Geschätzte Lesezeit: 12 Minuten

Derzeit läuft das Crowdfunding für HeXXen 1733, ein neues deutsches Rollenspiel bei Ulisses Spiele. Die Kampagne für das cinematisch Horror-Action-Rollenspiel hat bereits rund 40.000 EUR eingesammelt und darf als äußerst erfolgreich angesehen werden. Im Interview mit Autor Mirko Bader schauen wir auf die Kampagne, das Spiel und wie es danach weitergehen soll.

Gerade angesichts der relativen Unbekanntheit des Nachfolgers zum Fan-/Indieprojekt HeXXen 1730 muss man das laufende Crowdfunding als unerwartet erfolgreich ansehen. Scheinbar spricht das besondere Setting im Stile der Filme Hänsel und Gretel: Hexenjäger oder Van Helsing ein recht breites Publikum an – zusammen mit der stilvollen Präsentation, die neben farbigen Artworks bereits in der Standardausgabe des Grundregelwerks einen Kunstledereinband mit Prägung beinhaltet. Auch das System mit verschiedenen Rollen, die für sich und in Kombinationen Zugriff auf einzigartige Kräfte gewähren, oder der alternative historische Hintergrund, bei dem sich ein Tor zur Hölle geöffnet und Magie, Dämonen, Monster und andere Wesen in die barocke Welt gebracht hat, klingt vielversprechend. Genügend Gründe also, Mirko einmal ins Gespräch zu bitten.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.gameontabletop.com zu laden.

Inhalt laden

PGlmcmFtZSBzdHlsZT0iYm9yZGVyOiAxcHggc29saWQgYmxhY2s7IiBzcmM9Imh0dHBzOi8vd3d3LmdhbWVvbnRhYmxldG9wLmNvbS9jcm93ZGZ1bmRpbmdfcHJvbW8ucGhwP2lkPTcyJmFtcDt2PTIiIHdpZHRoPSI2MDAiIGhlaWdodD0iMjAwIiBzZWFtbGVzcz0iIj48L2lmcmFtZT4=
Mirko dürfte dem einen oder anderen Rollenspieler bereits aus seiner Zeit vor Ulisses Spiele bekannt sein – als Cthulhu-Autor, beispielsweise als Mitwirkender bei Gangster – Unheimliche Unterwelt, welches wir seinerzeit mit Höchstwertung versahen. Privat entwickelte er HeXXen 1730, welches er als kostenfreies PDF auf seiner Seite veröffentlichte und dort auch heute noch zu erhalten ist. 2015 gab Ulisses bekannt, exklusiv den Nachfolger HeXXen 1733 zu veröffentlichen. Seit 2016 ist Mirko, der zuvor rund 25 Jahre journalistisch tätig war, zudem dort festangestellt als Redakteur für nahezu alles außer Das Schwarze Auge.

Über das Spiel

Teilzeithelden: Hallo Mirko! Fangen wir an der Wurzel an – was macht HeXXen 1733 aus, und wie unterscheidet es sich von HeXXen 1730?

Mirko: HeXXen 1733 ist nach wie vor ein Monsterjägerspiel im Barock-Zeitalter. Es ist auch weiterhin actionreich, legt aber auch einen Fokus auf erzählende, cinematische Darstellung. Vom Grundprinzip hat sich nicht wirklich etwas geändert. Die Regeln sind nun aber strukturierter und schneller. Generell haben wir die Regeln angepasst, verbessert und sind etwas hin zu Spezialwürfeln gegangen, wobei man es auch weiterhin mit handelsüblichen W6 spielen kann.

Eine große Veränderung betrifft dagegen Charakterbau und -entwicklung. Diese ist nun deutlich vielseitiger und umfangreicher als bei 1730. Dort war es so, dass es Charakterklassen gab und zu jeder davon Listen mit Kräften, die man erlernen konnte. Das hat allerdings dazu geführt, dass man ab einer bestimmten Stufe alle Kräfte hatte, die man brauchte, und dann im Grunde keine sinnvolle Entwicklung mehr möglich war. Ich hab die Charakterentwicklung daher komplett umgeschmissen und vielseitiger gemacht, was bei den Testspielern bisher auch sehr gut angekommen ist. Man kann nun viel mehr tüfteln oder Kräfte kombinieren – sowohl innerhalb des Charakters als auch in der Gruppe, sodass sich auch aufeinander aufbauende Kombinationsmöglichkeiten ergeben.

Teilzeithelden: Das grundsätzliche Regelsystem basiert aber noch auf dem Vorgänger?

