Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten

In unserer neuen Reihe „Cosplay &…“ werfen wir einen Blick auf Cosplayer und ihren Umgang mit dem Hobby gegenüber Außenstehenden. Wie empfinden wir die Fremdwahrnehmung dieses außergewöhnlichen Hobbys und wie gehen wir damit um? Den Auftakt machen wir mit einem Schlaglicht auf Erfahrungen im beruflichen Umfeld.

Über den Co-Autor

Dr. Jeremias Weber ist hauptberuflich empirischer Bildungsforscher im Bereich Physikdidaktik an der Uni Frankfurt. Im LARP ist er seit 2000 im Fantasyumfeld unterwegs, ein halbes Jahr länger im Tischrollenspiel und Vampire Live. Gerne verwirklicht er sich im Engonien e.V. als Organisator oder Spielleiter (bspw. Grenzwacht), aber oft ist er einfach nur Spieler mit einem Hang zu religiös angehauchten Rollen.

 

 

 

Alexandra hat seit kurzem einen neuen Job und die ersten Tage fühlen sich richtig gut an. Tolles Team, entspannte Chefin und die Arbeit macht Spaß. Schnell findet sie auch Anschluss für die tägliche Mittagspause und man spricht über dies und das. Schon nach zwei Wochen wird Alexandra gefragt, ob sie Freitagabend Lust hat, ein bisschen feiern zu gehen. Sie zögert kurz, denn sie hat schon einen anderen Termin am Freitag: Sie ist auf einer Cosplay-Convention und nimmt an einem Wettbewerb teil. Was erzählt Alexandra nun den neuen Kollegen und Kolleginnen? Ohne genaue Informationen absagen, mit dem Risiko, jemanden vor den Kopf zu stoßen? Das Ganze irgendwie umschreiben? Oder doch einfach die Wahrheit sagen?

Mit solchen Fragen sah sich vermutlich schon fast jeder Cosplayer einmal konfrontiert, wenn im beruflichen Umfeld die Frage auf Hobbys kam. Hinter diesen Gedanken steht wohl meist die Überlegung, ob das Hobby gesellschaftlich ausreichend akzeptiert ist oder man vielleicht doch soziale oder gar berufliche Sanktionen riskiert.

Die Basis – Ein paar statistische Daten

Wie hoch sind diese beiden Risiken den Erfahrungen von Cosplayern nach tatsächlich und wo könnte man ansetzen um etwas zu ändern? Um Antworten auf diese Fragen etwas näher zu kommen, haben wir Cosplayer online befragt. 430 Teilnehmer hatte dabei diese Umfrage, davon haben 313 den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Dabei gehen wir von rund 25.000 bis 40.000 aktiven Cosplayern in Deutschland aus. Diese Zahlen basieren auf Schätzungen anhand von Con-Teilnehmerzahlen und Gruppengrößen in sozialen Medien. Unter dieser Prämisse haben zwischen 0,7% und 1,3% aller Cosplayer Deutschlands an der Umfrage teilgenommen. Dabei kann man davon ausgehen, dass nicht jeder Cosplayer berufstätig ist. Selbst im ungünstigsten Fall liegt die Teilnehmerzahl deutlich über den Werten, die große Statistikinstitute als repräsentativ betrachten. Im Zuge der Untersuchung haben wir einige statistische Daten erhoben, die einen interessanten Einblick in die Cosplay-Szene der Berufstätigen geben.

Zahlenspiele

Der durchschnittliche berufstätige Cosplayer ist demnach weiblich, 26 Jahre und Angestellte mit (Fach-)Hochschulreife. Wenngleich auch stark heruntergebrochen, liegt das vermutlich ziemlich nah an der Realität. Es lohnt sich aber, die Details anzusehen. Mit 13,42% oder 42 Teilnehmern machen Männer nach wie vor einen geringen Anteil aktiver berufstätiger Cosplayer aus. Dabei lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dass der Anteil von Männern tatsächlich so gering ist. Es ist auch möglich, dass sie nur weniger motiviert sind, Fragebögen auszufüllen. Blickt man sich jedoch auf Conventions um, scheint die Zahl nicht ganz abwegig zu sein. Männer sind abseits von Superhelden-Cosplays seltener im Kostüm anzutreffen als Frauen. Interessant ist hier, dass in dem ähnlichen Hobby LARP die Geschlechterverteilung gleichmäßiger zu sein scheint. Lange Zeit war LARP eine Männerdomäne, doch mit der Zeit fand eine Nivellierung der Geschlechteranteile statt. Ob dies auch bei Cosplay geschehen wird, muss indes die Zeit zeigen, jedoch könnte die Zunahme an Comic-Cosplays dies begünstigen, da Comic-Charaktere in Deutschland deutlich populärer sind als die meisten Anime- oder Mangacharaktere.

Berufe und Branchen

Gerade bei einer Analyse, die sich um die Berufswelt dreht, ist diese Frage eine spannende: In welchen Berufsfelder findet man häufig Cosplayer und wo eher selten?

