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Die lange Reise durch die Wildnis ist beendet, vor dem Helden liegt die Feste des Erzmagiers von Mampang. Nun gilt es, durch das Gewölbe bis zum Zauberer vorzudringen und ihm die Krone der Könige wieder zu entreißen. Doch wem kann man trauen, und wie überwindet man die vier magischen Tore?

Seit 2015 legt der Frankfurter Mantikore-Verlag die einstmals als Die Analand-Saga bekannte Serie von Spielbuchlegende Steve Jackson erneut auf. Unter dem Originaltitel Sorcery! erscheinen insgesamt vier Bände, die eine zusammenhängende Geschichte erzählen. Im Juli 2017 erschien mit Die Krone der Könige der finale Band, nachdem sich der Leser bereits durch Die Shamutanti-Hügel, Die Fallen von Kharé und vorbei an den Sieben Schlangen kämpfen konnte.

Handlung

Die Krone der Könige, die den Regenten von Analand Weisheit und Rechtsgefühl verlieh, wurde vom Hexer von Mampang gestohlen. Damit dieser nicht mithilfe dieses Artefakts die wilden Kreaturen des gesetzlosen Karkhabad unter seiner Herrschaft eint, muss der Leser als freiwilliger Recke die Krone zurückerobern. Über drei Bände spannte sich die lange Reise zur Festung des Hexers: Nach der Wildnis der Shamutanti-Hügel galt es, das Nordtor der Stadt Kharé mit einem magischen Spruch zu öffnen. In der dahinterliegenden Ödnis von Karkhabad drohten neben den Bewohnern der Steppe auch sieben magische Schlangen, die den Hexer vor der Ankunft des Helden warnen wollten.

Mit dem Beginn von Die Krone der Könige ist endlich die Festung von Mampang in Sicht. Bevor der Leser jedoch diese Zitadelle erkunden kann, muss erst der Aufstieg zum Berggipfel bewältigt werden. Bereits hier wiederholt sich die Lektion, die der Leser hoffentlich schon aus der Lektüre von Die Sieben Schlangen mitgenommen hat: Achte gut darauf, wem du vertrauen kannst, und wähle deinen Weg mit Bedacht. Neben Vogelmenschen und Satyren warten bereits die ersten Fallen des Hexers auf unvorsichtige Wanderer. Mit den richtigen Worten findet man aber schon hier Verbündete, die wertvolle Hinweise für die Erforschung der Feste geben.

Auch in der Burg selbst sollte man behutsam vorgehen. Der Weg zum Turm des Hexers ist geschützt durch vier sogenannte Throben-Doppeltore: magische Barrieren, die jeweils durch einen anderen Trick überwunden werden müssen. So ist die Festung in vier Teilbereiche vom äußeren Hof bis zum inneren Gewölbe aufgeteilt, in denen sich der Leser nach den rettenden Hinweisen für das jeweilige Tor umsehen muss. Und diese sind verdammt gut verborgen. Manchmal reicht es, an einer Gabelung die falsche Richtung einzuschlagen oder in einem Gespräch nicht den richtigen Satz zu wählen, und das Abenteuer des Lesers wird ohne den rettenden Hinweis an der nächsten Throben-Tür ein abruptes Ende finden. Selbst kurz vor der allerletzten Konfrontation mit dem Hexer kann Die Krone der Könige noch mit derartigen Frusterlebnissen aufwarten.

Dafür ist es allerdings eine reine Freude zu sehen, wie die einzelnen Rätsel und Tipps aufeinander aufbauen und ineinandergreifen. Insbesondere wenn man herausfindet, auf welche subtile Weise man im Dialog Verbündete identifizieren oder Wächter gnädig stimmen kann, ergibt sich ein großes, perfekt in sich geschlossenes Gesamtbild. Und sowohl der letzte Trick, mit dem der Erzmagier von Mampang den Helden zunächst aufs Glatteis führt, als auch der Weg, ihn zu entlarven, sind wahrlich große Überraschungen in einem fulminanten Finale.

