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Magic is chaos! Der neue Codex Chaos Daemons eröffnet den Reigen der Warhammer-40.000-Werke im neuen Jahr. Können die dunklen Götter ihren Griff ums Universum festigen, oder fällt das neue Armeebuch hinter den anderen schon erschienenen zurück? Wir haben uns in den Warp begeben.

Games Workshop (GW) hat Warhammer 40.000 mit der „neuen“ 8. Edition relativ grundlegend reformiert. Viele alte Ansätze, wie Fahrzeugpanzerung und damit einhergehend Ausrichtung, sind passé, und natürlich hat dies nicht nur Freude unter den Tabletop-Spielern hervorgerufen. Während einige die Änderungen als bessere Zugänglichkeit der zuvor recht sperrigen 7. Edition feiern, sind andere der Meinung, dass das Hobby massiv an Tiefgang verloren hat, sind doch an vielen Stellen Ausrüstungsoptionen und taktische Kniffe weggefallen.

Mit allgemeinem Wohlwollen wird von beiden Seiten jedoch die schnelle Veröffentlichungsrate der neuen Codizes und damit einhergehend neuen Regeln gesehen. Im Januar hat mit dem Codex Chaos Daemons ein Klassiker den Weg in die Reihe der Armeebücher gefunden, den ich im Nachfolgenden näher vorstellen möchte.

Ich möchte dazu direkt erwähnen, dass ich kein ernsthafter Turnierspieler bin und daher wahrscheinlich diejenigen enttäuschen werde, die glauben, in dem Artikel die neusten Todeskombinationen in Anlehnung an die durchaus zu Recht gehassten „Death Stars“ aus der 7. Edition zu finden. Da GW dazu übergegangen ist, auch in den deutschen Ausgaben ihrer Codizes die englischen Bezeichnungen für Truppen beizubehalten, verwende ich diese auch im Text.

Nur der Wandel ist beständig – Der aktuelle Hintergrund

Mit der Einführung der neuen Edition hat der doch etwas angestaubte Hintergrund, der trotz globaler Spielerkampagnen vor allem durch Stillstand glänzte, endlich wieder Fahrt aufgenommen. Cadia ist gefallen, das Cicatrix Maledictum zerreißt das Imperium und Dämonenprimarchen wandeln wieder auf den Schlachtfeldern der Sterblichen. Eine ausgezeichnete Ausgangslage also für die Chaosgötter und all ihre Anhänger.

Der Codex bietet eine angenehme Übersicht sowohl für die alteingesessenen Warhammer-Fans als auch für Neueinsteiger ins Hobby. Der Hintergrund ist dabei natürlich inzwischen auf eine solche Größe angewachsen, dass er an vielen Stellen nur angerissen werden kann. Der Kenner findet aber nette Anspielungen auf alte Storylines und Anekdoten zu Ereignissen in alten Editionen, deren Verständnis aber nicht zwingend nötig ist, um dem Hintergrund folgen zu können.

Die vier Chaosgötter werden hierbei jeweils auf zwei Doppelseiten mit dem Aufbau ihrer Domänen und der Organisation ihrer dämonischen Heere vorgestellt. Erwähnenswert ist ebenfalls die inzwischen in allen Codizes auftauchende Zeitleiste, die sowohl Großereignisse wie die schwarzen Kreuzzüge Abaddons aufzählt, wie auch Ereignisse, die nur das Konzept der jeweiligen Armee verdeutlichen sollen.

Als Beispiel sei hier die völlige Vernichtung einer planetaren Bevölkerung genannt, denen dieses Schicksal zufällt, weil ihr planetarer Gouverneur im Spaß die Zofen des Slaanesh zu seiner Dinnerparty eingeladen hat. Eine Einladung, die sich der dunkle Prinz natürlich nicht zweimal sagen ließ. War gar nicht mal so clever. Die Geschichten sind, wie im gesamten Codex, von einer durchaus guten Qualität ohne grammatikalische Aussetzer, haben aber eben den typischen Warhammer-Stil voller gigantischer Zahlen und völliger Eskalationen. Ein Stil, den man aber eben mögen muss, wenn man sich mit Warhammer länger auseinandersetzen möchte.

Ausblicke auf die Zukunft und weitere Ereignisse gibt der Codex bei seinen Ausführungen jedoch kaum. Wer sich eine ernste Andeutung hinsichtlich beispielsweise des nächsten Dämonenprimarchen erhofft, wird wohl enttäuscht werden.