Mit 48% ist der Anteil der Angestellten dominierend und entspricht in etwa auch dem Schnitt der deutschen Bevölkerung (Quelle: Bundesamt für Statistik, 2011). Selbiges gilt für Azubis oder duale Studenten, die mit 26% den zweiten großen Block bilden. Interessant ist hingegen, dass der Anteil an leitenden Angestellten, Selbstständigen und vor allem Beamten recht niedrig ist. Bei LARPern sind insbesondere Beamte wesentlich häufiger vertreten. Dafür ist der Anteil an geringfügig Beschäftigten und studentischen Hilfskräften bei den Cosplayern recht hoch. Dies ist vermutlich auf den sehr hohen Anteil junger Menschen im Hobby zurückzuführen, die neben Schule oder Studium jobben.

Ein Blick in die Branchen verrät, dass viele Cosplayer in der öffentlichen Verwaltung arbeiten, deutlich mehr als zum Beispiel bei LARPern. Deutlich unterrepräsentiert sind jedoch die Branchen Versorger und Landwirtschaft mit je gerade mal 0,32%, Kirche mit 0,64%, Gastro und Finanzen mit jeweils 2,24%. Im Fall der Kirche könnte es am eher konservativen Arbeitsumfeld liegen, selbiges gilt für die Finanzbranche. Das Gastrogewerbe hingegen dürfte durch seine Arbeitszeiten das aktive Cosplayen erschweren. Dem entgegen steht jedoch, dass ein erheblicher Anteil der Cosplayer auch aus der Gesundheitsbranche stammt.

Vergleicht man die Zahlen mit der Umfrage unter LARPern, kann man festhalten, dass in den Branchen Kirche, Gastronomie, Finanzen, Versorger und Landwirtschaft kaum bis selten phantastische Hobbys eine Rolle spielen, die mehr oder minder in der Öffentlichkeit stattfinden.

Ansonsten spiegelt auch Cosplay den Schnitt der berufstätigen Gesellschaft recht gut wieder, wenngleich der Anteil der Mini-Jobber recht hoch ist, was aber, wie bereits angeführt, an der Altersstruktur liegen dürfte.

Cosplay im beruflichen Umfeld – Akzeptiert oder verpönt?

Vorweg ist noch einmal deutlich festzuhalten: Die Ergebnisse der Umfrage spiegeln lediglich den Eindruck und die Erfahrungen aus Sicht der Cosplayer wieder. Dennoch lässt sich daraus ein Bild der Außenstehenden zeichnen, denn wie sie reagieren sagt durchaus einiges aus.

Offener Umgang oder doch lieber verschweigen?

Unter Kollegen und gegenüber Mitarbeitern gehen berufstätige Cosplayer eher offen mit ihrem Hobby um. Unter Kollegen wissen mindestens ein paar Bescheid (52,4%) wenn nicht sogar alle (33,87%). Bei Mitarbeitern zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Dennoch verschweigen über 9% ihren Kollegen das Hobby, mehr als unter LARPern (4%).

Unter Kollegen macht man sich dabei jedoch weniger Sorgen darum, vielleicht auf Ablehnung zu stoßen, sondern hat eher bereits schlechte Erfahrungen gemacht oder redet mit Kollegen allgemein nicht oder sehr wenig über Hobbys. Dasselbe gilt für die Fälle, in denen der Teilnehmer Mitarbeitern vorgesetzt ist.

Gegenüber dem eigenen Vorgesetzten ändert sich das Bild ein wenig. Rund 40% haben darauf verzichtet, ihrem Vorgesetzten von dem Hobby zu berichten und es damit wohl auch in der Bewerbung verschwiegen. Der Grund scheint hier erneut zu sein, dass man mit Vorgesetzten wenig über Hobbys spricht, aber warum man sie auch in der Bewerbung verschweigt, bleibt offen.

Stellt man die Zahlen in Relation, ergibt sich zudem noch ein etwas differenzierteres Bild: Männern scheint es wesentlich unwichtiger zu sein, ob man ihr Hobby Cosplay im beruflichen Umfeld akzeptiert oder nicht. Umfrageteilnehmer, die noch in schulischer Ausbildung oder im Studium sind, haben zudem eher ein Problem mit dem offenen Umgang als ältere Cosplayer.

Da sich hier die Ergebnisse deutlich mit denen aus der LARP-Umfrage überschneiden, liegt die Interpretation nahe, dass in Deutschland über Hobbys im Berufsumfeld sehr wenig gesprochen wird.

Und im Berufsalltag?

Die Ergebnisse deuten auf eine recht große Offenheit im Umgang mit dem Hobby Cosplay im Berufsumfeld hin. Doch wie wirkt sich diese Offenheit aus?

Der überwiegende Teil von 71,25% hat keine schlechten Erfahrungen machen müssen. Auch hier besteht erneut eine sehr hohe Deckung mit den LARPern, ebenso was die Scherze auf Kosten des Teilnehmers angeht. Während jedoch nur 6% der LARPer das Gefühl hatten, beruflich nicht mehr ernstgenommen zu werden, ist der Anteil unter den Cosplayern mit 10% noch einmal signifikant höher.