Mirko: Genau. Man hat weiterhin ein Pool-System, bei dem man würfelt, Erfolge zählt und bei Angriffsproben seinen Grundschaden addiert. Hinzu kommt auch wieder das Ressourcenmanagement, welches aber einfacher geworden ist. Im alten System war das noch so, dass jeder Charakter seine Ressourcen vor einem Kampf mit einer Probe ausgewürfelt hat, was eigentlich nur aufgehalten hat. Im neuen System hat man seine Ressourcen fix und einfach auf dem Charakterbogen liegen, bereit zum Ausgeben, sobald man im Kampf dran ist.

Erste Seite des Charakterbogen-Entwurfs
Erste Seite des Charakterbogen-Entwurfs

Teilzeithelden: Könnte man einen Charakter vom alten ins neue System konvertieren?

Mirko: Man müsste ihn umbauen, aber grundsätzlich sollte es gehen, da man im neuen System eigentlich alles spielen und kombinieren kann. Einfach 1:1 übernehmen wird aber nicht möglich sein. Viele Kräfte wird es auch in HeXXen 1733 geben, und grundlegende Spielmechaniken sind auch übernommen worden. Allerdings gibt es auch deutliche Unterschiede: Bei 1730 gab es fünf Charakterklassen mit in der Regel jeweils sieben Kräften, insgesamt also 35. Im neuen gibt es über 80 Kräfte, von denen alleine rund 30 Ausbaukräfte sind, die aus jeweils zehn Einzeleffekten bestehen. Ich denke, Basiswerte wie Attribute oder Lebenspunkte wird man leicht anpassen können, bezüglich der Kräfte müsste man aber wohl noch einmal neu bauen.

Teilzeithelden: Ist HeXXen 1733 ein kampflastiges System?

Mirko: Ja und Nein. Es ist schon so, dass es Kämpfe gibt – es ist eben ein Action-Rollenspiel. Es ist aber auch nicht so, dass jeder Kampf überhaupt ausgespielt wird. Gegen mächtige Anführer wird das zwar so sein, gegen einfache Schurken allerdings, die keine ernsthafte Bedrohung für die Spielercharaktere darstellen, das wird erzählerischer abgehandelt. Auf der Ratcon war es zum Beispiel wieder so, dass einige Spieler fast Panik bekamen, als ich 20 Gegnerplättchen auf den Tisch legte – aber mit dem Poolsystem ist es da auch möglich, mit mehr Erfolgen auch mehrere Gegner gleichzeitig auszuschalten. Die Anführergegner dagegen sollen sich einzigartig anfühlen. Wir werden da zwar beispielhafte Gegner im Buch haben, aber man kann diese einfach verändern, sodass sich die Spieler auch immer auf neue Gegner einstellen müssen – eine Hexe ist nicht gleich wie eine andere Hexe. Das ist mir persönlich auch sehr wichtig, dass eben nicht jedes Monster einer Art gleich ist.

Zweite Seite des Charakterbogen-Entwurfs
Zweite Seite des Charakterbogen-Entwurfs

Neben Kämpfen gibt es aber ebenso große Anteile an anderen Handlungen, wie beispielsweise Recherche, Entdeckungen, Gespräche führen oder in ein Haus einbrechen. Bei meinen Runden ist es üblicherweise so, dass es meist einen ernsthaften Kampf pro Abend gibt, und der Rest dann Recherche oder Soziales ist. Letztlich hängt es aber natürlich vom Spielleiter und dem gespielten Abenteuer ab. Richtig ist aber schon, dass rund 90 % der Kräfte auf den Kampf zugeschnitten sind. Das hängt einfach damit zusammen, dass das soziale Rollenspiel wie schon im Vorgänger viel regelfreier ist – so wie im Kampf eine Beschäftigung mit Regeln und Kräften nötig ist, soll es daneben genauso Raum geben für freies Spiel. Es gibt da zwar natürlich auch ab und zu eine Probe, aber generell braucht man zum Beispiel für eine Interaktion mit einem NPC nicht verschiedene Kräfte oder Fähigkeiten.

Teilzeithelden: Wie schnell entwickeln sich die Charaktere weiter, oder: Wie funktionieren Aufstiege?

Mirko: Relativ schnell. Es gibt keine Erfahrungspunkte, es ist eher so, dass der Spielleiter nach einem gelungenen Finale oder bestrittenem Abenteuer entscheidet, dass die Charaktere nun eine Stufe aufsteigen. Wenn man eine schnellere Kampagne möchte, könnte man auch direkt zwei Stufen aufsteigen lassen – ganz wie die Gruppe es für sich möchte. Pro Aufstieg kann man seine Fertigkeiten verbessern, neue Kräfte erwerben oder erhält eventuell auch neue Attributspunkte hinzu. Der Aufstieg an sich ist dabei innerhalb von wenigen Minuten erledigt – zumindest wenn man weiß, was man ungefähr möchte. Man kann das also auch prima während eines Spielabends machen – ich lasse meine Spieler zum Beispiel gerne in der Essenspause aufsteigen. Danach sind sie dann auch sofort wieder motiviert weiterzuspielen, weil sie ihre neuen Kräfte ausprobieren wollen.

Teilzeithelden: Auf welcher Stufe erhalten die Spielercharaktere ihre zweite Charakterrolle?

Mirko: Sie können im Grunde damit anfangen. Auf der ersten Stufe haben sie eine Rolle und mit dieser stehen ihnen fünf verschiedene Kräfte zur Wahl – diese Stufe ist aber mehr eine Art Schnupper-Stufe, für Spieler, die noch nie HeXXen oder überhaupt Pen&Paper-Rollenspiel gespielt haben. Erfahrene Spieler können direkt mit der zweiten Stufe anfangen – dort haben sie dann zwei Rollen, was auch verschiedene Kombinationen und Professionen ermöglicht.

Teilzeithelden: Wie viele Rollen kann man insgesamt erhalten?

Mirko: Auf der siebten Stufe erhält man eine dritte und letzte Rolle. Damit ist man dann so breit aufgestellt, dass man sich in nahezu jede Richtung spezialisieren kann. Da man für bestimmte Gegner auch seine Taktiken ändern muss, ist es auch empfehlenswert, verschiedene Rollen einnehmen zu können. Derzeit gibt es zehn Rollen, es wird später aber auch noch weitere Rollen und entsprechend auch neue Professionen geben, die ja jeweils zwei bestimmte Rollen voraussetzen. Für die auch im Crowdfunding erhältliche Kampagnenbox Königreich der Dornen, die im Erzgebirge und im Meißener Hochland spielt, habe ich derzeit eine Profession „Bergmann“ oder „Schürfer“ ins Auge gefasst, mit der man dann auch entsprechend wieder ganz neue Kräfte erlernen kann.

Eine der neuen Illustrationen für HeXXen 1733
Eine der neuen Illustrationen für HeXXen 1733

Teilzeithelden: Findet man denn im Grundregelwerk alles vor, was man letztlich zum Spielen benötigt?

Mirko: Ja, da wird alles drin sein, was man grundsätzlich für eine durchschnittlich große Gruppe von Startcharakteren benötigt. Der Großteil richtet sich dabei an die Spieler – Charaktererschaffung, die ganzen Kräfte, aber auch Kleidungssets und Ausrüstung. Und natürlich die generellen Regeln. Das bedeutet aber auch, dass wir im Grundregelwerk kein Hintergrundwissen drin haben werden, welches den Charakteren nicht bekannt sein kann – in der Regel werden die Charaktere das im Buch der Regeln beschriebene Wissen schonmal auf ihren Reisen gehört haben. Geheimnisse über die Spielwelt wird es dort nicht geben. Das wird später in anderen Publikationen, die sich mehr an die Spielleiter richten, zu finden sein.

Teilzeithelden: Wie ausführlich wird denn der Hintergrundteil im Grundregelwerk sein?

Mirko: Es gibt eine Einführung, die verschiedenen europäischen Staaten werden auch kurz beschrieben und natürlich auch die wesentlichsten Ereignisse, die nach der Öffnung des Höllenportals geschehen sind. Daneben gibt es auch viele Fluff-Texte, beispielsweise zu den Archetypen, wo es kleine Kurzgeschichten sein werden, die neben der Geschichte an sich auch etwas Hintergrundwissen enthalten. Ich denke, dass der reine Fluff- und Hintergrund-Anteil der geplanten 250 Seiten insgesamt bei 20 % liegen wird.

Über die Kampagne

Teilzeithelden: Kommen wir zur Crowdfunding-Kampagne an sich. Es sind ja nun schon viele Stretch Goals gefallen – ist da etwas dabei, was es exklusiv nur über diese Kampagne zu erhalten gibt?

Eine weitere neue Illustration für das Spiel
Eine weitere neue Illustration für das Spiel

Mirko: Tatsächlich eigentlich nicht, abseits der Lesezeichen und Poster. Man erhält allerdings viele Sachen umsonst, die später zusätzlich zu kaufen wären. Zum Beispiel den Soundtrack, dessen Stücke wir nach und nach freischalten, oder das Jäger-Kartenset, wo auch Stück für Stück Karten freigeschaltet werden. Generell soll es aber alles inklusive dem Deluxe-Regelwerk auch später im Handel geben. Bei einigen Prämien gibt es aber auch Goodies wie das eigene Foto im Regelwerk. Auch kann man seine Spielgruppe als legendären Jägertrupp verewigen und sogar in den Kanon der Spielwelt Einzug halten lassen – ein Dankeschön, das sogar noch buchbar ist.

