Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Das Ruhrgebiet nach den Wasserkriegen, eine Welt in der Skythen und Amazonen neue Kräfte erlangt haben und einen gnadenlosen Krieg führen. In diese Welt wird die Toxikologin Emilia unfreiwillig hineingezogen. Während Emilia um ihr Leben und ihren Platz in der Welt kämpfen muss, ringt der Leser mit der Handlung des Buches.

Amazonen und Skythen, die seit Jahrhunderten im Verborgenen gegeneinander kämpfen, ein verseuchtes, teilweise entvölkertes Ruhrgebiet und dazwischen eine Frau, die ihr altes Leben zurück will. Alle Bestandteile von Emilias Gift klangen wirklich gut, aber leider konnte nichts davon überzeugen.

Story

Das Buch spielt einem postapokalyptisch angehauchten Setting, dem Ruhrgebiet nach den Wasserkriegen. Essen ist verseucht und kaum noch als Wohnort geeignet. Emilia Belladram hat es gut getroffen. Sie hat einen liebevollen, ebenso attraktiven wie gut verdienenden Ehemann und kann in Ruhe an einem neuen, experimentellen Gift forschen. Doch alles gerät aus den Fugen, als sie schwanger wird und die Amazone Superba mit einigen ihrer Amazonen das Haus stürmt und Emilia gegen deren Willen in einem blutigen Ritual zu einer Amazone wandelt. Plötzlich steckt Emilia, die eigentlich nur ihr altes Leben zurück will, mitten in einem Krieg zwischen Skythen und Amazonen, den sie nicht versteht. Diese sind in der Welt des Romans alte Völker aus einer vergangenen Zeit, die Skythen männlich und soldatisch, mit strenger Hierarchie organisiert, während die weiblichen Amazonen getrieben sind vom Hass auf Männer und die Skythen insbesondere. Ihre Göttin Vaya hat den Amazonen Fähigkeiten gegeben, die nach einer schmerzhaften Wandlung deren Körper verbessert und ihnen ermöglicht, Männer mit einem Kuss zu töten. Zu diesen Fähigkeiten gehört jedoch auch die Wut auf Männer im allgemeinen als Unterdrücker und Vergewaltiger. Diese Wut kann nur durch das Töten von Männern eine Weile gestillt werden, sonst richtet sie sich gegen die Amazone und bringt sie schmerzhaft um.

Eine jener Amazonen ist Fabel Sonnenstein, die zweite Hauptfigur der Geschichte. Sie wollte keine Amazone werden, will keine Männer jagen oder ihrer Amazonen-Erschafferin Superba gehorchen. Ständig gerät sie mit ihr aneinander und verbringt ansonsten viel Zeit damit, sich im Umgang mit ihren Waffen zu üben. Dann trifft Fabel Emilia und versteht plötzlich, dass die neue Amazone etwas ganz besonderes ist und ihr helfen kann, die Amazonengesellschaft vollständig zu verändern und Fabel zu befreien. Dabei kommt Emilias Giftforschungen eine zentrale Rolle zu.

Das Buch springt immer wieder zwischen Emilia, Fabel und mehreren Nebenfiguren, was an einigen Stellen weitere Informationen für den Leser bietet, an anderen Stellen dagegen eher verwirrt. Jedes Kapitel wird eingeleitet von einer Orts- und Zeitangabe. Wenn jedoch innerhalb des Kapitels zu einer anderen Figur gesprungen wird, bleibt eine neue Setzung von Ort und Zeit leider aus. An sich lassen sich die verschiedenen Storyebenen gut verfolgen, doch so richtig Spannung wollte nicht aufkommen. Immer wieder verläuft sich der Text in überbordenden Beschreibungen und bietet in der Entwicklung der Geschichte wenig Überraschungen. Dazu endet das Buch nicht nur mit einem Cliffhanger, der Handlungsstränge offen lässt, sondern quasi mitten in der Szene, was unbefriedigend ist und vor allem überdeutlich darauf hinweist, dass man doch bitte auch den zweiten Band lesen möge.

