgart ist ausgezeichnet zu erreichen. Wer mit dem Auto kommt, kann direkt über die Messe-Ausfahrt der A8 einen der rund 7.000 Messe-Parkplätze ansteuern. Wer 5-10 Minuten laufen verkraftet, kann sogar auf 14.000 Parkplätze zugreifen.

Über den S-Bahnhof des Flughafens besteht auch eine direkte Verbindung zum Hauptbahnhof Stuttgart. Dazu kommen der Fernbusbahnhof, der rund 5 Minuten Fußweg von der Messe entfernt ist und natürlich der Flughafen selber. Somit bleiben fast keine Wünsche offen und in einer fernen Zukunft gibt es sogar eine ICE-Anbindung.

Zur Freude der Besucher hat der Veranstalter auf die Kritik des Vorjahres reagiert und die Einlasskontrolle aufgestockt. So waren die Wartezeiten, trotz teils langer Schlangen erträglich. Zum Glück einiger Teilnehmer, haben viele Besucher nur einen Eingang genutzt, dabei gab es noch weitere Einlasszelte. Der Einlass selbst lief zügig, professionell und freundlich. Hervorzuheben ist hier besonders die Waffenkontrolle, die mit viel Verständnis und gesunden Menschenverstand durchgeführt wurde. So musste kaum einer sein geliebtes Accessoire wieder ins Auto bringen.

Große unhandliche Gegenstände konnten an einer extra Requisiten-Garderobe abgegeben werden, um dort zwischen den einzelnen Einsätzen zu warten.

Diesmal wurde die Comic Con um die Halle 3 der Messe Stuttgart erweitert. Damit standen rund 40.000 qm für Comics, Panels, Shopping, Fotos und zahlreiche Angebote zur Verfügung. Dabei wurde nicht einfach weiter vollgestopft, sondern auch deutlich, im Vergleich zum letzten Jahr, die Messe entzerrt. Dennoch wurde es besonders am Samstag manchmal extrem eng. Wem das zu viel wurde, konnte sich im Außenbereich etwas Luft gönnen, spontan Picknicken oder einem Outdoor-Shooting auf grüner Wiese oder Hightech-Fronten widmen.

Allgemein gab es erfreulich viele Ecken zum Entspannen und Sitzen oder für spontane Shootings.

Auch kulinarisch wurde einiges geboten, vom typischen Messerestaurant über Asia-Spezialitäten, zu Hot Dogs, Pizza oder Crêpes und Eos, war für jeden Geschmack etwas dabei. Dabei waren die Preise, für eine Messe, absolut in Ordnung und teilweise nicht höher als auf einer beliebigen Fußgängerzone.

Was gab es zu erleben?

Langeweile konnte nur schwer aufkommen, ob man sich in den zahlreichen Comics verlor, den Zeichnern bei der Arbeit zu sah, von Panel zu Panel huschte oder eine Runde Segway fahren wollte.

Mit Asmodee war auch einer der größten Brettspielverlage dabei, der an einem großen Stand zum Testen seiner diversen Spiele einlud. Wer es lieber digital mochte, konnte sich in die Virtual Reality begeben, oder an der Konsole in den Dancebattle einsteigen.

Ein buntes Merchandise lud zum reichlich Geld ausgeben ein, dabei waren neben den üblichen Verdächtigen, wie Merchhändlern, auch einige kleine Highlights dabei. Eines davon die Comichändler, die, wie man es aus Film und Fernsehen kennt, nur eingeschweißte Exemplare verkaufen. Viel Zulauf hatte auch ein japanischer Teehändler, wo man sich seine eigene Mischung frischer offener Tees abfüllen konnte.

Mit den StarTrooper Germany, konnte man auch das deutsche AvP Universe bestaunen, mit der Inquisition aus Warhammer über Häresie plaudern oder den Ghostbusters Deutschland über die Schulter schauen.

Wer sein Kostüm in den Ring werfen wollte, konnte das bei gleich zwei Wettbewerben machen. Neben dem, schon fast obligatorischen Cosplay-Wettbewerb, gab es von Panini Comics noch einen Superhelden Cosplay Wettbewerb, der mit großartigen Auftritten für reichlich Lacher und viel Jubel sorgte.

Künstler im Fokus

Besonders profitiert von der Änderung des Saalplans, im Gegensatz zur Comic Con Germany 2016, haben die Zeichenkünstler. Im vorigen Jahr noch teils hinter Trennwänden am Ende der Halle abgeschottet, fand man die vielen Zeichner und Illustratoren nun mitten in der Comic Zone, gruppiert um eine Bühne. „Wir sind mehr als letztes Jahr und deutlich besser verteilt“, freut sich die Illustratorin Naraseth aus Tübingen. „Alles ist offener, freundlicher, es gibt mehr Platz zum Laufen und durch die Nähe zur Bühne bekommt man den Zeichenworkshop der Profis direkt mit.“

Allerdings barg diese räumliche Nähe zum Zentrum der Comic Zone auch Nachteile. „Vor allem die Werbung war viel zu laut, an den Ständen direkt an der Bühne konnten wir uns kaum mit den Kunden unterhalten“, berichtet die Künstlerin Mohnfuchs Somnioidea. Auf Bitten der Standbetreiber wurde allerdings bald reagiert und die Lautstärke verringert. Überhaupt wurde die Organisation der Messe von den Illustratoren und Künstlern sehr gelobt. „Man fühlt sich im Vergleich zu manch anderen Cons wirklich gut betreut“, so Palecoral, llustratorin für Browsergames und Hobby-Comiczeichnerin aus Hamburg.

Auch kleine Buchverlage freuten sich über die Platzierung ihrer Stände an der Grenze zwischen Comic Zone und Merchandise. „Die Kinderkrankheiten der letzten Con – hässliche Spanholzwände ganz am Rand der Halle – wurden behoben“, beschreibt Marc Hamacher, Inhaber des regionalen Buchverlags Leseratten aus Allmersbach im Tal. „Für uns ist es eine besondere Chance, da wir keine weite Anreise haben, sonst könnten wir das kaum stemmen.“ Für das nächste Jahr hofft er auf weiter steigende Bekanntheit. „Irgendwann ist man dann ein bekanntes Gesicht, da kommen die Leute wieder und fragen direkt nach Neuerscheinungen.“

Die Integration der „Kleinen“ zwischen den „Großen“ trug in jedem Fall zu einer runden, ganzheitlichen Atmosphäre bei, die den Anspruch der Vielfalt, welche sich die Comic Con Germany auf die Fahne geschrieben hat, gut unterstreicht.

Panels

Das Aushängeschild und viel beworbene Highlight der Comic Con Germany war das Panel mit John Barrowman. Der bekannte Schauspieler und geborene Entertainer unterhielt einen Großteil der gesamten Con-Besucher an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zuerst mit einer kleinen Stripshow und danach mit vielen lustigen Anekdoten aus seiner Zeit bei Torchwood und Arrow. Offen und charmant wurden viele Fanfragen beantwortet. So verriet er seinen peinlichsten Moment als Schauspieler, die gefährlichste Situation seines Lebens, als er sich mit einem Rennauto mehrmals überschlug und was er tun würde, wenn er einen Tag im Leben Captain Jack Harkness sein könne.

Passend zum 4. Hochzeitstag mit seinem Partner Scott und dem gerade verabschiedeten Gesetz des Deutschen Bundestages schloss Barrowman das Panel mit einem flammenden Appell: „Wenn ihr jemanden liebt, lasst euch von niemandem sagen, ob ihr das dürft“. Im Anschluss brachte der ausgebildete Musical-Sänger den Saal mit seiner Version von „A Thousand Years“ in einer Mischung aus Freude und Rührung zum Toben. Auch dieses Lied widmete er seinem Partner. Als Publikumsmagnet der Con hat das Panel die Erwartungen sicher erfüllt, diese Fußstapfen nächstes Jahr auszufüllen, wird alleine durch die Entertainerqualitäten eines John Barrowman nicht einfach werden.

Mit Brian Muir konnte die Con mit einem hochkarätigen Gast aus der Welt hinter den Kulissen bekannter Blockbuster aufwarten. Der inzwischen in Rente gegangene Skulpteur, der Produktionen wie Star Wars, Alien, Harry Potter und Beauty & The Beast ihre charakteristischen Kulissen verlieh, sprach über die Entwicklung der Film-Bildhauerei seit den 60er Jahren. Trotz des Siegeszugs von CGI und Co sieht er seinen Beruf jedoch nicht in Gefahr. So berichtete er vom Set von Beauty & The Beast, welches mehr handgefertigte Kulissen aufwies als viele Produktionen der letzten Jahre, sowie von seinem Wettbauen gegen einen 3D-Drucker, welches er klar für sich entschied, sowohl in Fragen der Kosten und der Detailgenauigkeit, als auch in der letztendlichen Kundenzufriedenheit. Die neuen Techniken, so sein Fazit, seien nicht der Feind der Kulissenbauer, sondern eine Ergänzung, die richtig eingesetzt zu großartigen Endergebnissen führe.

 

Marius Pawlitza und Haiko Hörnig, letzterer auch bekannt als Co-Autor der berühmten NICHTLUSTIG-Comics, stellten im Atrium ihr gemeinsames Projekt „A House Divided“ vor. Der Fantasy-Comic über ein Waisenmädchen, das den Magierturm ihres verstorbenen Onkels und alle sich darin befindenden Mysterien und Probleme erbt, erschien zuerst online als Webserie. Nun hat Carlsen Comics den ersten Teil als Buch veröffentlicht, der zweite Teil ist bereits in Arbeit. Bei ihrem Vortrag gaben Pawlitza und Hörnig nicht nur eine durch Soundeffekte untermalte Lesung des Anfangs, sondern informierten auch über ihre Arbeitstechniken, die Phase der Pre-Production und zeigten Concept Art. So wurde unter anderem gezeigt, wie wiederkehrende Stilelemente in Kleidung und Architektur subtile Einheit in der Vielfalt schaffen, oder welcher Aufwand hinter der kohärenten Darstellung einer gezeichneten Stadt steckt. Besonders lang haben sie sich auch mit der Konzeption ihrer Heldin, Henrietta Achilles, auseinandergesetzt. „Die Entscheidung für ein Mädchen fiel relativ schnell, aber Henrietta selbst hat lange gebraucht. Wir wollten, dass sie ein ganz normaler Mensch ist, keine Prinzessin, kein Model und das sollte sich auch in ihrem Aussehen und ihrer Art widerspiegeln.“
Auf Nachfragen schlossen die beiden Künstler eine Weiterentwicklung des Comics zu einem Film oder einem Point&Click-Adventure nicht aus. Allerdings stellten sie ebenfalls klar: „Das ist Zukunftsmusik. Unser Fokus liegt momentan auf der Fertigstellung von Teil 2.“
Man darf gespannt sein, welchen neuen Abenteuern sich die Heldin zu stellen hat. Pawlitza und Hörnig verrieten nur so viel: „Es geht in den Keller… da unten ist nochmal eine ganz eigene Welt.“

Exklusive Einblicke gab es auch von Virgine Besson-Silla, Produzentin von Valerian und Frau des bekannten Regisseurs und Produzenten Luc Besson. In ihrem Panel zeigte sie Filmszenen, die bisher noch nicht öffentlich zu sehen war. Charmant beantwortete sie dann dazu noch die Fragen der zahlreichen Fans. Mit knapp 200 Millionen Euro ist Valerian schon jetzt die teuerste europäische Produktion aller Zeiten. Die gezeigten Szenen machen Hoffnung, dass die Kosten locker eingespielt werden.

Fazit

Kritikpunkte gibt es auf jeder Con, doch hier halten sie sich wirklich stark in Grenzen. Auch für ein erfahrenes Team ist eine Con dieser Größe eine Herausforderung und die haben die gemeistert.

Die Entzerrung auf zwei Hallen war eine kluge Entscheidung, wenngleich dadurch der Ertrag sicher etwas geschmälert wurde. Aber lieber zufriedene Fans die auf lange Sicht immer wieder kommen, als Schnellschüsse. Auch die Hallen thematisch einzuteilen, trug zu einer guten Atmosphäre bei, und machte es viel leichter den Dingen nachzugehen, die einen interessierten.

Mit John Barrowman war ein echter Entertainer auf der Bühne und die Stars aus der Jugend einiger Teilnehmer waren eine schöne Wahl. Wir werden gerne wiederkommen und freuen uns auf die nächste Comic Con in Stuttgart. Der Termin für 2018 ist auch schon bekannt, den 30. Juni und 01. Juli solltet ihr für eine Reise nach Stuttgart vorsehen.

Mehr Bilder findet ihr hier: Impressionen und kompletter Superhelden Cosplay Contest

Galerie des Superhelden Cosplay Contest

Artikelbilder: ©Teilzeithelden

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