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Auf dem Literaturcamp gab es einige Bücher zu bestaunen, die sich am besten als eigenartig bezeichnen lassen, dabei aber teilweise eine Menge Potential für das Rollenspiel bieten. Projekt H.E.L.D. versucht Spielleiter zu animieren, sich einmal abseits des Üblichen zu spannenden Geschichten für den Spieltisch inspirieren zu lassen.

Als Spielleiterin bin ich immer auf der Suche nach Inspirationen für neue Plotideen für den heimischen Spieltisch. Ich hatte jedoch nicht damit gerechnet, auf dem Literaturcamp einer Inspirationsquelle zu begegnen, die ich zwar im Prinzip kenne, jedoch noch nie als eine solche betrachtet habe.

Projekt H.E.L.D. – Historische Ereignisse Legendär Definiert

Worum geht es?

Einer der Höhepunkte der Unterhaltung am Samstagabend auf dem Literaturcamp war Suses Cover-Kuriositätenkabinett. Dabei präsentierte Suse von Literaturschock eine Reihe an überaus kuriosen Fundstücken aus dem Reich der Cover und Rezensionen einem laut lachenden Publikum.

Rezensionen bemäkelten beispielsweise, Dantes Göttliche Komödie sei gruselig statt lustig, Die 120 Tage von Sodom vom Marquis de Sade sei nicht wie 50 Shades of Grey, sondern wirklich eklig, Frankenstein sei nichts für Kinder und zahlreiche Klassiker der Literatur wie Jane Eyre (Ersterscheinungsdatum 1847) hätten die Autoren schlecht in pseudo-altmodischer Sprache geschrieben. Dazu kamen die immer wieder auftretenden Irrläufer bei Onlinehändlern, dass Produktbesprechung und Produkt nicht zusammenpassen und sich Bücher in Fitnessgeräte oder Karateanzüge verwandeln.

Deutlich kurioser waren jedoch die Cover. Auf der einen Seite gab es Bücher, die leider ein schlechtes Titelbild bekommen hatten, so dass die Personen darauf durch einen Perspektivfehler plötzlich einen Arm mehr haben, anderweitig anatomisch völlig verbogen wurden oder so unglücklich angeordnet sind, dass ein Erwachsener seltsamen Gruppensex oder Pädophilie sieht. Auch die Fantasy- und Science-Fiction-Cover der 70er Jahre durften in der Vorführung ebenso wenig fehlen wie Das Penisbuch oder Pretty Pussies.

Die wirklichen Blüten für Spielleiter offenbarten sich jedoch vorwiegend in der Form von Ratgebern und Berichten: Do-it-yourself-Särge für Mensch und Haustier, das Nachleben mit Sex und Menschen, die nicht wissen, dass sie tot sind, sowie dass man dringend mit seiner Katze über Waffen und Satanismus sprechen sollte. Ein Teil dieser Bücher ist natürlich ironisch betitelt, aber dies ändert nichts daran, dass sie überaus kurios sind und zudem Potential für das Rollenspiel bieten.

Wie kann dies im Rollenspiel verwendet werden

Was also lässt sich damit nun für den Spieltisch anfangen?

Viele Bücher aus dem phantastischen Bereich bieten oft Dinge, die sich am Spieltisch aufgreifen lassen und genutzt werden, zum Beispiel mysteriöse, mächtige Ringe oder Eismauern, die eine Bedrohung abhalten. Doch auch die oben angeführten Bücher bieten Elemente, die fürs Rollenspiel geeignet sind und zudem noch den Vorteil bieten, nicht potenziell allen Beteiligten schon bekannt zu sein, wie der Ring oder die in sieben Teile aufgespaltene Seele eines Oberschurken. Dabei ist eine Kenntnis des Inhalts der Bücher auch nicht notwendig, in vielen Fällen reichen Titel und/oder Cover bereits aus, um eine ganz neue Plotlinie aufzumachen.