Auch an anderen Stellen trumpft Die Krone der Könige auf. Viele Hinweise und Gegenstände, die man hoffentlich bei der Lektüre der ersten drei Bände aufgeschnappt hat, kommen hier endlich zum Einsatz und erleichtern das Fortkommen. Aber keine Sorge: Selbst, wenn man nur Band 4 der Reihe liest, so kann man auch ohne die Vorkenntnisse und Hinweise der ersten drei Spielbücher Die Krone der Könige zu einem glücklichen Ende bringen – man macht es sich halt nur etwas schwerer.

So erweist sich Die Krone der Könige als wahrlich krönender Abschluss der Sorcery-Reihe. Die Vorgeschichte der ersten drei Bände hat mich diesem Finale zunehmend entgegenfiebern lassen, und ich wurde nicht enttäuscht. Trotz, vielleicht sogar wegen der manchmal unfair anmutenden Sackgassen ist es ungeheuer befriedigend, den richtigen Weg durch die Feste von Mampang zu finden und schließlich mit dem sagenumwobenen Artefakt die Heimreise anzutreten.

Regeln

Die Regeln sind über die gesamte Sorcery!-Reihe identisch, so dass ich sie an dieser Stelle nur kurz zusammenfasse. Eine etwas detailliertere Fassung ist in der Rezension zu Band 1 Die Shamutanti-Hügel zu finden.

Ein neuer Abenteurer beginnt das Spiel mit den Attributen Ausdauer 12, Glück W6+6 und Gewandtheit W6+6 bei Kämpfern bzw. W6+4 bei Magiern. In Kämpfen würfelt man für den Helden und den Gegner jeweils 2W6 plus den Gewandtheitswert, der Unterlegene verliert zwei Punkte Ausdauer. Dies geht so lange weiter, bis die Ausdauer eines der Kontrahenten auf 0 gesunken ist.

Wird der Leser im Spielverlauf aufgefordert, sein Glück versuchen, so darf man mit 2W6 nicht den aktuellen Wert übertreffen. Sonst hat man Pech, und die Geschichte nimmt eine ungünstige Wendung. Hat man hingegen Glück, so sinkt das Attribut im Ausgleich um 1 und macht den nächsten Wurf schwerer. Im Kampf kann Glück helfen, Schaden zu modifizieren.

Verlor man in früheren Bänden noch Ausdauer, wenn man nicht regelmäßig rastete, so dienen diese Pausen in Die Krone der Könige nur noch dazu, verlorene Punkte rechtzeitig zu regenerieren. Auch die Hilfe der Göttin Libra, um die man in den ersten drei Sorcery!-Spielbüchern an gewissen Stellen bitten konnte, wird hier nicht mehr angeboten. Nur an einer Stelle wendet sich die Schutzpatronin mit einem unverzichtbaren Hinweis an ihren treuen Diener – so man ihr nicht in einer Notsituation in Band 3 abgeschworen hat …

Auch in Die Krone der Könige bleibt der Kern natürlich die für die Serie namensgebende Magie. Jeder der insgesamt 48 Zauber besteht aus einer Kombination von drei Buchstaben und kostet bei Anwendung bis zu fünf Punkte Ausdauer. Gibt das Buch dem Helden die Möglichkeit, einen Spruch zu wirken, so hat man fünf Abkürzungen zur Auswahl. Sechs grundlegende Sprüche werden auf einer einführenden Seite erklärt, aber je mehr Abkürzungen man sich merken kann, umso besser – denn während der Lektüre darf man nicht mehr im Anhang nachgucken.

War der vorausgehende dritte Band Die Sieben Schlangen beim Einsatz von Magie noch sehr fordernd und setzte eine genaue Kenntnis der zahlreichen Formeln und Hilfsmittel voraus, so ist Die Krone der Könige hier wesentlich gnädiger. Viele Situationen lassen sich mit einfachen Sprüchen bewältigen, während komplexere Zauber nur kleine Vorteile bieten. Dafür sorgt die Magie von Sorcery! in den letzten Passagen des Finales allerdings für eine wirklich überraschende Wendung und einen würdigen Abschluss, von dem ich hier aber nichts verraten will.

Schreibstil

Wie schon in den beiden Vorgängern beweist sich Autor Steve Jackson in Die Krone der Könige als Veteran der Abenteuerspielbücher. Der Weg zur Festung und deren Innenleben sind voller bizarrer und einzigartiger Bewohner, denen man die Lösung für die ausgezeichnet verzahnten Rätsel entlocken muss. Gerne führt der Autor den Leser auch geschickt hinters Licht, so dass sich eine eigentlich ungefährlich anmutende Entscheidung schließlich doch als die falsche entpuppt.

Erscheinungsbild

Auch Teil 4 der Sorcery!-Reihe erscheint im klassischen Taschenbuchformat und ist mit mächtigen 800 Abschnitten auch der dickste. Wie immer liegt der Band gut in der Hand und verträgt das für Spielbücher typische Blättern ausgezeichnet.

Die Aufteilung der Kapitel ist wie in allen drei Vorgängerbänden: Auf die detaillierten Regeln, den Charakterbogen und die kurze Vorgeschichte um die Krone der Könige folgt das eigentliche Abenteuer. Irritierend ist allerdings, dass nur eine Übersichtskarte der Shamutanti-Hügel abgebildet wird, die man ja schon im gleichnamigen ersten Band durchquert hat.

Im Anhang werden die 48 verschiedenen Zaubersprüche beschrieben, jeder mit einer einzelnen Seite und eigener Illustration von Zeichner John Blanche. Dessen seitenfüllende Illustrationen und Vignetten verleihen der gesamten Sorcery!-Reihe einen durchgängigen Zusammenhalt und ein einzigartiges Flair durch ihren ziselierten und verdrehten Strich. Gerade bei den merkwürdigen Bewohnern, denen man auf dem Weg durch die Festung von Mampang begegnet, ist Blanches besonderer Stil genau der richtige.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor: Steve Jackson
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: broschiert
  • Seitenanzahl: 448
  • ISBN: 978-3-945493-93-9
  • Preis: 12,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus-/Downloadcontent

Während des Erscheinens der ersten drei Sorcery!-Bände stellte der Mantikore-Verlag eine separate Download-Seite zur Verfügung, die vor allem Materialien zum ersten Teil beinhaltete. Zum jetzigen Zeitpunkt im Dezember 2017 ist diese allerdings entfernt worden, Downloads zu Sorcery! werden gegenwärtig nicht mehr angeboten.

Fazit

Die Krone der Könige ist der würdige Abschluss der vierteiligen Sorcery!-Reihe. Der Weg durch die Feste von Mampang erfordert die richtigen Worte im Gespräch mit ihren eigenartigen Einwohnern, um so die vier magischen Tore auf dem Weg zum Hexer passieren zu können. Wer sich bereits tapfer den ersten drei Bänden gestellt hat, wird im vierten Teil dank der gesammelten Hinweise und Gegenstände einige Hürden umgehen können.

Dennoch muss sich der Leser auch auf so manche harte Nuss einstellen. Eine falsche Abzweigung, ein falsches Wort zu einem der seltsamen Festungsbewohner, und schon findet die Suche nach der Krone ein unrühmliches und abruptes Ende. Dabei sind die knackigen Rätsel aber geschickt verzahnt und fügen sich über die gesamte Lektüre zu einem beeindruckenden Ganzen zusammen.

Hat der Leser schließlich all diese Hürden überwunden, so darf er sich nach dem Finale mit seinem überraschenden Twist wahrlich entspannt zurücklehnen, mit dem Gefühl, etwas vollbracht zu haben. Die lange Queste über vier Spielbücher hat es dem Leser nie leichtgemacht, wird aber als einzigartiges Gesamtwerk lange im Gedächtnis bleiben.

Artikelbilder: Mantikore Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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