Schreibstil

Emilias Gift ist aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben, wodurch das Innenleben verschiedener Figuren dargestellt werden kann. Es liest sich sprachlich recht flüssig, anders als bei einigen anderen Selfpublishing-Titeln stören auch kaum Rechtschreibfehler. Die Amazonen haben verschiedene Begriffe untereinander, die wohl ihre Position innerhalb der Amazonengesellschaft bezeichnen sollen. Die entsprechenden Bedeutungen der Begriffe ließen sich zwar im Verlauf des Buchs erschließen, wurden aber nie erklärt und sorgten anfangs auch für Ratlosigkeit. Ein Glossar wäre hilfreich gewesen. Anders steht es um das notwendige Wissen über den Krieg der Skythen und Amazonen und dessen Ursprung. Hier erfährt der Leser zusammen mit Emilia innerhalb der ersten Kapitel alles für das Verständnis Notwendige.

Leider driftet dieses an sich sehr spannende Setting immer weiter in den Hintergrund. Der Konflikt Skythen gegen Amazonen bekommt einiges an Raum und Hintergrund, verliert aber im Verlauf des Buches seine Relevanz vor den persönlichen Konflikten, die ausgesprochen blutig ausgetragen werden. Die Wasserkriege, die das Ruhrgebiet beinahe menschenleer zurückgelassen haben sollen, werden nur kurz erwähnt und können ihr volles Potenzial ebenso wenig entfalten wie das Ruhrgebiet selbst. Die Autorin benennt einige wenige Orte konkret, doch letztlich könnte der Roman auch an einem vollkommen anderen Ort spielen, ohne dass sich etwas ändern würde. Lokalflair wollte nicht aufkommen. Auch scheinen die Menschen, die weder Skythe noch Amazone sind, einfach weiter vor sich hinzuleben. Nicht nur der geheime Krieg geht an ihnen vorbei, auch ihre veränderten Lebensumstände scheinen sie nicht wahrzunehmen. Nach wie vor gehen sie in Kneipen, haben Apotheken und Bäckereien, müssen ins Krankenhaus und leben in Wohngemeinschaften. Die Wasserkriege sollen, so wird es immer wieder erwähnt, Ressourcen und besonders Lebensmittel verknappt haben, allerdings finden immer wieder ausgiebige Festmahle statt, ohne dass ausgeführt würde, wo die Nahrung herkommt. Generell müssen sich Amazonen wie Skythen offenbar keine Gedanken um Geld oder ähnliches machen, sondern verfügen einfach über entsprechenden Wohlstand und offenbar unbegrenzte Munitions- und Wasservorräte. Hier klaffen der eigentliche Ansatz der Welt und die im Buch geschilderten Handlungen weit auseinander.

Auch die üppigen Beschreibungen der Kleidung der Amazonen haben mich mit der Frage zurückgelassen, wo sie diese herhaben. Schließlich soll es doch kaum noch Vieh nach den Wasserkriegen geben, dennoch wird Leder getragen, auch ist völlig unklar, wer eigentlich die rauschenden Seidengewänder genäht hat. Davon abgesehen erfüllen diese Beschreibungen keinerlei erkennbare Funktion für die Handlung des Buches.

Ergänzt werden die detailreichen Beschreibungen der Kleidung durch eingehende Ausführungen über das Äußere der Figuren. So sind bis auf wenige Ausnahmen (Böse und Statisten) alle Figuren überragend attraktiv, da spielen kraftvolle Muskeln unter der Haut und Lippen sind sinnlich rot. Besonders markant ist dies bei den Amazonen, viele sind optisch nicht nur herausragend, sondern auch noch exotisch, so gibt es beispielsweise eine Indianeramazone, zwei türkische Amazonen und eine mit asiatischen Vorfahren. Außerdem haben sie häufig miteinander und mit Männern Geschlechtsverkehr. Es scheint Teil der hier geschilderten Amazonenkultur zu sein, Männer zu verführen, zu erregen und dann zu töten. Aber auch mit den eigenen Schwestern wird ständig geschlechtlich verkehrt, was die Autorin auch immer wieder in Details ausführt. An einigen Stellen mag dies passend sein, meistens hat es jedoch für die eigentliche Geschichte keinerlei Relevanz.

