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CMON ist bekannt für Spiele mit vielen hübschen Miniaturen. Doch ab und zu bringen sie auch ein Spiel komplett ohne Figuren auf den Markt. So wie das vor Kurzem von Asmodee auch auf Deutsch angekündigte Ethnos. Wir haben das Spiel für euch getestet.

CMON hieß einst Cool Mini or Not. Aber vor geraumer Zeit wurde die Abkürzung zum tatsächlichen Firmennamen. Wohl auch, um sich dem breiteren Markt der Spiele zu öffnen, die mit Miniaturen nichts zu tun haben. Genau ein solches hat Paolo Mori, bekannt unter anderem durch Libertalia, nun bei CMON Spieler versuchen dabei mittels eines Draft-Mechanismus die richtigen Karten zu erhalten, um ihren Einfluss in verschiedenen Regionen zu erhöhen und damit Ruhm für sich selbst zu erlangen. Die Karte erinnert dabei stark an die Slowakei, wobei mir neu wäre, dass es dort Exemplare der zwölf im Spiel vorhandenen phantastischen Kreaturen gäbe.

Spielablauf

Spielbar ist Ethnos mit zwei bis sechs Spielern. Zu Beginn des Spiels werden fünf (bei zwei oder drei Spielern) oder sechs (bei vier oder mehr Spielern) der zwölf vorhandenen Fantasyvölker zufällig ausgewählt und gemischt. Außerdem werden die Siegpunktchips zufällig auf die sechs Regionen der Karte verteilt. Bei zwei oder drei Spielern kommen zwei Chips in jede Region, ansonsten drei.

Jeder Spieler wählt eine Farbe und nimmt sich die entsprechenden Einflussmarker. Je nach den in dieser Partie vorhandenen Völkern werden dann noch weitere Spielbretter oder Marker bereitgelegt oder verteilt. Und dann kann das eigentliche Spiel auch schon beginnen.

Gespielt wird Ethnos in zwei (zwei oder drei Spieler) oder drei (vier bis sechs Spieler) Epochen. Zu Beginn jeder Epoche werden alle Karten gemischt. Jeder Spieler erhält verdeckt eine, dann werden doppelt so viele Karten, wie Spieler mitspielen, offen ausgelegt. In die untere Hälfte des so entstandenen Zugstapels werden nun die drei Drachen-Karten gemischt. Dann sind die Spieler immer reihum am Zug.

Wer am Zug ist, kann sich zwischen drei Möglichkeiten entscheiden:

  • Eine der offen ausliegenden Karten nehmen
  • Eine verdeckte Karte vom Zugstapel ziehen
  • Eine Truppe Kreaturen ausspielen
Die Ähnlichkeit mit der Slowakei ist nicht zu leugnen
Die Ähnlichkeit mit der Slowakei ist nicht zu leugnen

Es gibt ein generelles Handkartenlimit von zehn Karten. Hat man diese bereits auf der Hand, muss man eine Truppe spielen.

Wenn eine der offen ausliegenden Kreaturen genommen wird, passiert nichts weiter. Die Karten werden nicht nachgelegt.

Zieht der Spieler statt dessen eine Karte vom Stapel, kann es sein, dass er dabei einen Drachen zieht. Dieser wird aufgedeckt, und es wird sofort eine neue Karte gezogen. Sobald alle drei Drachen auf diese Weise aufgedeckt wurden, endet die Epoche augenblicklich.

Die dritte Möglichkeit – das Spielen einer Gruppe von Kreaturen – ist das Herzstück des Spiels. Jede Karte, die man über die anderen beiden Aktionsmöglichkeiten erhalten hat, hat zwei Eigenschaften: Ein Volk und eine Farbe. Eine Truppe von Kreaturen muss immer eine dieser beiden Eigenschaften gemeinsam haben. Man kann also drei Trolle, egal welcher Farbe, spielen, oder aber einen roten Troll, zusammen mit einem roten Elfen und einem roten Halbling. Außerdem bestimmt der Spieler eine der beteiligten Karten zum Anführer der Truppe, was dadurch angezeigt wird, dass sie als oberste gespielt wird. Diese bestimmt sowohl das Volk als auch die Farbe der Truppe. Die Farbe gibt dabei an, in welcher Region ein Einflussmarker gelegt werden kann – sofern die Truppe mindestens um eine Kreatur größer ist als der bereits vorhandene eigene Einfluss in dieser Region. Das Volk bestimmt, welche Sonderfähigkeit aktiviert wird. Dies kann zum Beispiel das Ziehen von Karten sein, die Möglichkeit, direkt noch eine weitere Truppe zu spielen oder Punkte für eine Sonderwertung zu geben. Die zwölf Völker unterscheiden sich hier maßgeblich, wobei nicht jede Fähigkeit gleich stark ist, manche Völker also wertvoller sind als andere.

