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In den Kommentarspalten tobt ein Krieg selbsternannter Trek-Experten, die Discovery inbrünstig hassen (wollen). Die Liste der Vorwürfe ist lang. Zu düster, zu sehr an die Abrams-Filme angelehnt, keine positive Zukunftsvision, wenig sympathische Charaktere und überhaupt sei The Orville ja ohnehin besser. Und die Klingonen? Furchtbar! Hier knöpft sich Andreas die Kritiker vor.

Das Grundproblem

„So sah die Technik im 23. Jahrhundert noch nicht aus!“. Entweder schrieb dies ein Zeitreisender (unwahrscheinlich) oder aber jemand, der auf Retrofuturismus im Stil von Raumschiff Enterprise (TOS) aus den 1960er Jahren gehofft hatte. Für den Fall, dass es doch ein Zeitreisender war, bitte ich um Verzeihung. Ansonsten: was für eine hirnrissige Einlassung!

Star Trek stand und steht zwischen zwei großen Strömungen der Science-Fiction: Social Science-Fiction und Hard-Science-Fiction, wobei ersteres mit Fragen gesellschaftlicher wie kultureller Ordnung, moralischer Prinzipien und ethischen Handelns immer dominierte. Doch wie will man sich mit aktuellen technologischen und sozialen Fragen auseinandersetzen, wenn man an ein immer detaillierteres fiktives Universum gebunden ist, dessen Ursprünge bis in die 1960er Jahre zurückreichen und sich aus aberhunderten TV-Folgen und zehn Kinofilmen speisen?

Retro trifft Zukunft

Geschenkt: Kanon, Continuity und In-Universe-Logik sind gerade in Zeiten der Shared Cinematic Universes für Fans sehr wichtig, weil sie eine kohärente, konsistente Anderswelt anbieten, über die man Wissen erwerben kann. Dieses Wissen wiederum hat eine soziale Funktion innerhalb einer Gruppe (Wiedererkennung, Gesprächsanlässe für Fachsimpeleien etc.) und stellt obendrein einen netten Zeitvertreib dar. Die zu wirklich jeder größeren Buch-, TV- und Filmserie existierenden Wikis wie Memory Alpha mit tausenden von Einträgen sprechen Bände. Doch das führt zu einem doppelten Problem, zu immer engeren Grenzen für Neues und dem unausweichlichen Widerwillen sorgsam gehegter Nostalgie.

Kanon und Kanonen

Wild wuchernder Kanon ist eine schwere, restriktive Hypothek für Autoren. Das kann bei Fantasywelten funktionieren und ist auch notwendig, da Figuren, Ereignisse und Beziehungen diese Welten antreiben und bestimmen. Das trifft natürlich auch auf Science-Fiction zu. Aber in (seriöser) Science-Fiction erfüllen Figuren und Ereignisse zuvorderst eine andere Funktion, nämlich die, Gedankenexperimente um soziale, kulturelle oder technologische Konzepte und Fragestellungen durchzuspielen. Das heißt nicht, dass die Figuren, Geschichten und Welten keine Rolle spielen und völlig beliebig sein dürfen oder können – der Kult um Kirk, Picard & Co. würde so etwas Lügen strafen. Doch für jede Erweiterung einer Science-Fiction-Idee, die wie im Falle von Star Trek mittlerweile 50 Jahre existiert und gerade von ihren vorgeblichen Fans wegen ihrer anregenden Ideen und Zukunftsentwürfe gegen das ach so banale Weltraummärchen Star Wars positioniert wird, ist das auf Dauer pures Gift. Sonst passiert ähnliches wie bei Star Wars, das sich selbst im Look trashiger Zukunftsvisionen der späten 1970er Jahre eingefroren hat. Das ist vielleicht konsistent, aber eben auch konsistent und konsequent bis zur völligen Verblödung, wie das so hübsche wie hohle Rogue One jüngst eindrucksvoll bewiesen hat. Ein sanfter Reboot, der zentrale Elemente übernimmt, aber gleichzeitig Spielraum für neue Ideen schafft, war daher notwendig, um Star Trek im wahrsten Sinne des Wortes „zukunftsfähig“ zu machen.

Nostalgie nicht nur bei DDR schädlich

Alte Bekannte aus TOS

Je älter und komplexer Franchises werden, umso höher wird zudem die nostalgische Verklärung jener Phasen, mit denen man selbst aufgewachsen ist. Umso enger wird damit auch der Bewegungsspielraum, in dem sich Produzenten bewegen müssen, um Fan-Erwartungen gerecht zu werden. Und es ist gerade die eigene Nostalgie, die man für Die nächste Generation (TNG), Deep Space Nine (DS9) und Voyager (VOY) empfindet, welche die Gemüter erhitzt. Alle drei Serien entstanden in den 1980er (TNG) und 1990er Jahren (DS9, VOY) und wurden teilweise zeitgleich ausgestrahlt.

