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Versklavt, gefeiert, geflohen, gejagt – Wulferan ist berüchtigt und nur der beste Kopfgeldjäger aus dem Zirkel der Jagd vermag ihn zu fangen. Aber mit Gefangenschaft wird sich der Held Wulferan im gleichnamigen Buch niemals abfinden. Wir haben uns den Helden angesehen, der geradewegs einem PC-Spiel entstiegen scheint.

Helden gibt es in der Phantastik viele, nicht nur in Märchen. Manche von ihnen sind strahlende Gestalten, andere dagegen werden eher unfreiwillig zum Helden oder werden gar als Anti-Held bezeichnet. Was also erwartet einen, wenn ein Buch den Untertitel Der dunkle Held trägt?

Story

Die titelgebende Hauptfigur des Buches ist Wulferan, ein gesuchter Verbrecher, der zu Beginn des Buches in einer Art Prolog auf dem Weg zum Galgen ist. Im Folgenden wird erzählt, wie es dazu kam und auch, wie sein Weg weitergeht.

Seine Heimat ist eine mittelalterähnliche Welt, in der die halbelfischen Quel‘tar über ein instabiles Netz verschiedener Provinzen herrschen. Die Geschichte beginnt zu einem Zeitpunkt, als Wulferan bereits ein berüchtigter Verbrecher auf der Flucht ist. Bereits nach kurzer Zeit geht er in die Falle seines Erzfeindes, Tyronnimus Tarlin. Dieser ist ein hochrangiges Mitglied im Zirkel der Jagd, der Organisation der Quel‘tar, die dafür verantwortlich ist, Verbrecher zu jagen. Als Wulferan gefangen in Tyronnimus‘ Käfig sitzt, präsentiert sich dem Leser in gedanklichen Reflexionen und Erinnerungen das Leben Wulferans. Er hatte es als Mischling zweier Menschenvölker, eines gewöhnlich, eines am Aussterben, bereits in Kindertagen schwer, denn neben allerlei Aberglauben und einem ungewöhnlichen Aussehen bringt diese Abstammung die Eigenschaft mit, dass Magie keinerlei Auswirkung auf ihn hat. Der anders aussehende Junge wurde von der Mutter zurückgelassen, lebte auf der Straße und landete in der Sklaverei. Er floh, wurde jedoch erwischt und zum gefeierten Gladiator. Dort lernte er kämpfen, floh aber erneut, wurde wieder gefasst und überlebte in einem berüchtigten Kerker, aus dem kein Entkommen möglich sein sollte. Doch Wulferan gelang, was bisher keinem gelungen war, er entkam, hat sich verschiedener Kopfgeldjäger entledigt und ist solange auf der Flucht, bis er in Tyronnimus‘ Falle geht. Aber auch aus dieser Haft plant er zu entkommen.

In der Gefangenschaft trifft er die Walküre Kira. Auch sie ist eine der letzten ihres Volkes, was auch ihr besondere Fähigkeiten verleiht. Sie wird von den Quel‘tar ebenso geächtet und von den Menschen gefürchtet wie Wulferan. Dazu hat sie etwas über die Quel‘tar erfahren, womit diese sich endgültig zu absoluter Macht aufschwingen könnten und plötzlich sieht sich Wulferan in der Situation, dass es um mehr geht als nur sein eigenes Schicksal.

Schreibstil

Der Autor erzählt aus Wulferans Perspektive in der Ich-Form. Wulferan selbst ist zynisch und egoistisch, er erwartet vom Leben wenig mehr als einen erneuten Tritt in die Fresse. Er will niemandem helfen und tut es mehrfach doch, will keine Hilfe und bekommt sie dennoch. Dazu hat er von einigen Aspekten der Welt keine Ahnung, wo ihm und den Lesern andere Figuren mit Erklärungen zur Seite stehen. Dies hilft einerseits beim Verständnis der Welt, resultiert andererseits jedoch immer wieder in einigen längeren Abschnitten Infodump. In den Kampfszenen schlägt sich nieder, dass der Autor selbst Kampfsport betreibt, dadurch wirken die blutigen Kämpfe realistisch und die Bewegungsabläufe der Kombattanten durchführbar.

Anders als etliche andere Bücher, endet Wulferan nicht mit einem Cliffhanger, es bringt die aktuelle Geschichte zu einem Ende und dem Leser wie den Figuren bleibt das Wissen, dass es weitere Aufgaben gibt. Der Sprachstil ist gut zugänglich und gut lesbar, mitunter sind die Dialoge durch Wulferans Zynismus lustig, allerdings unterscheiden sich die dargestellten Figuren in ihrer Sprache teilweise kaum. Wulferan selbst ist nicht nur zynisch, sondern auch schlagfertig, wie auch alle anderen wichtigeren Sympathieträger unter den Figuren. Daneben bleibt auch die Motivation einzelner Figuren etwas unklar, denn die Erklärung dazu, die sie selbst abgeben, bleibt eher flach. Ein besonders bedauerliches Beispiel ist hier Fiona, die als Mitglied einer Elitegarde mit für Wulferans Bewachung zuständig ist und ihm recht früh, für den Leser recht überraschend, Details aus ihrem Leben verrät. Im Ganzen erinnert das Personal des Buches immer wieder an Figuren aus Computerspielen, deren Aufgabe es ist, dem Helden an dieser oder jener Stelle weiterzuhelfen, ohne groß nach den Gründen zu fragen. Er ist schließlich der Held der Geschichte.

Die Welt selbst bietet einerseits eine Reihe Details, die sich abseits des Vertrauten bewegen wie die beiden Monde am Himmel, die eine unterschiedliche Auswirkung auf Magie haben, und die halbelfischen Quel‘tar, denen es peinlich ist, von Elfen abzustammen. Auf der anderen Seite fügt sich die Welt perfekt in den Eindruck ein, durch eine Computerspielwelt zu gehen. Wulferan entstammt einem Menschenvolk, das immun gegen Magie ist, es gibt gleich zweimal Kerker, aus denen bisher noch niemand entkommen ist (eine Gefängnisinsel und ein riesiges, unterirdisches Höhlensystem), außerdem eine schwarze See voller Meeresungeheuer, natürlich einen bösartigen, selbstgefälligen Gegenspieler und in Zirkeln organisierte, magische Herrscher, deren Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, die Menschen zu unterdrücken.

Der Autor

Kilian Braun ist gebürtiger Münchener und arbeitet neben dem Autorenleben als Buchhaltungssachbearbeiter. Allerdings ist er auch Rollenspieler, was seine Liebe zur Phantastik und zum Schreiben immer befeuert hat und in zahlreichen Kurzgeschichten, mehreren Romanen und Spielleitertätigkeiten mündet.

Der zweifache Vater bloggt nicht nur über sein Autorenleben, sondern auch über seine Rollen- und Brettspielerfahrungen, zurzeit besonders über cthuloide Themen.

Erscheinungsbild

Das Cover zeigt einen Menschen mit dunklem Mantel, dessen Gesicht vollständig im Schatten einer Kapuze verborgen ist. In der gepanzerten Faust hält er den stark verzierten Griff eines Schwertes. Vor und hinter der Gestalt ist Wald zu sehen, dessen Licht den Kopf der Gestalt wie eine Aureole umgibt. Über das untere Drittel ziehen sich Autorenname, Titel und Untertitel. Das gesamte Cover verrät, dass hier ein Fantasytitel mit einer düsteren Hauptfigur wartet, passt an dieser Stelle also gut zum Inhalt. Die gepanzerte Hand der Gestalt und das verzierte Schwert sind dagegen eher weniger stimmig, spielt doch weder ein besonderes Schwert eine Rolle, noch trägt der Held Wulferan jemals Panzerhandschuhe.

Die harten Fakten:

  • Verlag: hockebooks: e-book first
  • Autor: Kilian Braun
  • Erscheinungsdatum: 30. Oktober 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Kindle Edition
  • Seitenanzahl: 371
  • Preis: 7,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Wulferan erzählt eine klassische Geschichte eines Helden, der permanent auf der Flucht vor Kopfgeldjägern ist, immer wieder gefasst wird und immer wieder flieht. Dabei sieht er sich plötzlich damit konfrontiert, dass es Menschen gibt, die anfangen, ihm etwas zu bedeuten, und dass er etwas tun kann, was vielleicht die Welt ändert. Dazu gesellen sich wilde Nordmänner, ein arroganter Erzfeind, grausame Herrscher und eine Frau, die ebenso wie der Held aus einem aussterbenden Volk stammt.

Bei dieser Mischung drängt sich hin und wieder etwas das Gefühl auf, über Tamriel zu laufen oder sich durch ein anderes Computerspiel zu bewegen: ein düsterer Held mit kaputter Vergangenheit, einer der letzten seiner Art und schon aus einem Kerker entkommen, aus dem eine Flucht unmöglich sein soll. Dabei erzählt der Held zynisch und ehrlich aus der Ich-Perspektive, kommentiert schnoddrig, was er von den Plänen seiner Feinde und der ganzen Welt hält und bekommt von anderen Figuren die Welt erklärt.

Ein starker, gerne auch ironischer Bruch mit computerspieltypischen Elementen hätte jedoch gutgetan. Denn die Motivation etlicher Figuren bleibt auch unabhängig von der Erzählperspektive für den Leser etwas unklar; sie helfen Wulferan, weil er der Held der Geschichte ist. Das ist bedauerlich, da einige Details der Welt wiederum auf angenehme Weise mit dem Erwarteten brechen und ihr Potenzial so nicht voll entfalten können.

Wer auf der Suche nach blutigen Kampfszenen mit einem schnoddrigen Computerspielhelden ist, wird bei Wulferan fündig und muss auch kein Cliffhanger-Ende fürchten.

 

Artikelbild: hockebooks: e-book first
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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