Auch am beruflichen Fortkommen hat ihre Freizeitbeschäftigung immerhin 1,6% der teilnehmenden Cosplayer gehindert. Das mag gering erscheinen, doch muss die Frage gestellt werden, ob ein kreatives und vielleicht außergewöhnliches Hobby im 21. Jahrhundert noch ein Grund sein darf, in seiner beruflichen Entwicklung eingeschränkt zu werden.

Auch wurde deutlich häufiger als bei LARPern angeraten das Hobby aufzugeben (3,83% zu 1%), ein hoher Wert, der ebenfalls zu obiger Frage führt. Eine Korrelation aus Branche und Empfehlung das Hobby aufzugeben lässt sich anhand der Daten leider nicht ableiten, es scheint jedoch eine Tendenz dazu im öffentlichen Dienst zu geben, also einem eher konservativen Arbeitsumfeld. Hier wäre dennoch eine qualitative Analyse der Umstände sowohl des Umfrageteilnehmers als auch der Empfehlenden nötig um dies zu verifizieren.

So haben rund 10% der Teilnehmer bereits erwogen Cosplay zugunsten ihres Berufes aufzugeben – doppelt so viele wie bei LARPern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein großer Teil der Cosplayer seine Cosplays selber macht und vermutlich mehr Zeit in das Hobby auch unter der Woche investiert als ein LARPer. Zudem achtet ein Viertel der Teilnehmer darauf, dass möglichst wenige oder keine Hinweise auf das Hobby öffentlich zu finden sind.

Dabei gibt es auch reichlich positive Erfahrungen, denn immerhin 44,41% haben überwiegend positive Erfahrungen damit gemacht, ihr Hobby offen im Berufsfeld zu kommunizieren. Das sind zwar 20%-Punkte weniger als bei LARPern, deutet aber darauf hin, dass die Akzeptanz im beruflichen Umfeld auf einem guten Weg ist. Immerhin konnten 7,35% der Cosplayer Menschen aus ihrem beruflichen Umfeld für das Hobby begeistern, über 5% berichten von beruflichen Vorteilen und über 33% haben zumindest Anerkennung für das Hobby bekommen.

Dennoch wünschen sich fast 30% der Teilnehmer mehr Akzeptanz für das Hobby und fast 40% auch eine intensivere Lobby- und Medienarbeit durch Verbände, bekannte Cosplayer oder Con-Orgas.

Fazit

Viele Cosplayer gehen offen mit ihrem Hobby im beruflichen Umfeld um und, wie die Daten zeigen, sehr selten zu ihrem beruflichen oder sozialen Nachteil. Kolleginnen und Kollegen sind ebenso interessiert wie Mitarbeiter oder Vorgesetzte und nicht selten begeistert man neue Menschen für das Hobby.

Dennoch wird das Hobby, zumindest aus Sicht der Cosplayer, noch nicht in der Außenwahrnehmung wie jedes andere Hobby gesehen. Während sicher auch andere Hobbys zu Scherzen der Kollegen verleiten, fühlt sich mehr als jeder zehnte Teilnehmer im Arbeitsumfeld weniger ernst genommen oder hatte sogar die Erfahrung, in der beruflichen Entwicklung gehemmt zu werden. Gerade jüngeren Menschen fällt es oftmals schwer, offen mit Cosplay als Hobby umzugehen.

Dennoch dürften ein zunehmend offener Umgang, eine professionelle mediale Aufbereitung und aktive Lobby- und Medienarbeit das Image von Cosplay positiv aufladen und so zu einem Absinken der negativen Erfahrungen führen. Ähnliches kann man aktuell bei anderen phantastischen Hobbys wie LARP oder Tischrollenspiel beobachten.

Hilfreich können hier auch Prominente sein, die sich zu diesem Hobby bekennen und es damit gesellschaftsfähiger machen können. Und während man unter LARPern Prominenz schon genauer suchen muss (zum Beispiel den Fernsehrichter Alexander Holt oder den ehemaligen finnischen Minister Heikki Holmås), findet sich unter Cosplayern eine ganze Menge. Darunter John Barrowman, der auch gerne schon mal Crossplays macht, Jamie Lee Curtis, bekannt aus diversen Kult-Horror-Streifen, die gerne ihren World of Warcraft-Charakter cosplayt, der Mythbuster Adam Savage, der ein Faible für Wookies hat, oder die US-Politikerin Cara Trujilo.

Statistische Daten

  • Umfragezeitraum: 30.06.2017 – 31.08.2017
  • Fragebögen: 430, davon 313 vollständig
  • Männer: 42
  • Frauen: 263
  • Sonstiges Geschlecht: 8

 

Weitere Quellen: http://www.destatis.de

Artikelbild: ©Teilzeithelden

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein