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Deadpool und Bob als Geheimagenten einer Black Ops-Einheit der US-Amerikanischen Regierung. In dieser Realität  ist alles noch böser, perfider und kränker. Sex und Gewalt bestimmen die Einsätze der beiden Männer fürs Grobe. Wobei Bob eher unfreiwillig mitmischt und Wade noch viel verrückter scheint als sonst. Oder doch nicht?

Pulp Fiction: „Ich bin eine Episoden-Geschichte, mit wirrem Plot, viel Gewalt, Drogen und Sex.“
Deadpool MAX: „Halt mal mein Bier.“

Deadpool ist irre und nicht zimperlich, was den Einsatz von Waffen angeht. Sex und andere „erwachsene Themen“ spielten in seinen Publikationen bisher eine eher untergeordnete Rolle. In diesem Sammelband ist die erste MAX-Miniserie des Söldners mit der großen Klappe zusammengefasst. Und eine Story ist böser als die andere. Was mich jedoch etwas amüsiert, ist der Umstand, dass hier zumeist die schiere Masse und Härte der Gewalt nicht der Grund für die „ab 18“ Regelung ist.

In den meisten Deadpool-Publikationen geht es hoch her und auch hier fliegen Arme, Beine und Köpfe, es werden Knochen gebrochen und Kugeln in Körper gepumpt. Das ist relativ normal. Doch in diesen Geschichten ist mehr als nur das. Hier finden sich Themen, die tatsächlich an die Grenzen gehen. Sex ist nur eines davon.

Handlung

1. Story: Köpfe

Agent Bob erstattet seinen Vorgesetzten Bericht. Er sitzt mental angeschlagen und körperlich verletzt in einem dunklen Raum und erzählt von seiner letzten Mission mit Wade Wilson, Codename Deadpool, dessen „Handler“ (in etwa, Steuerer) er ist. Bob ist der einzige, dem Wade bedingungslos vertraut und glaubt. Er weiß, welche Knöpfe er im Hirn des irren Killers drücken muss, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen  – auch wenn das für ihn meist eine Menge Schmerzen und Erniedrigung bedeutet. Die beiden hatten den Auftrag, den Gangsterboss Hammerhead  zu töten. Das gelang auch, allerdings unter weit mehr und körperlichem Einsatz, als Bob es sich gewünscht hätte. Wer ist schon gern das Sexspielzeug eines brutalen Masochisten?

2. Story: Liebe a’la Inez (Wahre Liebe)

Eigentlich sollte das Duo in dieser Nervenheilanstalt nur ermitteln, weshalb dort Patienten verschwinden. Wade jedoch verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen und spricht bei der attraktiven Dr. Inez vor. Sein Hirn gaukelt ihm zwar vor, dass diese ihm schmutzige Dinge entgegen haucht, doch erzählt er unbeirrt von seiner Kindheit, die dafür verantwortlich ist, dass er Frauen gegenüber eine Abneigung hegt und Autoritätspersonen es mit ihm nicht einfach haben. Als Bob in die Sitzung hineinplatzt, überschlagen sich die Ereignisse. Denn hinter der Klinik steckt tatsächlich mehr, als erwartet – und ein überrumpelter Deadpool alsbald in Doktor Inez.

3. Story: Eine alternative Geschichte der Liebe in Amerika, Teil 23

Nazi-Schurke Baron Zemo ist in dieser Realität der Anführer des KKK und plant einen Terrorakt ungeahnten Ausmaßes innerhalb der Grenzen Amerikas, um die Agenda der rechtsnationalen Bewegung zu fördern. Bob und Deadpool sind die Einzigen, die es mit der Horde fanatischer Kuttenträger aufnehmen können –  auf ihre ganz eigene Art!

4. Story: Ohne Cable, keine Zukunft

Wade und Bob sollen einen südamerikanischen Drogenbaron, der auch mit Kindern handelt, ausschalten. Was als kurzer, knapper Auftragsmord beginnt, wird schnell weitaus komplizierter, als Bobs Ex-Geliebte auftaucht. Denn diese ist im Schlepptau von Cable, dem zeitreisenden Mutanten, welcher eine düstere Prophezeiung ausspricht.

5. Story: Eine Geschichte der Gewalt

Wade und Bob sollen einen US-Senator beschützen und im Zuge dessen die extrem gefährliche Terroristin Taskmaster hochnehmen. Was Bob und seine Vorgesetzten jedoch nicht wissen: Deadpool und Taskmaster verbindet eine gemeinsame Vergangenheit, was die Dinge etwas aus dem Ruder laufen lässt.

6. Story: Dominoeffekt

Diesmal jagen Wade und Bob irgendwo im nahen Osten dem Terroristen mit Codenamen „Domino“ hinterher. Dieser soll eine Ladung Waffen von einem Händler in Empfang genommen haben und der Araber, der sehr zu Wades Belustigung auch noch mit Pornoheftchen handelt, kennt den Aufenthaltsort Dominos. Doch stellt sich das Ganze als Falle heraus und Domino entpuppt sich als alter Bekannter, mit dem weder Bob, noch Deadpool, noch der Leser gerechnet hätten.

Charaktere

Deadpool ist in diesen Geschichten so dermaßen kaputt in Körper und Geist, dass es schon fast weh tut. Zwar hat er noch immer Sprüche drauf, doch sind sie zynisch, böse und abgefuckt. Hier ist ein Wade Wilson, der tatsächlich unter seinem Wahn leidet und dessen Vergangenheit ihn plagt. Dessen Psyche sich an Bob klammert, diesen aber immer wieder erniedrigt, um dies zu überspielen. Der schamlos ausgenutzt wird und dies akzeptiert.

 Ebenso wie Bob, der seinen Job nur macht, da seine Vorgesetzten ihm immer wenn er aufbegehrt klar machen, dass er absolut ersetzbar ist. Die Einblicke in Wades Vergangenheit sind beklemmend und düster. Bob ist ein armes Schwein, der das Beste aus einer ganz miesen Situation macht. Beide können einem leidtun.

Zeichenstil

Man kann sich darüber streiten, was man von den Zeichnungen halten soll. Angeblich ist Zeichner Kyle Baker ein Superstar der Szene. Und bei manchen Bildern ist man fast geneigt dem zuzustimmen, doch dann kommen wieder Panels, die aussehen, als hätte sie ein Zwölfjähriger aufs Papier geschludert.

Jemand, der keinen blassen Dunst von Anatomie und Perspektive hat. Portraits und Pin-ups, die liegen ihm, aber Actionszenen sind scheinbar zu viel. Stellenweise erinnern Zeichnung und Farbgebung an alte Pulp-Comics, was sicher beabsichtigt war, doch hat es auch bisweilen den Anschein, dass Baker zu wenig Zeit hatte, um sich um eine gleichbleibende Qualität seiner Zeichnungen zu kümmern.

Erscheinungsbild

Das Cover wirkt wie ein Kinoplakat eines Agentenfilms der 70er Jahre. Schöne Frauen, böse Schurken, Explosionen und der Held in Action sowie in überlebensgroßer, cooler Pose. Der etwas dickere Sammelband hat einmal mehr die gewohnt hervorragende Panini-Qualität, was Papier und Einband angeht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor: David Lapham
  • Zeichner: Kyle Baker
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Sammelband
  • Seitenanzahl: 148
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini Comics, Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Die originalen Covers der sechs Miniserien zieren den Beginn der jeweiligen Kapitel.

Fazit

Wäre da nicht die inkonsistente Qualität der Zeichnungen, ich würde eine höhere Wertung abgeben. So jedoch verderben mir die teils fürchterlich verdrehten Perspektiven und schluderig hingeschmierten Panels zwischen den Pin-ups den Spaß am Lesen. Ich bin niemand, der sich der Stimmung eines Comics verweigert, ich denke sogar, dass die Zeichnungen, genau wie die Bilder eines Films, extrem dazu beitragen diese zu vermitteln. Was hier jedoch zum Teil dargeboten wird, zerstört die bisweilen aufkommende Stimmung einer Pulp-Novelle so dermaßen, als würden Ren und Stimpy plötzlich durch einen Scorsese-Film laufen. Manche Bilder sind so voller Stimmung und Emotion, andere wirken, als ob der Zeichner sie nur schnell hingekritzelt hätte, um die Seiten zu füllen.

Sie wirken wie unfertige Skizzen, die aufgrund der Deadline nicht mehr fertig gestaltet werden konnten. Dass zum Beispiel der arabische Waffenhändler, der nebenbei Pornoheftchen verkauft, wie eine Zeichnung von Sergio Aragones wirkt, mag Absicht sein. Das muss aber in einem solchen Werk nicht vorkommen. Wirklich schade. Denn es zerstört die zuvor minutiös aufgebaute Stimmung – und die benötigt ein solches Werk. Wades Sprüche und Handlungen sind schon Comic Relief genug.

Die Themen, derer sich die hier versammelte Serie annimmt, sind teils harter Tobak. Wades Missbrauch durch seine Eltern, Rassismus, Fanatismus und Geldgier sowie Organ- und Kinderhandel, Terrorismus … düstere Themen der realen Welt in die eines Comics gezogen. Mit tief schwarzem Humor und deutlichen Worten sowie Bildern behandelt. Um klarzustellen: dass Wades Erinnerungen an seine widerwärtigen Eltern düster und unwirklich verzerrt wirken, zähle ich nicht zu den Fehlern des Zeichners. Diese kommen später. Die Themen des Buches sind ab 18 und manche der Implikationen könnten einem jüngeren Leser sogar entgehen. Ein mutiges Buch, doch leider kein Stern am Comic-Himmel.

Artikelbild: Panini Comics
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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