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Seit Jahrhunderten bewachen dreizehn magische Wachtürme das Königreich Konduula. Nun schwindet ihre Macht und muss durch Zardrus Zauberstab erneuert werden, ehe der finstere Gorlash einfällt. Im Auftakt der Reihe Welt der 1000 Abenteuer für jüngere Leser macht sich ein Held auf die Suche danach – und einer, der sich dafür hält.

Die Reihe Die Welt der 1000 Abenteuer von Jens Schumacher erschien ursprünglich in acht Bänden bei Schneiderbuch im Egmont Verlag. Der Spielbuchspezialist Mantikore-Verlag übernahm diese Serie 2014 und veröffentlichte mit In den Fängen der Seehexe den neunten Band. Nun folgen auch nach und nach die ursprünglichen Titel der Reihe, deren erster Band Das Vermächtnis des Zauberers ist.

Handlung

Das Vermächtnis des Zauberers beginnt beschaulich: Der Leser findet sich als junger Schmiedegehilfe im kleinen Dorf Roog wieder, in dem der langweilige Alltag kaum Abwechslung bereithält. Wie aufregend ist es da, als die Zauberin Marlara in wichtiger Mission den Weiler besucht. Denn diese sucht nach einem Nachfahren des berühmten Helden Zargo Dolchträger, um eine finstere Bedrohung abzuwehren. Die magische Kraft von dreizehn Wachtürmen, die das Königreich Konduula umringen, beginnt zu schwinden, und der Erzmagier Ghorlash bereitet schon seine dunklen Horden für eine Invasion vor. Nur ein in drei Teile zerbrochenerZauberstab, dessen Bruchstücke nun dringend gefunden werden müssen, kann den magischen Schutz erneuern.

Bevor aber der Protagonist als Nachkomme des bekannten Recken stolz vortreten kann, drängelt sich ein Anderer vor: sein unbeholfener Vetter Bolko, großspurig und verfressen. Und so findet sich der Leser lediglich als Begleiter des vermeintlichen Helden wieder, für den er auf der anstehenden Reise über 250 Abschnitte so manche Kastanie aus dem Feuer wird holen müssen.

Der erste Hinweis führt in das abgelegene Bergstädtchen Sloggart, wo der weise Mansinius mehr über den Verbleib der Bruchstücke wissen soll. Von da aus führt die Reise immer weiter nach Süden, vorbei an spitzen Felsformationen, verwunschenen Herrenhäusern, durch Sümpfe und Steppen zu einem Eisplateau. So wird ein Bruchstück im Hort eines Drachen vermutet, ein anderes soll ein Dämon an sich gerissen haben. Zum Glück sind die Hinweise für den Fund der einzelnen Bruchstücke aber recht schnell aufzuspüren, gerade der Tipp für das letzte Teil wird dem Leser an mehreren Stellen aufgedrängt. Der Leser tut dennoch gut daran, sich ausgiebig in Konduula umzusehen, findet man doch immer wieder Tipps und hilfreiche Gegenstände für spätere Aufgaben.

Spielbuch-erfahrene Leser merken sofort, dass die Reihe Die Welt der 1000 Abenteuer für ein jüngeres Publikum gedacht ist. Munter wirft Autor Jens Schumacher fantastische Versatzstücke zusammen, um eine möglichst abwechslungsreiche Mischung von Orten und Aufgaben bereitzustellen. Wie praktisch ist es dabei auch, dass die Grenzen des Königreichs Konduula auf der beigefügten Karte genau die Form einer Buchseite haben, auf der so unterschiedliche Landschaftstypen wie Steppe, Wald, und Gebirge auf engstem Raum Platz finden. Dass dem Königreich Konduula so die innere Logik und Geschlossenheit völlig abgeht, mag ältere Leser mit dem Kopf schütteln lassen, dürfte die Zielgruppe von Das Vermächtnis des Zauberers aber kaum stören.

Dennoch überzeugen manche Kniffe auch ältere Semester wie mich. Die Idee, den Protagonisten zum Begleiter zu degradieren, während der merklich unfähige Vetter Bolko sich ins Rampenlicht drängelt, ist für Spielbücher durchaus originell und unverbraucht. Man sollte aber darüber hinaus keine großartigen Entwicklungen erwarten: Die Charakterzeichnung von Bolko bleibt, wiederum sichtlich auf jüngere Leser zugeschnitten, in klassischer schwarz-weiß-Manier, die eines unbeholfenen Tölpels, der kein einziges Mal im ganzen Abenteuer etwas zur Queste beitragen kann.

An manchen Stellen verlangt Das Vermächtnis des Zauberers dem Leser, egal welchen Alters, einiges ab: Zwar sind die Hinweise für den Verbleib der drei Bruchstücke recht einfach zu finden, sie allerdings an sich zu bringen steht auf einem anderen Blatt. Mitunter verbaut man sich den Fund durch eine einzige falsche Entscheidung unmittelbar zuvor, oder aber muss schlicht auf Glück und Zufall vertrauen. Fatal nur, dass Das Vermächtnis des Zauberers ausschließlich mit allen drei Bruchstücken siegreich beendet werden kann.

Bei anderen Passagen wie etwa Kletterpartien kann der Zufall das Abenteuer jäh beenden, ohne dass man darauf Einfluss hätte. Der Leser dieses Spielbuchs sollte also einiges an Frusttoleranz mitbringen – und ich bin nicht sicher, ob das anvisierte jüngere Publikum diese besitzt.