Teilzeithelden: Bereits die Standard-Ausgabe wird ja im geprägten Kunstledereinband erscheinen, was üblicherweise eigentlich eine Deluxe-Ausgabe wäre. Wieso habt ihr dies hier zum Standard gemacht?

Mirko: Ursprünglich war das tatsächlich für die Deluxe-Ausgabe geplant. Das Titelbild der normalen Ausgabe hatte uns dann aber nicht so gefallen, und der Entwurf unseres Art Directors Maik Schmidt für die Deluxe-Ausgabe sah einfach so umwerfend gut aus – und wir wollen ja ein Buch abliefern, was auch stilistisch etwas in die Barock-Zeit passt und an ein Märchenbuch erinnert. Und da es alle gut fanden, haben wir uns dann entschieden, die Deluxe-Variante zum Standard zu machen.

Über die Zukunft des Spiels

Teilzeithelden: Wie soll es nach der Veröffentlichung weitergehen? In welchen Abständen darf man mit weiteren Publikationen rechnen?

Mirko: Wir wollen die Linie auf jeden Fall fortführen. Aber was da in welcher Form und welchen Zeitabständen kommt, oder ob es vielleicht sogar später noch einmal ein weiteres Crowdfunding geben wird, steht alles noch nicht fest.

Auch Ratten finden sich in einer der neuen Illustrationen
Auch Ratten finden sich in einer der neuen Illustrationen

Teilzeithelden: Grundsätzlich ist aber weiter geplant, alles an späteren Materialien in Boxform zu veröffentlichen?

Mirko: Nein, es wird sowohl Boxen als auch Bücher geben. Momentan planen wir, dass alles, was spielbares Material enthält, in Boxform erscheint. Darin soll dann jeweils alles drin sein, was für das enthaltene Abenteuer oder die Kampagne notwendig sein wird – beispielsweise Regional- und Monsterbeschreibungen, Monstermarker, Kartenmaterial oder Handouts.

Es wird aber auch weitere Bücher geben, die dann eher für Spieler gedacht sind und allgemeinere Themen behandeln. So etwas wie „Okkulte Magie“, „Der Wächterbund“ oder ein „Jägerkompendium“. Die Bücher sollen dabei auch alle im gleichen Stil wie das Grundregelwerk sein und im Kunstledereinband erscheinen.

Teilzeithelden: Wie sieht es aus mit Miniaturen als Alternative zu den Pappmarkern?

Mirko: Wir haben gute Connections zu Firmen, die die produzieren könnten. Allerdings wird da in nächster Zeit erst einmal noch nichts kommen. Da haben wir vorher zunächst noch einige andere Baustellen.

Teilzeithelden: Und wie sieht es mit zusätzlichen Veröffentlichungen wie Romanen oder Comics aus?

Mirko: Auch das könnte kommen – wir haben durchaus vor, das Setting zumindest mit Romanen zu vertiefen. Aber das sind alles noch Fernziele, über die wir uns derzeit noch keine konkreten Gedanken machen.

Teilzeithelden: Abschließende Frage – was ist für dich persönlich das Highlight bei HeXXen 1733?

Mirko: Mein Highlight ist die immense Interaktion am Spieltisch, wie ich es bei kaum einem anderen Spiel erlebt habe – gerade auch in Kämpfen. Da wird geplant, diskutiert, abgewägt – es ist nicht so, dass jeder einfach für sich seine Aktionen macht, sondern dass man zusammen handelt, Synergien schafft und wirklich zusammen kämpft. Aber auch, dass es neben den Kämpfen ein sehr freies, erzählerisches System ist – und natürlich der barocke Hintergrund.

Das Crowdfunding läuft noch bis zum 18. September. Der günstigste Einstieg liegt bei 25 EUR für Grundregelwerk und den Inhalten der Box Werkzeuge des HeXXenmeisters als PDF. Beim  beliebtesten Prämienlevel erhält man für 100 EUR Grundregelwerk, genannte Box sowie den Sichtschirm mit Abenteuer und Stanzbogen, jeweils in physischer Form. Als gratis Extras kommen derzeit unter anderem der offizielle Soundtrack als MP3 und CD, Hörbuch-Stücke als MP3, das Spielkartenset: Grundausstattung für Jäger, 20 Acryltoken und Charakterbögen hinzu. Auch ein „Drittanbieterprogramm für Fanwerk“ (wie das Scriptorium Aventuris beim Klassenprimus Das Schwarze Auge) wurde freigeschaltet, über welches Fanautoren ihr Spielmaterial bereitstellen und sogar geringfügig daran verdienen können.

Artikelbilder: Ulisses Spiele

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein