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Luc Besson bringt die Helden seiner Kindheit auf die große Leinwand. Der Comic Valerian und Laureline (1967 – 2010) diente als Inspiration für viele moderne Größen des Science-Fiction-Kinos. Kann die Story, die auf einem der Comics basiert, mit diesen Megahits mithalten, oder wird ihr der gebührende Ruhm verwehrt?

Als Fan der alten Comics bin ich mit ziemlicher Sicherheit voreingenommen, was eine Verfilmung des Stoffes angeht. Als Fan von Luc Besson ebenso. Daher möchte ich vorab sagen, dass mich der Film zwiegespalten zurücklässt. Einerseits bin ich begeistert von der visuellen Umsetzung des Stoffes, die sich wunderbar an der Comic-Vorlage orientiert, andererseits bin ich etwas enttäuscht davon, wie die Geschichte verändert wurde, um sie den modernen Geschmäckern und Erwartungen des Kinopublikums anzupassen. Es ist heutzutage sehr schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden, der die Erwartungen aller Zuschauer befriedigt: sowohl die der Fans des Ursprungsmaterials, als auch von Neulingen im Genre. Irgendjemand wird immer irgendetwas hassen und sich online darüber auslassen. Daher möchte ich zuallererst eine Lanze für den Film brechen und klarstellen: Star Wars hat bei Valerian geklaut und nicht umgekehrt! Valerian ist älter!

Story

Achtung: Spoiler voraus!

Eine friedliche, idyllische Welt wird unschuldiges Opfer eines intergalaktischen Krieges.

30 Jahre später werden die beiden Top-Agenten der Vereinigten Menschlichen Föderation, Valerian und Laureline, damit beauftragt, ein unschätzbar wertvolles, letztes Überbleibsel dieser Welt aus den Fängen eines Gangsters zu befreien und für die Regierung zu beschlagnahmen. Bevor es jedoch in den interdimensionalen Gassen eines riesigen Marktes zum etwas holprigen Showdown mit den Gangstern kommt, wird erst einmal tüchtig gebaggert: Valerian ist sehr daran interessiert, seine Partnerin ins Bett zu bekommen – was Laureline mit Verweis auf seine lange Liste früherer Eroberungen genervt zurückweist.

Nach erfolgreicher Mission, auf dem Weg nach Alpha, dem Sitz des Galaktischen Rates, versucht Valerian erneut, seine Partnerin zu erobern, indem er ihr aus heiterem Himmel einen Antrag macht – was die junge Frau nur noch mehr nervt.

Das zwischenmenschliche Liebesgeplänkel wird jedoch rasch zur Nebensache. Der Oberbefehlshaber der menschlichen Streitkräfte auf Alpha und zugleich Botschafter der Erde klärt die beiden Agenten über eine innerhalb Alphas aufgetretene Bedrohung auf, welche kurz davor steht, die Station zu vernichten. Die Lage spitzt sich plötzlich zu, als während der eilends einberufenen Versammlung des Sicherheitsrates von Alpha unbekannte Außerirdische den Saal stürmen und den Botschafter entführen.

Nun beginnt eine wilde, zweigleisige Verfolgungsjagd voller Spannung, Action und Humor durch die Eingeweide Alphas. Valerian heftet sich zunächst alleine an die Fersen der Entführer, während Laureline von ihren Vorgesetzten zurückgehalten wird. Doch das lässt sich die taffe Agentin nicht lange bieten, denn wie sich herausstellt, wurde der Botschafter nicht ohne Grund entführt: Hinter seiner großspurigen Fassade verbirgt sich ein scheußliches Geheimnis.

Darsteller

Die Darstellungsleistung ist durchweg solide. Die beiden Newcomer Cara Delevingne und Dane DeHaan können mit der alten Garde durchaus mithalten, wenngleich ich mich bei Delevingne ab und an frage, ob sie auch einen anderen Gesichtsausdruck als einen genervten zur Schau tragen kann. Diesen jedenfalls beherrscht sie sehr gut.

Beide Darsteller wirken teilweise zu sehr wie Teenager, die sich auf der Leinwand austoben. Gerade Dane DeHaans Valerian wirkt zeitweise arg knabenhaft und erst kürzlich der Pubertät entwachsen, vor allem dann, wenn es um sein ausschweifendes Liebesleben geht. Älteren Zuschauern könnte dies als kleine, parodistische James Bond-Anspielung auffallen, vor allem mit Blick auf die Schlussszene des Films, aber DeHaan fehlt einfach die Ausstrahlung eines Roger Moore oder eines Sean Connery.

Clive Owen, als Botschafter Arün Filitt, weiß zu überzeugen. Seiner Rolle hätte ich allerdings  mehr Vielschichtigkeit gewünscht – so ist er einfach nur der unsympathische Vorgesetzte.

Auch die weiteren Darstellungen sind grundsolide, niemand fällt wirklich negativ auf.

Lediglich Rihanna, die bereits in Battleship bewiesen hat, dass ihre Talente vorrangig beim Singen liegen, enttäuscht – aber ihre Auftritte sind dankenswerterweise klein gehalten.

Besonders gefallen haben mir zwei Cameos: Abgesehen von der gestaltwandelnden Rihanna sind auch noch Ethan Hawke und Rutger Hauer zu finden.

Inszenierung

Einen Comic dem Quellenmaterial getreu auf die große Leinwand zu bringen, ist schwierig, denn Fans wie ich werden nach jeder Ungereimtheit suchen. Und tatsächlich, ich habe einige gefunden; wobei diese dem nicht vorbelasteten Zuschauer wohl kaum auffallen dürften.

Die schlüssige und schöne Geschichte des Ursprungscomics wird in drei für mich sehr signifikanten Faktoren verändert.

Ein Geheimnis, das im Comic bis zuletzt verborgen bleibt und den Leser zum Nachdenken anregt, wird im Film schon sehr früh und deutlich aufgedeckt. Es bleibt lediglich die Frage nach dem Grund übrig, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Die letztendliche Erklärung ist nicht wirklich einleuchtend und lässt den Zuschauer mit neuen Fragen zurück. Hier wird viel „Suspension of Disbelief“ vom Zuschauer erwartet. Er soll die gegebene Erklärung einfach nicht hinterfragen.

Laureline und Valerian gehen in den Comics immer so vor, dass Gewalt und deren Androhung die letzten aller Mittel sind. Im Film aber ist vor allem Laureline überraschend schießwütig, was wahrscheinlich dem Trend zur taffen, weiblichen Hauptrolle geschuldet ist. Dabei jedoch so weit zu gehen, dass sie beinahe ein größerer Macho als er ist, finde ich übertrieben. Damit zusammenhängend empfand ich es als seltsam, dass Valerian seine Partnerin plötzlich aus einer typischen „Jungfrau in Nöten“-Situation retten muss. Das wirkte sehr erzwungen und inkonsequent.

Diese Szene ist es, die zusammen mit Punkt eins meiner Ausführung den Kreis schließt, denn im Comic gibt es wenigstens einen echten Grund für Laureline, an jenem Ort zu sein, und es ist nicht dieser im wahrsten Sinne „herangezogene“ Abstecher. Hier erschien es mir, als wolle man unbedingt ein schönes Element aus der Handlung der Vorlage einbauen – im Script zum Film fand sich dafür jedoch kein stimmiger Grund, also hat man eben einen improvisiert.

Die Sets und die Umgebung des Filmes dagegen sind absolut großartig inszeniert. Der französische Comic-Stil und Luc Bessons ganz besonderer, eigener, typischer Look gehen hier eine hervorragende Symbiose ein. Mancher Anblick ist atemberaubend, und die Detailverliebtheit in der Darstellung diverser Alienvölker und auch in allgemeinen Szenerien ist herausragend. Bilder und Aliens, sowie Charaktere aus der Comic-Vorlage wurden beinahe exakt wiedergegeben und lassen so das Herz eines jeden Fans höher schlagen.

Es wimmelt von Easter Eggs, Anspielungen und kleinen Hintergrundgags, und ich glaube, Luc Besson muss sich beim Dreh wie ein Kind im Süsswarenladen gefühlt haben – allerdings mit jeder Menge Geld. Wie sonst würde man erklären, dass Jessica Rabbit ebenso einen kleinen Auftritt hat, wie ein außerirdisches Volk, das den Mondoshawan aus Das Fünfte Element verdächtig ähnlich sieht? Auch ist zu erwähnen: Selten hat sich 3D so sehr gelohnt! Der Film funktioniert sicherlich auch in 2D, doch sind gerade die vielfältigen Habitate Alphas für dreidimensionale Darstellung wie geschaffen.

Erzählstil

Der Film nimmt nach einer ruhigen Anfangssequenz und einem kurzen Informations-Einspieler sehr schnell Fahrt auf und hält das rasante Tempo bis zum Schluss. Die Handlung konnte mich nicht völlig fesseln, aber das lag wohl daran, dass ich sie in Grundzügen bereits aus dem Comic kannte – das kann ich den Machern nicht vorwerfen. Neulinge in dieser Welt werden ihren Spaß haben, und die Geschichte wird sie mitreißen.

