Geschätzte Lesezeit: 12 Minuten

Syberia 3 erschien dieses Jahr, 13 Jahre nach seinem Vorgänger, und erntete hauptsächlich Kritik für seine Steuerung und einige schwere Fehler. Monate später erschien ein umfangreicher Patch, der neben vielen Bugfixes auch die gewohnte Point&Click-Steuerung nachgeliefert hat. Henning hat sich das gepatchte Spiel genauer angesehen.

Patches für Adventures sind generell eher selten, und noch seltener greifen sie so tief in das Spiel ein wie bei Syberia 3. Der Patch hat mich positiv überrascht: Ich hatte ursprünglich eine Rezension zu Syberia 3 verfasst, musste diese aber nach einem Blick in das gepatchte Spiel völlig überarbeiten. Statt stichprobenartig einige Fehler erneut abzuklopfen, habe ich mich deshalb entschieden, das Spiel für diese Rezension noch einmal komplett mit der neuen Steuerung durchzuspielen.

Hintergrund

Die ersten beiden Teile der Syberia-Reihe erschienen in den Jahren 2002 und 2004 und erzählten eine abgeschlossene Geschichte. Nach Erscheinen von Syberia 2 wurde bekanntgegeben, dass die Reihe abgeschlossen und keine weitere Fortsetzung in Planung sei. Dies wurde 2009 infrage gestellt, als die Rechte zu Anuman Interactive wanderten. Ausgerechnet am 1. April des Jahres wurde ein dritter Teil angekündigt. Die Arbeit daran wurde allerdings erst 2013 aufgenommen, die Veröffentlichung wurde für 2015 angekündigt. 2017 schließlich, sechs Jahre nach der Ankündigung und 13 Jahre nach dem Erscheinen von Syberia 2, erschien Syberia 3.

Schon im Vorfeld wurde die Veröffentlichung unter Fans diskutiert. Hauptsächlich stand eine Frage im Raum: Kann ein dritter Teil die Handlung des ersten sinnvoll weiterführen oder handelt es sich lediglich um einen Versuch, eine Marke wiederzubeleben, indem an den Erfolg der ersten Titel angeknüpft wird?

Ich habe mich entschieden, meine Antwort auf diese Frage nicht Teil der Rezension werden zu lassen, sondern Syberia 3 unvoreingenommen zu rezensieren. Bezüge zu den ersten Teilen werden zwar an einigen Punkten erwähnt, aber die Verknüpfung der Teile ist kein Gegenstand der Bewertung.

Handlung

Syberia 3 spielt einige Zeit nach Syberia 2. Zu Beginn sehen wir, wie die bewusstlose Kate Walker, die auch schon in den ersten Teilen die Protagonistin war, von den ebenfalls aus Teil 2 bekannten Youkol gerettet wird. Wie sie in diese Lage kam, bleibt offen. Das Spiel nimmt zwar oft Bezug auf die vorherigen Teile, schweigt sich aber beharrlich aus, was die Lücke zwischen den Teilen angeht.

Als Dank für die Rettung schließt Kate sich den Youkol an und begleitet die Nomaden auf der heiligen Wanderung der Schneestraße. Dabei sind sie ständig auf der Flucht vor zwielichtigen Gestalten, während Kate diverse Probleme auf dem Weg lösen muss. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel über den Verlauf der Wanderung verraten, um das Spiel nicht zu spoilern.

Zwar wird auf die beiden vorangegangenen Teile an einigen Stellen Bezug genommen, aber eine Kenntnis dieser Teile ist für das Spielen des dritten Teils nicht notwendig. Allerdings spoilern die Bezugnahmen Begebenheiten aus den ersten beiden Teilen, sodass Spieler, die auch die ersten Teile spielen möchten, mit diesen anfangen sollten.

Die Geschichte ist gut erzählt und findet das richtige Tempo, kommt aber in puncto Innovation und Kreativität nicht an die Vorgänger heran. Stattdessen wird an vielen Stellen mit stereotypen Charakteren gearbeitet. An einigen Stellen klaffen Logiklöcher. Diese springen zwar ins Auge, behindern aber nicht das Vorankommen im Spiel.

Die Atmosphäre ist, wie von Benoît Sokal gewohnt, leicht düster. Trotzdem spielt Syberia 3 zum großen Teil an belebteren Orten als seine Vorgänger, sodass Kate nicht ständig alleine unterwegs ist. Die Handlungsorte liegen im dritten Teil enger beieinander.

Die Flucht baut zwar eine Bedrohung auf, allerdings niemals Zeitdruck: In guter Adventure-Art kann sich der Spieler für jedes Rätsel so viel Zeit lassen, wie benötigt wird.

Syberia 3 hat ein offenes Ende, was eine mögliche Fortsetzung andeuten könnte.

Stil

Hotspots und lustige Kommentare, mit denen Adventures normalerweise nicht geizen, sind in Spielen von Benoît Sokal eher Mangelware. Trotz grandioser Grafiken gibt es nur wenige Punkte, die man untersuchen oder manipulieren kann, und jeder davon ist für die Geschichte relevant. An einigen Stellen könnte man sich durchaus mehr Hotspots samt Kommentaren von Kate wünschen.

Deutlich ins Auge springen zwei politische Statements, die über die Sokal-typische Befürwortung eines Lebens im Einklang mit der Natur hinausgehen. Zum einen wird des Öfteren Rassismus in verschiedenen Formen thematisiert, zum anderen werden deutlich mögliche Folgen von Atomkraft aufgezeigt.

Grafisch zeigt sich deutlich der Stil von Comiczeichner Benoît Sokal. Die Szenen sind schön anzusehen und laden zum Erkunden ein. Die Cutscenes, mit denen die Geschichte vorangetrieben wird, sind gut inszeniert und größtenteils in Spielgrafik gerendert.

Syberia 3 ist ein reines 3D-Adventure und verwendet die Unity-Engine, reizt diese aber nicht aus. Es ist zwar grafisch schön, aber weit hinter dem, was heute technisch machbar ist. Vor allem aber leistet die Grafik nicht genug, um die hohen Systemanforderungen und die ständigen Ladebildschirme zu rechtfertigen.

Derzeit produzierte Adventure wie Gibbeous zeigen hier deutlich, was mit Unity möglich ist.

Die Steuerung

Hier ist einige Arbeit nötig

In den meisten Fällen kann man die Kamera nur ein wenig hin- und herbewegen, sodass man diese Möglichkeit schnell wieder vergisst. Für einige Rätsel ist die Bewegung der Kamera, um auf Seiten, Rückseiten oder einfach nur aus einem anderen Winkel zu schauen, allerdings unerlässlich.

Gelaufen wird nach dem Patch durch einen Klick auf den Boden. Das Spiel findet selbstständig einen Weg durch die teilweise verbauten Szenen und absolviert auch längere Laufstrecken problemlos. Dies ist deutlich angenehmer als Kate mittels WASD oder Pfeiltasten selbst durch die Szenen zu steuern.

Da das Spiel ursprünglich als 3rd-Person-Adventure mit festen Kamerapositionen ausgelegt war, steht Kate manchmal in einem Winkel zur Kamera, der einen Klick auf den Boden zum Verlassen der Szene unmöglich macht. In diesen seltenen Fällen ist es gut, dass die Tastatur-Steuerung weiterhin funktioniert und man das Gebiet so durch direkte Steuerung verlassen kann.

Ein Schlag ins Gesicht für Adventure-Spieler ist die Auslegung als Autosave-Spiel. Der Spieler hat normalerweise keine Kontrolle darüber, wann und wo das Spiel den Spielstand speichert. Dies ist besonders unschön, da man die Dialoge und Zwischensequenzen nicht abbrechen kann und deshalb mitunter mehrere Minuten erneut anschauen muss. Am Ende der Rezension verrate ich einen Trick, wie man dennoch dem manuellen Speichern recht nahe kommen kann.

Die Rätsel

Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel steigt während des Spiels mehr oder weniger stark an. Es gibt Dialogrätsel, in denen Kate Personen von ihrer Sache überzeugen muss. In diesen kann sich der Spieler zu jeder Antwort Kates Gedanken anhören, was eine witzige Idee ist. Dazu kommen viele Hol-Den-Gegenstand-Und-Benutze-Ihn-An-Der-Richtigen-Stelle-Rätsel und einige Maschinenrätsel. Vereinzelt fühlen sich Rätsel an, als würde die Lösung Kate quasi vorgekaut, auch außerhalb des in die Geschichte eingewobenen Tutorials. Andere Rätsel, gerade gegen Ende des Spieles, sind harte Nüsse, die einiges Nachdenken verlangen.