Regeln

Die Regeln der Welt der 1000 Abenteuer sind sehr kompakt, so dass der Leser sich während seines Abenteuers lediglich Ausrüstung und Hinweise notieren muss. So verzichtet der Band auch auf die detaillierte Erschaffung eines individuellen Charakters, wie sie in vielen Spielbüchern üblich ist. Der Leser hat lediglich die Wahl zwischen den fünf Talenten Klettern, Tiersprache, Schriftenkunde, Verbergen und Vorahnung, von denen sich das letzte als das Nützlichste erweist.

Auch die weiteren Regeln sind sehr reduziert: Als Zufallsgenerator fungiert eine einzelne Seite, auf der etliche Runensteine abgebildet sind. Immer wieder wird der Leser aufgefordert, das Schicksal herauszufordern, blind auf die Runenseite zu tippen und abhängig vom getroffenen Symbol weiterzulesen. Allerdings kommt es, wie schon oben beschrieben, nicht selten vor, dass ein Ergebnis auch zum jähen Tod des Protagonisten führt und der Leser seine Queste von vorn beginnen muss, wenn er nicht schummelt und einfach zurückblättert.

Im Gegensatz zu In den Fängen der Seehexe verzichtet Das Vermächtnis des Zauberers auf ein Kampfsystem. Dieses vermisst man als Leser auch nicht, findet man sich ja in der Rolle eines jungen Hufschmieds wieder, vom dem Waffengeschick, im Gegensatz zu Schläue und Mut, gar nicht erwartet wird.

Eigentlich gefällt mir ein solcher Minimalismus sehr gut, bei dem das Spielbuch selbst dem Abenteurer bereits alle nötigen Utensilien an die Hand gibt. In der Umsetzung allerdings, ergeben sich daraus zahlreiche Sackgassen, in denen der Leser sich mit dem jähen Ableben des Protagonisten konfrontiert sieht. Wie gesagt: Eine gewisse Frusttoleranz sei bei der Lektüre von Das Vermächtnis des Zauberers also anempfohlen.

Schreibstil

Das Spielbuch ist routiniert geschrieben, hält aber auch keine großen Überraschungen parat. Durch die starke schwarz/weiß-Zeichnung, mit dem heldenhaften Protagonisten auf der einen und dem völlig nutzlosen Bolko auf der anderen Seite, gibt es auch keine nennenswerten Entwicklungen bei den Figuren. Die abwechslungsreichen, aber zusammengewürfelten Landstriche Konduulas, die man während der Lektüre bereist, sind zwar nicht weniger klischeebeladen, wissen aber durchaus zu unterhalten und für kurzweiligen Zeitvertreib zu sorgen.

Erscheinungsbild

Das Vermächtnis des Zauberers erscheint im klassischen Taschenbuchformat. So liegt es gut in der Hand und verträgt das, für Spielbücher typische, Blättern sehr gut. Die einzelnen Abschnitte sind großzügig gesetzt und mit angenehm großen Ziffern versehen.

Schon die Gestaltung des Titelbilds zieht den Leser direkt in die Geschichte: In der Bildecke sieht man die eigene Hand mit einem Zauberstab, der abwehrend gegen einen imposanten Drachen erhoben ist. Auch die rein schwarz-weißen Illustrationen und Vignetten des Illustrators Wolf Schröder haben mir durchweg gut gefallen, weisen sie doch eine fast holzschnittartige Flächigkeit auf.

Nach einer Übersichtskarte des Königreichs Konduula werden die wenigen Regeln auf den ersten sechs Seiten erklärt. Daran schließt sich ein ausführlicher Prolog an, in dem der Besuch der Zauberin Marlara, Bolkos Vordrängeln und die Entscheidung zur gemeinsamen Abenteuerreise geschildert werden. Nach einem einseitigen Charakterbogen beginnt schließlich das eigentliche Abenteuer mit Abschnitt 1.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor: Jens Schumacher
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: broschiert
  • Seitenanzahl: 280
  • ISBN: 978-3-945493-57-1
  • Preis: 11,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Keine Frage: Das Spielbuch Das Vermächtnis des Zaubers zielt, wie die gesamte Serie der Welt der 1000 Abenteuer, auf ein jüngeres Publikum und entsprechend muss ich es bewerten. Autor Jens Schumacher würfelt, für die Suche nach den Bruchstücken eines Zauberstabs durch das Königreich Konduula, eine bunte Mischung fantastischer Versatzstücke zusammen. Der Kniff, den Protagonisten auf die Rolle des Gehilfen des vorlauten Tölpels Bolko zu machen, ist eine nette Abwechslung, die aber schnell ihren Reiz verliert. Die jüngere Zielgruppe, die noch nicht so sehr mit den gängigen Fantasyklischees vertraut ist, sollte von Das Vermächtnis des Zaubers gut unterhalten werden.

Allerdings setzt die Lektüre einiges an Frusttoleranz voraus. Das Vermächtnis des Zauberers vermag man nur zu lösen, wenn man den einzigen, vom Autor vorgesehen, Weg einhält. Dazu kommt ein gewisses Glückselement, das der Reise ein unerwartet jähes Ende bereiten kann.

Als Einstieg in das Genre der Spielbücher ist Das Vermächtnis des Zauberers für junge Neulinge auf jeden Fall einen Blick wert. Ältere Leser jedoch werden in dem Spielbuch kaum Neues vorfinden und finden gerade im Programm des Mantikore-Verlags exzellente Alternativen.

Artikelbild: Mantikore-Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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