Bonus/Downloadcontent

keiner

 

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Fazit

Valerian – Die Stadt Der Tausend Planeten lohnt sich. Punkt.

Es ist ein bildgewaltiges Action-Spektakel, das zu unterhalten weiß: mit einer guten Geschichte, hervorragenden Effekten, originellen Darstellungen außerirdischer Völker und mit durchweg guten Schauspielern (und mit Rihanna). Die Story ist inkonsequent, was die Handlungen der Protagonisten angeht, aber das kann man einer Comicverfilmung verzeihen. Irgendwie ist es ja auch lustig, dabei zuzusehen, wie zwei Geheimagenten, die von ihren Vorgesetzten immer wieder darauf hingewiesen werden, diplomatische Zwischenfälle tunlichst zu vermeiden, beinahe nebenbei einen außerirdischen Herrscher und Teile seiner Palastwache töten. Hoppla!

Der Film ist ein visueller Augenschmaus, in 3D wie in 2D, und randvoll mit Easter Eggs, coolen Cameos, Action und Spannung.

Als Fan der ursprünglichen Comics fand ich es bedauerlich, dass die Geschichte an einigen Stellen sehr modernisiert wurde, obwohl es durchaus Sinn ergibt, wenn man den Film als eigenständiges Werk betrachtet. Es sind nun einmal andere Zeiten, nicht mehr 1967, als der Comic zuerst erschien. Und wer würde schon einen Science-Fiction-Film sehen wollen, in dem kein einziges Mal eine Pistole abgefeuert wird? Dennoch ist die Botschaft der friedlichen Koexistenz der verschiedenen Spezies noch immer vorhanden. Der Film bleibt seinem Ausgangsmaterial weitgehend treu; auch die leider ein wenig erzwungen und überhastet wirkende Liebesgeschichte zwischen Valerian und Laureline, die sich im Comic-Original über diverse Alben hinzieht, hat ihren Sinn: Schließlich bringt sie den Film zu einem augenzwinkernden Abschluss, der eines Agentenfilms des alten Schlages würdig ist.

Die zweite Meinung

von Leander Linnhoff

Valerian ist ein erfrischender und sehr unterhaltsamer Film, weit ab vom üblichen Hollywood-Kino. Einige Charaktere unterscheiden sich massiv von der Comic-Vorlage, vor allem Laureline. Dies ist sicherlich der Anpassung an ein junges Publikum geschuldet, das sich mit den hier präsentierten Figuren wesentlich leichter identifizieren dürfte, als mit den Verhaltensweisen einer frühen feministischen Heldin der 1960er Jahre. Die Bildgewalt des Films wirkt erschlagend, wie ein einziger großer Sinnesrausch, der den Zuschauer umschließt und in eine bunte Zukunftsvision gleiten lässt. Insbesondere der „große Markt“ mit seinen multidimensionalen Möglichkeiten ist ein absoluter Mind-Twister.

Der Plot weist einige überraschende Wendungen auf, ohne allzu unübersichtlich oder verworren zu werden. Die Geschichte ist gut erzählt und wird durch einen sehr gelungenen Soundtrack auf eindringliche Weise untermalt. Bei den schauspielerischen Leistungen scheiden sich die Geister; aber insbesondere in den Nebenrollen sind einige Glanzlichter zu finden. Ein großartiger Ethan Hawke als Zuhälter oder der ebenfalls sehr starke Clive Owen seien hier nur als zwei Beispiele genannt.

Valerian ist ein aus Schönheit und Bildgewalt komponiertes Abenteuer des Unterhaltungskinos, das ohne die allgegenwärtig erdrückende Düsternis vieler Science-Fiction-Dystopien der letzten Jahre auskommt. Das tut sehr gut.

Artikelbilder: Universum Film
Der Besuch dieser Kinovorführung wurde durch die  Einnahmen des Patreon-Projektes finanziert.

 

2 Kommentare

  1. Schöne Besprechung, die aber doch gerade anfangs etwas zu sehr in’s Detail geht.
    Nebenbei – 3D hat sich gelohnt? Mir ist lediglich aufgefallen, daß die Leute in einigen Szenen an einander vorbei schauen statt in die Augen, weil die Abstände der Leute durch 3D nicht mehr immer passten. Ansonsten so unnötig wie sonst etwas und hat nichts zur Handlung beigetragen. Ich würde sogar sagen, daß der Film in 2D deutlich entspannter anzusehen wäre.

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