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Tödliche Gefahren und sagenhafte Schätze warten auf denjenigen, der sich den Aufgaben in der Welt von Harkuna erfolgreich stellen kann. Eine Welt, welche unendliche Abenteuer verspricht. Alle zwölf Abenteuer der Fantasy-Spielbuchreihe von Fabled Lands sind miteinander verbunden und der Spieler entscheidet wohin ihn die Reise als nächstes führt.

Mit der Rezension zu den Piraten von Shadaki stellten wir uns die Frage, ob „Fantasy-Spielbücher“ angestaubt seien oder ob sie auch heute noch ihre Berechtigung haben. Das Fazit zum zweiten Spielbuch um die neuen Kai-Krieger fiel durchaus positiv aus, sodass die Erwartungen an Das Meer des Schreckens & Die Täler der Finsternis entsprechend hoch waren. Die Fabled Lands-Reihe besteht aus insgesamt zwölf Abenteuern, von denen die ersten sechs in drei Bänden vom Mantikore Verlag neu aufgelegt wurden.

Eine Meinung zum ersten Abenteuer der Spielbuchreihe könnt ihr in unserer Rezension zu Legenden von Harkuna 1 – Das Reich des Krieges finden.

Handlung

Eine durchgängige Story besitzt Fabled Lands nicht. Vielmehr liegt es am Spieler selbst, sich in der Welt frei zu bewegen. Dieser entscheidet wohin seine Reise ihn führt. Es steht ihm sogar frei, zwischen den einzelnen Abenteuern zu wechseln. In der gesamten Welt von Fabled Lands gibt es Abenteuer zu bestreiten sowie Ruhm, Ansehen und Schätze zu erwerben. Soweit zur Theorie und den Erörterungen zu Beginn des Spielbuchs.

Das Meer des Schreckens wartet mit verlassenen Ruinen und sagenhaften Schätzen auf. Es gilt hinterhältigen Piraten und todbringenden Gefahren auszuweichen. Die Täler der Finsternis hingegen spielen in einer frostigen Steppe. Hier kann der Spieler versuchen den Hochkönig von Harkuna aus seinem eisigen Gefängnis zu befreien oder gar die Zitadelle von Velis Corin zurückzuerobern.

Die einzelnen Abschnitte des Spielbuchs sind übersichtlich gehalten, die Szenen werden kurz und knapp in Form einer losen Beschreibung geschildert. Zufallswürfe oder Proben entscheiden darüber in welche Szene man als nächstes wechselt. Aufgrund des Spielkonzeptes kann man immer wieder zu denselben Orten zurückkehren und von dort in bisher unerforschte Regionen aufbrechen. Dieses Fehlen eines zentralen Plots macht es jedoch auch schwer sich in Harkuna zurechtzufinden. Leicht geschieht es, dass der Charakter in einem Abenteuer landet, das der Leser noch nicht erworben hat oder aber man landet immer wieder im gleichen Abschnitt. Insbesondere bei Seereisen wird es dadurch ein wenig unübersichtlich, da es leicht passiert, dass man ungewollt mehrmals in dasselbe Seegebiet gerät.

Der Start gelingt leicht, die Regeln sind eingängig und leicht zu merken.

Der Start ins Abenteuer gelingt leicht. Der Charakterbogen ist übersichtlich und auch die Regeln sind eingängig und leicht zu merken. Doch schon direkt nach dem Start ins Abenteuer offenbart das Spielbuch deutliche Schwächen. Stimmung will anhand der kurzen Passagen nicht so recht aufkommen. Die Abschnitte sind manchmal nur wenige Sätze lang und verweisen stellenweise direkt auf den nächsten, ohne dass eine Funktion ersichtlich würde oder die Möglichkeit Einfluss auf das Geschehen nehmen zu können. Die Szenen und einzelnen Abschnitte wirken beliebig, den roten Faden, eine Richtung oder gar ein spannendes Abenteuer sucht man leider vergeblich. Die hohe Sterblichkeit der Charaktere oder die Tatsache, dass man als Held bei einem Zusammentreffen mit Piraten fast grundsätzlich versklavt wird, fördern nicht unbedingt den Spielspaß. Einzig der Krieger darf darauf hoffen, den Piraten zu trotzen.

So kann es durchaus passieren, dass man an eine Küste angeschwemmt wird und im weiteren Verlauf einen Wald auf einer Insel durchqueren muss. Es gibt keinen anderen Ausweg und somit begibt sich der Held in den Wald. Um den Weg aus dem Wald heraus zu finden, bedarf es einer Probe auf Naturwissen mit der Schwierigkeit 15. Im Ergebnis bedeutet dies, dass hier zwei der sechs angebotenen Berufsklassen sterben. Denn diese können die Probe rein rechnerisch nicht schaffen.

Nach jeder misslungenen Probe verliert der Charakter in diesem Fall einen Punkt auf alle Fähigkeitswerte, bis zu einem Minimalwert von eins und zusätzlich gehen 1W6 Lebenspunkte verloren. Für einen Priester der dritten Stufe sieht es nicht viel besser aus. Dessen Wert in Naturwissen ist der dritthöchste, der sechs zur Verfügung stehenden Berufe. Jedoch bedarf es einer 11 oder 12 mit 2W6 oder anders ausgedrückt beträgt die Chance, im ersten Anlauf den Wald zu verlassen, gerade einmal 8,4 Prozent. In der nächsten Runde hat besagter Priester noch eine 2,8‑prozentige Wahrscheinlichkeit, dem Wald lebend zu entrinnen, danach ist es rechnerisch nicht mehr möglich und der Charakter stirbt dort.

Neuer Charakter, neues Glück und neue Insel: Diesmal eine Probe auf Naturwissen mit der Schwierigkeit 14, was nun auch keine hohe Wahrscheinlichkeit bedeutet. Misslingt die Probe, was nicht unwahrscheinlich ist, beginnt das Blättern von Miniabschnitt zu Miniabschnitt. Letztendlich landet der Spielercharakter ohne die geringste Interaktionsmöglichkeit versklavt in Die Täler der Finsternis. Dieses Abenteuer ist Teil des zweiten Bandes der Fabled Lands-Reihe und somit im Taschenbuch enthalten, also kann der Spieler sein Abenteuer fortsetzen.

Einige Abschnitte später führt eine verhauene Charisma-Probe, die eine 41,7-prozentige Chance auf Bestehen hatte, zu weiterem Unglück und dazu, dass der Charakter mit einer 66,6-prozentigen Wahrscheinlichkeit ertrinkt.

Schafft man es trotz aller Widrigkeiten mit einem Charakter doch auf See, kann es durchaus passieren, dass ein Zufallswurf der Schiffsmannschaft, und damit auch den Spielercharakter betreffend, eine tödliche Krankheit zur Folge hat und dann endet auch dieser Versuch das Spielbuch zu bezwingen mit dem Tod des Spielercharakters binnen kürzester Zeit.

Insgesamt erinnert das Spielbuch mehr an ein uraltes Arcade-Spiel, in welchem der Spielercharakter unzählige Tode stirbt, bis es gelingt, die richtigen Entscheidungen zu treffen und genügend Würfelglück an den Tag zu legen, um in der Folge das Spiel bezwingen zu können.

Regeln

Die Regeln sind kurz und knapp gehalten. Zum Spielen benötigt man einen Bleistift, ggf. die kopierten Unterlagen aus dem Spielbuch, wenn man nicht in das Buch direkt eintragen möchte, und bis zu drei sechsseitige Würfel. Den Spielercharakter hat man in wenigen Minuten erstellt. Zu Beginn des Spiels verfügt man nur über ein Schwert, ein Kettenhemd, eine Karte und 40 Shards als Startkapital.

Zum Spielen benötigt man eigentlich nur einen Bleistift und Würfel.

Bevor der Spieler sich in das Abenteuer begeben kann, wählt er einen von sechs vorgefertigten Charakteren aus oder wählt einen von sechs zur Verfügung stehenden Berufen. Jeder Beruf hat unterschiedliche Startwerte in den sechs Fähigkeiten, die in den Charakterbogen zusammen mit dem Namen, den vorhandenen Lebenspunkten und den wenigen Besitztümern eingetragen werden.

Die Proben im Spiel sind denkbar einfach, so wird bei einer Probe auf eine Fähigkeit ein Schwierigkeitswert durch den Text vorgegeben. Der Spieler wirft zwei Würfel und addiert zur Punktzahl seinen aktuellen Fähigkeitswert. Damit die Probe gelingt, muss der erreichte Wert den Schwierigkeitswert übertreffen.

Angenommen der Spieler muss aus einem Wald herausfinden. Verlangt ist eine Probe auf die Fähigkeit Naturwissen, deren Wert beispielhaft 5 beträgt. Die Probe ist mit einem Schwierigkeitswert von 15 belegt. Um im besagten Beispiel die Probe erfolgreich zu absolvieren, müsste der Spieler somit eine 11 oder 12 würfeln, um die Probe zu schaffen.

Kämpfe verlaufen nach demselben Prinzip. Mit der Fähigkeit Kampfkraft, der Stufe des Charakters und dem Rüstungsbonus wird der eigene Verteidigungswert ermittelt. Der Verteidigungswert des Gegners ergibt sich aus dem Text. Ein Kampf besteht aus einer Reihe von Kampfkraft-Proben. Die Schwierigkeit ist jeweils die Verteidigungskraft des Spielercharakters oder des jeweiligen Gegners. Für jeden Punkt, der den Schwierigkeitsgrad übertroffen hat, verliert der Betroffene einen Lebenspunkt. Sobald die Lebenspunkte auf null oder darunter sinken, stirbt die betreffende Figur. Würfelproben auf Fähigkeiten und im Kampf gehen zügig von der Hand und sind leicht zu merken, großartige Rechenkünste sind nicht erforderlich.

Schreibstil

Die einzelnen Abschnitte sind sehr kurz gehalten. Relativ nüchtern und technisch wird der Spieler mit der jeweiligen Szene vertraut gemacht. Die Beschreibung der Welt wirkt insgesamt sehr oberflächlich, es will nicht so recht gelingen, in die Szene einzutauchen. Atmosphärisch bleibt es dabei, dass der Leser vor einem Spielbuch sitzt und eine Spielanweisung nach der nächsten liest. Wenig hilfreich ist es auch, dass man viele Textabschnitte erblättern muss, die einen nach ein, zwei Sätzen und ohne Interaktionsmöglichkeit gleich zum nächsten Abschnitt führen. Durch das viele hin- und herblättern wird der Spiel-/Lesefluss zusätzlich gestört. Ebenso verhält es sich mit der Vielzahl von Zufallswürfen, die den Spieler ständig begleiten und ihn fremdbestimmt durch das Abenteuer, und im Regelfall seinem Tod entgegen, treiben. An der Welt, der Namensgebung und dem Setting gibt es nichts auszusetzen, als Spieler ist man jedoch mehr mit blättern und würfeln beschäftigt, das Vergnügen in eine fremde Welt einzutauchen will einfach nicht gelingen. Die Geschehnisse werden aus der Sicht eines allwissenden Erzählers in der 2. Person Singular im Präsens geschildert: „Die Priesterin fragt dich, ob du ein Geweihter der Drei Glückseligen werden willst.“

Autoren

Dave Morris ist ein britischer Schriftsteller und Spieleentwickler. Er wurde am 19. März 1957 geboren und schrieb zahlreiche Werke bzw. wirkte an diesen mit. Unter den mehr als 70 veröffentlichten Büchern finden sich Spielbücher, Comics und Romane. Neben den Fabled Lands-Spielbüchern, an denen er mitschrieb, stammen aus seiner Feder auch die Romane der HeroquestReihe oder Comics um die Teenage Mutant Ninja Turtles.

Jamie Thomson wurde am 14. November 1958 geboren. Er ist ein britischer Autor, Editor und Spieleentwickler. Aus seiner Feder stammt die humorige Dark Lord-Reihe und er wirkte mit an der Falcon-Reihe, einer Spielbuchserie, in der es um Zeitreisen geht. Im Jahre 2012 erhielt der Autor den Roald Dahl Funny Prize, ein britischer Literaturpreis, welcher von 2008 bis 2013 in zwei Kategorien für das lustigste Kinderbuch vergeben wurde.

Erscheinungsbild

Der Einband des Taschenbuchs ist dunkel gehalten, der beherrschende Farbton ist rot. In der Mitte des Covers ist ein fliegender Drache zu erkennen, unter ihm breitet sich, vage zu erkennen, eine Landschaft aus. Die beiden Autoren finden sich oben auf dem Cover, darunter Titel und Untertitel. Unten werden die beiden Abenteuer gezeigt, welche Inhalt des Buches sind. Das Cover fügt sich nahtlos in die weiteren Cover der Fabled Lands-Reihe ein und passt zum Inhalt des Spielbuches. Einzelne Textblöcke wurden mit Illustrationen ergänzt, welche thematisch passend gewählt wurden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor(en): Dave Morris, Jamie Thomson
  • Erscheinungsjahr: 01. März 2017
  • Sprache: Deutsch (übersetzt aus dem Englischen von Alexander Kühnert)
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 740
  • ISBN: 978-3945493342
  • Preis: 19,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Zum Zeitpunkt der Ersterscheinung waren schwierig zu überlebende und erzählerisch weniger gelungene Spielbücher durchaus eher die Regel, denn die Ausnahme. Zum Glück hat sich das Genre weiterentwickelt. Fabled Lands hingegen verspricht Abenteuer aus den Anfängen der Spielbücher mit allen Schwächen, welchen den damaligen Werken innewohnten. Die Texte vermögen es nicht, den Leser in die Welt hineinzuziehen oder gar Spannung zu erzeugen. Der Spieler muss sich mit viel Würfelglück an tödlichen Zufallsereignissen vorbeihangeln und blättert sich von Abschnitt zu Abschnitt kreuz und quer durchs Buch. Teilweise ist der Spielercharakter über mehrere Abschnitte hinweg lediglich Beiwerk und kann zu keinem Zeitpunkt eine Entscheidung über den weiteren Fortgang des Abenteuers treffen. Gelingt es dem Spieler, mit exorbitantem Würfelglück, seinen Helden eine gewisse Zeit am Leben zu erhalten, kann das Abenteuer dennoch unvermittelt vorbei sein. An verschiedenen Stellen verlässt der Spielercharakter leider das aktuelle Abenteuer und muss seinen Weg ggf. in einem anderen Spielbuch der Fabled Lands-Reihe fortsetzen. Insofern das Spielbuch nicht im Besitz des Lesers ist, bleibt die Wahl zwischen neu starten oder das fehlende Spielbuch erwerben. Fabled Lands empfiehlt sich eher für denjenigen Spieler, der den nostalgischen Charme aus den Anfängen der Spielbücher spüren möchte und diesem Charme dutzende, neu erschaffene Helden opfern möchte. Spieler/Leser, die auf der Suche sind nach spannenden Abenteuern, erzählerischer Tiefe und zumindest der theoretischen Möglichkeit, dass ihr Spielercharakter das erste Viertel des Abenteuers überleben könnte, werden ganz sicher nicht glücklich werden.

Artikelbild: © Mantikore Verlag, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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