Die Autorin

Lara Kalenborn wurde 1987 in Essen geboren und studierte Germanistik und Medienwissenschaften. Die Mutter einer Tochter schreibt seit ihrer Jugend und lebt noch immer im Ruhrgebiet. Emilia und die Amazonen begleiten sie seit 2010, bis sie 2017 in die große, weite Welt entlassen wurden.

Erscheinungsbild

Das Cover ist in blutgesprenkelter Pergamentoptik gehalten, auf der ein gezeichnetes Bild liegt. Vor einem roten Himmel stehen zwei Menschen: Eine Frau mit schwarzer Kleidung, einer grünen Phiole in der Hand und einer grüngefärbten, oberen Gesichtspartie, sowie ein Mann in eher soldatischer Kleidung mit einem Gewehr über der Schulter. Im Hintergrund zeichnen sich blaue Bäume und ein Förderturm ab, letzterer weist große Ähnlichkeit mit dem Doppelbock-Fördergerüst von Schacht 12 der Zeche Zollverein auf, einem bekannten Industriekulturdenkmal in Essen. Das Cover passt damit perfekt zur Region, in der der Roman angesiedelt wurde.

Die harten Fakten:

  • Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform
  • Autorin: Lara Kalenborn
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 269
  • ISBN: 978-1542803267
  • Preis: 9,99 EUR (gedruckt) / 0,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Hinten im Buch ist ein einzelnes Kapitel aus Amazonen Allianz, dem zweiten Band der Reihe Vayas Töchter enthalten. Außerdem bietet Amazon den üblichen Blick ins Buch.

Fazit

Emilias Gift begleitet die Toxikologin Emilia dabei, wie sie unfreiwillig in einen alten Krieg hineingezogen wird, in dem sie letztlich eine Schlüsselrolle spielt. Das Buch wartet mit einem spannenden Setting auf, das jedoch viel zu früh an Relevanz verliert. Der Krieg wird schnell zum Hintergrund für persönliche Konflikte, und das angekündigte verseuchte Ruhrgebiet glänzt vorwiegend durch Abwesenheit. Auch die sich eigentlich daraus ergebende Ressourcenknappheit scheint für die Hauptfiguren nicht zu gelten.

Während der Plot relativ direkt ohne größere Überraschungen in häufigem Wechsel zwischen den wichtigen Charakteren vorwärts schreitet, wird die eigentlich spannende Welt dafür vollkommen unwichtig und ertrinkt zudem in überbordenden Beschreibungen von Essen, Kleidung, Geschlechtsverkehr und dem überragenden Aussehen quasi aller Figuren. Nichts davon trägt zur Entwicklung der Geschichte bei und steht zudem teilweise im Widerspruch zum Setting eines verwahrlosten Ruhrgebiets nach einem Krieg um Trinkwasser.

Die ausgiebigen Beschreibungen von gutaussehenden Menschen und ihrem Geschlechtsverkehr, der für die Geschichte oder die Figurenentwicklung vollkommen irrelevant ist, nimmt gefühlt im ganzen Buch mehr Raum ein als der Plot oder die Welt und führt mich so sehr schnell in die Tiefe der Fanfictionhölle. Letztlich überzeugt Emilias Gift trotz im Ansatz guter Ideen nicht, auch wenn ich es sehr bedauere, dass sich das Potenzial der eigentlich interessanten Welt nicht entfalten konnte.

Artikelbild: Lara Kalenborn
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein