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Bereits 1985 erschuf Greg Stafford die erste Edition des Rollenspiels King Arthur Pendragon, erschienen im Verlag Chaosium. Mittlerweile ist das Spiel ungefähr so legendär wie der literarische Stoff, den es behandelt, denn Pendragon ging einige neue Wege, die anderen Systemen weit voraus waren. Nun erschien die Neuauflage bei Nocturnal Media.

Greg Stafford gehört zu den ganz großen Namen des Rollenspielgeschäftes. Der Erfinder der Spielwelt Glorantha, Co-Autor von RuneQuest und Begründer von Chaosium bezeichnete das Spiel King Arthur Pendragon (kurz Pendragon genannt) als sein wichtigstes Werk. Schon 1985 erschien die erste Ausgabe des Spiels rund um den legendären König Britanniens, die Suche nach dem Gral und die Ritterschaft der Tafelrunde. Seitdem gab es bereits 5.1 neue Editionen, eine davon vom Verlag White Wolf herausgegeben. Doch damit hat die Aventiure um den Pendragon noch kein Ende gefunden. Denn nun hat Nocturnal Media eine neue Edition, 5.2, auf den Markt gegeben. Die Erwartungen der Fans waren groß, zumal das Cover ein wirklich schönes und stimmiges Design ziert. Was das Innere angeht, gibt es aber zumindest für den Nostalgiker einige Ernüchterungen.

Pendragon 5.2 Ersteindruck Leander Linnhoff Illustration Überfahrt

 

Die Spielwelt

Pendragon bietet dem Spieler die Möglichkeit, einen Ritter im arthurischen Britannien zu spielen, und vielleicht sogar einen Platz unter den ruhmreichen und unsterblichen Rittern der Tafelrunde zu erringen. Dabei orientiert sich das Spiel grob an den Arthus-Erzählungen von Sir Thomas Malory, dessen Le Morte d’Arthur wohl die berühmteste Version des Stoffes darstellt. Natürlich finden sich aber auch Einflüsse moderner Versionen wie T. H. Whites Once and Future King oder gar Prinz Eisenherz. Unzählige weitere Quellen haben das Spiel inspiriert, und so kann man nur sagen, dass die Spielwelt ein Britannien in einer Zeitepoche zwischen frühem und spätem Mittelalter darstellt, das es in dieser Form vermutlich nie gegeben hat. Es ist nicht die Historie, die hier im Mittelpunkt steht, sondern das Gefühl des Abenteuers und der Legende.

Offiziell schreiben wir das Jahr 485 nach Christus. Britannien ist zerrissen in viele kleine Königtümer, die um Macht und Einfluss streiten. In dieser Zeit ist Uther der Pendragon, der mächtige Hochkönig, der die Königreiche einen soll. Doch Leidenschaft und Zügellosigkeit treiben den König in eine ausweglose Schlacht, in der er seinen Tod findet – ohne jedoch einen bekannten legitimen Erben zu hinterlassen. Die Könige streiten um die Nachfolge, nicht wissend, dass Uther sehr wohl einen Erben hatte. Weit weg von den Intrigen wächst der junge Arthur heran, der eines Tages das Schwert aus dem Stein ziehen und der Knabenkönig von Britannien werden soll.

Nicht nur die Reiche sind zerstritten, es verbreitet sich auf der Insel auch eine neue Religion, die die heidnischen Kulte der Kymren und die alte Magie ablösen möchte. Das Kreuz beginnt Kirchen zu zieren und Bischöfe buhlen um die Gunst derer, die einst den alten Barden folgten.

In diese aufregende Zeit voller Schlachten, Turniere, Abenteuer und Ungeheuer werden die Spielercharaktere geworfen, und ihr oberstes Bestreben ist es, eine Dynastie zu errichten und für ihre Familien und ihren Glauben Ruhm und Einfluss zu erlangen.

Pendragon 5.2 Ersteindruck Leander Linnhoff Illustration Tjost

 

Die Regeln

Das Regelsystem ist etwas altbacken, aber immer noch effektiv. Es ist das klassische Chaosium-System mit seinen langen Fertigkeitslisten, hinter denen sich eine Box zum Ankreuzen befindet. Wurde eine Fertigkeit erfolgreich und sinnvoll angewendet, darf die Box angekreuzt und die Fertigkeit gesteigert werden.

Um festzustellen, ob eine Aktion erfolgreich verläuft, wird mit einem W20 gegen den Fertigkeitswert oder Attributwert gewürfelt. Wird die Zahl unterwürfelt, war die Anwendung erfolgreich. Das ist ein sehr klassisches und einfaches Grundsystem, welches dem Spiel ein Old-School-Feeling verleiht.

Die großen Neuerungen, die Pendragon bietet, sind die Winterphase und die Tugenden. Die Tugenden werden im Abschnitt „Charaktererschaffung“ näher beleuchtet. Die Winterphase dient dazu, die lange Zeit der Kälte und Düsternis darzustellen, die der Winter im arthurischen Britannien darstellt. In dieser Phase finden keine Abenteuer oder Turniere statt. Die Ritter kehren an ihre Burgen zurück, kümmern sich um ihre Familien, sorgen für Nachkommenschaft, werten die Ernteerfolge des Jahres aus oder befestigen ihre Verteidigungsanlagen. So entsteht neben dem klassischen Rollenspiel in Pendragon ein Element von Mittelaltersimulation, und es geht um weit mehr, als nur den eigenen Charakter darzustellen. Um die gesamte Spanne der Herrschaft Arthurs zu überstehen, braucht es mehr als ein Ritterleben. Die Spielzeitspanne reicht von 485-565 nach Christus. Also wird der Spieler im Laufe einer Kampagne nicht nur einen Charakter spielen, sondern vermutlich auch dessen Kinder und Kindeskinder. Der Ruhm, den er mit seinem ersten Charakter sammelt, wird sich auf die Stellung und den Ruf der ganzen Linie auswirken.

Charaktererschaffung

Die Attribute des Charakters werden, wie häufig bei Old-School-Systemen, erwürfelt. Sie machen die Grundeigenschaften des Charakters aus, anhand derer auch Gesundheitsstufen und Kampfeigenschaften errechnet werden. In der Regel werden die Attribute über zwei sechsseitige Würfel plus eine Zahl X bestimmt, die im Regelwerk bei dem entsprechenden Eintrag angegeben wird.

Was das Spiel aber wirklich interessant macht, sind die Tugenden. Diese Eigenschaften bestimmen konkretere Charaktermerkmale. Ist der Charakter fleißig oder faul, keusch oder lüstern, rachsüchtig oder nachsichtig, ehrlich oder verschlagen? All dies und mehr wird über die Tugenden bestimmt. Diese werden teilweise durch die Religion beeinflusst, teilweise durch die Ritterlichkeit und je nach Spielvariante werden sie erwürfelt (was sehr viel Spaß macht und zu sehr unvorhersehbaren Charakteren führt) oder durch Spieler und Spielleiter in gemeinsamer Absprache bestimmt. Klar ist, dass die Gesamtzahl in den Tugenden (positive Tugend plus Gegenstück) immer 20 ergibt. Ist also ein Charakter mit 15 Punkten tapfer, so ist er mit 5 Punkten feige. Ist er mit 7 Punkten geizig, so ist er mit 13 Punkten großzügig.

Ergänzt werden Attribute und Tugenden durch die Leidenschaften. Dies sind Loyalität, Liebe, Gastfreundschaft, Ehre und ihr Hass auf die Sachsen. Die Leidenschaften werden erwürfelt.

Zuletzt wird noch die Fertigkeitsliste abgeschrieben und durch freie Punkte modifiziert.

Es macht Spaß, die so entstandenen, sehr farbenfrohen Charaktere darzustellen. Allerdings zeigt sich hier der Nachteil der aktuellen Edition: Man ist in der Auswahl seines Charakters sehr begrenzt. Es wird zunächst davon ausgegangen, dass man einen männlichen Kymren (egal ob Christ oder Heide) aus der Gegend um Salisbury spielt. Während die vierte Edition noch mit Fertigkeitslisten und Modifikationen für römische, sächsische, französische, irische, piktische und sogar magiebegabte Charaktere aufwartete, ist der Fokus hier begrenzt. Wie bei Pendragon üblich, wirkt es auch wenig vielversprechend, einen weiblichen Charakter darzustellen, denn Frauen sind auf ihre klassische mittelalterliche Rolle reduziert.

Erscheinungsbild

Positiv sticht das Erscheinungsbild des 276 Seiten starken Buches hervor. Das schlichte Schriftbild und der einfache Rand am oberen Seitenrand wirken wunderbar klassisch. Besonders aber die Illustrationen wissen zu begeistern. Feine Konturen und hübsche, fast comic-artige Linienführungen lassen die Bilder zum größten Teil modern werden, ohne den Geist dieses Old-School-Systems zu beschädigen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Nocturnal Media
  • Autor(en): Greg Stafford
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Englisch
  • Format: eBook, gebunden
  • Seitenanzahl: 276
  • Preis: 39,95 EUR (gebunden); 19,95 EUR (eBook)
  • Bezugsquelle: Sphärenmeister, DriveThruRPG

 

Fazit

Es ist schön zu sehen, dass ein so altes und geliebtes Rollenspiel wie King Arthur Pendragon noch immer aufgelegt wird und seine Spielerschaft findet. Völlig zurecht gehört dieses Spiel zu den Klassikern und Legenden des Genres. Wer Spaß daran hat, Abenteuer im Britannien von Arthur, Merlin, Lancelot und Gawain zu erleben, dem sei dieses Spiel angeraten. Kein anderes Spiel hat sich dieses Themas bis jetzt so liebevoll und auch so sachkundig angenommen.

Obwohl Pendragon schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat (und diesen Old-School-Charakter merkt man dem Spiel an), besticht es durch Spielkonzepte, die herausstellend und überraschend sind. Das beginnt mit der Charaktererschaffung, in der man durch die Tugenden und Leidenschaften sehr ungewöhnliche Züge der Spielfigur in einem Regelkorsett eingefangen findet, was zu sehr unterhaltsamen und herausfordernden Konzepten führen kann.

Gelungen ist auch das Spiel in einer Dynastie, in der man im Laufe einer Kampagne mehrere Charaktere der gleichen Familie spielen kann, und in der die Handlungen der Vorfahren Auswirkungen auf die Nachkommen haben.

Optisch kann die neue Edition punkten, denn die Illustrationen sind sehr gut gelungen. Leider wurde die Vielfältigkeit der spielbaren Charaktere im Vergleich zur vierten Edition drastisch reduziert. Sicher, damit ist man dem ursprünglichen Flair der Arthus-Sage näher, aber es legt auch die Vermutung nahe, dass hier an den Verkauf von Quellenbänden gedacht wurde. Ich empfehle auch heute noch den Griff zur vierten Edition aus dem Hause Chaosium, wenn man ihrer irgendwie habhaft werden kann.

Der Ersteindruck basiert auf der Lektüre und Charaktererstellung in Edition 5.2.


Artikelbilder: Nocturnal Media
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

2 Kommentare

  1. Die Pendragon 4th Edition von 1999 ist von Greg Stafford und Sam Shirley und wurde Inhouse von Chaosium Inc. bearbeitet.
    Greg Stafford war seit 1997 kein Teil mehr von Chaosium Inc. sondern hatte sich auf die Herausgabe von Hero Wars RPG (jetzt HeroQuest RPG) und Glorantha spezialisiert und dafür seinen neuen Verlag Issaries Inc. gegründet.
    Ein ziemlicher Teil der Ergänzungen von Pendragon 3rd Edition zur 4th Edition wurden Greg Stafford durch andere Chaosium-Con-Autoren nahegelgt bzw. von Co-Autoren verfasst.
    Als Greg wieder die alleinige Kontrolle über Pendragon hatte (die 5th Edition von White Wolf aus dem Jahre 2005) hat er seine 3rd Edition überarbeitet und alle Ergänzungen der 4th Edition ignoriert, denn nur so fühlt es sich nach SEINEM Pendragon an.
    Auch mir gefiele die Ergänzungen der anderen Kulturen, Religionen, etc. und bin auch dafür, dass diese als separate Quellenbücher verfügbar gemacht werden sollten. Aber dies war niemals die Intention von Greg oder den herausgebenden Verlagen (weder White Wolf noch Nocturnal).

  2. Aber es gibt doch die anderen Kulturen auch für die 5. Edition im Book of Knights & Ladies, von Greg Stafford selbst geschrieben. Ist halt nur als Print-On-Demand-Buch erhältlich, liefert aber genauso umfassende Generierungsmöglichkeiten wie die 4. Edition.

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