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Lian, die Hauptfigur von Der Drachenjäger, ist eigentlich Kristallschleifer aus Skargakar, aber er muss fliehen und heuert auf einem Schiff an. Doch der Kapitän der Carryola ist kein gewöhnlicher Drachenjäger, und bald steckt Lian in mehr Schwierigkeiten und Geheimnissen, als er im Wolkenmeer je erwartet hätte.

Drachen sind Wesen, welche die Phantastik in großer Zahl bevölkern. Mal sind sie klein, mal groß, mal harmlos, mal gefährlich, mal dumm, mal von herausragender Intelligenz. Doch dass sie als gängige Jagdbeute angesehen werden, ist eher selten, und noch seltener ist es, dass die Jagd auf sie an den Walfang im 18. und 19. Jahrhundert erinnert. Doch genau dies ist der Fall in Der Drachenjäger, wo Luftschiffe ins Wolkenmeer aufbrechen, um die dort lebenden Drachen zu jagen.

Story

Lian ist der Sohn eines Drachenjägers aus der Stadt Skargakar am Rand des Wolkenmeeres, doch sein Vater hat sich seit dem Verlust seiner Beine und seiner Ehefrau dem Alkohol hingegeben, sodass Lian das Handwerk des Kristallschleifers erlernt hat. Er verbringt seine Tage damit, Kyrilliane so zurechtzuschleifen, dass die magischen Kristalle dazu geeignet sind, Schiffe in der Luft zu halten, mit seinem Freund Canzo Feierabendbier zu trinken und hin und wieder von einer Reise ins Wolkenmeer zu träumen. Doch dann gerät Lians Vater im Suff mit dem Sohn eines der mächtigsten Männer der Stadt aneinander, und Lian muss fliehen.

So heuert er auf dem erstbesten Schiff an, das die Stadt verlässt: dem Drachenjägerschiff Carryola. Doch dessen Kapitän Adaron jagt nicht einfach nur große Drachen, um mit dieser Beute viel Geld zu verdienen. Er ist auf der Jagd nach dem schwarzen Urdrachen Garganthuan, der ihm vor vielen Jahren die geliebte Partnerin und treue Freunde genommen hat. So muss Lian zwischen einem fanatischen Kapitän, einem gutmütigen Koch, raubeinigen Drachenjägern, Wolken und Drachen seinen Platz finden und sich entscheiden, was für ein Mann er sein will.

Die Handlung ist gut zu verfolgen, wird sie doch chronologisch und dicht an Lian erzählt. Aus der Perspektive eines außenstehenden Erzählers stehen stets Lians Handlungen, Gedanken und Gefühle im Fokus, lediglich die ersten beiden Kapitel widmen sich prologartig dem Vorfall, der Adarons Hass auf Garganthuan begründete. Bis auf diesen Einstieg weiß der Leser immer nur so viel wie Lian, was den Zugang in die Geschichte erleichtert, allerdings die Welt selbst als gegeben annimmt. Dadurch kommt diese in der Beschreibung hin und wieder etwas zu knapp. Dennoch hatte ich bei der Lektüre nie das Gefühl, dass mir entscheidende Informationen fehlten, um die Welt so gut oder schlecht zu verstehen wie Lian.

Obwohl recht früh feststeht, dass es auf eine finale Auseinandersetzung zwischen Kapitän und schwarzem Drachen hinauslaufen wird, bleibt das Buch spannend. Verschiedene Ereignisse ändern den Kurs der Reise und vor allem Lian und seine Sicht auf die Welt. Der junge Mann ist dabei ebenso glaubhaft wie die anderen Figuren. Selbst Adaron in seinem Wahn, Garganthuan um jeden Preis töten zu wollen, und die teilweise nur knapp beschriebenen Nebenfiguren sind glaubwürdig und handeln nachvollziehbar.

Schreibstil

Bernd Perplies ist ein geübter Erzähler, was sich auch an seinem flüssig lesbaren Stil ohne zu komplizierte Begriffe oder schlimm verschachtelte Sätze zeigt. Lediglich zwei sprachliche Punkte lassen sich anmerken: Eine Figur wird mehrfach als Amazone bezeichnet, was zwar einerseits zutrifft, ist sie doch eine Kriegerin, aber die Bezeichnung aus der griechischen Mythologie wirkt etwas deplatziert. Außerdem wird einiges an nautischem Vokabular genutzt, was an Bord des Flugschiffes absolut stimmig ist und zur Atmosphäre beiträgt, doch nautisch Ungebildete vor Verständnisprobleme stellen könnte, da das Buch über kein Glossar verfügt. Aber letztlich ist beides Jammern auf hohem Niveau.

Die Welt selbst ist, anders als in einigen anderen, teils sehr berühmten Büchern, keine wichtige Figur der Handlung, deren Aussehen langatmig geschildert wird, sondern bildet den Hintergrund der Geschichte. Sie wird vorwiegend in Details beschrieben oder angedeutet, die vollkommen ausreichen, ein Gefühl für die Welt und die Lebensrealität der Figuren zu entwickeln. Vieles weiß der Leser nach Abschluss der Lektüre nicht über die Welt. Doch dies stört niemals, ist doch alles, was für Verständnis und Gefühl für die Geschichte notwendig ist, vorhanden.

Der Autor

Bernd Perplies, Jahrgang 1977, ist in der deutschen Phantastikliteratur alles andere als ein Neuling. Nach seinem Studium der Filmwissenschaften und Germanistik widmete sich der Rollenspieler und Familienvater in seinen Büchern schon mehrfach Drachen. Das Imperium der Drachen wurde 2015 mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet (unsere Rezension des ersten Bandes und ein Interview mit dem Autor findet ihr an dieser Stelle).

Perplies schreibt häufig mit dem Phantastikautoren Christian Humberg zusammen, unter anderem die Kinderbuchreihe Drachengasse 13 und die ersten Star Trek-Romane aus deutscher Feder: die dreibändige Reihe Prometheus, deren ersten Band wir bereits rezensiert haben.

Seine offizielle Webseite findet ihr hier.

Erscheinungsbild

Das Cover zeigt ein Meer aus graublauen Wolken über den Bug eines Schiffs gesehen. An der Bordwand steht ein Mann in robuster, brauner Kleidung mit weißem Haar, der drohend oder herausfordernd eine Hand nach oben reckt. Vom oberen rechten Bildrand schiebt sich ein großer, schwarzer Drachenkopf durch die Wolken ins Bild. Die Wolken setzen sich auch auf die Rückseite des Buches fort und vermitteln sofort das Gefühl der Weite des Wolkenmeers. Bis auf die Haarfarbe des Mannes, die bei keiner der Figuren im Buch beschrieben wird, ist das Cover absolut gelungen.

Unterhalb des Mannes steht geschwungen der Haupttitel Der Drachenjäger, darunter folgt der Untertitel Die erste Reise ins Wolkenmeer, der nahelegt, dass Lian vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft eine zweite Reise unternehmen könnte.

Die harten Fakten:

  • Verlag: FISCHER Tor
  • Autor: Bernd Perplies
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 496
  • ISBN: 978-3596296712
  • Preis: 9,99 EUR (Print), 9,99 EUR (digital)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf Amazon lässt sich der typische Blick ins Buch finden.

Fazit

In Der Drachenjäger begleitet der Leser Lian, der aus Verzweiflung auf dem Schiff anheuert, dessen Kapitän aus persönlichen Gründen auf der Jagd nach einem der mächtigsten Drachen des ganzen Wolkenmeeres ist. Lian ist dabei kein prophezeiter Retter oder heimlicher Prinz, sondern ein recht normaler junger Mann, der anfangs keine Ahnung hat, worauf er sich wirklich einlässt, und im Verlauf der Geschichte reift.

In einer gut zugänglichen Weise erzählt der Autor an Lians Gedanken und Gefühlen entlang eine Geschichte, die zwar Ähnlichkeiten zu Moby Dick aufweist, aber abseits der zentralen Parallele des Kampfes eines Kapitäns gegen eine Bestie deutlich anders ist. Einige nautische Kenntnisse können hier nicht schaden, doch letztlich wird alles über die Welt, was für die Handlung notwendig ist, geschildert, meistens indem es beiläufig eingeflochten wird. Für erfahrene Leser ist das eine oder andere Element der Geschichte absehbar, doch dies stört keinesfalls, liest sich der Weg dahin doch überaus spannend, und auch die Erfüllung der Erwartungen ist letztlich doch nicht immer so wie erwartet.

Nicht nur, weil sich das Buch mit einem Preis von 9,99 EUR im unteren Preisbereich für ein Taschenbuch dieses Umfangs bewegt und eine spannende Geschichte bietet, ist es das Geld absolut wert. Wer eine unterhaltende Lektüre sucht, Schiffe mag und Drachen abseits des Hortens von Schätzen erleben will, dem sei es empfohlen, mit dem Drachenjäger ins Wolkenmeer aufzubrechen.

Artikelbilder: Fischer TOR
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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