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Wer sich in einem laufenden Abenteuer keine Notizen macht, kann schnell die Übersicht verlieren, welche Nichtspielercharaktere nun eigentlich wichtige Handlungsträger oder schmückendes Beiwerk sind. Darüber, wie viele Figuren in ein Abenteuer passen, machten sich die Teilzeithelden in diesem Artikel Gedanken. Erfahrt, was dabei rausgekommen ist

Mittelalterliches Dorf, brodelnder Plex, futuristische Raumstation und dutzende andere Orte sind in Rollenspielen der Hintergrund, vor dem sich die Abenteuer entfalten, welche die Spieler mit ihren Charakteren erleben. Würden aber nur diese die Schauplätze mit Leben erfüllen, wären diese irgendwann langweilig. Nichtspielercharaktere beleben die Spielwelt, geben ihr mehr Tiefe, stehen als Ansprechpartner zur Verfügung, stellen mögliche Verbündete und nicht zuletzt auch Gegenspieler dar.

Doch ab wann wird ein Nichtspielercharakter wichtig? Wann lohnt sich eine detailliertere Darstellung der vom Spielleiter gesteuerten Figur? Wann ist es vielleicht auch genug mit der Spieltiefe und Anzahl der dargestellten Figuren? Dieser Artikel geht näher auf diese Fragen ein, bietet aber keine mathematisch errechneten Mindest- oder Höchstzahlen, wie viele Nichtspielercharaktere eine Spielwelt verträgt.

Schwertfutter oder missverstandener Gegenspieler?

Ansprüche an die Ausgestaltung der Nichtspielercharaktere sind höchst unterschiedlich. Während Spieler nur sehr selten von den zwei Goblins im Dungeon eine detaillierte Hintergrundgeschichte erwarten, sollte der Barkeeper in ihrer Lieblingskneipe schon ein bisschen mehr Persönlichkeit besitzen. Dabei erfüllen alle Nichtspielercharaktere nüchtern betrachtet nur eine Funktion, die sich anhand ihrer Platzierung im Abenteuer und ihrer relevanten Spielwerte ergibt.

Der Barkeeper kann allerdings mehrere Funktionen wahrnehmen. Er muss nicht der Verkäufer alkoholischer Getränke bleiben, sondern kann auch Informationen liefern, Aufträge vermitteln oder sogar selbst eine Aufgabe für die Spielercharaktere haben. Dadurch ist er ein wichtiger Dialogpartner, der natürlich eine eigene Persönlichkeit benötigt, um glaubwürdig und nahbar zu erscheinen.

Der wütende Troll aus dem Gewölbe wird wohl eher keinen tiefen Charakter haben © Digitalstudio – depositphotos

Doch auch der Goblin im Dungeon kann, abhängig von der Situation, über seine Rolle als simpler Gegner im Kampf hinauswachsen. Vielleicht sind die Spielercharaktere gar nicht auf einen Kampf aus, sondern wollen mit ihm verhandeln. Oder sie besiegen ihn zwar, schonen aber sein Leben und nehmen ihn gefangen, wodurch er gegebenenfalls zu einem zunächst unfreiwilligen Begleiter der Spielercharaktere werden kann. Wenn die Charaktere ihn durch soziale Interaktionen anspielen und der Spielleiter darauf entsprechend reagiert, kann dieser Nichtspielercharakter auf diesem Wege letztlich mehr Tiefe erlangen, wird relevanter, bleibt schließlich im Gedächtnis der Spieler hängen.

Letztlich entscheidet der Spielleiter

Hier sind wir bereits bei einer wichtigen Frage: Wie weit sollte der Spielleiter auf solche Interaktionen der Spieler eingehen, um Nichtspielercharakteren mehr Tiefe zu geben als zunächst vorgegeben war? Salopp gesagt, ist dies natürlich die Entscheidung des Spielleiters. Wenn er nicht weiter auf den Goblin eingehen mag, kann dieser notfalls eben nicht die Sprache der Spielercharaktere, ist völlig renitent, oder erliegt schließlich doch überraschend seinen Verletzungen. Dies mag eine etwas unbefriedigende Lösung sein, ist objektiv betrachtet aber natürlich völlig legitim. Vor allem dann, wenn der Spielleiter schlicht keine Anknüpfungspunkte zu der Spielwelt sieht, die er gestaltet, kann er hier der Interaktion mit Nichtspielercharakteren Grenzen setzen, genauso, wie er auf diese nach Belieben eingehen kann.

Um bei den Grenzen der Spielwelt zu bleiben: Diese sind trotz aller Spielfreiheit immer vorhanden. Sie liegen dort, wo der Spielleiter sie zieht, oder gar, aus welchen Gründen auch immer, selber nicht mehr weiter weiß, nicht improvisieren kann oder möchte. Also sind auch Nichtspielercharaktere und ihr Hintergrund betroffen. Womit wir bei der Anzahl der Nichtspielercharaktere wären. Eine ideale Zahl zu nennen, soll nicht Ziel dieses Artikels sein, sehr wohl geht er aber darauf ein, wo eine Grenze bezüglich der Anzahl gezogen werden kann.

Nichtspielercharaktere sind in der Spielwelt natürlich in sehr großer Anzahl vorhanden. Ein belebter Marktplatz beinhaltet nämlich nicht nur Ansprechpartner für die Spielercharaktere, sondern auch eine Masse an Figuren, die schlicht als Kulisse dient. Sie dienen der Untermalung, sind aber in keiner Weise ausdefiniert, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Spielercharaktere mit ihnen in Kontakt treten. Anders verhält es sich bei Händlern, die für sie von Interesse sind. Diese besitzen in der Regel zumindest grundlegende Wesenszüge, die ihr Verhalten bei der Interaktion bestimmen. Übrig bleiben nur sehr wenige Figuren, die detailliert ausgearbeitet sind. Besser gesagt, müssen diese im Beispiel des Marktplatzes gar nicht einmal unbedingt vorhanden sein, wenn es nicht die Handlung des Abenteuers ist, welche die Spielercharaktere dort hintreibt, sondern lediglich ihr Verlangen, dort Handel zu treiben.

Gerade Märkte laden zu vielschichtigen NSC ein – © surkovdimitri, depositphotos

Nichtspielercharaktere – Kulisse, Ansprechpartner oder Handlungsträger?

Die Einteilung der Nichtspielercharaktere in Kulissenbestandteile, Ansprechpartner und Handlungsträger erscheint, auch bezogen auf das gesamte Abenteuer, durchaus sinnvoll. Die ersten beiden Gruppen erfüllen lediglich eine sekundäre Funktion, sind austauschbar. In der zweiten Gruppe finden sich Figuren wie der knorrige Fährmann oder umtriebige Händler, denen man im Laufe eines Abenteuers oder der Kampagne immer wieder begegnet, weil man ihre Dienstleistungen mehrfach in Anspruch nimmt.

Mehr noch als die Nichtspielercharaktere, die nur Teil der Kulisse sind, macht im Fall der Ansprechpartner eine tiefer gehende Ausgestaltung Sinn. Sie verleihen dadurch der Spielwelt eine gewisse Tiefe und Glaubwürdigkeit, auch wenn sie auf dem ersten Blick nur eine sekundäre Funktion erfüllen. Dadurch ermöglichen sie jedoch in den meisten Fällen, dass die Handlung überhaupt stattfinden kann. Sie bilden gewissermaßen das Gerüst, die Grundlage, die den Ablauf des Abenteuers gewährleistet. Ob der Fährmann ein Spaßvogel oder Grießgram ist, ist für den weiteren Verlauf der Handlung nicht entscheidend, eine detaillierte Ausgestaltung dieser Figur nicht notwendig. Es genügt, dass er die Spielercharaktere über den Fluss bringt.

Wenn solche Figuren jedoch in den Vordergrund drängen, können darunter die eigentlichen Handlungsträger leiden. Denn wenn der sarkastische Barkeeper mit der tragischen Hintergrundgeschichte irgendwann interessanter wird, als der undurchsichtige Gegenspieler im Hintergrund, entsteht eine gewisse Schieflage, unter welcher das eigentliche Abenteuer leiden kann.

Vorsicht – wenn Szenen-NSC interessanter werden als die Hauptantagonisten, entsteht ein Schiefstand ©iakovenko123 – depositphotos

Dies muss nicht immer der Fall sein. Wenn es nur eine überschaubare Anzahl an Handlungsträgern gibt, macht ein gut gestalteter Ansprechpartner keinen Plot kaputt. Liegt der Fokus des Abenteuers jedoch auf der Interaktion mit einer größeren bestimmten Anzahl von Nichtspielercharakteren, kann dies zu Problemen führen. Wenn der Spielleiter einen Plot voller Intrigen und mehreren darin verstrickten Nichtspielercharakteren vorbereitet hat, die Spieler aber lieber mit dem kauzigen Barkeeper klönen wollen, kann dies die Planung eines Spielabends schnell durcheinanderwirbeln.

In gewissen Maßen ist ein bisschen Abwechslung natürlich nicht schlecht, aber wenn dafür irgendwann ein liebevoll vorbereiteter Plot auf der Strecke bleibt und der Spielleiter gerade keine zündende Idee für Improvisationen hat, kann dies schnell für beide Seiten frustrierend werden. Beide Seiten sind es auch, die dieses Problem erzeugen können. Der Spielleiter, wenn er einen interessanten Nichtspielercharakter erschafft, die Spieler, wenn sie das Angebot wider besseres Wissen annehmen.

Ab wann ist es genug?

Der Spielleiter kann diesem Problem vorbeugen, wenn er Ansprechpartner zurückhaltend darstellt und ihre Anzahl auf ein Minimum beschränkt. Wer ein ganzes Dorf ausgestaltet, obwohl die Spielercharaktere nur mit dem Ältesten sprechen und ihre Vorräte auffrischen wollen, möchte seine Kreation vermutlich dennoch in Aktion erleben. Wenn dies dann aber dazu führt, dass die Spielercharaktere in der Dorfkneipe versacken, weil ein sympathischer Bauer mit herzerweichender Hintergrundgeschichte ihnen eine Runde nach der anderen spendiert, bleibt die eigentliche Handlung auf der Strecke.

Zugegebenermaßen ist dies ein etwas zugespitztes Beispiel, verdeutlicht aber, wie die Darstellung von Nichtspielercharakteren ausarten kann. Ist der Bauer gar ein sehr offensiver Gesprächspartner, mag das Gefühl entstehen, dass er ein wichtiger Teil der eigentlichen Handlung ist.

Wenn die Spielrunde nicht zufälligerweise diese Art zu spielen schätzt, sollte sich die Anzahl der gut ausgestalteten Nichtspielercharaktere dem Umfang des Abenteuers anpassen, nicht umgekehrt. Natürlich ist jedes Detail zur Ausgestaltung der Spielwelt wertvoll. Doch manche Details wirken besser als Teil der Kulisse, nicht im Vordergrund. Wenn der Barkeeper den Spielercharakteren vor dem nächsten Run lediglich eine aufmunternde Runde Soybier ausschenken soll, dann ist es völlig in Ordnung, ihn als Figur im Hintergrund zu belassen. Eine ausgedehnte philosophische Diskussion mit ihm, so reizvoll diese Gespräche auch sein mögen, frisst Zeit, was wahrscheinlich jenen Spielern nicht passt, die lieber endlich den eigentlichen Auftrag erledigen wollen.

Die Balance zwischen Hintergrund und Vordergrund

Es ist wichtig, die Balance zwischen Hintergrund und Vordergrund zu wahren. Dabei kann es helfen, wenn man sich vorher Gedanken darüber macht, welche Rolle die Nichtspielercharaktere einnehmen. Sind sie bloße Kulisse, funktionsgebundene Ansprechpartner oder ausgearbeitete Handlungsträger? Eine vorherige Einteilung kann dem Spielleiter enorm helfen, wenn er sich Gedanken darüber macht, wie detailliert er einen Nichtspielercharakter ausarbeiten möchte.

Das brummenden Leben auf einer Raumstation kann sehr interessant sein. Die Menge an NSC sollte an den Umfang der Geschichte angepasst sein © innovari – depositphoos

Hilfreich ist es auch, sich über die Anzahl der handlungstragenden Nichtspielercharaktere im Vorfeld Gedanken zu machen. Verträgt ein knackiger One-Shot die Darstellung von über einem Dutzend Bewohnern eines Weilers oder einer Raumstation? Ergibt sich aus dieser hohen Figurenanzahl nicht eher Potenzial für ein längeres Abenteuer, vielleicht sogar eine länger laufende Kampagne? Bei einer langen Laufzeit bietet sich natürlich die Darstellung eine Vielzahl wiederkehrender Nichtspielercharaktere an. Wie weiter oben beschrieben, können auch funktionsgebundene Ansprechpartner zu wiederkehrenden Elementen werden, ihre Rolle sich gar ausbauen lassen.

Wichtig ist, dass solche Entwicklungen nachvollziehbar geschehen und nicht überstürzt stattfinden. Das Ensemble an Nichtspielercharakteren muss langsam und nachhaltig wachsen, damit eine engere Bindung der Spieler zu den Figuren entstehen kann. Nicht umsonst werden in verhältnismäßig kurzen Spielfilmen selten mehr als zwölf relevante Figuren dargestellt. Bücher und Serien, die über einen längeren Zeitraum konsumiert werden, können aber durchaus über ein dickes Personenverzeichnis verfügen.

Der Detailgrad gibt den Ton an

Auf die Frage danach, wie viele Nichtspielercharaktere in ein Abenteuer passen, lässt sich also antworten, dass dort so viele Figuren Platz finden, wie das Abenteuer vertragen kann. Wer sich im Vorfeld Gedanken darüber macht, welche Funktion ein Nichtspielercharakter in der Handlung einnimmt, kann auch den Detailgrad besser steuern. Wer einen Überblick über die Details hat, kann schließlich entscheiden, wie viele davon die Handlung noch vertragen kann, somit auch festlegen, wie viele Nichtspielercharaktere reinpassen.

Artikelbild: everett225, sonst wie gekennzeichnet

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