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Im Spätsommer 2018 eröffnete Lost Ideas seinen Fans und Spielern eine harte Nachricht: Die Nutzung vieler Bestandteile der drei beliebten Spielwelten wird künftig untersagt. Wir haben uns Cami und Marc von Lost Ideas geschnappt und über die Zukunft des Teams geplaudert.

Cami ist 31 Jahre alt und larpt seit 2004. Sie ist Konflikt-Mediatorin und Strukturbegleiterin für Kollektive, Vereine, LARP-Orgas und andere hierarchiearme und freie Strukturen. Ihr Hauptaugenmerk im LARP waren schon immer die soziale Interaktion und die verschiedenen Stufen der Grenzerfahrungen. Dazu gehört besonders die Reflexion über menschliche Grundrechte und die Auseinandersetzung damit. Einer ihrer Schwerpunkte sind die sozialen Aspekte apokalyptischer Szenarien. Seitdem sie Teamleiterin ist, versucht sie hierarchische und patriarchale Strukturen aufzubrechen und mit dem Team zusammen eine gleichberechtigte Struktur zu erschaffen.

Marc, oder besser bekannt als Geralt, kommt aus einer eher ländlichen Gegend in Bayern. LARP betreibt er seit 2008, und seitdem hat er sich fest dem Hobby verschrieben. Er beteiligt sich oft als SL und Orga bei verschiedenen Cons und Konzepten. Sein Fokus liegt klar im Erleben und im Miteinander sowie im Sozialspiel. Besonders reizen ihn dramatische Szenen mit starkem Bleed-Effekt. Um internationale LARP-Luft zu schnuppern, ist er auch öfters nach Dänemark gefahren, um die LARP-Kultur der Dänen kennenlernen. Geralt trifft man neben Endzeit- und Apokalypse-LARPs auch bei Low-Power-Fantasy-Cons an.

Teilzeithelden: Eure Ankündigung vom Oktober, in der ihr über die Unterlassungsaufforderung zur Nutzung der Regelwerke eurer drei Conreihen F.A.T.E., Zombie Apocalypse und Resistopia informiert, hat für viele Wellen und Spekulationen in der Community gesorgt. War das schon länger absehbar?

Cami: Es hat sich schon länger abgezeichnet, dass der Mitverfasser der Regelwerke und das Team sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Dass es aber zu so einem harten Bruch gekommen ist, hat auch uns sehr überrascht. Da wir aber an einer friedlichen Einigung interessiert waren und sind und erst recht keine „Schlammschlacht“ wollten, haben wir uns erst nach einiger Zeit mit konkreten Infos an die Community gewendet.

Teilzeithelden: Damit geht nicht nur viel Hintergrund, sondern auch Knowhow verloren. Müsst ihr jetzt von Null anfangen?

© Lost Ideas
© Lost Ideas/Tamara Steeg

Marc: Zum Glück nicht. Lost Ideas setzt bereits seit sechs Jahren die Events um, stemmt die gesamte Logistik wie z. B. Strom- und Wasserversorgung, hat nach und nach einen großen Fundus aufgebaut, ein neues Shopsystem eingeführt, übernimmt die Geländepacht, Versicherungen sowie alle weiteren (Finanz-) Geschäfte und hat sich vor allem weiterentwickelt und professionalisiert. Dass das Wohl und Weh einer Orga an einer einzelnen Person hängt, haben wir schon lange geändert.

Teilzeithelden: Namen habt ihr für eure neuen Conreihen bereits veröffentlicht und der Community präsentiert: P.R.I.M., Fallen und Zombie Attack. Zumindest das Letztere gab es schon vom Twilight-Team, die auch eine neue Zombie-Con angekündigt haben. Seht ihr da neue Probleme?

Marc: Wir haben schon Kontakt mit der Twilight-Orga aufgenommen und glauben: Probleme bekommt man nur, wenn man welche haben will. Das Twilight-Team hat sich superfreundlich und offen gezeigt, sodass wir sind uns sicher sind, dass wir gemeinsam eine zufriedenstellende Lösung für alle finden werden. Wir stehen schon immer für einen offenen Austausch unter Orgas und werden das auch in Zukunft weiter so leben. Wir sind am Ende eine überschaubare Community, da sollte man zusammenarbeiten.

Teilzeithelden: Zusammenarbeit ist ein gutes Stichwort. Auch mit euren Spielern ist das ein zentraler Punkt. Alle eure neuen Conreihen leben von zahlreichen Spielergruppen, die viel Herzblut investieren. Was wird sich hier ändern?

Cami: Das Spielgefühl auf dem Gelände wird sich nur ins Positive ändern, denn wir investieren. Gemeinsam mit den anderen Pächtern entstehen viele Ideen und eventübergreifende und orgaübergreifende Projekte, die gemeinsam umgesetzt werden. Dazu gehört, dass renoviert wird, was das Zeug hält und wir auch unbenutzbare Gebäude erschließen wollen.

Marc: Damit wird es auch für mehr Gruppen die Möglichkeit geben, das Ödland mit ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen zu beleben. Außerdem entstehen die neuen Regelwerke zusammen mit der Community, und wir können Kritik und Wünsche direkt mit einarbeiten.

© Lost Ideas
© Lost Ideas/Tamara Steeg

Teilzeithelden: In eurer Ankündigung schreibt ihr, dass ihr schon länger neue Ideen umsetzen wollt. Was könnt ihr darüber verraten?

Cami: Na gut, ein bisschen verraten wir (lacht). Unter anderem haben wir einen versteckten Straßenzug gefunden, den wir zum Fallen 2019 freilegen und bespielen wollen. Weil wir uns wieder eine dreckigere und rauere Endzeit wünschen, wird das Wirtschaftssystem einer Reform unterzogen, die sich gewaschen hat. Das Zombie-Szenario wird mit zwei großen Stipendien ausgestattet und die Community entscheidet, in was investiert wird. Außerdem haben wir ein Konzept entwickelt, das allen Arten von Zombiespielern gerecht wird, egal ob Plotjäger, Survival-Larper oder denen, die auf Konfrontation aus sind. Auch für unsere Zombies wird es Stipendien geben, und im neuen Konzept versuchen wir alle Vorlieben unserer NSC zu berücksichtigen.

Teilzeithelden: Das klingt nach vielen tollen Chancen, aber auch mehr Arbeit. Gibt es, abgesehen von den offensichtlichen, weitere Veränderungen im Team?

Cami: Eigentlich nicht – außer, dass wir stetig weiterwachsen und wahnsinnig tolle Leute Lust haben, sich an dem Projekt Lost Ideas zu beteiligen und ihre Ideen einzubringen. Wir verabschieden uns von einer Person und führen unsere Arbeit genauso weiter wie bisher.

Teilzeithelden: Resistopia war eine der beliebtesten Conreihen der Szene.Was erwartet die Spieler vom neuen P.R.I.M. 2019? Was bedeutet der neue Name?

Marc: P.R.I.M. steht für Protection, Resistance against Invasion and Mayhem. Und der Name ist Programm. Das P.R.I.M. ist als geschlossene und fortlaufende Kampagne konzipiert, die den Spieler in eine dunkle und gefährliche Zukunft entführt. Eine Zukunft, in der die Menschheit durch eine Alieninvasion fast vollständig vernichtet wurde und mit letzten Kräften einen verzweifelten Kampf ums Überleben führt.

Vor diesem Hintergrund tauchen die Teilnehmer in eine Welt ein, die sie an ihre Grenzen führt und mit elementaren Fragen des menschlichen Zusammenlebens konfrontiert. Mit einer Mischung aus actiongeladenem Feldspiel und beklemmendem Bunkerspiel wollen wir eine möglichst große Bühne bieten, um jedem Teilnehmer ein tolles Erlebnis zu ermöglichen.

Teilzeithelden: Euer zweiter großer Dauerbrenner war das F.A.T.E. Endzeitfreunde dürfen sich nun auf Fallen freuen. Auch hier wird sich vermutlich einiges ändern. Was dürfen eure Spieler erwarten?

© Lost Ideas
© Lost Ideas/Tamara Steeg

Cami: Fallen – Bad Land ist zunächst mal der vollständige Name. Für uns setzt er sich zusammen aus „Fallen“ als Synonym für die „gefallene“ Zivilisation und „Bad Land“ für die Welt, in der wir nun leben müssen.

Erwarten dürfen die Spieler ein grandioses, erweitertes Gelände, dutzende unterschiedlichster Gruppen, die das Ödland und die Stadt beleben, ein dem Setting angepasstes Wirtschaftssystem, ein revolutioniertes Medizinspiel, ein verbessertes Strahlungsspiel mit neuer Technik, mehr zugelassene Fahrzeuge, Spezialeffekte und eine neue Bedrohung.

Teilzeithelden: Aller guten Dinge sind bekanntlich drei, und da darf das Zombie Attack nicht fehlen. Könnt ihr uns auch hier schon etwas Neues verraten?

Marc: Hier können wir leider noch am wenigsten sagen. Wir haben hier Unmengen von Ideen, Anregungen und Kritik aus der Community sowie vom Team selber erhalten. Das Grundgerüst zur ZA steht schon, aber für die genaue Ausarbeitung wollen wir uns noch weiter mit den Feedbacks auseinandersetzen. Die Erwartungshaltungen sind sehr hoch, und wir wollen diesen gerecht werden. Aber so viel sei gesagt: Wir nutzen die Gesamtgröße des Geländes.

Teilzeithelden: Mahlwinkel ist eure Stammlocation und vermutlich untrennbar mit eurem Namen verbunden. Ihr habt bereits verraten, dass ihr den Ausbau auf dem Gelände vorantreiben wollt. Wie sieht hier die weitere Zukunft aus?

Cami: (lacht) Ja, Mahlwinkel und Lost Ideas gehören schon irgendwie zusammen. Das Gelände ist uns enorm an Herz gewachsen, und dementsprechend werden wir noch enger mit dem Verpächter und den anderen Pächtern zusammenarbeiten, um die Struktur weiter zu verbessern und das Gelände auch noch lange für uns und andere zu erhalten.

Wir haben daher gerade unseren ersten Versuch gestartet, Mahlwinkel als Veranstaltungsort auch für andere LARPs zugänglich zu machen – und das hat hervorragend funktioniert. So konnten wir dann direkt die CONstruktiv-Orga (42k-LARP) mit Gelände, Logistik und pyrotechnischen Effekten unterstützen. In diese Richtung wollen wir auch weitergehen: „Mahlwinkel goesLARPlocation“. Unser Ziel ist eine attraktive, mietbare LARP-Location, und wir werden das auch vermehrt anbieten. Nicht nur den Ort, sondern auch unsere Wo*manpower, unsere Erfahrung, Betreuung, den reichhaltigen Fundus und den ganzen Technikkram, den wir verleihen können.

Teilzeithelden: Plant ihr dann auch noch weitere Conreihen oder den Ausbau bestehender?

Marc: Uh – viel. (lacht). Vielleicht graben wir sogar altehrwürdige, vergessene Szenarien wieder aus, die auch gut angekommen sind… aber pssst. Viele im Team haben darüber hinaus noch weitere Con-Ideen und wollen diese auch verwirklichen, wenn unsere Zeit und Kraft es zulässt. Angedacht sind schon mal ein paar andere One-Shot-Cons. Und wie das dann immer so ist – wird wahrscheinlich dann doch eine Kampagne draus.

Teilzeithelden: Ihr seid ja auch international aktiv. Wie geht es mit dem F.A.T.E.-Ableger Sunfall weiter?

Cami: Das wissen wir leider nicht genau. Viele der dänischen Spieler haben schon angekündigt, dass sie natürlich weiter Mahlwinkel besuchen werden, aber ob das Sunfall weiter nach dem F.A.T.E.-Regelwerk veranstaltet wird, wissen wir nicht. Wir haben diese Kooperation als Team lange und intensiv betreut und es war ein tränenreicher Abschied, als klar wurde, dass wir das nicht länger dürfen. Trotz alledem wünschen wir uns sehr, so viele dänische Spielerinnen und Spieler wie möglich wieder in Mahlwinkel sehen zu können.

Teilzeithelden: Bevor wir uns für heute verabschieden, eine letzte Frage. Endzeit und Artverwandtes zählt zu den beliebtesten LARP-Settings, gleich nach Fantasy. Wie seht ihr die Entwicklung apokalyptischer Settings national und international?

Marc: Ziemlich gut! Internationales Larpen ist von uns ausdrücklich gewünscht und wird auch gefördert. Wir pflegen regen Kontakt nach Polen, Dänemark und in die Ukraine. Seit Kurzem haben wir sogar Endzeitfreunde in Frankreich und in den USA, die uns gebeten haben, sie bei ihren Umsetzungen zu unterstützen. Da wird sich eine Menge in der Zukunft tun und zu einer engeren Verzahnung der verschiedenen LARP-Szenen führen. Wir sind sehr gespannt, was hier noch alles passiert.

Cami: Wir freuen uns sehr, dass Orgas aus anderen Ländern auf uns zukommen. Wir haben aus der Sunfall-Kooperation unglaublich viel gelernt, über regionale LARP-Unterschiede, andere Orga-Strukturen und Endzeit-LARPs als geförderte Projekte und Bildungsveranstaltungen. Es war ein bisschen Arbeit, beide Communitys an ihre Eigenheiten zu gewöhnen, aber am Ende hat das gut funktioniert. Wir haben eine „dänische Botschaft“ eingerichtet und sehr viel Erfahrung im Zusammenführen von unterschiedlichen LARP-Standards gesammelt – und deswegen wollen wir in Zukunft auch andere Orgas beraten und unterstützen, wenn sie internationale Projekte angehen wollen.

Artikelbild: Lost Ideas / Tamara Steeg / Moritz Jendral, Bearbeitet von Jennifer Stramm

2 Kommentare

  1. Ich finds beeindruckend gut, wie die Orga mit der Problematik umgeht.
    Und auch, wenns thematisch überhaupt nicht mein Sandkasten ist, bin ich sehr froh, dass die Conreihen erhalten bleiben und das Genre sogar weiter ausgebaut wird.

    Mehr Larp für alle = gut!

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