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Im Marvel Monthly rezensieren wir euch die neusten deutschen Marvel-Comics. Dieses Mal startet der Wolverine-Klon X-23 mit einer neuen Serie. Rogue und Gambit fliegen in ihren Flitterwochen ins All und in New Mutants wird ein neues Team mit seinen eigenen Dämonen konfrontiert. X-Men-Fans kommen also voll auf ihre Kosten.

Der Marvel Monthly ist zurück! Die drei spannendsten Marvel-Neuveröffentlichungen aus dem Haus Panini stammen diesmal alle aus dem Umfeld der X-Men. Rogue und Gambit hatten Anfang des Jahres bereits eine Neuerscheinung (Rogue & Gambit: Feuer und Flamme), doch startet ihre Serie nun unter dem Namen Mr. & Mrs. X neu. Als zweites schauen wir uns das neue New Mutants-Team um Magik genauer an, das paranormale Phänomene untersucht. Zum Schluss folgt eine neue Serie um Laura Kinney. Nachdem die letzte Wolverine-Serie mit ihr als Hauptfigur vor Kurzem zu Ende ging und der originale Wolverine zurückkehrte, tritt Laura in ihrer neuen Reihe wieder unter ihrem alten Codenamen X-23 auf. Solltet ihr bei den Comics zuschlagen oder sie lieber im Laden lassen?

Mr. & Mrs. X #1 (von 2): Kiss Kiss – Bang Bang

Die gescheiterte Hochzeit von Kitty und Piotr in X-Men Gold #6 führte zu der spontanen Entscheidung, dass sich stattdessen Anna-Maria (Rogue) und Remy LeBeau (Gambit) das Ja-Wort geben. Genau hier setzt dieser Comic an. Er startet mit den letzten Vorbereitungen vor ihrer Hochzeit und geht direkt in die Flitterwochen über. Obwohl sie sich von Carol Danvers ein Raumschiff geliehen haben, um möglichst weit weg von allen Problemen zu sein, läuft ihr Urlaub nicht so wie geplant. Kitty meldet sich bei ihnen, da es einen Notfall im All gibt und sie die einzigen Personen sind, die sich dieses Problems annehmen können. Widerwillig geraten sie so in einen Konflikt mit den Shi’ar, und auch die Starjammer sind nicht weit.

Anna-Maria und Remy sind ein tolles Paar und sympathische Figuren.

Wie schon beim ersten Band, den Kelly Thompson zu den beiden Figuren geschrieben hat, geht es hier Schlag auf Schlag und die Figuren geraten von einer absonderlichen Situation in die Nächste. Garniert mit viel Humor und Action, stört es auch nicht, dass nur wenig Platz für Charakterentwicklung gegeben ist. Die Story selbst ist flacher als im Vorgänger und scheint keine wirkliche Richtung zu haben. Ging es in Rogue & Gambit noch um Konflikte, die einer Beziehung der beiden im Weg stehen, fehlt es hier an einem übergeordneten Thema. Hauptsächlich soll der Band Spaß machen, was größtenteils gelingt.

Sympathisches Chaos, aber was macht Deadpool hier?

Anna-Maria und Remy sind ein tolles Paar und sympathische Figuren, die hier auch ihre verletzliche Seite zeigen dürfen. Als Sidekick bekommen sie einen Charakter an die Seite gestellt, der in einer Verbindung mit Professor X und der ehemaligen Shi’ar-Königin Lilandra steht. Ohne zu viel vorweg zu nehmen, kann man sagen, dass diese Figur ein wandelndes Klischee ist und deshalb auch wenig Einführung braucht. Die Antagonisten bleiben alle blass und ihre Motivation willkürlich. Dazu kommt es überraschend zu einem Auftritt von Deadpool, der zum Glück schnell wieder verschwindet. Er nimmt in all seinen Szenen zu viel Raum ein, sodass man das Gefühl hat, im falschen Comic zu stecken.

Die Zeichnungen sind bunt, fast schon schrill, und unterstützen damit die abwechslungsreiche Handlung. Alle Frauenfiguren sind aber etwas zu niedlich gezeichnet und wirken dadurch langweilig. Eine Stupsnase weniger hätte die Unterscheidbarkeit der Figuren gefördert. Das Cover gefällt mir wesentlich besser. Ich hätte zu gerne gesehen, wie dessen Künstler Terry und Rachel Dodson den ganzen Band gestaltet hätten.

Insgesamt macht das Chaos dieser Geschichte Spaß, auch wenn es einige Sachen zu bemängeln gibt. Das Charakterdesign ist etwas zu schlicht, und durch Nebenfiguren wie Deadpool bekommen die eigentlichen Hauptfiguren zu wenig Raum. Mehr Fokus auf einen bestimmten Aspekt hätte der Handlung gutgetan. 

