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Seit gefühlten Ewigkeiten werden wir von Videospiel-Verfilmungen gequält. Wir haben die Trailer gesehen und gehofft. Wir haben die Kinokarten gekauft und gehofft. Wir haben den Film gesehen und denken uns mal wieder: „Das Geld hätte ich mir sparen können!“ Schafft Netflix das, woran andere scheiterten?

Schon zu oft kam es vor, dass aus Spielen ein millionenschwerer Flop wurde, durch Publisher und Filmstudios gestützt. Was sich für Fans einer Reihe am Rande des Erträglichen befindet, lässt interessierte Zuschauer, die nichts mit den Titeln zu tun haben, reihenweise davonrennen.

An dieser Stelle muss man aber auch eine Lanze brechen. Natürlich waren nicht alle Spielverfilmungen schlecht. Aber es gibt kaum eine, die wirklich gut war. Man kann sich allerdings fragen: Warum ist das so? Wer sich ein wenig in der Gaming-Szene bewegt, weiß nämlich,

dass unheimlich viel Potential darin steckt. Damit muss man nicht mal gleich an Story-Blockbuster, wie beispielsweise die Reihen um Metal Gear, Mass Effect oder The Witcher, denken.

Der Warcraft-Film dient hier als gutes Beispiel. Vielen Themenfremden hat er wahnsinnig gut gefallen. Einigen, die mit der Story vertraut waren, allerdings eher weniger – aufgrund vieler Ungereimtheiten zum Original.

Der Produzent von Castlevania, Adi Shankar, ging bei vielen Interviews mit einer Kampfansage voran und meinte, dass dies die beste Videospiel-Adaption aller Zeiten werden wird. Bei solch großen Worten hofft man, mit allem was man hat, auf deren Einhaltung.

Castlevania – was ist das eigentlich?

Bei Castlevania handelt es sich um eine Spielereihe, die ihren Auftakt unter dem Titel Akumajo Dorakyura (Teufelsschloss Dracula) im Jahr 1987 hatte und auf dem 1986 für den MSX2-Heimcomputer erschienenen Vampire Killer basiert. Seit dem Erscheinungsjahr brachte es die Reihe auf ganze 21 Titel, zuletzt 2014 mit Castlevania: Lords of Shadow – Mirror of Fate HD für die Xbox 360, Playstation 3 und Microsoft Windows.

Seit dem ersten Spiel folgten Ableger für fast alle anderen Konsolen, den PC sowie Handhelds. Die meisten haben mit der Familie Belmont – den Monsterjägern – zu tun, die sich mit der ikonischen Peitsche und anderen Waffen gegen das Böse – auch hier in den meisten Fällen Dracula – stellen. Die Serie umfasst fast 1000 Jahre eines Kampfes gegen das Böse, von 1094 bis ins Jahr 2036. Wer hofft, dass sich die Spiele an dieser Stelle vernünftig einreihen, wird erst mal enttäuscht, denn hier herrscht ein wildes Durcheinander. Als Beispiel: Das im Jahr 2003 erschienene und zwölfte Spiel der Reihe, Castlevania: Lament of Innocence, spielt zeitlich ganz am Anfang.

Ähnlich wie bei der Zelda-Serie gibt es hier keine einheitliche Timeline. Manche Ableger haben nichts mit der Hauptstory zu tun oder passen überhaupt in diese herein. Das tut der Netflix-Serie aber keinen Abbruch, denn sie behandelt die Abenteuer um Trevor Belmont, den Protagonisten des im Jahr 1989 erschienenen Castlevania III: Dracula’s Curse, der die Aufgabe seines Clans im Jahre 1476 fortführt und sich gegen Dracula stellt.

Die Geschichte bei älteren Spielen ist meist sehr frei gehalten, besonders bei Spielen, bei denen es primär nicht auf diese ankommt. Dies ermöglicht natürlich eine ordentliche Menge Interpretationsspielraum zu den Ereignissen der Serie. Und genau hier greift die Stärke der Wahl der Vorlage: Es ist eben nicht alles bis ins kleinste Detail definiert. Ja, es gibt feste Wegpunkte. Aber alles dazwischen bleibt recht offen und somit auch frei von Erwartungshaltungen. Man erinnere sich vielleicht an die Gestaltung des Animus im Assassins Creed-Kinofilm. Hier unterschieden sich die Erwartungen und das Gezeigte so sehr, dass man nicht umhin kam, enttäuscht zu sein.

Die CastlevaniaNetflix-Adaption geht einen guten Weg. Sie ist sich der kruden Timeline bewusst, bei der selbst Koji Igarashi, seines Zeichens Castlevania-Produzent von 1999 bis 2011, eingestehen muss, dass der Versuch einer einheitlichen Timeline eine schlechte Entscheidung war.

Wir haben also einen großen Sack voller Hintergrundmöglichkeiten. Anders als beim Wichteln wurde hier jedoch nicht wild herumgewühlt, sondern gezielt etwas ausgewählt, das genug Vorlage bietet, um eine Serie zu füllen.

Castlevania – Die Serie

Am 7. Juli 2017 wurde eine vier Folgen umfassende, erste Staffel der Animations-Serie auf Netflix ausgestrahlt und kann seitdem dort angesehen werden. Nur vier Folgen? Ja, richtig gehört. Mit knapp 25 Minuten pro Folge kommt man auf gerade mal 100 Minuten Serienmaterial. Hier hat das Produktionsteam eine kleine Testfahrt durchgeführt, um zu sehen, ob man an der Wand oder an der Ziellinie landet.

Leider taten sich die ersten vier Folgen schwer, eine klare Linie zu fahren.

Während man gerne mehr von dem viel zu kurz gekommenen Dracula gesehen hätte, dauerte die Einführung von Trevor fast zu lange, wenn man sich vor Augen hält, dass hier nur 100 Minuten zur Verfügung standen. Gerade als man damit anfing, den Hauptcharakter zu mögen und zu verstehen sowie alle wichtigen Charaktere und deren grobe Motivationen vorgestellt wurden, rollten auch schon die Credits über den Fernseher und die Staffel war beendet.

Auch fehlte es etwas an Balance zwischen den Dialogen und den doch sehr ordentlich choreografierten Kämpfen. Der Fokus lag eindeutig auf Letzteren. An der Stelle ist zu hoffen, dass sich das in Zukunft ändert, denn das Potential der Charaktere und deren Tiefe ist größer, als es bisher gezeigt wurde. Dieser Umstand ist aber nicht zuletzt auf das straffe Budget zurückzuführen, und man kann sagen, dass es zwar berechtigte Punkte für Kritik sind, aber keine kapitalen Fehler begangen wurden. Des Weiteren haben es die Kämpfe wirklich in sich. Zarte Gemüter werden vielleicht etwas überreizt, denn die Darstellung der Gewalt ist auf einem hohen Maß. Allerdings ist diese weder übertrieben, noch liegt sie im Fokus. Sie macht aber ganz deutlich klar, in welcher Welt die Figuren leben: Es ist eine harte Welt, eine gnadenlose Welt, und genau diese Stimmung wird sehr gut eingefangen.

Der Stil

Hier hat das Powerhouse Animation Studio einen guten Job gemacht. Es wirkt nichts billig oder dahingeschludert. Auf erstaunliche Weise wurde ein Mix aus den guten alten 90er Cartoons (Der Tick, Mega Man, Gargoyles) und modernen Anime-Serien geschaffen. Letztere schimmern ein wenig mehr in der Mimik und kleinen Comic-relief-Szenen durch, jedoch ohne albern zu wirken.

Die liebevollen Hintergründe wirken an den passenden Stellen bildgewaltig und sind detailreich. Auch die Charakteranimationen wissen zu überzeugen. Wem Animes bekannt sind, der muss sich keine Sorgen machen, in einem B-Produktionsstudio gelandet zu sein. Ein Effektgewitter im Stile der Fate/stay night darf man allerdings noch nicht erwarten, wobei man nicht so weit davon entfernt ist.

Wie bereits erwähnt, fehlt es den Dialogen noch etwas an Tiefe, und die verbale Interaktion der Charaktere hat etwas von einem Tischtennisspiel.

Synchronisation

Im englischen Original erwarten den Zuschauer Richard Armitage (Thorin in Der Hobbit), Graham McTavish (Dwalin in Der Hobbit), James Callis (Dr. Baltar in Battlestar Galactica) und Emily Swallow (The Mentalist, Supernatural). Eine durchaus hochkarätige und starke Besetzung für eine animierte Serie.

Muss sich die deutsche Fassung dagegen verstecken? Keineswegs. Es wurde sich an hochwertigen Sprechern bedient, die ihre Rollen gut verkörpert haben. Man hatte an keiner Stelle das Gefühl, dass einer der Sprecher von seiner Arbeit gelangweilt gewesen wäre.

Neben Klaus Dieter Klebsch (Alec Baldwin, Ian McShane, Josh Brolin) reihen sich noch Oliver Siebeck (Mark Strong, Ray Stevenson, Vegeta in Dragonball), Guiliana Jakobeit (Amy Adams, Keira Knightley) und Sven Gerhardt (Ian Bohen in der Serie Teenwolf) ein. Gerade Klaus Dieter Klebsch ist die Rolle des Dracula auf die Zunge geschrieben.

Vier Folgen? Wie geht es weiter?

Vorweg: Keine Sorge, es wird weitergehen. Noch vor Release der ersten Staffel wurde eine weitere angekündigt, diesmal mit acht Folgen, vermutlich jedoch erst 2018.

Das genaue Datum der Veröffentlichung ist allerdings noch nicht bekannt. Es heißt also hoffen und warten. Nach der Probefahrt im Vier-Folgen-Erlkönig, die wohl gut verlaufen sein muss, kann man sich also auf eine Fortsetzung freuen.

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Fazit

Ja, ich hatte meinen Spaß mit der Serie Castlevania. Sehr großen sogar. Ich freue mich auf die Fortsetzung und weiß noch nicht, womit ich die gefühlt unendliche Wartezeit überbrücken soll.

Ich denke, die Serie kann man sich sogar anschauen, wenn man ansonsten nicht unbedingt auf Animes steht. Zugegebenermaßen kommt das erhoffte Retrofeeling nicht wirklich auf. Das hat mich aber schon mit der zweiten Folge nicht mehr gestört.

Ich bleibe in freudiger Erwartung auf Weiteres und hoffe nebenher ein klein wenig, dass damit vielleicht ein Tor aufgestoßen wurde, dass es anderen erlaubt, von uns geliebte Adaptionen umzusetzen.

Artikelbilder & Trailer: Netflix, Inc.

Über den Autor

Benjamin Knöpfle ist schon seit seiner Kindheit Fan von Animes und Comicserien. Mit Saber Rider, Captain Future und Co. nahm seine Vorliebe für Phantastik ihren Anfang und zieht sich bis heute wie ein roter Faden durch seine Freizeit. Sein liebstes Genre sind dabei Shounen/Seinen-Animes, aber auch sonst frönt er Serien aller Art. Wenn er nicht grade die nächste Staffel einer Serie verschlingt, ist er zudem regelmäßig als LARPer unterwegs.

 

 

 

7 Kommentare

  1. Bei den Bildern muss ich persönlich bisher irgendwie v.A. an „Hellsing“ oder „Vampire Hunter D“ denken. Stimmungsmäßig.. vielleicht die Farbgebung? Hmm…

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