Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Diana Prince, die Prinzessin der Amazonen von Themyscira, ist eine der wichtigsten Ikonen des DC Universums. In Comics, Animations- und Realfilmen feierte die Figur bereits große Erfolge, aber taugt die Heldin auch als Protagonisten eines Jugendromans? Leigh Bardugo wagt dieses Experiment und liefert damit den Auftakt zur Romanserie DC Icons.

Seit ihr Gal Gadot in einem großartigen Film cineastisches Leben einhauchte, erfreut sich Wonder Woman größerer Beliebtheit denn je. Ihre Herkunftsgeschichte gehört schon längst zum popkulturellen Allgemeinwissen. Der Frieden auf der Amazoneninsel Themyscira wird jäh gebrochen, als ein Kampfpilot durch die Wirren des Weltkrieges in dem Inselparadies notlanden muss. Die junge Diana kommt zum ersten Mal in ihrem Leben in Kontakt mit Leid, Krieg und dem männlichen Geschlecht. Erschüttert macht sie sich auf, um ihre Heimat zu schützen und den Kriegsgott Ares zu konfrontieren. Das ist die Geschichte, die jeder kennt – bis jetzt. Denn dtv macht sich daran, die Lebensgeschichten klassischer DC-Helden in einer neuen Jugendromanreihe neu zu beleuchten und ihnen einige frische, neue und unerwartete Wendungen zu verleihen. Der Wonder Woman–Roman von Leigh Bardugo, die wie Gal Gadot aus Israel stammt und bislang vor allem für ihre Grischa-Romane bekannt ist, stellt den Auftakt der Reihe dar. Dies ist eine große Herausforderung, wenn man bedenkt, welche Erwartungen Comic-Fans und Wonder Woman-Liebhaber an ein solches Projekt stellen.

Story

Die Geschichte, die Bardugo erzählt, ist nicht die, die der eingefleischte Fan zunächst erwartet. Natürlich beginnt das Geschehen in Themyscira, und es geht auch um den Aufbruch der jungen Prinzessin in eine feindliche Welt. Doch kein Flugzeugabsturz, kein Steve Trevor werden dem Leser geboten. Stattdessen kämpft Diana verbissen darum, ein wichtiges Wettrennen zu gewinnen. Der Preis ist die Ehre, und die ist den Amazonen bekanntlich heilig.

Die junge Amazone setzt Hilfsbereitschaft vor Ehre und löst dadurch verhängnisvolle Ereignisse aus.

Die Amazonenprinzessin hat beste Aussichten auf den Sieg, als sie plötzlich in der Ferne die Havarie eines Schiffes erblickt. Das Gesetz der Amazonen verbietet das Eingreifen in die Geschicke der Sterblichen, aber etwas auf dem Schiff scheint nach Diana zu rufen und zieht sie unwiderstehlich an. Sie bricht ihren Lauf ab und findet ein Mädchen, das dem Ertrinken nahe ist. Die junge Heldin wirft Ehre und Gesetz beiseite und bringt das Mädchen nach Themyscira, nicht wissend, dass sie damit auch ein Verhängnis einschleppt. Denn Alia, das Mädchen vom Schiff, ist eine Kriegsbringerin, eine Nachfahrin von Helena von Troja, deren Schicksal es ist, gegen ihren Willen Tod und Verderben zu verbreiten. Diana freundet sich mit Alia an und die so geschmiedete Schicksalsgemeinschaft versucht nun, Alia von ihrem Fluch zu befreien und Themyscira zu schützen. Dabei führt ihre Reise nach New York und in das Griechenland der Moderne.

Schreibstil

Leigh Bardugo erzählt die Geschichte ihrer beiden Protagonistinnen spannend und einfühlsam. Es gelingt ihr schnell, den Leser mit ihrer Sprachgewalt und dem geschickten Umgang mit Bildern und Beschreibungen in den Bann zu ziehen und ihm die mediterrane Paradieswelt Themysciras lebendig vor Augen zu führen. Dabei ist ihr Stil erfrischend reif und unterscheidet sich deutlich von anderen Jugendromanen, die es zu sehr darauf anlegen, ihrer jungen Leserschaft gerecht zu werden. Bardugo vermittelt dem Leser eher das Gefühl, auf Augenhöhe zu erzählen.

Besonders durch die  Sprache auf Augenhöhe mit dem Leser wirken Motivationen glaubhaft und die Charaktere authentisch.

Die Autorin zeigt ein feines Gespür für die Gefühlslagen ihrer Figuren und schafft es schnell, zwischen Leser und Protagonisten ein Band der Sympathie und des Mitgefühls zu entwickeln. Es fällt leicht, sich in Diana hineinzuversetzen und ihr Coming-of-Age beziehungsweise ihre Heldenwerdung zu begleiten. Selbst, wenn man der jungen Amazone manches Mal gerne zurufen würde, sie solle sich vernünftiger verhalten, sind ihre Handlungen und ihre Motivation stets nachvollziehbar und wirken nicht aufgesetzt.

Besonders gelungen finde ich die Abweichungen vom üblichen Wonder Woman-Kanon. Es wird eben nicht die Geschichte erzählt, die jeder erfahrene DC-Leser bereits kennt und erwartet. Diese Geschichte ist neu und anders und wird doch definitiv dem Wonder Woman-Feeling gerecht. Gerade durch die Kriegsbringer und ihre Mythologie, die eng mit dem Troja-Mythos verknüpft ist, kommen Elemente klassischer Antike, die geschickt mit moderner Fantasy verwoben sind, in die Handlung. Auch ist der Spagat zwischen Fantasywelt und urbaner Moderne gut gelungen. Der Bruch in den Settings stört die Handlung nicht, sondern lässt sie noch dynamischer und lebendiger wirken.

Die Autorin

Die in Israel geborene Leigh Bardugo wuchs in Los Angeles auf, wo sie auch heute lebt. Die erfolgreiche Autorin und Frontfrau der Independent-Rockgruppe Captain Automatic schaut auf eine bewegte Laufbahn zurück. Nachdem sie in Yale Englisch studierte, arbeitete sie als Journalistin, in der Werbebranche und als Make-Up-Artist in Hollywood. 2012 schaffte sie mit dem ersten Roman ihrer Grischa-Reihe den Durchbruch als Autorin. Die russisch angehauchte Fantasywelt, die sie dort erschuf, war sehr erfolgreich, sodass das sogenannte Grischaverse nun bereits einige Unterreihen umfasst. Derzeit wird über eine Verfilmung des Hauptwerkes spekuliert.

Erscheinungsbild

Wonder Woman – Die Kriegerin der Amazonen präsentiert sich in einem über 440 Seiten starken Hardcover mit sehr schönem Titelbild. Das Konterfei der Heldin hebt sich, umgeben von mystischen Blitzen, sehr schön vom düsteren Schwarz des Einbandes ab. Das gestanzte Logo der Heldin auf ihrem Kriegsschild leuchtet zusätzlich hervor.

Das Papier ist von angenehmer Stärke und Schwere und wirkt wertig. An den Kapitelanfängen wird jeweils ein wenig mit dem Wonder Woman-Logo gespielt, was hübsch, aber unaufdringlich wirkt. Das Buch macht sich ausnehmend gut im Regal neben der Comicsammlung. 

Die harten Fakten:

  • Verlag: dtv
  • Autorin: Leigh Bardugo
  • Erscheinungsdatum: 06. Februar 2018
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Englischen übersetzt von Anja Galic)
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 448
  • ISBN: 978-3423761970
  • Preis: 18,95 EUR (Hardcover, deutsch), 7,99 EUR (Taschenbuch, englisch)
  • Bezugsquelle: Amazon (deutsch), Amazon (englisch)

 

Fazit

Leigh Bardugos Interpretation der Wonder Woman-Geschichte ist ein frisches und überraschendes Werk, das mit den Erwartungen der comicerfahrenen Leser bricht. Dabei wird aber keineswegs die bekannte Figur verunstaltet oder bis zur Unkenntlichkeit umgedeutet. Vielmehr bleibt Bardugo der Grundstimmung der Heldin treu und konstruiert eine spannende und moderne Fantasy-Geschichte, die geschickt mit bekannten Elementen der griechischen Mythologie angereichert ist. Auch wenn der Roman sich an jüngere Leser wendet, vermag er es dennoch, auch Erwachsene zu fesseln und mit Spannung zu erfüllen. Das liegt an Bardugos Art, dem Leser zu begegnen. Sie belehrt ihr junges Publikum nicht, sondern nimmt ihren Leser ernst und begegnet ihm auf Augenhöhe. Gleiches gilt auch für ihre jungen Charaktere, deren Gefühlswelten sie nachvollziehbar und authentisch vermitteln kann. Die Geschichte um Diana, Prinzessin der Amazonen, und Alia, die Kriegsbringerin aus der Nachkommenschaft von Helena von Troja, ist spannend und zeitlos. Es ist ein Werk um Freundschaft, Ehre und den Kampf gegen ein scheinbar unüberwindliches Schicksal. Ich habe jede Zeile genossen. Dieser Auftakt für die DC-Ikonen ist bestens gelungen und ich warte bereits mit Höchstspannung auf den bald erscheinenden Band Batman – Nightwalker.

 

Artikelbild: © DC Comics, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein