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Eine Kampagne zum Ende zu bringen und den Plot abzuschließen markiert stets einen wichtigen Moment im Tischrollenspiel. Zu oft droht schließlich ein vorzeitiges Ende und die Geschichte bleibt unvollendet. Wie kann eine Spielgruppe dieses Problem gezielt angehen und die Gefahr der zu früh beendeten Kampagne minimieren?

Jeder Tischrollenspieler, der ein wenig Erfahrung im Hobby gesammelt hat, kennt das Problem. Eine Kampagne endet, obwohl man den Charakter gerne noch weiter verkörpert hätte. Oder die Geschichte nimmt einfach kein Ende, weil der Spielleiter nicht von seiner Schöpfung lassen mag.

Im schlimmsten Fall bricht die Kampagne einfach ab, ohne dass die Geschichte je beendet wird. Fast alle Rollenspielrunden haben im Laufe des gemeinsamen Spiels Kampagnen vor der Zeit zu Grabe getragen.

Oft sind es äußere Umstände, die das vorzeitige Ende des Projekts bedeuten. Aber auch fehlerhafte Planung und unterschiedliche Erwartungen zur Länge einer Kampagne können zum Problem werden. Diese Probleme kann man vorab bereits angehen , um das Risiko einer Enttäuschung zu minimieren.

Die verschiedenen Kampagnentypen

Um die Problematiken der Kampagnenlänge und ihre potentiellen Lösungen zu definieren, hilft es, sich vorab vor Augen zu führen, welche verschiedenen Modelle es für die Dimension einer Rollenspielkampagne gibt.

Die folgende Einteilung ist natürlich bewusst archetypisch. In der Realität sind die Übergänge fließend und nicht jede Kampagne lässt sich eindeutig klassifizieren. Die vier Varianten skizzieren aber typische Vertreter ihrer Art.

Der One-Shot

Der One-Shot ist die kürzeste aller möglichen Kampagnen. Er muss nicht zwingend an einem Abend durchgespielt werden, aber die komplette Geschichte besteht in einem einzelnen Abenteuer. Charaktere werden speziell für dieses Abenteuer erschaffen und es ist nicht immer angedacht, sie nach Ende des Abenteuers weiterzuverwenden.

Die Kurzkampagne

Die Kurzkampagne reiht mehrere Abenteuer aneinander und verbindet sie durch einen gemeinsamen Plot. Die Länge der Kampagne richtet sich nach diesem Plot. Ist die Geschichte auserzählt, endet die Kampagne, auch wenn es in der Entwicklung der Spielercharaktere noch Luft nach oben gäbe.

Die epische Kampagne

Ähnlich der Kurzkampagne endet auch die epische Kampagne mit dem Abschluss des Plots, der die einzelnen Abenteuer miteinander verbindet. Darüber hinaus bietet diese Kampagne aber auch das mögliche Maximum an Charakterentwicklung für die Spieler. Typisches Beispiel sind die Abenteuerpfade aus Pathfinder, die einen Spielercharakter im Laufe der Kampagne vom Anfängerlevel bis zum weltverändernden Helden begleiten.

Die endlose Kette

Diese Art von Kampagne verzichtet oft auf abenteuerübergreifenden Plot. Sie ähnelt dann eher einer Aneinanderreihung von One-Shots, die alle mit den gleichen Charakteren gespielt werden. Das Ende der Kampagne kann daher auch theoretisch nach jedem beendeten Abenteuer erfolgen. Genauso können aber auch längere Plots Teil der Kampagne sein, entscheidend ist, dass sie einfach immer weiterläuft, auch wenn einzelne Handlungsbögen beendet wurden.

Probleme der Kampagnenlänge

Eine falsch abgeschätzte Kampagnendauer muss selbstverständlich nicht immer und automatisch zum ernsten Problem werden. Wenn es aber doch geschieht, dann meistens in einer Form, die den folgenden Phänomenen ähnelt bzw. entspricht.

Die unvollendete Kampagne

Mangelnde Zeit, interner Zwist oder verlorene Motivation sind nur einige mögliche Gründe, wegen derer eine Kampagne vorzeitig abgebrochen wird. Die Geschichte bleibt unvollendet, die Spieler finden nicht mehr heraus, was ihre Charaktere noch erwartet hätte. Es gibt wenige Kampagnen, die einen so schalen Beigeschmack hinterlassen wie die, die vor ihrer Zeit beendet wurden.

Der Abbruch der Geschichte bedeutet fast immer verlorene Chancen, Potential, das nicht ausgeschöpft werden konnte und Frust bei allen Beteiligten. Deshalb sollte bei allen Überlegungen zur Länge einer Kampagne das erste Ziel immer sein, einen vorzeitigen Abbruch zu vermeiden.

Wehmut nach dem Abschluss

Dieses Problem betrifft typischerweise Spieler. Die Kampagne ist beendet, aber eigentlich möchte man auch weiterhin in die Rolle des liebgewonnenen Charakters schlüpfen und ihn Abenteuer erleben lassen. Als nächstes soll aber ein ganz anderes Szenario bespielt werden, vielleicht sogar mit einem anderen Regelsystem. Im schlimmsten Fall wechselt sogar das Genre. Für den Spieler droht dann die Gefahr, gegenüber der neuen Kampagne automatisch ablehnend eingestellt zu sein, weil er seinem alten Charakter nachtrauert.

Kein Ende in Sicht

Anders als beim wehmütigen Spieler wird dieses Problem meistens durch den Spielleiter hervorgerufen. Er geht in seiner Geschichte auf und erschafft ausufernde Abenteuer, bemerkt dabei aber nicht, dass seine Spieler sich bereits langweilen. Wenn das Ende der Kampagne dann erreicht wird, fällt es den Spielern gar nicht sonderlich schwer Abschied zu nehmen, tatsächlich erfolgt vielmehr ein kollektives Aufatmen. Wenn ein solches Phänomen auftritt, kann man davon ausgehen, dass die Spieler die Kampagne in schlechter Erinnerung behalten werden, obwohl ihnen der Kern der Geschichte vielleicht gefallen hat.

Total-Party-Kill

„Unverhofft kommt oft“ sagt der Volksmund. Ein Total-Party-Kill erfolgt zum Glück nicht so häufig, aber wenn doch einmal sämtliche Charaktere das Zeitliche segnen, kann eine Kampagne ins Wanken kommen. Lässt der Plot es zu, eine völlig neue Gruppe an Charakteren ins Spiel zu bringen?

Hier sind Spieler wie Spielleiter gefragt, eine sinnvolle Lösung zu finden. Manchmal wird sie darin bestehen, die Geschichte in einer kurzen Erzählung zu beenden und eine neue Kampagne zu beginnen.

Kampagnen-Prophylaxe

Um die genannten Probleme zu vermeiden, muss eine Spielgruppe vorbeugend arbeiten. Welche Punkte im Einzelnen angegangen werden müssen, hängt sicherlich von der Gruppe und ihrer gewünschten Kampagne ab. Die folgenden Lösungsansätze dürften aber in vielen Fällen nützlich sein.

Sprecht im Vorfeld!

Wie bei fast allen Problemen am Spieltisch gilt: Offene Kommunikation ist das A und O. Die ganze Gruppe muss über ihre Erwartungen und Wünsche an die neue Kampagne sprechen. Wichtig ist dabei vor allem, dass das Gespräch vor Beginn des Spiels stattfindet, sogar noch vor der Charaktererschaffung.

Spielleiter sollten hier schon einen gewissen Ausblick auf die Dinge ermöglichen, die die Charaktere erwarten, natürlich ohne zu viel Plot zu verraten. Die Spieler müssen zumindest eine grobe Vorstellung haben, welche Dimension das Rollenspiel-Projekt annehmen wird.

Das letzte Wort hat die Spielleitung

Für gewöhnlich sehe ich den Spielleiter als primus inter pares, den Ersten unter Gleichen im besten Sinne. Er sollte Entscheidungen zum Stil des gemeinsamen Spiels im Sinne der Spieler treffen und sie in die Entscheidungsfindung miteinbeziehen. Sein Wort hat nicht automatisch mehr Gewicht, nur weil er hinter dem Sichtschirm sitzt.

Im Fall der Kampagnenlänge liegt der Fall ähnlich, aber die Spieler sind mehr als sonst angehalten, die Vorgaben des Spielleiters zu akzeptieren und zu unterstützen. Schließlich ist er es, der den Plot generieren und die Ideen entwickeln muss. Wenn der SL eine schöne Idee für eine Kurzkampagne hat, sollte man besser diese Kampagne spielen, als stattdessen einen epischen Aufstieg auf das Maximallevel zu fordern.

Besser zu kurz als zu lang

In der Kürze liegt die Würze. Und wenn diese Würze nicht ausreicht, kann man ja noch etwas nachgeben. Wenn bei der Planung der Kampagne Unsicherheit bezüglich ihrer Länge bestehen, sollte lieber eine kürzere Kampagne geplant werden. Diese kann dann immer noch mit Füllabenteuern verlängert werden.

Wenn man außerdem den Plot bodenständig gestaltet, bleibt am Ende noch Luft nach oben. Ein Held, der die Welt gerettet hat, fühlt sich mit der Rettung einer Stadt unterfordert. Der Retter des Dorfes sieht im Schutz der Stadt aber den nächsten logischen Schritt. So kann eine kurze Kampagne vielleicht noch ihrem eigentlichen Ende fortgeführt werden.

Der Weg ist das Ziel

Auch wenn die ganze Gruppe im Vorfeld ausgiebig diskutiert und einen gemeinsamen Entschluss gefasst hat, bedeutet das nicht, dass die Länge der Kampagne in Stein gemeißelt ist. Wenn alle Beteiligten glücklicher damit sind, den Umfang des Projekts abzuändern, steht dem nichts im Weg.

Es gilt nur auch hier wieder: Sprecht miteinander und versucht, einen Weg zu finden, mit dem alle gut leben können. Kompromisse lassen sich immer finden, aber eben nur im Gespräch.

Feedback ist ein Geschenk

Sollte es in einer Kampagne mal trotz aller vorbeugenden Gespräche langatmig oder zu schnellläufig werden, zögert nicht, das Phänomen anzusprechen. Konstruktiv gestaltet ist Feedback immer ein Geschenk für eine andere Person und eine Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Das gilt bei Fragen zu der Kampagnenlänge, aber auch in allen anderen Bereichen des Hobbys.

Seid realistisch!

Sicherlich würden viele von uns gerne jeden Tag am Spieltisch sitzen und in andere Welten abtauchen. Aber wenn man den eigenen Alltag nüchtern betrachtet, stehen diesem Wunsch nun mal tausende Kleinigkeiten im Weg. Oft genug ist es schon schwierig, in fester Besetzung einmal im Monat zu spielen.

Die Lebensumstände aller Beteiligten sollten bei der Planung einer Kampagne berücksichtigt werden. Ein dichter Plot, der die Anwesenheit aller Charaktere zu jeder Zeit erfordert, wird nicht funktionieren, wenn einzelne Spieler wegen schwieriger Arbeitszeiten immer wieder ausfallen. Eine komplexe Story mit massenhaft NSCs wird zur Herausforderung, wenn nur alle halbe Jahre gespielt wird.

Jede Gruppe sollte die Art von Kampagne für sich finden, die für alle Mitglieder auch wirklich spielbar ist. Projekte zu beginnen, die dann wegen nicht zu ändernder Lebensumstände schnell wieder scheitern, sorgt nur für Frust.

Fazit

Es gibt viel zu viele Kampagnen, die unvollendet abgebrochen werden und dadurch als negative Erfahrung im Gedächtnis bleiben. Wenn ein solcher kampagnus interruptus stattfindet, weil der Umfang der gemeinsamen Geschichte falsch geplant war, ist das besonders ärgerlich. Aber auch eine beendete Kampagne kann daran leiden, zu kurz oder zu lang gewesen zu sein.

Selbstverständlich gibt es nicht die eine ideale Länge für jedwede Kampagne im Tischrollenspiel. Trotzdem existieren verschiedene exemplarische Modelle für den Umfang einer Kampagne. An diesen sollte sich die Planung einer Kampagne grob orientieren.

Wenn Spieler und Spielleiter miteinander sprechen und bereit zum Kompromiss sind, können viele Enttäuschungen schon im Vorfeld vermieden werden. Die ganze Spielgruppe kann so daran arbeiten, jeder Kampagne eine individuelle Ideallänge zu geben. Natürlich darf und soll es auch im laufenden Spiel noch Änderungen am Konzept der Kampagne geben.

Das Ende einer gemeinsamen Geschichte bedeutet auch einen Abschied, der vielleicht nicht immer leichtfällt. Hier sollte man besser gehen, wenn es am schönsten ist. Schließlich wartet hinter dem Horizont schon die nächste Kampagne.

Artikelbild: ArtyFree | depositphotos.com

 

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