So kommt der Comic nicht an den Vorgänger heran und wirkt trotz hoher Einsteigerfreundlichkeit eher wie ein Sequel. Ich kann jedem nur empfehlen, einmal in den im Februar veröffentlichten Band Rogue & Gambit: Feuer und Flamme zu schauen. Wenn einem der Stil gefällt und man nicht genug von den beiden Figuren bekommen kann, ist dieser Comic der passende nächste Schritt.

Die harten Fakten

  • Autorin: Kelly Thompson
  • Zeichner: Oscar Bazaldua
  • Seitenanzahl: 116
  • Preis: 13,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

New Mutants: Die toten Seelen

Tief in der Nacht taucht das neue Team auf und kämpft gegen wandelnde Tote. Allein diese erste Szene holt den Leser ab, ohne dass dieser genau wissen muss, um was es geht. Später erfährt man, dass auch das von Magik angeführte Team selbst keine Ahnung hat, welchen Auftrag es verfolgt. Karma als Chefin der Hatchi Corporation hat das Team zusammengestellt und schickt es auf Missionen, die immer etwas mit paranormalen Phänomenen zu tun haben. Langsam wird aber klar, dass mehr dahintersteckt und auch gruppenintern viele Probleme ungeklärt sind, sodass diese sich früher oder später entladen müssen.

Mutanten-Horror mit Zombies und Frostriesen.

Die Richtung ist dabei ganz klar: garniert mit einer guten Portion Humor und Anleihen von Horrorfilmen werden Schatten aus der Vergangenheit der Charaktere aufgerollt. Dies funktioniert überraschenderweise sehr gut für Neuleser, die bisher noch keine Berührungspunkte mit diesen Figuren hatten. Matthew Rosenberg bemüht sich, alle nötigen Informationen mit einer Prise Humor einzustreuen, sodass man als Altleser nicht unterfordert ist.

Bei seiner charaktergetriebenen Erzählweise ist es natürlich am wichtigsten, dass die Figuren funktionieren. Das ist hier sehr gut gelungen. Magik ist eine wortkarge Anführerin, die ihre Leute per Teleport aus privaten Gesprächen holt und direkt in eine Mission wirft, ohne sie vorher zu briefen. Rictor fungiert als Projektion des Lesers, der dessen Fragen in die Panels bringt. Rahne ist als moralische Stütze dabei und hat den Verlust ihres Sohnes noch nicht überwunden. Guido ist der liebenswerte Riese, der aber für den gerade erwähnten Tod verantwortlich ist. Boom-Boom ist dagegen das Comic Relief und sorgt so für die Auflösung bei zu viel Spannung.

Gelungene Gruppendynamik, aber Schwächen im Abgang

Dieser Comic sollte ursprünglich zum Kinostart des New Mutant-Films erscheinen. Da Fox den Film aber immer weiter nach hinten geschoben hat, hat sich Panini entschieden, den Comic allein auf den Markt zu bringen. Er hinkt damit ein wenig den aktuellen Erzählungen im Marvel-Universum hinterher, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt. Ähnlich wie den Film umgibt diesen Comic eine leicht unheimliche Aura, die sich in einem wirren Finale entlädt. Es wirkt, als ob Rosenberg am Ende nicht mehr genug Platz hatte, um alles zu erzählen. Dadurch ist die Handlung hier nur noch schwer nachvollziehbar. Zu allem Überfluss endet der Band in einem Cliffhanger, der wohl erst im für Oktober angekündigten Uncanny X-Men #3 aufgelöst wird.

Der Zeichenstil besticht durch seine feine Linienführung und sein abwechslungsreiches Panel-Design. In der Kolorierung hätte ich mir aber einen noch verwascheneren Stil gewünscht, der das ungute Gefühl, das man bei Horrorgeschichten hat, verstärkt. Gerade die Szenen, die bei Tag spielen und die Mutanten in ihrem normalen Alltag zeigen, wirken durch die reduzierten Hintergründe langweilig. Seine wahre Stärke kann der Band optisch aber in den unheimlichen Szenen entfalten, in denen dämonische Fratzen aus dem Nichts auftauchen oder sich die Umgebung die Figuren einzuverleiben scheint.

Während das Finale die Handlung der vorherigen Episoden in einen Kontext setzt, sind einige Charakterentscheidungen dort nur schwer nachzuvollziehen. Hier hätte sich der Autor mehr Zeit lassen sollen. Dennoch hat er es geschafft, dass ich gebannt auf eine Fortsetzung warte. 

Durch die gelungene Gruppendynamik und die sehr ausgewogene Teamzusammenstellung habe ich alle Figuren ins Herz geschlossen und verzeihe dem Band dadurch einige Fehler, die ich anderen Comics negativ angekreidet hätte. So bleibt mir nur zu sagen, dass ich diesen Comic jedem empfehlen kann, der auf Geschichten à la Buffy oder Supernatural steht und sich gerne mit den Charakteren selbst auseinandersetzt.

  • Die harten Fakten
  • Autor: Matthew Rosenberg
  • Zeichner: Adam Gorham
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

X-23 #1: Zwei flogen über das Kuckucksnest

Laura Kinney ist ein Klon von Wolverine (oder, wie Jagd nach Wolverine nahelegt, vielleicht auch seine Tochter). Aber auch ein Klon hat irgendwann Geburtstag. Sie selbst macht sich wenig daraus, doch Gabby aka Honey Badger, ihre jüngere Klon-Schwester, wünscht sich sehr, einen eigenen Geburtstag zu haben. Als die beiden nach einer Mission die drei noch lebenden Cuckoo-Schwestern treffen, die allesamt Klone von Emma Frost sind, kommt dieses Thema wieder auf. Diese feiern ihren Geburtstag genau an diesem Tag und haben ein großes Geschenk geplant. Das involviert auch ihre beiden toten Schwestern Sophie und Esme. Doch eine der fünf Schwestern stellt sich als wahre Schurkin heraus.

Laura ist die ein spannender Charakter.

Der Comic ist geschickt erzählt und man erfährt erst mit der Zeit alle Details, die das Gesamtbild ergeben. Schließlich läuft es auf einen Konflikt zwischen den Cuckoo-Schwestern und den Wolverine-Klonen hinaus. Diese Konstellation ist daher interessant, weil beide einen ähnlichen Hintergrund haben und die künstlichen Nachfahren von Emma Frost normalerweise keine Schurken spielen. Die Geschichte ist moralisch ambivalent und könnte die Helden zu einer bedeutsamen Entscheidung zwingen. Leider verläuft sich die Handlung am Ende in einem schwer nachvollziehbaren Klon-Wirrwarr.

Mit Klon-Geschichten hat Marvel leider noch nie ein sonderlich gutes Händchen bewiesen. Klone dienen meistens nur dazu, alte Charaktere zurückzubringen, und am Ende zerfallen sie zu Staub. Laura ist die eine erfreuliche Ausnahme von der Regel, denn sie ist nicht Logan. Sie hat eine eigene Geschichte und eigene Probleme. Sie ist ein spannender Charakter, der niemals eindimensional dargestellt wird. Gabby als Sidekick nervt manchmal, ist hier aber die überdrehte kleine Schwester, die man gern ins Herz schließt. Auch ihr Vielfraß (deutsch für „wolverine“) Jonathan kommt wieder vor. Die Fünflinge funktionieren als Antagonisten erstaunlich gut, ohne dass sie durch diese Geschichte kaputt geschrieben werden. Die Prämisse, dass die Geister der verstorbenen Schwestern noch existieren, muss man dafür aber akzeptieren.

Plastische Kolorierung, aber flache Handlung

Am Ende des Bandes gibt es noch eine kleine Zweitgeschichte, die an einer amerikanischen Schule spielt. Gabby und Laura infiltrieren die Schule, um geheime Genforschung aufzudecken. Diese Episode ist ganz unterhaltsam, aber nichts, was länger im Gedächtnis bleibt. Beide Geschichten gehen nicht wirklich in die Tiefe und sind eher seichte Unterhaltung. Die Erzählweise ist locker und hat ein ausgewogenes Verhältnis von Humor, Action und Spannung.

Die Zeichnungen sind gut und haben einen realistischen Stil. Die Kolorierung in der ersten Geschichte erzeugt eine gewisse Tiefe und sorgt für plastische Charaktere. Von den Hintergründen bin ich nicht sonderlich begeistert. Der größte Teil des Comics ist in Erdtönen gehalten, so dass es ein wenig einfarbig wirkt. In der Zweitgeschichte wandelt sich dieser Stil zu einer pastellfarbenen Kinderwelt. Das ist treffend, da diese Geschichte aus Gabbys Perspektive erzählt wird.

Trotz einiger Schwächen ist der Comic unterhaltsam. Man muss sich auf ein paar abstruse Prämissen einlassen, ohne die diese Geschichte nicht funktioniert. Wer viel Wert auf realistische Erzählungen und Charaktertiefe legt, wird wohl nicht begeistert sein. Hier wurde leider Potenzial verschenkt. Dafür funktionieren aber die Charakterzeichnungen der Hauptfiguren Laura und Gabby außergewöhnlich gut, und die beiden geben zusammen ein gutes Gespann ab. Durch ihre Dynamik ist die Spannung immer durch Humor durchbrochen. 

Die Erzählweise schafft einen guten Spannungsbogen, so dass dieser Comic für die Zielgruppe trotzdem eine Empfehlung ist, sofern man über die flache Handlung hinwegsehen kann.

Die harten Fakten

  • Autorin: Mariko Tamaki
  • Zeichner: Juan Cabal, Marcio Fiorito, Georges Duarte
  • Seitenanzahl: 148
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Ausblick Marvel Monthly 07/19

Der nächste Monat ist nicht so voll von Mutanten. Stattdessen könnt ihr euch auf den Neustart von Doctor Strange freuen. Dazu kommen die Fortsetzungen der bereits rezensierten Venom-Serie und des Infinity Wars-Events. Beide müssen beweisen, dass sie das Niveau halten oder sogar steigern können.

 

Artikelbilder: © Panini Comics, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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