Truppen können beliebig groß sein. Da es aber am Ende der Epoche Punkte nach Größe gibt, sollte man nicht zu viele kleine Truppen spielen. Mehr als sechs Karten auf einmal bringen aber keine zusätzlichen Punkte, sodass es im Normalfall nicht sinnvoll ist, sieben oder mehr Karten in einer Truppe zu spielen.

Nachdem man eine Truppe gespielt hat, muss man alle übrigen Handkarten in die Auslage legen, was den nachfolgenden Spielern wertvolle neue Optionen gibt. Wenn man zu lange wartet, kann das Spiel aber auch schnell vorbei sein, und die eigenen Handkarten sind damit wertlos. Den richtigen Zeitpunkt zum Spielen zu finden ist also enorm wichtig.

Am Ende einer Epoche werden Punkte für die gespielten Truppen vergeben, dann werden die sechs Regionen gewertet. In der ersten Runde erhält nur derjenige mit dem meisten Einfluss Punkte in einer Region. In der zweiten sind es die beiden mit dem meisten Einfluss, in der dritten (die es nur bei vier oder mehr Spielern gibt) die ersten drei. Im Falle eines Gleichstandes werden die Punkte aufgeteilt.

Einige Truppen aus unterschiedlichen Kreaturen
Einige Truppen aus unterschiedlichen Kreaturen

Dann werden alle Karten wieder gemischt. Auch alle besonderen Marker, die man eventuell erhalten hat, werden wieder abgegeben. Nur Einflussmarker, egal wo sie sich befinden, bleiben erhalten.

Ist all das erledigt, kann die nächste Epoche beginnen. Nach der dritten Epoche endet das Spiel, und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt. Üblicherweise ist das nach etwa einer Stunde Spielzeit der Fall.

Durch die Tatsache, dass jeder Spieler in jedem Zug genau eine von drei möglichen Aktionen ausführen kann, von denen eine, nämlich das Nehmen einer Karte aus der Auslage, oft nicht möglich ist, spielt sich Ethnos sehr zügig. Lange Wartezeiten sind selbst bei den maximalen sechs Spielern eine Seltenheit.

Strategie ist ein wichtiger Aspekt des Spieles, aber durch den Umstand, dass man oftmals verdeckt Karten vom Stapel ziehen muss, gepaart mit der Tatsache, dass die Völker unterschiedlich wertvoll sind und auch die Regionen unterschiedlich viele Punkte bringen, ist der Glücksfaktor nicht zu unterschätzen. Gerade das verdeckte Ziehen ist vielen Spielern ein Dorn im Auge, und so kursieren bereits mehrere Vorschläge für Hausregeln, die den Strategie- und Taktikanteil erhöhen sollen.

Nahaufnahme des Spielfeldes mit Einfluss- und Siegpunktsteinen
Nahaufnahme des Spielfeldes mit Einfluss- und Siegpunktsteinen

Das Spiel funktioniert mit jeder möglichen Spieleranzahl gut, jedoch ist das Spielerlebnis sehr unterschiedlich. Je weniger Spieler teilnehmen, desto mehr Spielzüge hat jeder einzelne. Das Risiko, dass man selbst nicht erneut an die Reihe kommt, sinkt erheblich. Auch sind Gleichstände in den Regionen weniger wahrscheinlich, und es ist möglich, größere Truppen zu sammeln.

Je mehr Spieler im Spiel sind, desto größer wird der Chaos- und Glücksfaktor. Dem einen mag genau das gefallen, dem anderen wird das Spiel zu zweit am liebsten sein.