Die Produktions- und Designteams überschnitten sich, man verwendete in Teilen sogar die gleichen Sets und Schiffsmodelle. Mit Worf, O´Brien, Riker oder Lt. Barkeley tauchten mehrere Figuren in unterschiedlichen Serien als Gäste oder dauerhafte Bestandteile des Ensembles auf. Die (teilweise) Gleichzeitigkeit und Verschränkung ihrer Entstehung definierte Star Trek für mehrere TV-Generationen konzeptionell wie ästhetisch. Auf deren Nostalgie zielt nun The Orville ab, die sich wie ein humorvolles, leicht trashiges China-Plagiat dieser Ära anfühlt. Back to the Nineties? Gerne, aber dann darf man bitte keine Serie erwarten, die vorwärtsgewandt und mutig agiert, was ja gerade Star Trek vor allen Serien für Fans angeblich auszeichnet. Überhaupt werden zudem in der nostalgischen Euphorie alle Makel des Alten ignoriert, etwa die vielen vergessenswerten Folgen der ersten beiden TNG-Staffeln oder der ebenso holprige Start von DS9, wo man ebenfalls erst nach einiger Zeit zur bis heute gefeierten Topform fand.

Fragen der Gegenwart Die Crew als Statement

Pluralität in der Crew

Begeben wir uns kurz auf die Brücke der (historisch, nicht kanonisch) ersten USS Enterprise (NCC 1701) und sehen uns die finale Zusammensetzung von Kirks Crew an. Sie spiegelt eine geeinte Welt wieder, in der politische und soziale Spannungen der 1960er Jahre überwunden worden sind. Mit Pavel Chekov finden wir einen Vertreter aus dem damals auf der anderen Seite des Kalten Krieges stehenden Lager. Hikaru Sulu wiederum vertrat den besiegten japanischen Erzfeind aus dem Zweiten Weltkrieg, der – wie alle Asiaten – in der amerikanischen Populärkultur dieser Jahre sonst oft mit durch und durch rassistischen Zerrbildern repräsentiert wurde. Dann Uhura, die als schwarze Frau gleich zwei Bevölkerungsgruppen in sich vereinte, die just in dieser Zeit auf den Straßen für Gleichberechtigung kämpften. In ihrer Person war Uhura auf der Enterprise somit ein alles andere als selbstverständlicher Teil der Führungscrew. Bereits die Zusammensetzung der Crew der ersten Enterprise war also hochpolitisch und als humanistischer Gegenentwurf fest mit den großen sozialen und politischen Fragen von Roddenberrys Gegenwart verbunden.

Ein Blick auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen in den USA verrät, dass es bei Star Trek: Discovery kein Stück anders ist. So macht der vielfältige Cast in Discovery das Ideal einer globalen Kultur der Gleichberechtigung und Zusammenarbeit einer geeinten Menschheit am überzeugendsten von allen Star Trek-Manifestationen sichtbar. In Discovery werden damit in der Zusammensetzung der Crew die hitzigen Diskussionen über sexuelle Identitäten, wie auch klassisch die Gleichberechtigung von Ethnien und Geschlechtern, über kulturelle Identität, Homogenität und Diversität, aufgegriffen. Diese toben in den USA seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und (Links-)Liberalen, zwischen Jung und Alt, zwischen Evangelikalen und liberalen Christen, zwischen Land und Stadt, zwischen Nord und Süd, zwischen Küste und Landesinnerem. Die Wahl Donald Trumps zeigte uns ungläubig dreinblickenden Europäern diese enormen Bruchlinien auf. Und auch vor der Trek-Fanbase machten sie nicht halt. Entsprechend heftig waren die Reaktionen auf die Homosexualität von Wissenschaftsoffizier Paul Stamets. CBS wurde unterstellt, sich einem „liberal mainstream“ zu unterwerfen. Ein Beispiel für all jene, die Roddenberrys Standpunkt wohl trotz exzessivem Trek-Konsum nie richtig verstehen wollten. Dieses sehr verhärtete, kämpferische Gegenüber wird in seiner Ambivalenz, zugegebenermaßen mit der Holzhammermethode, auch im Stand-Off zwischen Föderation und Klingonen verwertet.

Erster Offizier im Fokus

Auch wenn wir müde auf Captain Janeway verweisen, wenn es um starke weibliche Führungsfiguren in Star Trek geht, so muss man verstehen, dass das Frauenbild in weiten Teilen der USA weiterhin deutlich traditioneller ist. Vor diesem Hintergrund stellt die offensive Selbstverständlichkeit weiblicher Führungsfiguren gerade in den ersten zwei Folgen von Discovery durchaus ein Statement dar. Dass es sich zudem nicht um weiße Männer handelte ist das weitere versteckte Statement, in das man – mit aller Vorsicht – auch einen Gegenentwurf zum Bild eines vom männlichen White-Anglo-Saxon-Protestant-(WASP)-dominierten Nordamerika interpretieren kann. Verstanden wurde es jedenfalls so, wie so mancher Vorwurf zeigt, dass an die Stelle der WASP-Überrepräsentation eine Überrepräsentation sexueller und kultureller Minderheiten und Nischen getreten sei. Dies wiederum ist ein Indiz, wie sehr Discovery am Puls der Zeit liegt und wie weit wir von Roddenberrys Zukunftsvision entfernt sind: Dass derartiges schlichtweg keine Rolle mehr spielen sollte.

Gleichwohl: Diese Progressivität ist heute kein Alleinstellungsmerkmal von Star Trek mehr und wirkt daher eben nicht revolutionär. Allein in einem Punkt bleibt Star Trek, soweit absehbar, radikal: Religion scheint auf der Erde der Zukunft weiterhin keine (relevante) Rolle mehr zu spielen.

Politisches global

Jenseits sozialer Fragen aus der Binnenperspektive der US-Gesellschaft lassen sich auch Debatten über die internationalen Beziehungen, über Krieg und Frieden in den ersten zwei Discovery-Folgen klar erkennen.

James Frain als Botschafter Sarek.

Beginnen wir mit China und nachgeordnet Asien, das in Discovery nun auch deutlich repräsentiert wird (wenn auch bei weitem nicht so dominant wie z. B. in Firefly), sei es in der Abstammung Captain Georgious, im Namen der USS Shenzhou oder in einem kurzen Zitat von Sun Tzu in einem Gespräch auf der Brücke. Ähnlich wie im Fall von Chekov als Vertreter des (damals sozialistischen) Osteuropas wird hier mit China der internationale Herausforderer der USA in ein friedliches Zukunftsbild der Menschheit integriert, in dem ein existierender und sich erwartungsweise zuspitzender Konflikt als gelöst und überkommen dargestellt wird. Ein bisschen Siegergeschichte, ohne den Autoren dies in den Mund legen zu wollen, bleibt es trotzdem. So lehnt die Volksrepublik China eine universelle (westliche) Interpretation der Menschenrechte ab, und es bleibt abzuwarten, welchen Wandel die westlich geprägte internationale Ordnung inklusive der für die Vereinte Föderation der Planeten Pate stehenden Vereinten Nationen in den nächsten Jahrzehnten durch den Einfluss von China, Indien und anderen aufsteigenden Staaten erfahren wird.

Star Trek geht jedoch auch in Discovery davon aus, dass am Ende die Durchsetzung einer auf universellen Menschenrechten basierenden globalen Kultur stehen wird und dass China, Russland und andere Staaten mit der Betonung nationaler und regionaler Partikularismen sich nicht durchsetzen konnten. Discovery bleibt also in dieser Frage der Denktradition des amerikanischen Idealismus treu.

Neue Klingonen sorgen für Kritik

Damit wären wir beim zweiten Punkt, den man wiederum am Gegenüber von Sternenflotte und Klingonischem Imperium festmachen kann: den kulturellen Folgen von Globalisierung. Die Sternenflotte steht hier für ein universelles, auf Frieden beruhendes Ordnungssystem, in das sich Völker zum gegenseitigen Vorteil und Wohl aller einordnen. Dies wiederum wird von den Klingonen als Bedrohung für ihre kulturelle Identität und Selbstständigkeit gedeutet, als Existenzfrage, die nur durch Kampf entschieden werden kann. Gerade hier gelingt Discovery mit der Darstellung der Klingonen als betont fremdartige, radikal an anderen Normen ausgerichtete Kultur, wichtige Konfliktlinien in den internationalen Beziehungen der Gegenwart und die damit einhergehenden Verständigungs- und Verständnisprobleme für die jeweils andere Seite im Konfliktfall aufzuzeigen. Es ist auch eine Selbstbespiegelung des Westens, der die Verlustängste vieler Gesellschaften hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit lange entweder nicht ernst genug genommen oder aber aus einem mindestens moralischen Überlegenheitsgefühl heraus schlicht ebenso ignoriert hat wie das darin angelegte Konfliktpotenzial. Man denke etwa an die inneren Auseinandersetzungen unter Denkern im zerfallenden Osmanischen Reich, im chinesischen Kaiserreich der Qing-Dynastie, im Meiji-Japan oder aber im Russland der Gegenwart. Stereotypisch kann man an dieser Stelle natürlich auch auf Samuel P. Huntingtons Werk Clash of Civilizations verweisen. Spannend ist, wie Discovery diesen in den Pilotfilmen aufgezeichneten Konflikt weiterentwickeln wird, welche Lösungen und Fehler uns auf diesem Weg erwarten werden und ob man bei einer zumindest relativen Gleichberechtigung der Perspektiven auf eben diesen Konflikt bleiben wird.

Zusammengenommen greift Discovery also ähnlich wie schon TOS inneramerikanische Debatten auf, verpackt sie in greifbare, stereotype Situationen, Charaktere, Kulturen und Figurenensembles. Es steht damit in bester Trek-Tradition und zeigt sich deutlich globaler orientiert als die amerikanische Nabelschau und Selbstbeweihräucherung, die einem streckenweise in Star Trek: Enterprise entgegenschlug.

Die Lust an der Zukunft

Könnte auch aus Mass Effect sein, sagen Kritiker

J.J. Abrams erster Star Trek-Film war ein zweischneidiger Erfolg. Einerseits gelang es Abrams, Star Trek als Marke wiederzubeleben und visuell auf den Stand des 21. Jahrhunderts zu heben. Andererseits verließ Abrams bereits im ersten Film zentrale Teile von Gene Roddenberrys Zukunftsvision, was viele Fans verärgerte. Vor allem Kirks Feuerbefehl auf das dem Untergang geweihte Schiff Neros am Ende des Films erregte die Gemüter.

Auch Star Trek: Discovery wird vorgeworfen, von der positiven Zukunftsvision Roddenberrys abgewichen zu sein. Aber stimmt das?

Star Trek als sozialistische Utopie

Was bei Abrams’ Star Trek das Fass eigentlich zum Überlaufen brachte, war ein Detail während der Verfolgungsjagd zwischen einem Robo-Polizisten und dem jungen James T. Kirk, als die Marke Nokia auf Kirks Autoradio plakativ inszeniert wurde.