Einige Beispiele

Wie wäre es also mal mit einer schießwütigen Katze als Endgegner? Oder einem Kater, der Anführer eines satanistischen Katzenzirkels ist, der nicht nur für ein lokales Hundesterben verantwortlich ist, sondern zunehmend mit Menschenopfern experimentiert? Möglicherweise besteht der Zirkel jedoch auch vorwiegend aus Menschen und die durchreisenden Spielercharaktere kommen als Opfer für ein Ritual der Machtsteigerung oder Gestaltwandlung des feliden Anführers gerade recht und müssen in einer unerwarteten Situation um ihr Leben kämpfen.

Die Spielercharaktere könnten auch damit beauftragt werden, ein Haus von Geistern zu säubern, um dann festzustellen, dass es von Menschen bewohnt wird, die nicht wissen, dass sie längst tot sind und ihr gewohntes Leben weiterführen. Wer in seinem Hobbyraum Särge baut, ist ein idealer (falscher oder echter) Verdächtiger in einem Fall von verschwundenen Menschen (oder Haustieren), schon weil es in Europa alles andere als alltäglich ist, sich einen Sarg selbst zu zimmern. Unter Vampiren und anderen Untoten dagegen ist Sarg-Tuning möglicherweise von ähnlichem Stellenwert wie hierzulande bei einigen Auto-Tuning. Umso wichtiger ist es dann, die richtigen Materialien zu bekommen, was sich etwas schwierig gestaltet, wenn man nur nachts reisen kann, also können doch sicher die Spielercharaktere diese Einkäufe gegen eine kleine Belohnung übernehmen. Je nach bespielter Zeit finden sie sich dann plötzlich auf einer gefahrvollen Reise in die Tiefen des brasilianischen Dschungels wieder oder in einer Geschichte um den Schmuggel von Palisanderholz und anderen geschützten Sorten.

Die Romancover aus den 70er Jahren bieten außerdem Inspiration für seltsame Monstrositäten aller Art. Technisierte Flammenschädel und geflügelte, krallenbewehrte Frösche sind sicher dafür geeignet, einer Gruppe Spielercharaktere Probleme zu bereiten, und so manche Oberschurkin braucht bestimmt skelettierte Pekaris mit Spitzohren, Fellnacken und mechanischen Füßen als bedrohliches Haustier.

Besonders geeignet sind diese Inspirationsquellen natürlich für Settings, die in der Gegenwart spielen, wie einige Teile der World of Darkness oder Cthulhu now! Doch auch in den 1920er Jahren oder in der Hohlwelt können viele der aufgeführten Optionen Verwendung finden. Bei Cthuluidem Horror kann ein bürgerlicher Familienvater, der als Hobby Särge baut, einen ganz eigenen Gruselfaktor entfalten, auch wenn er möglicherweise vollkommen harmlos ist. In der Hohlwelt dagegen hat eher eine schießwütige Katze ein schönes Plätzchen für sich entdeckt.

Sex im Leben nach dem Tod kann von der World of Darkness bis hin nach Westeros oder Aventurien den einen oder anderen Forscher, Okkultisten oder Magier und damit Spielercharaktere beschäftigen.

Die Covermonstrositäten alter Phantastikbücher können in beinah jedem Setting einen Platz finden. Viele von ihnen sind tendenziell in der Science-Fiction heimisch, könnten aber auch das eine oder andere Steampunk-Setting bereichern. Dafür bieten sie eine Vielzahl an Möglichkeiten und wer weiß, vielleicht gibt es als neuen Endgegner in einem Science-Fiction-Setting im Weltall auch mal einen Amish-Vampir?

Weiterführende Literatur kann an dieser Stelle nicht empfohlen werden, doch es lohnt sich, bei der Abenteuervorbereitung die eigene Filterblase zu verlassen und besonders in den Ratgeberabteilungen von Bibliotheken und Buchläden, ob physisch oder digital, auf die Suche nach Inspirationen und Ideen zu gehen.

Artikelbild: Edward Norton, Kerry Nietz

1 Kommentar

  1. Ich wünschte Buchcover im Fantasy-, Sci-Fi- und Horror-Bereich wären heute noch so kreativ und teilweise absurd wie in den 70ern. Hat zwar nicht immer 100%ig zum Inhalt gepasst, aber war find ich immer eine wunderschöne Kunst für sich an die heute selten ein Buch rankommt.

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