Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Spider-Man Homecoming ist die neueste filmische Interpretation der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft. Diesmal hat Sony sich für einen Teenager als netzschwingenden Fassadenkletterer entschieden. Was bietet diese neue Interpretation und ist sie auch für Zuschauer verständlich, die nicht tief im Marvel Universum verwurzelt sind?

Ich schicke gleich vorweg, dass diese Rezension etwas anders sein wird, als es meine sonstigen Filmrezensionen sind. Als Insider im Marvel Extended Universe hat mein geschätzter Teamkollege Holger Christiansen schon eine ausgezeichnete Rezension zu Spider-Man Homecoming,

Nun gilt es, zu prüfen, ob der Film auch für den Gelegenheitsgast in diesem Universum verständlich und vor allem unterhaltsam ist.

Vorab ein paar Prämissen: Da ich mich bei Marvel nur sehr begrenzt auskenne, war für mich Peter Parker stets ein naturwissenschaftlich interessierter junger Fotoreporter, der im Konflikt mit seinem Chef J. J. Jameson steht, bei seiner weißhaarigen Tante May wohnt und mit dem hübschen Rotschopf Mary Jane Watson zusammen ist. Ich hielt dies für popkulturelle Allgemeinbildung, und in den Spider-Man-Filmen der 1990er wurde auch genau dieses Bild bedient. Bei der Neuinterpretation darf man sich getrost von diesen Facetten verabschieden und den Blick für etwas völlig Neues öffnen, das dennoch dem Mythos Spider-Man in ungewohnter Weise gerecht wird.

Story

Die Story von Spider-Man Homecoming setzt zumindest eine Grundkenntnis der Avengers-Filme voraus. Denn gleich zu Beginn eröffnet der Film mit den Folgen des Chitauri-Angriffes auf New York. Unternehmer Toomes hat die Rechte erworben, die Technologie der Aliens zu bergen und auszuschlachten. Dafür hat er sein gesamtes Vermögen investiert. Doch das Department of Damage Control der USA machen ihm einen Strich durch die Rechnung, als sie völlig unerwartet an seiner Arbeitsstätte auftauchen, die Materialien beschlagnahmen und jede weitere Arbeit daran untersagen. Toomes sieht sich und seine Familie vor dem Ruin. Doch zum Glück haben die Regierungsmitarbeiter eine Lieferung übersehen. Zusammen mit seinem Techniker macht sich Toomes daran, doch noch Profit aus der Sache zu schlagen und den sozialen Status seiner Familie zu retten.

Acht Jahre später treffen wir auf Peter Parker, der nach dem Kampf in Avengers – Civil War von Tony Stark einen Probezeit als Superheld aufgebrummt bekommt. Dafür erhält er von Tony einen High-Tech-Anzug, der ihn in seinem Kampf unterstützen soll. Für Peter beginnt ein aufregender Kampf um seine Identität. Denn mit kleinen Heldenaktionen in der Nachbarschaft muss er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen und gleichzeitig das Leben eines ziemlich nerdigen Schülers leben, der unter Mobbing und Ausgrenzung genauso zu leiden hat wie unter dem Erwachen erster amouröser Interessen. Peter strauchelt schwer in seinem Versuch, alles unter einen Hut zu bekommen. Da hilft es auch wenig, dass Tony Stark sich als ziemlich desinteressiert und anderweitig beschäftigt zeigt. Als Peter dann auch noch in die Geschehnisse illegale Waffengeschäfte mit außerirdischer Technologie hineingezogen wird, beginnt seine erste wirklich große Herausforderung.

Wer die Handlung wirklich bis zum Ende verfolgen möchte, dem sei gesagt, dass es diesmal zwei köstliche Abspann-Szenen gibt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSBjbGFzcz0ieW91dHViZS1wbGF5ZXIiIHdpZHRoPSI2OTYiIGhlaWdodD0iMzkyIiBzcmM9Imh0dHBzOi8vd3d3LnlvdXR1YmUtbm9jb29raWUuY29tL2VtYmVkL1UwRDNBT2xkak1VP3ZlcnNpb249MyYjMDM4O3JlbD0xJiMwMzg7c2hvd3NlYXJjaD0wJiMwMzg7c2hvd2luZm89MSYjMDM4O2l2X2xvYWRfcG9saWN5PTEmIzAzODtmcz0xJiMwMzg7aGw9ZGUtREUmIzAzODthdXRvaGlkZT0yJiMwMzg7d21vZGU9dHJhbnNwYXJlbnQiIGFsbG93ZnVsbHNjcmVlbj0idHJ1ZSIgc3R5bGU9ImJvcmRlcjowOyIgc2FuZGJveD0iYWxsb3ctc2NyaXB0cyBhbGxvdy1zYW1lLW9yaWdpbiBhbGxvdy1wb3B1cHMgYWxsb3ctcHJlc2VudGF0aW9uIGFsbG93LXBvcHVwcy10by1lc2NhcGUtc2FuZGJveCI+PC9pZnJhbWU+

Darsteller

Mit Tom Holland ist ein ausgezeichneter junger Schauspieler in den Anzug des Spinnenmannes geschlüpft. Holland legt einen außergewöhnlichen Charme an den Tag, der ihn für den Zuschauer augenblicklich zum Sympathieträger werden lässt. Sein Kampf um die eigene Identität ist absolut glaubhaft dargestellt. Gerade jüngere Zuschauer werden sich mit dieser freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft identifizieren können, was den Film auch einem jüngeren Publikum sehr nahe bringt. Ich habe in der Darstellung dieses Charakters viele der Probleme meiner Schüler, die im gleichen Alter sind, wiedererkannt. Und der gesamte Habitus passt hervorragend zu einem leicht bis deutlich überforderten Teenager.

