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von Laura Birnbaum und Michael Fuchs

Die Connichi in Kassel ist zwar nicht mehr die größte deutschsprachige Veranstaltung der Anime- und Mangaszene, aber nach wie vor das Großevent, zu dem sich tausende Besucher aus aller Welt versammeln, um drei Tage voller Programm und Action unter Gleichgesinnten zu zelebrieren. Wir waren für euch live dabei.

Süße Sechzehn wurde die Connichi dieses Jahr und nutzte diesen Anlass direkt als Veranstaltungsmotto. Seit 2003 findet die größte vom Animexx e.V. veranstaltete Convention im Kongress Palais in Kassel statt. In dieser Zeit ist eine gute Zusammenarbeit von Stadt und Organisatoren entstanden. Die Einwohner der hessischen Stadt in der Mitte Deutschlands begrüßen die einfallenden, bunten Scharen stets fröhlich und interessiert und haben sich nach all den Jahren an den Anblick rund um die Stadthalle gewöhnt. Schließlich stellt die Connichi neben der documenta eine der größten regelmäßigen Veranstaltungen der Stadt dar.

Eine groß(artig)e Location

Seit 2003 findet die Connichi jährlich im historischen Kongress Palais statt und wuchs beständig über die Jahre zu Deutschland zweitgrößter Anime- und Mangaconvention an. Knapp 26.000 Besucher finden sich dabei für drei Tage auf dem Gelände der Stadthalle ein. Auf den ersten Blick sahen die großen Säle und Flure des Palais großzügig aus, doch füllten sie sich schnell mit Ständen, Händlern, Workshop- und Panel-, Video-, Games- und Signierräumen sowie diversen Stationen, die sich um das leibliche Wohl sorgten. Es war gut gefüllt, jedoch mitnichten als verstopft oder gar übervoll zu bezeichnen. Jedoch musste man sich eingestehen, dass die Fläche trotz der Ergänzungen des Gebäudes um zwei Anbauten (Kolonnadenfoyer und Aschrottflügel) und der Renovierungen begrenzt war. Die Organisatoren optimieren jedoch mit jedem Jahr die Belegung und Struktur der Veranstaltung, um einen besseren Ablauf und angenehmeren Aufenthalt für alle Besucher zu gewährleisten.

Zum Beispiel ist das sogenannte Bring&Buy mit großen Zelten in den Außenbereich verlegt worden, um im Inneren der Hallen Platz zu schaffen für einen Händlerraum, der, wie auch das Bring&Buy, ohne Ticket zugänglich war. Dies entzerrte nicht nur die Händlerräume im Inneren der Stadthalle, sondern bot auch Einblicke in die Veranstaltung, ohne direkt Geld ausgeben zu müssen – zum Beispiel für Anwohner, Eltern oder szenefremde Interessierte. Die Stände des Matsuri fanden im weitläufigen Hinterhof ebenfalls in einem großen Zelt Platz, wo man in Ruhe bummeln konnte, auch wenn es Regen geben sollte. Lediglich die Enge, vor allem am Samstag, hätte einen davon abhalten können. Ein weiterer ausgegliederter Programmpunkt war die jährliche Party, die freitagabends stattfindet. Für diesen Programmpunkt wurde mit der Weinkirche eine zusätzliche Location angemietet, die vom Gelände aus jedoch schnell und einfach erreichbar ist.

Des Weiteren gehört der Garten neben der Halle zum Gelände und stellte mitunter den zentralen Treffpunkt des Außengeländes dar. Hier tummelten sich tagsüber so viele Besucher, hauptsächlich Cosplayer, dass man vor lauter Menschen kein Gras mehr sah. So schön dies war, brachte es leider auch Probleme mit sich. Neben den Verschmutzungen und zertretenen Blumenbeeten, die manch unachtsamer Besucher zurückließ, mischten sich auch viele Szenefremde unter die Besucher und fielen des Öfteren durch unangebrachte Verhaltensweisen unangenehm auf. Zwar hatten die Organisatoren auch hier Sicherheitspersonal postiert, das zur Stelle war, wenn es gebraucht wurde, doch war der übervolle Kleinpark tagsüber sehr unübersichtlich. Ein weiteres Problem zeigte sich in Richtung der Abendstunden, als die Helfer vermehrt auf das Drogen- und Alkoholverbot auf dem gesamten Veranstaltungsgelände hinweisen oder gar Besucher deswegen des Parks verweisen mussten. Gefühlt ist diese Situation über die letzten Jahre schlimmer geworden, doch genaue Angaben gibt es hierzu nicht. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Trend rückläufig wird und die Organisatoren nicht zu anderen Maßnahmen gezwungen werden.

Organisation ist alles

Das Team der Connichi macht seinen Job im Gros schon ziemlich lange, und das merkt man auch. Ob alte Hasen oder Neulinge – alles in allem wirkte die ganze Truppe sehr eingespielt. Es gab genügend gut erkennbare Helfer in allen Bereichen, die zumeist sehr kompetent und entspannt wirkten. Vor allem an Eingängen wurden diese teilweise auch von Sicherheitsmitarbeitern entlastet, so dass vor allem in den Fachbereichen genug kompetentes Personal vorhanden war. Wenn man Fragen hatte, fand man schnelle Hilfe am Infostand oder durch eine nette Wegweisung des nächstbesten Helfers, an wen man sich wenden sollte. Um den Überblick im weitläufigen, mehrstöckigen Gelände nicht zu verlieren, klebten an vielen Stellen Übersichtspläne auf dem Boden. Ebenfalls lagen an einigen Stellen Programmhefte oder kleine Faltpläne aus, die neben einer detaillierten Karte auch die Programmpläne der verschiedenen Workshops oder Bühnen enthielten.

Gut strukturiert

Ein Blick auf das Programm-Tableau führte schnell vor Augen, dass es sich um ein großes Event handelte, und man sich gut überlegen sollte, was man sehen will. Es gab parallel ganze acht Angebots-Slots – aufgeteilt auf drei Säle, je zwei Workshop- und Signierräume sowie einen Raum für die neue Connichi-Couch.

In der Eingangshalle befanden sich nebst Waffencheck, Kassen und Information auch der Stand des Veranstalters Animexx e.V. und der Deutschen Cosplaymeisterschaft. Hinter der Eingangskontrolle kam man in den ersten Bereich, der gleichzeitig als Ausstellerraum fungierte, in dem sich vor allem Firmen tummeln. Daran angeschlossen ist der Kolonnadenflügel, der im ersten sowie zweiten Stock den Händlerraum darstellte. Ob Verlagsneuheiten, Merchandise, ältere Anime-DVDs, Cosplay-Artikel, Independent-Zeichner oder japanischer Süßkram: Das breitgefächerte Angebot ließ wenige Wünsche offen. Wirklich Besonderes abseits der Zeichner gab es jedoch nicht – die Zeiten, in denen man auf Cons fuhr, um einzukaufen (weil es sonst keinen Weg gab, bestimmte Dinge zu erhalten), sind dank der globalen Vernetzung vorbei. Zwischen Standardpreisen oder teils sogar überhöhten Messepreisen gab es jedoch auch das ein oder andere Schnäppchen. Zum Stöbern gab es genug, auch wenn es gerade am Samstag ziemlich voll war und man zuweilen etwas anstehen musste, um in die erste Reihe vor einem Stand zu gelangen. Mehr Händler fand man im Gartensaal, der, angeschlossen an den Park, auch ohne Ticket zugänglich war. In den Seitenflügeln des Hauptgebäudes war die Artist Alley, oder auch Manga-Markt genannt, untergebracht. Hier stellten Profis sowieso Hobbykünstler ihre eigenen Werke aus und boten sie zum Verkauf an. Die begehrten, jedoch begrenzten Plätze werden jährlich in einer Lotterie unter viele Bewerber gebracht.

Outdoor zwischen Säulen

Eine der Besonderheiten der Connichi ist das sogenannte Matsuri. In einem großen Zelt im Innenhof der Location gab es diverse kleinere Spiele, wie zum Beispiel Yo-yo Tsuri (man fischt mit einer Papierangel wassergefüllte Ballons aus einer Wanne), und diverse Leckereien. Das Angebot wurde dieses Jahr durch eine vorherige Umfrage an die Wünsche der Besucher angepasst. Hierbei war der Stand mit den japanischen Crêpes am beliebtesten und viele standen lange an, um die kuchen- und fruchtgefüllten Teigfladen zu bekommen. Es war immer gut gefüllt, und gerade die Schlangen an den Essensständen konnten sich über einige Meter erstrecken. Die Atmosphäre eines japanisches Festes mit entsprechendem Angebot, wenn auch kleiner, als man solche Feste aus Animes oder aus Japan kennt, kam dennoch auf. Sowohl Freitag als auch am Samstagabend gab es dazu passend ein Feuerwerk, bei dem sogar kostenlos Wunderkerzen verteilt wurden. Eine eher mäßige Lösung war allerdings die Platzierung des Matsuri im Durchgang zum Gartenbereich, so dass alle Besucher über diesen Eingang durch das ohnehin schon volle Zelt mussten.

 

Auf der anderen Seite des weitläufigen Innenhofes waren in diesem Jahr einige Fotoecken/-aufbauten zu finden. Hier gab es sechs verschiedene Themensets, für die teilweise auch einige Accessoires aus Japan importiert worden waren. Dort herrschte immer reges, aber geordnetes Treiben. Jeder Besucher konnte sich dort ablichten lassen, und wenn man gerade keinen Fotografen zur Hand haben sollte, machten auch die Helfer gerne Bilder, solange man eine eigene Kamera mitbrachte. Vorbildlich: Im Innenbereich gab es auch wieder eigene Umkleiden für Cosplayer – tolle Sache, schließlich ist nicht jedes Kostüm für Auto- oder (überfüllte) Bahnfahrten geeignet.

Im Kongress Palais selbst gab es jedoch auch noch durchgehendes Programm abseits der Aussteller, wie man es von anderen Cons kennt: einen Raum für Videospiele inklusive diverser Wettbewerbe oder einen Bereich für analoge Spiele. Neben Go, Brett- und einigen Kartenspielen gab es auch erstaunlich viele Rollenspielangebote auf dem dazugehörigen Aushang.

Das volle Programm

Dass üppige Programm bot vieles, das nicht nur den Anime-/Manga-Bereich bediente, sondern auch japanische (Pop)-Kultur und westliche Animation einschloss. Neben der Bespielung der zwei Hauptbühnen gab es einige Panels (teils mit anschließender Diskussion) und ein breit gefächertes Workshopangebot. Insgesamt 33 Programmpunkte zählten zu dieser Kategorie, dazu 8 Vorträge. Das am stärksten vertretene Thema bei den Workshops und Panels war Cosplay in allen Facetten. Von Nähen für Anfänger oder Cosplay-Fotografie bis hin zu Themen wie Cosplay über 30 oder Cosplay als Business sollte es für nahezu jeden etwas Interessantes gegeben haben. Doch nicht nur das: Neben Klassikern wie Zeichenkursen oder Synchron-Workshops gab es beispielsweise auch Programm zu Kakao-Karten, Japan und japanischer Kultur, Anime-Streaming oder dem Sammeln von Figuren.

Hinzu kamen natürlich die Panels der diversen Gäste – darunter internationale Cosplay-Berühmtheiten wie die 2015er WCS-Sieger Twin Cosplay aus Mexiko oder Shiro und Shunsuke aus der Schweiz, die das erste Mal als Gäste auf einer ausländischen Con waren. Aber auch die weiteren Gäste waren hochkarätig: Von Zeichnern und Synchronsprechern über Regisseure und Produktionsdesigner bis hin zum Chef des bekannten Studios GAINAX, Hiroyuki Yamaga, oder zwei Mitgliedern der amerikanischen Produktionsfirma Rooster Teeth.

Neu in dieser Sparte muss man die sogenannte Connichi-Couch erwähnen, die dieses Jahr neu ins Programm aufgenommen wurde. Dort gab es über 20 Panels und Interviews aus verschiedenen Themengebieten, die live via Twitch für alle Daheimgebliebenen übertragen wurden und ebenfalls ein breites und interessantes Spektrum abdeckten.

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Und wem das nicht reichte, der konnte Stunden in den Videoräumen verbringen, um diverse Animes zu sehen, oder an Wettbewerben wie Nudelschlürfen, Karaoke, dem Anime-Quiz und anderen teilnehmen.

 

Bühne frei

Zwei Bühnen bieten während der Connichi Platz für viele Stunden bunten Programms. Die große Hauptbühne im Festsaal und die etwas kleinere im daneben liegenden Blauen Saal. Insgesamt drei Auftritte japanischer Künstler waren hier mitunter die Highlights. Chii Sakurabi, eine J-Pop-Sängerin, die das erste Mal in Deutschland auftrat; die Gruppe Karasu, die eine Mischung aus Theater und action-/schwertreicher Bühnenshow aufführten und die japanische Rock-/Metalformation Mardelas. Alle drei boten eine tolle Show, oder im Falle von Karasu auch zwei.

Doch auch aus dem deutschsprachigen Raum gab es einige Beiträge. Viele Showgruppen wie beispielsweise Ikimashô, Daijoubou oder Imitari unterhielten mit Gesang, Schauspiel und Tanzperformances. Erfolgreichster Publikumsmagnet war jedoch der bekannte Szene-Komiker Shinji Schneider, der den Festsaal komplett füllte, so dass Helfer die Besucherreihen kontrollierten und diese zum Aufrücken auffordern mussten, um noch weiteren wartenden Besuchern vor den Türen die Möglichkeit zu geben, dem Auftritt beizuwohnen – das schaffen nicht einmal alle japanischen Gäste. Auch die beiden deutschen Vorentscheide zum European Cosplay Gathering (ECG)und World Cosplay Summit (WCS)konnten sich über ähnlichen Besucherandrang freuen. Dazu fand am Freitag noch ein dritter Cosplaywettbewerb statt, der von der Connichi selbst ausgerichtet wurde und auch mit tollen Preisen der vielen Sponsoren lockte. Die gebotene Qualität reichte dabei von gut bis grandios, und die Aufführungen konnten nahezu alle überzeugen und unterhalten – definitiv Höhepunkte des Bühnenprogramms.

Insgesamt konnte sich das Programm durchaus sehen lassen – egal ob auf der Bühne, oder in kleineren Räumen, oder auf der Couch. Langeweile dürfte niemand gehabt haben – dann eher das Problem, dass man sich zu oft zwischen zu vielen interessanten Punkten entscheiden musste. Zum Glück gab es als Planungshilfe dieses Jahr einen Online-Programmplaner, um via Smartphone sofort abrufen zu können, was aktuell in welchem Raum stattfindet.

Umfangreichere Galerien findet ihr auf unserer Facebook-Seite zu allen drei Cosplay-Wettbewerben: zum Connichi-Cosplay-Wettbewerb, zum European Cosplay Gathering-Vorentscheid und zum World Cosplay Summit-Vorentscheid.

Sayonara und bis nächstes Jahr

Für viele in der Szene ist die Connichi eine Pflicht- und Herzensveranstaltung. Ein wenig wie „nach Hause kommen“. Man erfreut sich immer aufs Neue am Anblick der großen Säulen vor dem Eingang, auf die alten und neuen Gesichter, die man trifft; auf die Platzsuche zur AMV-Nacht und all die vielen Cosplayer, die das Gelände bevölkern. Auch nächstes Jahr sind wir wieder für euch dabei, wenn Kassel wieder bunt wird. Das Datum steht schon fest: 7. bis 9. September 2018 im Kongress Palais, wo auch sonst?

Titelbild: Michael Fuchs

Artikelbilder: Connichi und Michael Fuchs

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