Das brach mit Roddenberrys Föderation als sozialistische Utopie. Die Föderation in Star Trek ist nicht marktwirtschaftlich organisiert, eine (Binnen-)Währung existiert nicht, Unternehmen haben – falls überhaupt existent – keine politische Macht und die Versorgungsprobleme der Menschheit mit Gütern und lebensnotwendigen Ressourcen sind gelöst. Knappheit und Verteilungskonflikte gehören wie Umweltzerstörung und Bürgerkrieg der Vergangenheit an. Die Menschheit habe (schmerzhaft) gelernt, nach Höherem zu streben, und sich der Neugier und dem wissenschaftlichen Forschungsgeist verschrieben. Zumindest vermitteln die Offiziere der Sternenflotte dieses Bild.

Aber sind alle Menschen Offiziere der Sternenflotte? Wie der Alltag, wie politische Mitbestimmung in der Föderation organisiert sind, wie einzelne Bürger in dieser Utopie leben, wie Besitz geregelt, wie Macht eingehegt wird und Interessenkonflikte moderiert werden – alle diese Fragen bleiben in allen Versionen von Star Trek unausgearbeitet und damit offen.

So auch in Star Trek: Discovery. In Folge drei (Context is for Kings) bestätigt Captain Lorca Burnham halb wehmütig, dass irgendwann in der Vergangenheit ja die Zukunft eingetroffen sei, weshalb es die Firma seiner Vorfahren nicht mehr gebe, deren Kekse er ihr in dieser Szene anbot. Auch die Betonung eines friedliebenden, diplomatieorientierten Forschergeistes der Föderation wird in Discovery aufgegriffen, jedoch – so die Intention der Macher – einem kritischen Belastungstest unterworfen. Die Kontinuität ist aller Unkenrufe zum Trotz gewahrt.

Deep Space Nine war kein Ponyhof

Kampflustige Föderation

Nun kann man einwerfen, dass die kritische Hinterfragung zentraler Prämissen von Star Trek eben kein positives Zukunftsbild vermittle. Zum einen bleibt dies angesichts der Pläne für Discovery als Neubegründung der Föderationswerte vor dem Hintergrund einer fundamentalen Zerreißprobe, wie sie von den Machern angedeutet wurden, abzuwarten. Zum anderen sind moralische Ambivalenzen Teil der Geschichte von Star Trek und waren prägend für den Erfolg vor allem von Star Trek: Deep Space Nine.

Man kann argumentieren, dass Deep Space Nine erst dann richtig an Fahrt aufnahm, als Krieg, Terrorismus, Bürgerkrieg und aufeinanderprallende Interessen Entscheidungssituationen komplex und viele Lösungen alles andere als optimal werden ließen. Dadurch hat die Serie nicht nur narrativ, sondern auch in ihrem eigenen Anspruch deutlich gewonnen. Mit der Einführung der dubiosen Geheimorganisation Sektion 31 wurde zudem gezeigt, dass auch in der scheinbar altruistischen Föderation Kräfte existieren, bei denen der Zweck die Mittel heiligt. Ein klassischer Konflikt zwischen Realisten und Idealisten. Doch auch in den alten Star Trek-Filmen, die noch zu Roddenberrys Lebzeiten entstanden, gab es moralische Ambivalenzen, aufgezeigt etwa am „Genesis“-Projekt, das sowohl als Terraforming-Technologie als auch als Waffe verwendet werden konnte (Star Trek II: Der Zorn des Khan, Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock), oder bei Beharrungskräften innerhalb der Föderation, die eine Einigung mit dem Klingonischen Reich mit aller Kraft zu verhindern versuchten (Star Trek VI: Das unentdeckte Land).

Das gleiche gilt für Figuren, die wie Burnham mit traumatischen Erfahrungen konfrontiert werden, Fehler machen und falsche Entscheidungen treffen, aber eben auch am Umgang damit wachsen und lernen. Sie ist in ihrem ganz persönlichen Hass auf die Klingonen beispielsweise in bester Gesellschaft mit einem gewissen James Tiberius Kirk (Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock), dessen Haltung erst aus Einsicht in die Notwendigkeit, einen Krieg zu verhindern, verändert wurde (Star Trek VI: Das unentdeckte Land).

Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten prägen unseren Alltag. Sie sind urmenschlich. Die Frage, wie man in Handeln und Selbstansprüchen ethisch gerecht bleiben kann, ist deutlich interessanter in Situationen, die eben keine eindeutig „positive“ und „negative“ Lösung haben. Ambivalenz macht Entscheidungen komplex und damit erst glaubhaft. Das ist vielleicht auch ein Stück weit das Erfolgsgeheimnis von Deep Space Nine gewesen: Es gibt „die“ eine richtige Lösung nicht, und falls doch, dann nur, weil man unfähig ist, das Ausgangsproblem in seiner vollen Komplexität zu erfassen.

Fazit

Discovery greift sowohl auf Roddenberrys Ausgangsvision als auch auf weiterentwickelte Trek-Formate zurück und zeigt eine positive Zukunftsvision im Stresstest. Gerade hier wird es spannend.

Jenseits dessen ist zu hoffen, dass Discovery in klassischer Science-Fiction-Manier technologische und ethische Gegenwartsfragen aufgreifen wird, etwa zu künstlicher Intelligenz, Gen-, Bio- und Nanotechnologie, Wissen und das Selbstverhältnis des Menschen in Zeiten digitaler Vernetzung, Umweltschutz, religiösem/weltanschaulichem Fanatismus, ethnischen und kulturellen Konflikten, dem Konflikt von Tradition und Hypermoderne, der Überforderung von Bevölkerungsteilen mit der sozialen und technologischen Entwicklungsdynamik der letzten 50 Jahre und und und.

Artikelbilder: ©CBS

Über den Autor

https://scontent-frx5-1.xx.fbcdn.net/v/t34.0-12/22472414_1623249737750204_1048592826_n.png?oh=6e72e5b643fca731f9dacf4e85a21078&oe=59F099B0Andreas Plöger ist Historiker, Science-Fiction-Fan, Autor, u.a. für Cthulhus Ruf, und beschäftigt sich seit Jahren mit Abseitigem. Vom Großen Bruder in den 1990ern mit Dungeons & Dragons infiziert und als Teen mit Rollenspielen aufgewachsen, ging es weiter mit…äh…“Musik“. Es folgte ein Rücksturz ins LARP, wo er zuletzt bei Epic Empires Teil der Head-Orga war.

 

 

 

 

32 Kommentare

  1. DANKE für diesen Artikel. Ich kann das Gejaule auch nicht mehr hören. Man sollte auch eines bedenken: Zufriedene Menschen schreiben ungern Reviews. Meistens kommen die von Fachkritikern, die nun angegangen werden, weil diese die Serie ganz brauchbar finden. Und zwar quasi alle. Das bringt die sogenannten „Fans“ nur noch mehr auf die Palme. So kommt, in anderen Gesellschaftsbereichen, das selbstgezimmerte Wahnbild der „Fakenews“ zustande. Gleiche Mechanik. Ich bin aber viel mehr entsetzt, dass diese Generalkritik AUSGERECHNET von Star Trek „Fans“ kommt, die ihre „reine Lehre“ angegriffen sehen.
    Zugegeben: Die Meisten Trekkies wurden mit der Optik und der Tonalität von TNG und den Nachfolgeserien sozialisiert. Aber wieso empfindet man alles davon abweichende als „falsch“?

    Das ist echt peinlich, wenn man bedenkt, wofür Star Trek stand und steht. Nämlich die Endlichkeit aller Dinge und den Neubeginn; die Vielfalt des Lebens und die Neugier auf das Morgen. Das Gegenteil davon ist Konservativismus. Ich finde, an dem Tag, wo Star Trek damit beginnen sollte, das Immergleiche zu wiederholen, an jenem Tag hätte man den Geist von Star Trek verraten.

    Schade, dass so wenig von Kirks Lebensfreude, Picards Weisheit, Siskos Gelassenheit, Archers Neugierde und Janeways Pragmatismus auf die vermeintlichen „Fans“ abgefärbt hat.
    Die sogenannten „Fans“, die STD zerreißen, sind beleidigte, verbohrte, dem Vergangenen nachtrauernde Fortschrittsskeptiker, die Veränderungen nicht ertragen können. Nein, das können keine Star Trek Fans sein. Und als Star Trek Fan seit 1990 möchte ich nicht mit diesen Hinterwäldlern in einen Topf gesteckt werden.

    „Echte“ Star Trek Fans lieben das Neue, den Fortschritt, die Vielfalt, die Zukunft. Alles das, was die sogenannten „Fans“ der Produktion von STD vorwerfen, verrät die Ideale, für die Star Trek inhaltlich steht.

    Im Grunde haben die Showrunner mit ihren neuen Klingonen ein Abbild ihrer eigenen Hater geschaffen: „Alles soll schön bleiben wie es ist; geht weg mit eurer Multikulti-Social-Justice-Friedenstruppe und euren Lensflares und den shiny Hologrammen!“

    Es ist, auf einer Metaebene, einfach zum Totlachen, wie berechenbar die beleidigten „Fans“ sind. Wenn es nicht so traurig wäre, dass diese den Diskurs zu bestimmen scheinen. Heute wurde STD um Staffel 2 verlängert. Diejenigen, die auf eine Absetzung gehofft hatten, (in Teils drastischerer Formulierung) werden heute noch wütender geworden sein. Nun sind es die „verblendeten Nicht-Fans“, die das Licht nicht gesehen haben und diesen „Schandfleck“ der Star Trek Geschichte künstlich am Leben halten.

    Es ist grausam, welche Rhetorik (ausgerechnet!) Star Trek „Fans“ heutzutage auspacken, um anderen Menschen ihre Freude an einem Unterhaltungs(!)produkt(!) madig zu machen.

    Aber, das ganze ist mittlerweile ein Selbstläufer. Egal ob Serien, Filme, Editionswechsel bei Rollenspielen usw. Eine laute Online-Öffentlichkeit empört sich und ist wütend und denkt, dass sie für die Mehrheit spricht.
    Und wenn es dann hart auf hart kommt, stellen sie fest, dass sie nur 12,6% sind…

    Hach, das Geschimpfe hat jetzt mal gutgetan. ;) Sorry für die Wall of Text. Aber als alter Trekkie bin ich gerade entsetzt von einer meiner liebsten Communitys.

  2. Danke für diesen Artikel!
    Als jemand, der mit Star Trek aufgewachsen ist und seit Kindesbeinen an zu den Fans zählt, finde ich die Serie zu großen Teilen gelungen. Die meiste Zeit sitze ich freudig auf der Couch und rufe „das ist SO Star Trek „! Gerade durch Captain Lorcas Antibeispiel eines Sternenflottenanführers bietet sich so unfassbar viel Potenzial, die damals noch junge Föderation in ihrem Entstehen zu sehen. Auf seine Bedeutung für das Universum bin ich extrem gespannt, ob am Ende Manöver/Taktiken nach ihm benannt werden oder ob er ein dunkles Kapitel und die Don’ts in der Akademie darstellen wird. Diese Komplexität und die ständigen Fragen nach der tieferen Bedeutung und den Auswirkungen für nicht weniger als das gesamte Universum (aka Gesellschaft) kann man fast in jeder Szene rauslesen. Was mir im Übrigen bei den Abrams Filmen immer ein bisschen gefehlt hat (die ich trotzdem echt gut finde, aber wesentlich mainstreamiger).

    • Ein Jahrhundert ist für mich immer aber noch in den Anfängen und in der Entstehung zu dem Konsens, in dem späteren Serien spielen. Ich hab viele interne Konflikte rausgehört, wesentlich mehr als in den anderen Serien, was ich an der Zeitleiste vor Kirk gut platziert finde.

    • Axel Meßinger Siehe Episode 6. Da wird es erklärt, wie er soweit kam. Kriegstraumata. Er war nicht immer so.
      Und wenn du meinst, dass es solche Figuren wie Lorca noch nicht gab, wie erklärst du dir dann Captains wie Ransom (VOY)? Was ist mit Matt Decker? (TOS) Was ist mit Jellico? (TNG) Hey, nimm die gesamte Sektion 31!
      Bei Star Trek gab es immer „Anti-Captains“, an denen sich unsere Helden abarbeiten konnten. Nun gibt es mal einen gebrochenen Antihelden, der den Captain spielt. Sehr erfrischend. Das ist aber auch alles, was STD hier anders macht. Solche „Figuren“, wie du sagst, hat es bei Star Trek IMMER schon gegeben. Kein Grund, der neuen Serie hieraus nen Strick zu drehen. Zeugt eher von Unkenntnis der Lore. ;)

    • Nur stellt sich mir trotzdem die Frage, wie solch eine Figur wie Lorca Starfleet Captain werden kann. Wie so jemand überhaupt durch die Akademie kommt, wo er doch bei jedem kleinsten Ereignis ausrastet. Wie kann so jemand ein Raumschiff befehligen und ein Kommando bekommen?

      Innere Konflikte gab es auch bei Sisko. Sehr viele sogar. Der Unterschied zu hier ist: In DS9 wurde sich sehr viel Zeit genommen diese zu beleuchten. Sie dienten nicht einfach nur als Plot Device um doch endlich zur nächsten Actionszene zu kommen.

    • Klar, das Erzähltempo ist ein anderes Axel, ich kann auch die Kritik an dem so wenig klinischen Stil zu 100% verstehen! Sisko blieb bei allen Konflikten aber immer ein Menschenfreund – wie bei allen Captains stand Crew/Mannschaft immer an erster Stelle. Für sie wurden Direktiven gebogen und vor allem auch selbst Opfer gebracht. (Da ist Janeway für mich die noch größte Heldin.) Lorca opfert andere, sogar den Admiral/älteste Freundin/Bettgeschichte.
      Und warum? Weil sie ihm gefährlich wurde. Weil sie ihm das Schiff wegnehmen wollte. Die Enterprise ist bei Star Trek zentral, jetzt auch ein Schiff in einer Star Trek Serie als zentralen Liebling des Captains zu setzen, finde ich extrem genial. Ja, ein Kontrast und ohne Zweifel anders, aber nicht schlecht. Das sehe ich wie Raphael, wirklich erfrischend.

      Ich finde es zum jetzigen Zeitpunkt außerdem schwer einzuschätzen, wohin seine Reise noch geht. Vielleicht verändert sich Lorca noch durch seine Crew zum Positivbeispiel? Er wäre ja nicht der erste, der erst durch sie zu dem wird/wurde, der er sein sollte. Aber soweit ist es halt noch nicht. Oder es kommt zu einer Meuterei an Bord, da ihm schon extrem anders gesinnte auf die Brücke gesetzt wurden. Und wie abgefahren wäre das denn?

    • „Ein Jahrhundert ist für mich immer aber noch in den Anfängen und in der Entstehung zu dem Konsens, in dem späteren Serien spielen.“

      Die Förderation und die Sternenflotte sind aber nicht Motor sondern Produkt des Konsenses. Motor war die Postatomare Schreckenszeit, die ein letzter Warnschuss für die Menschheit war, dass es so nicht weiter geht.

  3. Was die sozialen Aspekte angeht kann ich euch absolut Recht geben. Während der Pilot noch ein relativ schroffes, JJAbramsiges Universum, in dem die utopische, optimistische Grundstimmung von Trek nicht so richtig rüberkam, kam mit dem Ripper und dem Missbrauch an ihm dann für mich doch noch die Moral zurück, wenn auch in der neuen Konstellation einer Welt, in der aus pragmatischen Gründen Übles gedultet wird und nur punktuell hinterfragt wird, während in den (zeitlich) folgenden Seriem die Situation und Fragestellung umgekehrt war, darf man in Ausnahmefällen seine Ideale ablegen und etwas „schlechtes“ tun wenn es einen höheren Nutzen hat. Discovery könnte diesen Weg zeigen, weg von pragmatischer Kriegstreiberei hin zu den Idealen der Föderation wie wir sie kennen. Der Schiffsarzt und Michael haben ja schon die ersten Schritte auf diesem Weg zurückgelegt…

    So jetzt aber auch zur meiner Meinung nach berechtigten Kritik: Redesign und optische Updates schön und gut, aber die Serie tut sich keinen Gefallen darin, den Fans unnötige Änderungen mit wirklich ätzend-plakativem Fanservice zu kaschieren.
    Dass die Optik schon sehr nah an JJTrek liegt ist gewöhnungsbedürftig, aber funktioniert solange es vernünftig gelöst wird. Phaser und andere Gadgets, die tip top Aussehen, aber gleichzeitig eine Homage an die alten Versionen sind, wow! Die Shuttles sind schnittiger und haben mehr Blingbling als die modernsten aus Voyager, aber sie nehmen auch hier und da Elemente der alten Galileo-Fähren auf, kauf ich.
    Aber warum zur Hölle muss ich eines der ikonischsten Raumschiffdesigns überhaupt, die D7-Kreuzer komplett neu gestalten? Hätte man nicht die alte Form nehmen und updaten können? Oder den Computer sagen lassen „T7-Kreuzer aufgetaucht“? Hier wurde auf Teufel komm raus etwas „modernes“ (und irgendwie auch sehr generisches) gezeigt und die Chance genutzt, einen kleinen Fanservice-Happen einzuwerfen. Doof nur, dass exakt diese Kombi nicht funktionieren kann. Als langjähriger Fan möchte ich, solange die Serie laut Produzenten im selben Universum spielt, dann auch etwas sehen, das zumindest auf dem basiert, was ich seit langen Jahren kennen- und lieben gelernt habe..

    Und warum die Klingonen überhaupt als den bösen Feind nehmen, wenn ihr Erscheinungsbild und ihre Kultur sowieso schon sehr kompliziert verstrickt ins Prime-Universum sind? Weder Verhalten, Kultur (Ehre?! Hallo?!), Optik, noch Stil, und erst recht nicht die Flotte versuchen sich auch nur ansatzweise in den bestehenden Kanon einzufügen – hätte man da nicht lieber das Risiko fahren sollen eine neue, frische Spezies aufzufahren, anstatt nur des bekannten Namens wegen sich in so schwieriges Gewässer zu begeben?

    Das sind alles so kleine oder große Punkte, wo für mich persönlich einfach nicht ersichtlich wird, warum man bestimmte Aspekte nicht anders umsetzen konnte oder wollte. Noch haben wir 2/3 der Staffel vor uns und laut den Produzenten soll sich zum Staffelende alles perfekt ins bestehende Universum einfügen, wenn das stimmt werde ich Abbitte für meine Zweifel und mein Geschmolle leisten, aber momentan sehe ich noch nicht, wie das gerettet werden soll, ohne den Kanon grob zu verletzen (das grobe ist ha auch das Problem, nicht all die kleinen Updates hier und da).

    Aber unabhängig von diesem Rant meines inneren, 11jährigen Trekkies ist die Serie bisher absolut unterhaltsam und spannend, heute Abend treffen wir uns endlich für die neue Folge und ich freu mich schon drauf, trotz all der kleinen Makel

    (Und ich glaube (hoffe?), dass die Discovery sich nicht im Raum bewegt, sondern mit jedem Spore Drive Sprung stattdessen in ein weiteres alternatives Universum wechselt und am Ende erst im echten Prime Universe landet – würde auch erklären wie die Klingonentante in einem Monat vom Flüchtling zum
    Captain und der Liebhaberin eines seit sieben Monaten einsitzenden Kriegsgefangenen/Spions wurde )

  4. Ich gehe in großen Teilen konform mit dem Autor. ABER: Warum zum Geier hat man Discovery nicht einfach weit nach VOY verlegt? Warum immer dieser Klammergriff zwischen etablierten Serien? Man bettelt ja quasi um die Schellen der Hardcore-Fans. Verstehe ich nicht. Einfach 10 Jahre+ mehr in die Zukunft verlagert und man hätte bestimmt 50% weniger Shitstorm. Ich mag auch einfach keine Pre/Se-Irgendwas mehr. Warum löst man scih nicht einfach von diesen Fesseln? Man pfeift doch auf alles was vor und nach Discovery passierte.

  5. Lieber Andreas, ich muss hier jetzt mal was tun was ich sonst nie tue… es klingt ja sonst immer etwas doof… aber wenn du jemals in Hamburg bist, sag Bescheid, ich lad dich auf ein Kalt oder Warmgetränk deiner Wahl ein.

    Ich hohle jetzt mal weit aus, aber das ist mit Abstand einer der besten Artikel zu einem aktuellen Thema, den ich jemals auf Teilzeithelden gelesen habe.
    Er wird jetzt abgespeichert und für jeden Meinungs-Kritiker-Richter aufbewahrt.

    DANKE

  6. An sich ein schöner Artikel, inhaltlich sehr nah bei dem was ich direkt abnicken würde… aber hart an der Grenze zu TL,DR und man hätte sich den Star Wars – Hate sparen können. Das der Autor Star Wars nicht mag ist mir als Leser entweder völlig egal oder gibt mir ein negatives Bild.

  7. Die Nostalgie-Vorwürfe finde ich immer etwas schwierig, die haben so den Anklang von „Du magst die Serie ja nur nicht, weil du sie immer vergleichst! Geh doch mal mit der Zeit“. Klar: Mit Kontinuität kann man bei Star Trek rein gar nicht argumentieren: Die gibt es einfach nicht! Mal braucht eine Subraum-Nachricht Wochen, dann kann man plötzlich doch in Echtzeit kommunizieren usf. Aber dennoch: Der Vergleich zeigt schon, dass die Idee von Star Trek einfach nicht mehr da ist.

    Ich finde, das schöne an TOS, TNG und DS9 war ja gerade der Punkt, dass sie eine Utopie darstellen in der eben *NICHT* genau die gleichen „Machtkämpfe“ statt finden, sondern dass diese Aspekte weitgehend, wie es heißt „unausgearbeitet und damit offen“ waren. Das war eine positive Zukunftsvision: Es sollte dort wirklich besser sein und eben nicht „eigentlich genau wie heute“. Sie haben eben nicht einfach so getan, als sei das alles „urmenschlich“! Auch wenn es mal düsterer wurde, irgendwo blieben die meisten Menschen gut, ambivalent ja, aber wo das gute ist war im Grunde klar! Discovery bewegt sich Gesellschaftsphilosophisch aber genau da, wo sich meiner Meinung nach zur Zeit alle (Serien) bewegen, nämlich in genau diesem „Es gibt ja nicht so richtig gut und schlecht“-Diskurs. Nichts, was man nicht schon irgendwo (spannender) gesehen hätte. Das ganze wird mir persönlich dann teilweise auch zu Tatort-esk platt verhandelt: Die USS Europa(!) wird von den rassistisch-faschisten Klingonen zerschmettert. Die Föderation ist dabei bunt, die Klingonen durchweg dunkel-braun, die natürlich die gefallenen Feinde verspeisen – soviel zur Ambivalenz.

    Und auch in einem weiteren Punkt, wie auch Abrams, weicht Discovery durchaus ab: Bei TNG hat man erstmal eine Reihe Treffer eingesteckt bevor man in Erwägung zog zu feuern. Michael ist sich da sehr schnell sehr sicher, dass man relativ gnadenlos zuschlagen muss.

    Das könnte man alles ignorieren und dennoch spaß an der Serie haben: Das Storytelling jedoch wäre ein anderes Kapitel…

  8. Das „Realisten vs. Idealisten“-Argument ist letztendlich nur ein Zeichen sowohl des fehlenden Verständnisses für Roddenberrys Vision und ihre Ursprünge als auch der Dynamik, in der wir uns zurzeit als Menschheit befinden. Nein, mit Realismus hat das nichts zu tun. Wir sind bereits jetzt in der Lage, unsere ganze Spezies auszurotten. Und wenn wir mit den gleichen Dynamiken weitermachen, die uns bereits mehrfach zu Genozid und Weltkrieg gebracht haben, weitermachen, dann wird uns das auch eines Tages gelingen. Auf die eine oder andere Weise. Sei es direkt, indem jemand irgendwann den entscheidenden Knopf drückt, sei es indirekt, indem wir uns unseres eigenen Lebensraums berauben. Die naive Utopie ist nicht Roddenberrys Vision, sondern die Vorstellung, wir könnten unendlich so weitermachen, wie bisher. Mehr noch – sie ist gefährlich, denn sie suggeriert, dass wir mit diesem Verhalten letztendlich nichts kaputt machen werden. Also können wir ja munter „Weiter so!“ sagen.

  9. Dankeschön, ich sehe es wie es ist. Die neue Serie ist interessant, neu und ich finde sie gelungen.
    Ich bin 35, bin mit Star Trek aufgewachsen und liebe es nach wie vor die ganzen Serien zu sehen. Das nun wieder was neues auf dem Markt zu finden ist, ist ein Glück.
    Etwas , nur weil es neu ist, in der Luft zu zerreißen hat noch nie geholfen.

  10. Das einzige, was mich wirklich stört, ist die starke Konzentration auf einen Charakter. Bei den Serien nach TOS empfand ich es als große Stärke, dass man gar nicht den einen Protagonisten benennen konnte, sondern immer mal ein anderes Mitglied der Crew im Zentrum des Geschehens stand … hier ist es mir bisher zu „Michael hier, Michael da, der Rest ist eher Beiwerk“. Ich hoffe, dass sich die Serie im Laufe der Folgen da etwas von ihr weg- und hin zu den anderen Crewmitgliedern entwickelt, die ich teilweise viel interessanter finde.

    Ansonsten gefällt mir die Serie gut und ich freue mich über diesen neuen Teil des Star Trek-Universums.

    • Das ist aber auch der Abkehr vom „problem of the week“-Erzählstil geschuldet. Die Folgen sind keine abgeschlossenen Geschichten, sondern folgen einem übergeordneten Strang. Da ist es schwieriger, in jeder Folge eine andere Zentralfigur mit ihrem eigenen Plot rauszukehren. Ich gehe aber davon aus, dass das mit der Zeit noch kommt. Nach 6 Folgen, die erstmal den Hauptplot anstoßen müssen, sehe ich da noch viel Potential.

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