Michael Keaton, der ja schon mit Batman, Birdman und Robocop zu den Veteranen des Superhelden/Action-Genres gehört, spielt seinen Gegenspieler erfrischend. Es tut gut, einmal nicht mit einer tragischen Leidensgeschichte konfrontiert zu sehen, sondern einen Gegner mit sehr durchschnittlichen Nöten und Ängsten zu erleben, der durch die Situation langsam seine Skrupel verliert und sich in seinem eigenen Netz der Kriminalität verfängt, bis es keinen Ausweg mehr zu geben scheint. Diese menschliche, nachvollziehbare Komponente macht diesen Film so sehenswert. Nicht der große Weltenzerstörer steht auf dem Plan. Die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft steht dem Schurken von nebenan gegenüber,

Robert Downey Jr. hat im Ironman natürlich eine der Paraderollen seines Lebens gefunden und auch diesmal bietet er einen ausgezeichneten Tony Stark. Die Befürchtung, der Charakter könnte zu dominant werden und Peter Parker mit seiner Präsenz überstrahlen, bewahrheitet sich zum Glück nicht. Tony und Peter verbindet eher eine Art gutartiger Vater-Sohn-Konflikt, der beiden Charakteren Tiefe verleiht. Tony Starks Schwächen und Fehlentscheidungen in diesem Film machen den Charakter noch ein Stück menschlicher und sympathischer.

Auch Chris Evans steht als Captain America für ein paar Cameos vor der Kamera und nimmt sich gehörig selbst auf die Schippe.

Besonders gefallen hat mir die Riege der Jungschauspieler. Neben Tom Holland sind das Jacob Batalon als Vollnerd an Peters Seite, Laura Harrier als Peters Flamme Liz und schließlich Zendaya, die die sehr zynische und über allem stehende Michelle verkörpert.

Ein netter Seitenhieb auf den Marvel-Konkurrenten DC Comics ist der eifersüchtige und gehässige Mitschüler Flash, der Peter das Leben schwer macht. Gleich in seiner ersten Szene bekommt er zu hören, dass Geschwindigkeit nicht immer ein Vorteil ist. Das zielt klar auf den gleichnamigen Speedster des Konkurrenzhauses, der Zuschauern aus Comics und der sehr erfolgreichen Serie bekannt sein dürfte.

Inszenierung

Spider-Man Homecoming ist kein typischer Actionfilm. Die Action ist sparsam eingesetzt und nicht so überdimensioniert, wie man es aus anderen Superheldenfilmen kennt. Für den klassischen Spider-Man, den ich aus vergangenen Tagen kenne, ist dann einiges doch sehr High-Tech, was natürlich an den Einflüssen von Tony Stark liegt..

Die Effekte orientieren sich an den Avengers-Filmen, ohne in den Spektakeln zu versinken, die man dort leider zu oft geboten bekommt. Der Film lässt sich Zeit, und das tut gut.

Erzählstil

Homecoming versteht sich teilweise als Actionfilm, teilweise als Teenage-Drama und teilweise als Komödie. Das gibt eine frische, lebendige Mischung, die den Zuschauer mitreißen kann. Der Film bietet eine überschaubare Problemstellung, die ein junger und unerfahrener Held handhaben kann. Es geht nicht um die große kosmische Bedrohung und nicht darum, politische Botschaften in unterhaltsamer Form zu transportieren. Damit hebt sich dieser Streifen deutlich von den Superheldenfilmen der letzten Jahre ab. Der Film um den Netzschwinger bleibt ziemlich bodenständig.

Die harten Fakten:

  • Regie: Jon Watts
  • Darsteller: Tom Holland, Michael Keaton
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: 3D

 

Fazit

Jon Watts ist mit Spider-Man Homecoming ein ausgezeichneter Film gelungen. Der Zuschauer bekommt einen bodenständigen, nicht übertriebenen Superheldenfilm, der sowohl durch seine gelungene Action als auch durch seinen Humor zu überzeugen weiß. Im Vordergrund steht nicht die große Bedrohung, sondern das Ringen eines Heranwachsenden mit der eigenen Identität. Tom Holland schafft es, diesen Aspekt überzeugend und sympathisch an den Zuschauer heranzutragen. Mit Michael Keaton hat er einen erfahrenen und unglaublich charismatischen Antagonisten gefunden, dessen Motivation vollkommen nachvollziehbar und menschlich wirkt. Und auch Robert Downey jr. weiß zu überzeugen, ohne aber den Film zu dominieren. Es macht großen Spaß, Peter Parker auf seinem Weg zum Erwachsenwerden zu begleiten. Dieses Coming-of-Age-Moment macht den Film auch für jüngere Zuschauer zu einem Highlight unter den bisherigen Marvel-Filmen.

Ganz ohne Vorkenntnisse wird es schwer werden, den vollen Genuss aus dem Film zu ziehen. Doch muss man kein großer Comic-Leser sein, um die Handlung genießen zu können. Sehr sympathisch empfand ich den spielerisch-frotzelnden Seitenhieb Richtung DC Comics.

Artikelbilder: Disney Studios, Sony Entertainment
Der Besuch dieses Filmes wurde von den Einnahmen des Patreon-Projektes bezahlt.

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein