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Nichts ist für die Ewigkeit, oder doch? Wenn Zwerge einen Schwur leisten, dann sollte dieser für immer gelten, möchte man denken. Doch auch vor den kurzbeinigen Bartträgern macht der Lauf der Geschichte nicht halt. Was bringen Ketten für die Ewigkeit, wenn sie niemandem angelegt werden?

Zu jeder neuen Regionalspielhilfe in der fünften Regeledition von Das Schwarze Auge gehört ein begleitendes Abenteuer. Deswegen erscheint passend zum Band Die Flusslande ein Abenteuer, das in den Landen am Großen Fluss spielt. Diese Region, zentral im Mittelreich und fernab von dessen umkämpften Grenzen gelegen, ist gleichzeitig die ursprüngliche Heimat der Zwerge Aventuriens, der Spielwelt von Das Schwarze Auge. Dementsprechend spielen diese eine prominente Rolle in Ketten für die Ewigkeit.

Ketten für die Ewigkeit – aus der Vergangenheit!

Einmal mehr wird durch ein längst vergessenes Mysterium Staub aufgewirbelt. Die Anzahl alter Konflikte und Artefakte, die in den letzten Jahren die zeitgenössischen Aventurier einholten, ist bemerkenswert. Seien es das Vermächtnis der Theaterritter, verfluchte Relikte, alte Bündnisse oder bisher unbekannte Hinterlassenschaften der alten Völker – in allen Winkeln Aventuriens scheinen Zeitbomben zu ticken, die nur darauf warten, von den Helden entschärft zu werden.

So viel sei an dieser Stelle verraten: Auch dieses Mal wird ein Schrecken der Vergangenheit die Spielercharaktere fordern. Wer mehr darüber erfahren möchte, darf einen Blick in den untenstehenden Spoilerkasten werfen. Allen anderen sei zumindest verraten, dass Ketten für die Ewigkeit eine abwechslungsreiche Mischung aus Detektiv- und Reiseabenteuer darstellt. Längst vergessene Geschichten müssen recherchiert und Mysterien gelüftet werden, aber auch in der Gegenwart lauern undurchsichtige Gegenspieler, die ebenfalls nach der verborgenen Macht gieren.

Zwerge im Rampenlicht

Den Zwergen der Flusslande kommt in diesem Abenteuer eine prominente Rolle zu. Zwergische Helden können deswegen dadurch glänzen, dass sie Bräuche und Sitten ihres Volkes kennen, wodurch viele soziale Interaktionen massiv erleichtert werden. Unter anderem müssen sich die Helden gegen Ende des Abenteuers in einigen Disziplinen wie Wetttrinken, Armdrücken oder Kochen den konservativen Erzzwergen gegenüber beweisen. Dies wirkt kurz vor dem eigentlichen Finale zwar etwas deplatziert und stellt die Erzzwerge vielleicht etwas zu sehr als schrullige, aber liebenswerte Traditionalisten dar, passt aber zu der allgemein sehr gemütlichen und fast schon märchenhaft gehaltenen Stimmung des Abenteuers.

Spoiler

Vor einigen hundert Jahren kämpften die Zwerge in den Flusslanden gegen einen unbezwingbaren Daimoniden. Nur mit göttlicher Unterstützung gelang es dem damaligen Hochkönig, dem Wesen ein Bein abzuschlagen und es dadurch zumindest zu schwächen. Eine Sippe der Hügelzwerge sperrte den Daimoniden, der in einen magischen Schlaf versetzt worden war, ein und versprach, über ihn zu wachen. Die Erzzwerge hingegen sicherten zu, dass sie Ketten schmieden würden, mit denen der Unhold für ewig gebunden werden könne.

Es kam aber natürlich, wie es kommen musste: Die Zwerge waren einander nicht ganz grün, es folgten Reibereien und die Lieferung der Ketten verzögerte sich. Der Vertrag, der auf einer Metallplatte in der alten Zwergensprache Angram festgehalten worden war, wurde vom schwarzen Schaf der Hügelzwerg-Sippe geklaut und verkauft. Die Erzzwerge bestanden allerdings darauf, dass der Vertrag vorliegen muss, damit sie die Ketten herausgeben, weswegen der Daimonid weiterhin halbwegs sicher eingesperrt blieb, aber eben nicht mit zwergischer Gründlichkeit angekettet wurde.

Besser spät als nie?

Die Metallplatte wurde als vermeintliches Kunstwerk zwergischer Herkunft im Laufe der Jahrhunderte zwischen zahllosen Kaufleuten, Sammlern und Schmugglern weitergegeben. Just dann, als ein borbaradianischer Schwarzmagier seine Fühler nach dem Vertrag ausstreckt, kreuzen die Helden den Weg der Metallplatte und werden dadurch standesgemäß in ein Abenteuer gezogen, bei dem es bald um mehr als nur ein schnödes Stück Metall geht.

Dadurch stellt sich natürlich die Frage, warum es auf einmal so dringend ist, dem Monster endlich die Ketten anzulegen, und warum dies vorher nicht wirklich ein Problem gewesen zu sein schien. Gut, der Daimonid döste im Halbschlaf, aber warum sollte er das nicht weiterhin tun? Dass die Engstirnigkeit der Zwerge soweit reicht, nicht endgültig das Monstrum zu binden, das ihren Hochkönig auf dem Gewissen hat, wirkt zudem nicht ganz schlüssig. Statt den grundlegenden Streit zwischen zwei Gruppen von Zwergen stattfinden zu lassen, hätte es vielleicht geholfen, einen Konflikt zwischen Zwergen und Menschen darzustellen. Dadurch wäre auch ein noch vielseitigeres Bild der Region möglich gewesen, was Ketten für die Ewigkeit dank seines Reiseaspektes aber dennoch in einem guten Maße gelingt.

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Spoilerfrei sei noch gesagt, dass das Abenteuer seine teilweise etwas ausufernde Hintergrundgeschichte zu Beginn kompakt zusammenfasst und dadurch erfreulich übersichtlich bleibt. Positiv hervorzuheben ist auch ein relativ offener Teil vor dem eigentlichen Finale, in dem die Autorin mehrere Möglichkeiten aufzeigt, wie die Helden einen der Antagonisten loswerden können. Dies hat gegebenenfalls Auswirkungen auf den restlichen Verlauf des Abenteuers, worauf sich der Spielleiter freilich einstellen muss.

Ketten für die Ewigkeit enthält außerdem allgemeine Hinweise für das Spiel auf einem Flussschiff und bietet Ideen für eine weiterführende Kampagne, die an das Abenteuer anknüpfen kann. Das verleiht der eigentlichen Veröffentlichung einen gewissen Mehrwert, der ihr auch nach Ende des eigentlichen Abenteuers einen Nutzen gibt.

Erscheinungsbild

Illustrationen und Kartenmaterial bewegen sich in Ketten für die Ewigkeit auf einem angenehm hohen Niveau. Die fast schon märchenhafte Beschaulichkeit mag nicht jedermanns Sache sein – und trifft auch nicht den Geschmack des Autors dieser Zeilen –, passt aber gut zur unkomplizierten Heldengeschichte. Zahlreiche Infokästen und gesonderte Abschnitte erleichtern es dem Leser zudem, sich im Abenteuer zurechtzufinden. 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Autorin: Jeanette Marsteller
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 48
  • ISBN: 978-3957526465
  • Preis: 12,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, DriveThruRPG, Sphärenmeister

 

Fazit

Ketten für die Ewigkeit ist ein solides Abenteuer, dessen einzige große Schwäche seine fehlende Tiefe ist. Der Einstieg ins Abenteuer erfolgt zufällig, die Motivation bleibt bis zuletzt, dass die Spielercharaktere ihren Weg schlicht aus Heldenmut weitergehen. Das mag zugegebenermaßen auf viele Abenteuer zutreffen, wird aufgrund des Aufhängers aber umso deutlicher. Der Schrecken aus der Vergangenheit ist gleichzeitig ein Schrecken aus dem Nichts. Unvermittelt betritt er die Bühne und muss direkt ausgeschaltet oder zumindest gebannt werden.

Die Darstellung der aventurischen Zwerge schwankt stellenweise außerdem ein bisschen orientierungslos zwischen engstirnigen Traditionalisten, schrulligen Exzentrikern und gemütlichen Bier-Nerds. Ins Positive umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass die Zwerge etwas vielfältiger als in früheren Abenteuern und somit auch etwas realistischer dargestellt werden. Der, trotz aller Dramatik, gemütliche Grundton des Abenteuers mag zudem nicht jedermanns Geschmack treffen, passt aber gut zu dem in der neuen Regionalspielhilfe gezeichneten Bild der Flusslande.

Ketten für die Ewigkeit ist trotz seiner Mängel ein empfehlenswertes Abenteuer mit klassischen Strukturen, die unkomplizierten Spielspaß ermöglichen. Zwar bleibt es dadurch, wie gesagt, auch etwas flach, bietet den Helden aber trotz aller Linearität genügend Freiraum, um ein spannendes Abenteuer in den Flusslanden mitzugestalten.

 

Artikelbild: © Ulisses, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos als PDF zur Verfügung gestellt.

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