Begleitet wird der Fluffteil wie der gesamte Codex von ausgezeichneten Bildern, wobei sich sowohl alte Artworks als auch neue Werke finden. Die tatsächlichen Tabletop-Bilder beschränken sich dabei auf den Vorstellungsteil in der Mitte und die Armeeorganisation, wie auch in den anderen Codizes.

Legionen des Warpraums – Die Truppenvorstellung

Wie auch in den anderen Codizes findet im Codex Chaos Daemons eine Vorstellung des Hintergrundes der einzelnen Charaktermodelle und Truppengattungen in Fließtextform statt.

Dem Leser wird hier schnell auffallen, dass Nurgle Zuwachs bekommen hat, in Form des Great Unclean Ones Rotigus Rainfather und der Übernahme von Horticulous Slimux von Age of Sigmar als neue besondere Charaktere.

Weiterhin finden sich auch zwei neue Heralds des Nurgle in der Aufstellung, jeweils mit neuen Modellen. Mit einem neuen großen Dämonenmodell, neuen Nurglebestien und den genannten Heralds können sich Anhänger des Seuchengottes über viele neue Möglichkeiten zum Basteln und Spielen freuen.

Die anderen Chaosgötter müssen sich, wie sich beim Blick in die Listen schnell zeigt, mit dem zufrieden geben, was sie auch schon in der letzten Edition zur Verfügung hatten. Khorne und Tzeentch sind dabei mit noch ziemlich aktuellen Modellen ausgestattet, die zu guten Teilen auch als Plastikmodelle verfügbar sind.

Slaanesh hingegen scheint, zumindest von der Modellpalette her, recht stiefmütterlich behandelt worden zu sein. Der Keeper of Secrets ist immer noch das ziemlich angestaubte und eher mäßig gealterte Modell, es gibt von Games Workshop selbst (wenn man Forgeworld nicht mitzählt) keinen Großen Dämonen mit Namen wie bei den anderen Chaosgöttern, und auch sonst bietet sich dem Slaanesh-Spieler merklich am wenigsten Auswahl. Tatsächlich haben die Anhänger des Gottes der Ekstase vom Chaos Index zum Armeebuch sogar noch eine Einheit verloren.

Der Herald auf dem Exalted Chariot hat keine neuen Regeln erhalten. GW hat schon vor längerem klargestellt, dass in einem solchen Fall die Regeln aus dem Index für das Modell weiter genutzt werden können. Trotzdem sind einige Spieler, wenig überraschend, damit nicht glücklich und lassen vor allem in den zahlreichen Internetforen ihren Frust darüber aus.

Die Gerüchteküchen in den Foren brodeln aber gleichzeitig schon länger über eine Veröffentlichung eines möglichen Codex Emperors Children und damit einhergehend mit einer Neuveröffentlichung der Slaanesh-Modelle.

Auffällig ist zumindest, dass sich im Codex auch kaum Bilder von Slaaneshdämonen finden. Der große Dämon, eigentlich das Aushängeschild seiner Gottheit, findet sich nur auf einer Zeichnung, die wiederum nur das Forgeworld-Modell zeigt und gar nicht das Modell von GWMöglicherweise ein Indiz auf eine gar nicht so weit in der Zukunft liegende Veröffentlichung einer neuen Produktpalette. Unlogisch wäre der Schritt nicht, nach einem Dämonenprimarchen für Nurgle und Tzeentch auch noch Primarchen für Khorne und Slaanesh zu veröffentlichen, nur wann dies geschieht, ist nicht bekannt.

Das Herzstück – Die Werte

Egal wie sehr man den Hintergrund schätzt, die meisten Tabletopper holen sich den neuen Codex natürlich für die neuen Regeln. Die Sektion hat dabei die inzwischen gewohnte sinnvolle Aufteilung und trennt die Truppen in HQ, Elite, Standard, Sturm und Unterstützung auf, losgelöst von der Götterzuordnung. Die Überarbeitung vom Index zum Codex kann dabei als durchaus sinnvoll angesehen werden, nicht nur in der Anpassung von einzelnen Punktkosten, sondern auch in der Ausformung der einzelnen Chaosgötter.

Die Khornetruppen sind noch deutlicher klassische Glaskanonen, die furchtbar austeilen können, dafür aber vergleichsweise wenig aushalten. Bloodletters mit de facto Energieschwertern, die bei Verwundungswürfen von 6+ zwei Wunden verursachen, können ohne Probleme auch Terminatoren oder Custodes gefährlich werden. Auf der anderen Seite werden sie mit Widerstand 3 und dem dämonischen Rettungswurf von 5++ auch schnell zusammengeschossen. 

Die Bloodthirster in allen Variationen und Skarbrand als ihre benannte Version sind wieder wahre Zerstörungsmaschinen geworden, die abseits von Lords of War wahrscheinlich keinen Charge überdenken müssen. Eben genau das, was Khorne ausmachen sollte.

Nurgletruppen sind zäh wie eh und je, dafür aber relativ träge und damit auf den Schlachtfeldern öfter berechenbar. Mit unterschiedlichen Waffenoptionen für den Great Unclean One und Buffs für die Plaguebearers über die Herolds wird man Nurgledämonen meist nur noch schwer los.

Tzeentch hat mit dem deutlichen Nerf von Brimstone Horrors eine herbe Einschränkung erhalten. Horrors scheinen dadurch, egal in welcher Farbe, deutlich hinter den anderen dämonischen Standardtruppen zurückzufallen. Die restlichen Optionen bieten aber vor allem hohe Varietät und unterstützende Fähigkeiten, die den klugen General belohnen, der direkten Auseinandersetzungen aus dem Weg geht und da zuschlägt, wo es taktisch am Sinnvollsten ist. Der verbesserte Rettungswurf von 4++ und die solide Aufstellung an neuen Psifähigkeiten unterstützt ein solches Vorhaben weiterhin.

Slaaneshtruppen sind immer noch extrem schnell im Nahkampf, sowohl was das Ankommen dort als auch was die „Initiativereihenfolge“ angeht. Diese wird in der 8. Edition ja nicht mehr durch Initiativwerte bestimmt, aber durch die hauseigene Sonderregel schlagen Slaaneshdämonen zuerst zu. Anders als bei Khorne finden sich hier meist mehr Attacken, dafür aber nur bei Verwundungswürfen von 6+ ernsthafte AP-Werte. Abgerundet wird die Armeeliste von einigen neutralen Einheiten, namentlich dem Dämonenprinzen Be’lakor, Furies und Soulgrindern, wobei die beiden letztgenannten eine Dämonenassoziation wählen müssen, die aber dann auch den entsprechenden Vorteil bietet. Zusätzlich findet sich am Ende der Liste mit dem Feculent Gnarlmaw ein Geländestück, das nahe Nurgle-Dämonen unterstützt. Insgesamt bietet die Armeeliste eine sehr breite Auswahl an unterschiedlichen Figuren und Möglichkeiten, so lange man bereit ist, in seiner Armee mehr als einen Chaosgott einzubringen. Falls man sich nur auf einen der großen Vier konzentriert, kann dies schnell zu einer gewissen Repetition in der Armeeauswahl führen.

Das Salz in der Suppe – Gefechtsoptionen, Relikte, Warlord Traits und Psikräfte

Die Optionen, die über die reine Truppenauswahl hinausgehen, sind das, was spieltechnisch die Codizes von den Indizes unterscheidet und eine Armee tatsächlich sinnvoll nach vorn bringen kann. Der Codex Chaos Daemons bietet dabei all dies in ordentlicher Größe in der Form von 19 Gefechtsoptionen, 15 Relikten, sechs Warlord Traits pro Chaosgottheit und jeweils sechs Psikräften für Nurgle, Slaanesh und Tzeentch.

Bei den Gefechtsoptionen findet sich viel, was man auch schon abgewandelt im Codex Chaos Space Marines oder anderen Codizes gesehen hat. Für viele Diskussionen hat im Vorfeld schon die Gechtsoption „Bewohner des Warp“ gesorgt, die für 1, bzw. 2 CP erlaubt, eine Einheit aufs Feld zu schocken, für 2 CP eine Einheit mit einem Powerlevel von 9 oder mehr. Endlich besteht damit die Möglichkeit, große Dämonen relativ sicher ins Ziel zu bringen, während sie in der letzten Edition, sobald sie ein Feld betraten, meist in einem Sturm aus Laserkanonen, Plasmafeuer und jedem Typen, der mit Mühe ein Gewehr heben konnte, untergingen.

Mit der Möglichkeit, eine Einheit mit recht großer Wahrscheinlichkeit im ersten Zug ins Ziel zu bringen, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Egal ob großer Dämon, zwölf Bloodcrusher oder 30 Daemonettes, all das möchte man wahrscheinlich nicht in seiner Nähe wissen. Einerseits unterstützt dies natürlich Dämonenarmeen klar, auf der anderen Seite wird die Problematik des „alpha strikes“, bei dem in der ersten Spielrunde schon immense Mengen Schaden ausgeteilt werden, noch verstärkt.

Ein „Problem“, was sich aber schon durch die gesamte Edition zieht. Wenigstens wurde inzwischen per FAQ schon klargestellt, dass es nicht möglich ist, andere Einheiten mit dem „daemon“ Keyword auf diese Weise zu schocken, wobei hier vor allem Dämonenprimarchen und der Lord of Skulls das Ziel der Begierde waren.

Die Relikte sind ausgewogen und größtenteils recht ordentlich, die Axt „Schädelräuber“ für Dämonenprinzen des Khorne sticht dabei nochmal als durchaus tauglich heraus und wird wohl ihren Platz in der ein oder anderen Liste finden. Die Warlord Traits und Psikräfte bieten eine gute Mischung aus Altbekanntem mit sinnvollen Einzelergänzungen für die Dämonen.

Insgesamt bietet sich hier dem Benutzer eine solide, runde Auswahl, die aber keinen Powerspike produziert, wie man ihn bei anderen Armeen schon gesehen hat. 

Ready for battle? – Einstieg und kompetitiver Ausblick

Mit Dämonen anzufangen ist im Augenblick, egal welche Stilrichtung man möchte, recht einfach. Für jede Gottheit existiert von GW eine Start Collecting! Box, die eine solide Auswahl mit ein paar Optionen gibt. Keine davon ist wirklich schlecht, und man kann diese ohne Probleme mehrfach holen, um schnell eine Armee aufzubauen. Im Gegensatz zu anderen Start Collecting!-Boxen bekommt man dabei keine unnötigen Charaktermodelle, die man nicht öfter spielen würde.

Wenn man die Anhänger mehrerer Chaosgötter spielen möchte, bietet es sich an, diese in unterschiedlichen Kontingenten zu spielen, bringen die sogenannten „Dämonischen Präsenzen“ doch ordentliche Aura-Boni für alle Modelle der entsprechenden Gottheit im Umkreis, wenn das Kontingent nur aus Anhängern eines Gottes besteht. Diese Aura-Effekte gelten nebenbei auch für Einheiten mit den Schlüsselwörtern Dämon und dem entsprechenden Gott aus anderen Kontingenten. Es ist also durchaus möglich, Trefferwürfe für Dämonenmaschinen des Khorne in der Nähe eines Charaktermodells des Khorne zu wiederholen und ähnliche Spielereien.

Um sich ernsthaft über die Turnierfähigkeit der Armee auszulassen, ist es wahrscheinlich noch deutlich zu früh. Persönlich rechne ich hierbei eher mit einem Dämonenkontingent in einer Chaos-Space-Marine-Armee, als dass Dämonen alleine gespielt werden.  Die Dämonen eines einzelnen Gottes sind ziemlich gut darin, genau eine Sache zu tun, was oft größere Lücken in anderen Bereichen lässt, sie aber gut als Ergänzung arbeiten lässt.

Wenn ich vorhabe, ein Ziel auszuschalten, kann ein schockender Bloodthirster oder sogar Skarbrand selbst das Problem angehen, wenn ich Sorge vor starken gegnerischen Psiphasen habe, kann ein Haufen Horrors mit einem Lord of Change die Phase für mich dominieren und so weiter.

Auch der Mangel an Panzerabwehr abseits von großen Dämonen macht die Kombination mit anderen Chaosstreitmächten sinnvoll. Welche Kombinationen wirklich gespielt werden, dürften aber erst die Großturniere wie das Las Vegas Open am letzten Januarwochenende zeigen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Games Workshop
  • Autor(en): diverse
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 144
  • Preis: EUR 32,50
  • Bezugsquelle: Amazon, Games Workshop

 

Resümee

Mit dem Codex Chaos Daemons hat GW wieder einen sehr soliden Codex abgeliefert, der eine nette Bandbreite an Miniaturen für einen klischeehaften Bösewicht des 40k-Universums bietet.

Wer eine Armee mit starken Nahkampfoptionen sucht und eine gute Mischung aus günstigen Grundtruppen mit gewaltigen Monstren attraktiv zum Bauen und Bemalen findet, dürfte sich auch in der 8. Edition mit den Dämonen recht wohl fühlen.

Artikelbilder: Games Workshop, Bearbeitung: Verena Bach
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

 

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