Die meisten Rätsel sind durch Logik lösbar. Hinweise auf die Lösung sind im Spiel verteilt, teils in der Nähe der Rätsel, teils an Orten, wo sie Sinn ergeben. Trotzdem kann man die meisten Rätsel auch durch Ausprobieren lösen. Gegenstände lassen sich inzwischen auch mitnehmen, noch bevor sie gebraucht werden, um sie bei Bedarf aus dem Inventar zu ziehen. Das andauernde Zurücklaufen, um einen Gegenstand, den man irgendwo gesehen hat, zu holen, entfällt. Für Rätsel, die auf Anhieb richtig gelöst werden, vergibt das Spiel auf allen Plattformen Achievements. Ein schöner Anreiz, sich um die logische Lösung der Rätsel zu bemühen, statt einfach auszuprobieren.

Schön ist, dass inzwischen die meisten Rätsel auch angegangen werden können, ehe Kate dazu aufgefordert wird. Die meisten Hotspots sind von Anfang an verfügbar. In früheren Teilen, und auch in Syberia 3 vor dem Patch, war es durchaus öfter nötig, in eine bereits untersuchte Szene zurückzukehren, um dort nach Hotspots zu suchen, die in der Zwischenzeit aktiviert wurden. Dies ist mir beim neuerlichen Durchspielen nicht mehr aufgefallen.

Auf zum nächsten Hindernis

Ein Rätsel zu lösen, bevor man beauftragt wurde, löst zusätzlich noch zwei Effekte aus: Zum einen reagieren Figuren, die den Auftrag gerade geben wollten, überrascht bis verwundert, wenn man die Aufgabe bereits erledigt hat, was für einen kurzen Comic Relief in der an sich düsteren Stimmung sorgen kann. Zum anderen belohnt das Syberia 3 Spieler, die dies oft genug tun, auch mit einem speziellen Achievement namens „Alptraum des Drehbuchautors“<sic!>. Da wurde Fan-Kritik gut aufgenommen und würdig reagiert.

Leider immer noch deutliche Mängel

Die zusätzliche Point&Click-Steuerung ist eine deutliche Verbesserung, aber leider haben sich hier auch kleinere Fehler eingeschlichen. Zum einen kann man beim Anklicken eines Hotspots die gewünschte Aktion wählen. Dies passiert aber nicht, wie üblich, durch Bewegung der Maus in die Richtung des angezeigten Aktions-Icons, weswegen man frustriert meist nur die Standard-Aktion auslöst. Das ist nicht schlimm, da dadurch meist lediglich das Betrachten von Hotspots wegfällt und Gegenstände sofort genommen oder benutzt werden. An einer Stelle ist es jedoch notwendig, die Aktion umzuschalten, um im Spiel weiterzukommen. Dies passiert, recht unintuitiv, indem man den Hotspot anklickt, die Maustaste gedrückt hält und dann das Mausrad dreht. Dies hätte schöner gelöst werden können.

Ein weiterer Fehler sind eingeblendete Funktionstasten, die sich auf die ursprüngliche Steuerung beziehen. Beispielsweise behauptet das Spiel in jeder Nahaufnahme, man würde diese mit Escape verlassen können. Richtig ist: Escape öffnet das Spielmenü, die Nahaufnahme wird mit der rechten Maustaste verlassen. Da dies jedoch eine Art Quasi-Standard ist, hat man das schnell herausgefunden. In Dialogen werden über den Antwortmöglichkeiten Zahlen eingeblendet. Leider bewirkt ein Druck auf die entsprechende Zahlentaste jedoch nicht die Auswahl der Dialog-Option.

Die Animationen sind zwar detailliert, aber teilweise haken sie. Auch die Sprach- und Musikausgabe kommt des Öfteren ins Stottern. Insgesamt sind die Umgebungen leider, trotz aller Komplexität, recht texturarm. Manchmal kommt es sogar zu Kantenflimmern oder Grafikfehlern, bei denen Teile der Gebäude nicht oder nur teilweise gerendert werden. Ich empfehle dringend, den VSYNC zu aktivieren, da dies einiges an Flimmern behebt.

Einige Hotspots sind im Spiel verschoben. Dies ist bei keinem der Hotspots spielentscheidend, bringt aber in einigen Fällen die Wegfindung der Point&Click-Steuerung durcheinander, was dazu führt, dass Kate mitunter längere Strecken läuft und dabei die aktuelle Szene verlässt. Da dies aber nur an wenigen Stellen passiert, ist es zu verschmerzen.

Teilweise verschluckt das Spiel nach dem Laden einer neuen Szene den Sound. Wenn dies öfter passiert, hilft es, das Spiel im Fenster zu starten und dann einmal aus dem Fenster heraus- und wieder hineinzuklicken, danach ist der Sound wieder da.

Seit dem Patch sind viele Mängel an der deutschen Sprachausgabe behoben worden. Die Sprache bricht aber an wenigen Stellen immer noch mitten im Satz ab, sodass man den Rest des Satzes nur aus den Untertiteln erfährt. Die Untertitel passen weitgehend zu dem, was die Figuren auch sagen. Das Fenster für die Untertitel wurde vergrößert, trotzdem laufen diese bei viel Sprache oft schnell durch, sodass man entsprechend schnell mitlesen muss.

Die Sprachanimationen der Personen in Großaufnahme sind im Deutschen immer noch nicht lippensynchron. Dies führt zu einigen ungewollt komischen Momenten. Die neuen Sprecher sind gewöhnungsbedürftig, vor allem Janina Dietz, die Andrea Schieffer als Kate Walker abgelöst hat. Allerdings macht die Sprecherin ihre Sache gut. Den Wechsel wird wahrscheinlich nur bemerken, wer die ersten Teile direkt zuvor gespielt hat. Der Sprecher eines anderen wiederkehrenden Charakters füllt die Fußstapfen seines Vorgängers leider nicht wirklich aus.

Es gibt eine Stelle im Spiel, an der sich die Sprecherin von Kate Walker verspricht und das unbereinigte Audiofile seinen Weg ins Spiel gefunden hat. Diese Stelle ist auch nach dem Patch noch nicht bereinigt. Lustigerweise hat man sich aber die Mühe gemacht, die Untertitel an den Versprecher anzupassen.

Ein unschöner Grafikfehler, hier fehlen ganze Gebäude

Die harten Fakten:

  • Publisher: Microids
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch/Englisch/Französisch/Russisch
  • Format: Download
  • Plattform: PC, Playstation 4, XBox One
  • Preis: abhängig von Plattform und Ausstattung, ab 24,99€.
  • Bezugsquelle: Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Es ist eine wesentlich teurere Collector’s Edition verfügbar. Diese enthält neben dem Spiel zusätzlich neben anderem auch den Soundtrack von Inon Zur, ein Artbook, ein Comic, ein Poster, zwei Prints von Spielszenen und eine 18cm hohe Sammlerfigur von Kate.

Fazit

Syberia 3 ist ein solides Adventure. Die Story hat einige Logiklücken, ist aber nachvollziehbar und treibt das Spiel gut voran. Einige Charaktere sind allerdings sehr blass und stereotyp.

Die im Patch nachgelieferte Point&Click-Steuerung, die sich zusätzlich zur Original-Steuerung verwenden lässt, beseitigt eines der größten Mankos der Originalversion und macht das Spiel deutlich spielbarer. Die Sprachausgabe ist nicht frei von Fehlern, aber auch hier sorgt der Patch dafür, dass das Spiel spielbar wird. Leider bleibt Sokal seinem Erzählstil treu und liefert ein Adventure mit langen Laufwegen und wenigen Hotspots.

Das Spiel unterhält selbst dann noch für mehr als 15 Stunden Spielzeit, wenn man es zum zweiten Mal durchspielt und bei den Rätsel schon genau weiß, was man tun muss. Die gut, aber teilweise leider auch unlogisch, in die Story eingebundenen Rätsel mit steigendem Schwierigkeitsgrad sind zwar fast alle auch durch Ausprobieren zu lösen, aber bei allem bis auf eins gibt es in der Geschichte und in der Umgebung ausreichend Hinweise zur Lösung.

Das durch den Patch gestraffte Tutorial vereinfacht den Einstieg für Neuspieler, ohne Adventure-Fans zu sehr zu nerven.

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder: Microids (von Henning Lechner erstellte Screenshots)

Es gibt einen Trick, wie man auf dem PC zumindest halbwegs an ein manuelles Speichern herankommen kann: In der Adress-Zeile des Windows-Explorers gibt man „%appdata%“ ein und drückt Return. Im erscheinenden Ordner wechselt man in den Ordner „Local Now“, dann in den Ordner „Microids“ und schließlich in den Ordner „Syberia 3“. Hier liegt eine Datei mit einem ziemlich langen Namen, in dem mehrfach „UI“ vorkommt.

Diese Datei ist der Spielstand. Wird sie in einen anderen Ordner kopiert und passend umbenannt, beispielsweise mit einer Zahl vor dem ursprünglichen Namen, hat man das Spiel „gesichert“. Möchte man später zurückkehren, muss man den Spielstand des Spieles löschen, die passende Kopie zurückkopieren und die Umbenennung rückgängig machen. Danach startet man Syberia 3 neu. Es lässt sich nun von dem zurückkopierten Spielstand aus fortsetzen.

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein