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Schneechaos, gesperrte Bahnhöfe und Flughäfen, Nazis, verlorene Reisende und verjagte Cosplayer: Alle sprechen von den apokalyptischen Ereignissen der Leipziger Buchmesse, aber kaum einer vom Tag davor. Dabei war der Buchmesse-Freitag für Romanredakteurin Marie ein wundervoller Tag für ihre Suche nach den aktuellen Trends der Phantastik.

Wer die Leipziger Buchmesse und die Berichterstattung darüber währenddessen und im Nachgang verfolgt, bekommt das Gefühl, das Ende der Welt wäre nah gewesen. Hashtags wie Apokaleipzig, Fotos von frierenden Menschenmassen am Hauptbahnhof, Beiträge verärgerter Cosplayer und Geschichten über Auseinandersetzungen mit Gruppen vom politisch rechten Rand bestimmen, vor allem in den sozialen Medien, die Nachrichten. Nichts davon ist falsch, 15 Zentimeter Neuschnee und Glatteis haben den Nah- und Fernverkehr in Leipzig und Umgebung lahmgelegt, Cosplayer wurden aus dem Congresscenter verbannt und rechte Verlage hatten Stände und Redner auf der Messe. Aber was ist eigentlich passiert, bevor der Weltuntergang Leipzig am Samstag erreichte?

Die Suche beginnt …

Der Freitag der Leipziger Buchmesse ist üblicherweise der Tag, an dem sich Fachpublikum und andere Besuchern am stärksten durchmischen. Spätestens ab dem Mittag bevölkern zahlreiche Familien, mehr Schulklassen als donnerstags und all die Fachbesucher die Messe, denen es nicht möglich ist, früher in Leipzig zu sein. Auf der anderen Seite reisen bereits die ersten Fachbesucher wieder ab.

Für mich stand dieser Tag, mehr als die anderen Messetage, im Zeichen des freundschaftlichen geplanten wie ungeplanten Beisammenseins. Dazu war er der letzte Tag, den wir mit einer gezielten Suche nach den Trends der Phantastik verbringen konnten, bevor die Apokalypse über Leipzig hereinbrach.

Bereits der Morgen begann mit scheußlich unangenehmem Wetter und großer zwischenmenschlicher Nähe im öffentlichen Nahverkehr. Positiv betrachtet, war es absolut unmöglich, umzukippen. Doch beim Ausbruch eines Zombievirus’ wären wir dem Problem vollkommen wehrlos ausgeliefert gewesen. Aber davon lassen sich tapfere Teilzeitheldinnen auf der Quest nicht abschrecken.

Freitag war der erste Tag, an dem die Cosplayer in größerer Zahl begannen, die Messe aufzusuchen, was sich bereits im Nahverkehr bemerkbar machte. Nackte Hasen wurden keine gesichtet und der Haupttag der Konflikte der Cosplayer mit der Security und ihrem sehr unterschiedlichen Verhalten war eindeutig der Samstag. Aber vielleicht hatten sie den Schnee mitgebracht (es gab mehr als ein Elsa-Cosplay) oder die Wettergötter versuchten vorsorglich, die Nazis von der Messe fernzuhalten (was ihnen leider nicht gelungen ist), denn es begann zu schneien. Im Ganzen lief es letztlich auf 15 Zentimeter Neuschnee in Leipzig hinaus, doch welche Schneeberge und chaotischen Zustände des öffentlichen Nahverkehrs uns noch erwarten würden, war nicht abzusehen.

… in einer Taverne

Die Taverne, pardon, Lounge des Phantastik-Autoren-Netzwerks.
Die Taverne, pardon, Lounge des Phantastik-Autoren-Netzwerks.

Eins unserer ersten Ziele auf der Messe an diesem lauschigen vorapokalyptischen Tag war die Phantastik-Lounge des Phantastik-Autoren-Netzwerkes, um dort Bekannte zu begrüßen und anschließend zu weiteren Rundgängen zwischen den Ständen hindurch aufzubrechen. Ähnlich wie eine Taverne in einem Computerspiel, war sie eine Oase des Wohlfühlens, Treffens und Immer-wieder-Zurückkehrens. Hier war es möglich, sich dem Trubel der Messe für einige Augenblicke zu entziehen, ein wenig zu sitzen und das eigene Smartphone aufzuladen. Von allen Verbandsmitgliedern sorgte besonders Sabrina Ẑelezný unermüdlich für einen stetigen Zustrom an Snacks, so dass sich die Ruhemomente auch wunderbar nutzen ließen, um gemeinsam mit anderen Anwesenden über die Kekse in fantastisch anmuteten Tierformen zu rätseln und, für eine Kaffeespende ins Einhorn, ein heißes Getränk zu genießen. Vor allem aber war es ein Ort, um Freunde zu treffen, denen wir dort geplant oder überraschend begegneten. So verabredeten wir uns auch immer wieder nach unseren Quests durch die Hallen vor dem kleinen Abschnitt hinter der Fantasy-Leseinsel, um von dort erneut aufzubrechen. Danke an PAN für diesen wunderbaren Ort.

Mit einigen der anderen in der Lounge Anwesenden konnten wir uns bereits zur aktuellen Lage der Phantastik beraten, auch hing hier die aktuelle Phantastik-Bestenliste aus. Dazu war die Lounge ein Umschlagpunkt für Lesezeichen, für die Bestenliste und des Bündnisses Verlage gegen Rechts, das einige bemerkenswerte Programmpunkte auf der Messe abhielt. So ausgestattet begaben wir uns erneut ins Getümmel auf unsere Suche nach den Trends der Phantastik.

Hindernisse auf der Reise

Nicht nur auf der Quest nach fantastischen Trends unangenehm: überfüllte Mülleimer.
Nicht nur auf der Quest nach fantastischen Trends unangenehm: überfüllte Mülleimer.

Auf dieser Quest mussten wir jedoch einige Hindernisse überwinden. Besonders offensichtlich waren natürlich die Menschenmengen, die sich besonders ab der Mittagszeit teilweise durch die Gänge stauten, und die unzähligen Bücher, die alle angefasst und in vielen Fällen auch vor Ort gekauft werden durften. Eine besondere Falle dieser Art stellte die Bücherburg dar, die in der Nähe zur Fantasy-Leseinsel, Bücher bergeweise zum Verkauf feilbot. Dann gab es kulinarische Verlockungen in Form von Ständen, die Crèpes, Orangensaft oder Flammkuchen anboten und vom Wege ablenken wollten.

Dazu kamen die Hindernisse, die Messebesuche grundsätzlich beschwerlich machen können und die teilweise der Architektur der Hallen und dem Wetter geschuldet waren. Immer wieder führte uns die Suche nach einer nicht-überfüllten Damentoilette von unserem eigenen Vorhaben weg. Ähnlich anspruchsvoll, aber leichter zu lösen, gestaltete sich der Wunsch nach einem nachmittags noch benutzbaren Mülleimer. Liebe Veranstalter, an diesem Punkt könnt ihr ganz klar nachbessern. Die Mülleimer-Hindernisse erschienen in etwa zeitgleich mit einem anderen Hindernis, das bereits auf die kommende Schneefront verwies: Eimer, um das an einigen Stellen durch die Decke tropfende Wasser aufzufangen. Glücklicherweise waren sie sehr selten und nach unseren Kenntnissen kamen keine Bücher zu schaden.

Freunde und Helfer

Unterwegs hatten wir jedoch auch immer wieder erhoffte und unerwartete Hilfe bei unserer Quest. Eine große Hilfestellung war der Stand des Nornennetzes. Mit den anwesenden Nornen führten wir manch wertvolles Gespräch und griffen gern in ihren wunderschönen Losekelch. Wir trafen an verschiedenen Orten überall auf der Messe nicht nur einige bekannte Autoren an, die uns weiterhalfen; besonders im Blogger- und Selfpublisher-Bereich in Halle 5 begegnete ich am Freitag immer wieder zahlreichen Menschen, die ich vom Literaturcamp 2017 kannte. Selbst wenn wir uns die Namen ins Gedächtnis rufen oder sogar nachfragen mussten, bekam ich Hilfe bei meiner Quest, teilte Meinungen und Erfahrungen und erlebte zudem immer wieder die Verbindung, die gemeinsame Liebe zu Büchern stiften kann.

Auch aus diesem Grund verbrachte ich den Freitag kurz vor Messeende damit, der Verleihung des Autorenwelt-Rings beizuwohnen. Jasmin Zipperling, auch bekannt als Zippi, wurde für ihre herausragende Netzwerkarbeit mit dem Ring der Autorenwelt ausgezeichnet. In einer anrührenden Zeremonie wurde ihre Arbeit gelobt und, mit dem Wurf ihres Straußes am Ende, ihre Aufgabe auch auf das Publikum übertragen. „Der Autorenwelt-Ring soll dazu anregen, sich zu engagieren: an einer Welt mitzuwirken, in der sich Kreativität lohnt und das Wohl der Gemeinschaft im Vordergrund steht. “ (Quelle) Diesem Anliegen können wir uns nur anschließen und ich gratuliere dir, liebe Jasmin, an dieser Stelle noch einmal von Herzen.

Im Neuland

Das Neuland 2.0 war nicht zu übersehen.
Das Neuland 2.0 war nicht zu übersehen.

Abseits zahlreicher Treffen mit lieben Mit-Bücherliebenden und dem Besuch etlicher Stände war Freitag für mich auch der Tag, an dem ich mich am weitesten von unserem Ziel entfernte, – mich sozusagen Nebenquests widmete. Ich erkundete Neuland 2.0, einen Messebereich, in dem 13 Innovationen für den Buch- und Medienmarkt vorgestellt wurden. Allen war gemein, dass sie moderne Technik mit Büchern, Medien und deren Inhalten verbanden. Es gab Apps zum Lesen, Rezepte finden und lernen. Für mich persönlich ragten besonders die Apps lesio und Autorenwelt-Shop heraus. Erstere zeigt zufällige Leseproben auf dem Handy an, was die Möglichkeit gibt, immer wieder ein neues Buch kennenzulernen. Letztere zahlt registrierten Autoren, deren Bücher über den Shop verkauft werden, sieben Prozent zusätzlich zu allen Tantiemen, ohne dass das Buch für den Kunden teurer wird – in Zeiten sinkender Autoreneinkommen eine überaus lobenswerte Einrichtung.

Letztlich verließ ich das Neuland wieder, um mich weiter meiner Suche nach den Trends der Phantastik zu widmen und die letzten Augenblicke vor der Apokalypse bei einem Tierkeks zu genießen, während draußen der erste Schnee fiel.

Beitragsbilder: Leipziger Buchmesse, Fotografien von Marie Mönkemeyer

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