Durch die zwölf unterschiedlichen Völker und den variablen Spielplan, bei dem in jeder Partie andere Regionen wertvoll sind, bietet Ethnos einen abwechslungsreichen Aufbau. Auch kann man, wenn man die Auswahl der Völker nicht völlig dem Zufall überlässt, bestimmte Spielelemente mehr oder weniger häufig ins Spiel bringen und so den Vorlieben der Spielrunde anpassen.

Ausstattung

Die Karten sind von ordentlicher Qualität, werden aber durch das ständig notwendige Mischen schnell abgegriffen werden. Hier wären Kartenhüllen eine denkbare Lösung. Außerdem ist es schade, dass auf den Karten in der oberen Reihe der Name der Region statt des Volkes steht. Dieses ist zwar durch ein Symbol repräsentiert, das sticht aber nicht sofort ins Auge. Die Namen der Regionen hingegen sind vollkommen irrelevant und werden ja durch die Farbe der Karte bereits bestimmt.

Auch der Spielplan ist etwas klein. Wenn man mit der maximalen Spieleranzahl von sechs spielt, kommen sich die einzelnen Einflusstürme schnell ins Gehege. Die Marker für den Einfluss sind nett, aber die Stapel sind nicht so stabil, wie es wünschenswert wäre. Die Pappmarker für Siegpunkte und Sonderwertungen hingegen sind stabil und lassen keine Wünsche offen.

Die Box hat ein Inlay, aber dieses bietet den Komponenten nicht genug Halt, um die Box hochkant transportieren zu können. Und wenn man die Karten in Hüllen packt, so passen sie auch nicht mehr in das Inlay.

Die harten Fakten:

  • Verlag: CMON / Asmodee (angekündigte deutsche Version)
  • Autor(en): Paolo Mori
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Englisch (deutsche Version ist angekündigt)
  • Format: 30 x 30 x 6 cm
  • ISBN/EAN: B01N9M6FFG
  • Preis: UVP: 40 USD, Preis der deutschen Version noch nicht bekannt
  • Bezugsquelle: Onlinehandel

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der offiziellen Produkthomepage gibt es ein englisches How-to-Play-Video, das man sich alternativ auch direkt auf YouTube ansehen kann. Bei BoardGameGeek gibt es die Regeln auf Englisch und in ein paar anderen Sprachen. Die deutschen Regeln sind hier nicht dabei, diese findet man aber bei Asmodee (Deutsche Regeln)

Fazit

Ethnos ist ein Spiel für zwei bis sechs Spieler, bei dem diese versuchen, mit der Hilfe verschiedener Fantasyvölker die Einflussmehrheit in den sechs Regionen eines Landes zu erlangen, dessen Umrisse starke Ähnlichkeit mit der Slowakei aufweisen. Ob sich hier ein Künstler einen Spaß erlaubt hat oder es andere Gründe für diese Ähnlichkeit gibt, erschließt sich dem Spieler nicht. Einfluss auf das Spiel hat es auf jeden Fall keinen. Denn weder die Form, noch welche Regionen benachbart sind, spielt irgendeine Rolle.

Die Komponenten können nur mäßig überzeugen. Die Karten werden schnell abgegriffen sein, und das Inlay ist nicht in der Lage, die Komponenten beim Transport sicher zu halten.

Spielerisch hingegen ist Ethnos durchaus gelungen. Zumindest für ein paar Partien, denn danach fällt auf, wie hoch der Einfluss des blinden Ziehens von Karten ist, was für ein an sich strategisch anmutendes Spiel keine gute Sache ist. Hier gibt es ein paar Hausregeln, die die Situation verbessern können. Meine liebste ist, dass immer mindestens drei Karten aufgedeckt liegen, diese aber durch die Drachen ersetzt werden, so diese gezogen werden. So hat man gegen Ende der Epochen weniger Auswahl als am Anfang, aber die Epochen werden gegenüber den Grundregeln des Spiels auch nur um genau eine Karte verkürzt. Da dies aber eine Hausregel ist, geht sie nur als Tendenz in die Wertung mit ein. Aber auch ohne diese Hausregel ist Ethnos ein solides, schnelles und einfach zu erlernendes Spiel, das eine Menge Spaß machen kann, wenn man auf Spiele mit hohem Glücksfaktor Lust hat.

Mit Daumen nach Oben

 

Artikelbild: CMON
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

 

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