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Jeder weiß, Zwerge sind klein, bärtig und köpfen mit Vorliebe Orks. Deutschen Fantasy-Lesern ist dies spätestens seit der Zwerge-Reihe von Markus Heitz klar, welche 2003 ihren Anfang nahm. Wem das nicht ausreicht, der kann inzwischen auch auf eine dazugehörige Graphic Novel zurückgreifen – welche wir nun genauer unter die Lupe nehmen!

Markus Heitz zählt mittlerweile zu den bekanntesten deutschen Fantasy-Autoren. Großen Anteil daran hat seine international erfolgreiche Die Zwerge-Reihe, welche mittlerweile fünf Bände umfasst und auch den Weg für Ableger (z. B. Die Legenden der Albae) im gleichen Setting bereitet hat. Doch damit nicht genug! Die Geschichten rund um das Geborgene Land haben dank des Splitter Verlags auch ihren Weg in das Medium der Graphic Novels gefunden. Bereits zwei Bände liegen zum Erwerb vor, in welchen die Leser den Zwerg Tungdil auf seinen Abenteuern begleiten können. Doch gelingt es, den Charme und die Epik der Bücher in Bildern festzuhalten? Wir haben uns den ersten Band, mit dem schlichten Titel Tungdil, genauer angesehen und uns eine eigene Meinung gebildet. Soviel vorab: Enttäuscht wird man nicht!

Handlung

Scheinbar uneinnehmbar ragen die Mauern des Zwergenstammes der Fünften in den Himmel. Davor sammelt sich eine schier unzählbare Schar an blutrünstigen Gegnern – Orks, Oger und weitere, unbekannte Bestien zerbersten wie Wellen an den Festungsanlagen. Doch die Zahl der Verteidiger schwindet – geschwächt durch die Kämpfe und eine tückische Krankheit stellen sie sich einer nicht enden wollenden Übermacht. Im Moment stehen sie als letzte Bastion zwischen den Bewohnern des Geborgenen Landes und den Schrecken des Toten Landes.

Doch dank der von Vraccas gewährten Durchhaltekraft werden die Zwerge standhalten – zum Schutze der anderen Völker. Doch was ist das? Die magisch versiegelten Tore öffnen sich auf einmal und gewähren den wilden Bestien Einlass. Verrat! Nicht nur an den Zwergen, sondern am gesamten Geborgenen Land. Sollen so die Fünften tatsächlich in Erinnerung bleiben? Das Schicksal der Freien Völker scheint ungewiss …

Die Handlung von Tungdil orientiert sich außerordentlich stark an den ersten fünf Kapiteln des Erstlingsbandes der Zwerge-Reihe. Für Kenner der Bücher: Damit umfasst er den zuvor beschriebenen Prolog und umschreibt die Abenteuer von Tungdil bis hin zur Begegnung mit den Zwillingen.

Für Neueinsteiger in die Welt der Zwerge: Die Haupthandlung setzt viele Jahre nach den Ereignissen des Prologs ein. Die Völker im Geborgenen Land leben nach wie vor mehr oder weniger in Harmonie, und die Bedrohung des Toten Landes wird durch mächtige Zauber und Zauberinnen in Zaum gehalten. Im Gefolge eines dieser sogenannten Magi mit Namen Lot-Ionan befindet sich auch der Zwerg Tungdil. Nachdem er bei seinem Meister ein Chaos mit verursacht hat, wird der junge Zwerg von Lot-Ionan auf den Weg geschickt, um Artefakte von einem ehemaligen Schüler zu holen. Dies dient halb als Bestrafung und halb als Möglichkeit für den weltfremden Kleinwüchsigen, das Geborgene Land zu bereisen. Tungdil kann nicht ahnen, dass er im Laufe dieser Geschichte in den Konflikt mit dem Toten Land sowie in einen Thronfolgekrieg der Zwergenstämme gerät …

Die Handlung erfordert eine gewisse Zeit, bevor sie sich dem Leser erschließt. Kenner der Romanvorlagen tun sich natürlich leichter, alle Orte, Personen und Zusammenhänge zu erkennen. Für Neueinsteiger wirken die multiplen Handlungsstränge gerade zu Beginn etwas überfordernd, da der Hintergrund aller Dinge nur am Rande angegangen wird. Der Fokus liegt eindeutig auf der Präsentation möglichst vieler Schauplätze und Situationen. Hemmt das die Lesetauglichkeit des Bandes? Definitiv nein, doch wird dieser Einstiegsband besonders für Buchkenner deutlich mehr Aha-Momente liefern.

Ansonsten entfaltet sich die Geschichte, wie man es von einem Einstieg erwarten kann. Dem Leser wird die Ausgangssituation und mit ihr auch die ersten Hauptcharaktere vorgestellt. Dabei beschränkt sich der Band nicht nur auf reine Dialoge oder Offenbarungen, sondern zeigt mit ersten Kämpfen auch schon den sehr erwachsenen und kriegerischen Stil des gesamten Werkes. Insgesamt betrachtet handelt es sich damit bei Tungdil um einen guten Einstiegsband, der die große Gesamthandlung ansprechend andeuten und vermitteln kann.

Charaktere

Der Leser lernt im Laufe der 48 Seiten bereits eine Vielzahl von Charakteren kennen, bei denen es sich sowohl um Protagonisten, als auch um Antagonisten handelt. Damit kann jeder einzelnen Figur natürlich nur ein kleiner Anteil gewidmet werden – den meisten Raum nehmen Tungdil als Protagonist, der Großkönig der Zwerge Gundrabur sowie sein Berater Balendilin ein. Im Hinblick auf deren Bedeutung für den weiteren Verlauf der gesamten Geschichte ist dies verständlich, rückt als Konsequenz aber andere Charaktere in den Hintergrund.

Dies hat zur Folge, dass viele Akteure der Geschichte nur einen kurzen Auftritt erhalten, was nicht viel Zeit für die Vermittlung ihrer Motive lässt. In vielerlei Fällen, wie beim Oberhaupt der Vierten Gandogar, werden diese aber zumindest angedeutet.

Im Hinblick auf die Charaktere gibt es einen wesentlichen Punkt, welcher bereits bei der Buchvorlage für Unverständnis von meiner Seite sorgte. Bereits zu Beginn des Bandes wird lediglich in Aussagen etabliert, welche Bedeutung die Magi für die Sicherheit des Geborgenen Landes haben. Leider erhalten diese Figuren für meinen Geschmack zu wenig Aufmerksamkeit in der Geschichte – selbst im Falle von Tungdils Ziehvater Lot-Ionan. Dies hat zur Folge, dass eine elementare Szene des Auftakts ihr Wirkungspotenzial nicht voll entfalten kann, weil der Leser zu wenig Bezug zur Bedeutung der Magiekundigen hat.

Zeichenstil

Der Zeichenstil von Die Zwerge kann dagegen lediglich als exzellent bezeichnet werden. Die Bilder sind in kräftigen Farben gehalten und überzeugen durch einen klaren und deutlichen Zeichenstrich. Dabei sollte man jedoch kein Problem haben, dass die Darstellung die klassischen Fantasy-Stereotype bedient. So werden die titelgebenden Zwerge als klein, stämmig und bärtig gezeichnet und entsprechen damit dem heute verbreiteten Standardbild dieser Rasse. Dies spiegelt sich auch bei allen anderen Völkern wider, seien es die Orks (kräftige und grobschlächtige Krieger), die Albae (Markus Heitz‘ Variante von Dunkelelfen) oder die Menschen (nicht viel darüber zu sagen – es sind halt Menschen im Fantasy-Setting). Freunde dieser Darstellungsweisen können sich dafür über sehr detaillierte Zeichnungen freuen, welche mit einer Fülle von Details aufwarten.

Die unterschiedlichen Rassen und Kulturen finden sich nämlich auch in Rüstungen, Architektur und Bewaffnung der Charaktere. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Handlungsorte haben Leser damit bereits in diesem Band die Möglichkeit prächtige Zwergenstädte zu besuchen, einen Turm der Magi von innen zu bewundern oder in einer typischen Menschenstadt eine Pause einzulegen.

Auch bei den oben erwähnten Actionszenen nimmt die Qualität nicht ab. Gerade in größeren Gefechten läuft man oft Gefahr, dass die Ereignisse in einem Panel zu viel werden. Im Falle von Kämpfen oder Konflikten wird hier in jedem Bild jedoch ein eindeutiger Fokus gelegt, wodurch dies kein Problem darstellt. Die Darstellung von Gewalt wird kompromisslos durchgeführt, und so sieht man durchaus mehrere Zwergenäxte ihre Wege in feindliche Körper finden.

Erscheinungsbild

Das Produkt erscheint beim Splitter Verlag in gewohnter Qualität. Sämtliche Illustrationen sind farbig, und der Hardcover-Einband fasst sich hochwertig und robust an. Das Titelbild fokussiert sich auf den Konflikt zwischen Zwergen und Orks und kann damit etwas irreführend wirken – dies spielt in diesem Band nur ansatzweise eine Rolle. Die Rückseite des Einbandes bietet eine kurze Zusammenfassung, welche für meinen Geschmack den Reiz und eigenen Charme der Zwerge-Trilogie nicht ganz vermitteln kann. Hier wird der Fokus zu sehr auf den „Tolkien-Aspekt der Zwerge“ gelegt, und die Eigenständigkeit des Werkes geht etwas unter.

Insgesamt hat die Ausgabe auch nach zweimaligem Lesen keinerlei Gebrauchsspuren mitgenommen. Bindung, Seitenqualität und allgemeine Verarbeitung sind damit über jegliche Zweifel erhaben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter Verlag
  • Autor(en): Markus Heitz, Yann Krehl
  • Zeichner(in): Che Rossié
  • Erscheinungsjahr: 3. Auflage 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 48
  • Preis: 13,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Der erste Band von Die Zwerge bietet sowohl Kennern der Romanvorlage, als auch Neulingen in der Welt von Markus Heitz gute Unterhaltung für ihr Geld. Einsteiger werden es etwas schwerer haben der Geschichte zu folgen, da Tungdil neben der Handlung auch das komplette Setting des Geborgenen Landes etablieren muss. Dies hat zur Folge, dass die Vielzahl an Ereignissen, Charakteren und Orten teilweise erschlagend wirken kann. Dies soll aber kein Abschreckungsgrund sein – hier muss man sich nur etwas mehr Zeit beim Lesen der Story gönnen.

Belohnt wird man dafür mit dem herausragenden Zeichenstil von Che Rossié, welcher jedem Volk seine unverwechselbaren Eigenheiten gibt und den Leser bereits an eine Vielzahl von imposanten Orten führt. Farbenprächtige Kolorierungen und eine klare und saubere Strichführung runden den sehr positiven Gesamteindruck der visuellen Gestaltung ab.

Die Hardcover-Variante des Splitter Verlags weist eine sehr gute Qualität auf und ermöglicht damit mehrere Stunden unbeschwerten Lesegenusses. Insgesamt kann man diesem Band somit nur eine klare Leseempfehlung geben – sofern man natürlich kein Problem mit einem sehr klassischen Fantasy-Setting hat. Für ungeduldige Freunde der Zwerge gibt es bereits einen zweiten Band, welcher die Geschichte um Tungdil und seine Freunde fortführt.

Artikelbilder: Splitter Verlag
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

 

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