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Mit Der Herr der Träume und Komanauten gibt es bei Plaid Hat Games (auf Deutsch vertrieben von Asmodee) mittlerweile zwei Abenteuerbuchspiele vom Erfolgsautor Jerry Hawthorne. Was die beiden Spiele verbindet, was sie unterscheidet und welches vielleicht das richtige für euch ist, lest ihr hier.

Abenteuerbuchspiel, Abenteuerspielbuch, Spielbuchabenteuer … die deutsche Sprache ist so vielfältig und bunt wie die Welten des Spielentwicklers Jerry Hawthorne. 2012 brachte er bei Plaid Hat Games den kindgerechten und storylastigen Dungeoncrawler Maus und Mystik heraus, zu dem es mittlerweile zwei Erweiterungen (Herz des Glürm und Geschichten aus dem Dunkelwald) und ein Spin-Off-Spiel (Schwungfedern) gibt.

Dabei geht es um in Mäuse verhexte Menschen rund um den Prinzen Collin. Dieser möchte seinen Vater, den König, vor den bösen Machenschaften der wie immer bösen Stiefmutter/Hexe retten. Dabei gilt es ihre Schergen zu bekämpfen, die sie ebenfalls aus Versehen in Ratten und deren Hunde in Kakerlaken verwandelt hat. Soweit, so niedlich.

 

In diesem Jahr sind zwei weitere bunte und phantasiereiche Geschichten aus Feder von Jerry Hawthorne bei Asmodee erschienen. Bei beiden Spielen ist das Herzstück ein Buch, welches gleichermaßen Spielbrett, Geschichte und Sonderregeln umfasst. Bei Der Herr der Träume spielt man Stofftiere, die ihre Besitzerin vor bösen Alpträumen beschützen und dabei Alltags-Abenteuer wie Töpfchentraining verarbeiten.

Auch bei Komanauten geht es um Träume, allerdings die von Dr. Strobal, der das Weltenergieproblem gelöst hat, nun aber bedauerlicherweise im Koma liegt. Also begeben sich die Helden mit unterschiedlichsten Avataren auf Traumreisen in unterschiedlichen Lebensabschnitten und unter anderem Weltraum- oder Westernwelten.

Hinweis: Der Herr der Träume im Folgenden manchmal mit HdT abgekürzt. Zudem besitze ich die englische Version dieses Spiels, die als Stuffed Fables herausgegeben wurde. Daher kann es zu sprachlichen Abweichungen bei Einzelbegriffen kommen und die Bilder sind eben aus dieser Version.

Das Spielsystem: Würfel aus dem Sack

Die Grundspielmechanik dieser Dice-Placement-Spiele schnell erklärt. Jeder Spieler nimmt in seinem Zug fünf zufällige Würfel unterschiedlicher Farben aus einem Beutel und kann mit diesen dem Farbcode entsprechende Aktionen bestreiten. Hat man also rote (Stärke-)Würfel gezogen und eine Nahkampfwaffe, so kann der eigene Charakter einen Nahkampf ausführen, indem man einen oder mehrere Würfel wirft, um die Rüstung des Gegners zu übertreffen.

Neben einfachen Kampf- und Suchaktionen gibt es zudem immer wieder Aufgaben der jeweiligen Geschichtsseite, die nur mit bestimmter Würfelfarbe zu meistern sind. Mit grün (Geschick) springt man über den gefährlichen Abgrund, mit gelb (Wahrnehmung/Intelligenz) versucht man, die griesgrämige Puppe dazu zu bewegen, der Gruppe zu helfen.

Violette Würfel sind Joker. Zudem kann man auch einen dieser Würfel bei sich oder den Mitspielern speichern, um sie später gezielt einzusetzen (grüne Würfel sollten zum Fernkämpfer). Dieser eine gespeicherte Würfel ist aber auch die einzige Möglichkeit, sich gegen Gegnerangriffe zu verteidigen und somit für alle wichtig.

Dazu gibt es noch weiße Würfel, diese kann man werfen, um vielleicht etwas Watte (Lebenspunkte) zu finden (HdT) oder um Klarheit zu generieren, die man für Spezialfähigkeiten ausgeben kann (Komanauten). Die schwarzen Würfel hingegen kommen auf die Bedrohungsleiste. Liegen dort so viele schwarze Bedrohungswürfel wie Spieler (HdT) oder fix vier oder mehr (Komanauten), passiert ein negatives Event. Meist werden dann die Schergen des Gegners aktiviert oder es kommen neue ins Spiel.

Manchmal müssen die Spieler auch eine spezielle Karte ziehen, die das Erwachen des kleinen Mädchens (HdT) oder den Tod von Dr. Strobal (Komanauten) und damit das Spielende näher rücken lassen. Nach einem solchen Event kommen alle nicht-gespeicherten Würfel zurück in den Sack und es geht weiter. Bei Komanauten gibt es noch spezielle schwarze Würfel, die nur dann gewertet werden, wenn man einen auffälligen Charakter besitzt (beispielsweise den Teddybären, der in einer Roboterfabrik eben nicht ganz ins Bild passt). Auch gibt es noch einen hellblau-durchsichtigen Würfel, der das innere Kind Dr. Strobals symbolisiert, und auf jedem Spielplan bestimmte Herausforderungen auslösen kann.

Die Gegner greifen mit jeweils einer erwürfelten Aktion ihrer Aktivierungskarte an und ziehen fixe Trefferpunkte ab, es sei denn, der angegriffene Spieler kann mit einem Verteidigungswürfel dagegenhalten. Dazu gibt es auf den einzelnen Feldern des Spielplans noch Ereignisse oder Begegnungen, die auf der Textseite im Buch genauer beschrieben werden. Ebenso wie besondere Regeln, die für das aktuelle Szenario relevanz haben, wie Feuer oder Strömung. Beim Kämpfen oder durch Events erhalten die Charaktere Ausrüstungsgegenstände, die Boni auf eine bestimmte Würfelfarbe oder andere Effekte gewähren. Charakterzustände (wie mutig oder ängstlich) und vor allem jede Menge Doppelseiten des Buches, auf denen nicht einfach nur auf einem Spielplan gekämpft wird, sondern ganz andere kreative Herausforderungen warten, runden das Spielerlebnis ab.

Die Geschichte: Reisen ins Traumland

Bei Der Herr der Träume gibt es zu Beginn vier mutige Helden: Die Lieblingsteddybärendame Theodora, die abenteuerlustige Häsin Hopps, der etwas vorsichtige Elefantentank Stampfi und die alte und ebenso weise selbstgenähte Flickenpuppe Pieks, die schon der Mutter gehörte. Die Geschichte beginnt, als das Mädchen ins erste richtige Bett für große Kinder zieht.

Pieks erklärt den anderen, dass jetzt die Zeit gekommen ist, in der die Stofftiere ihren Schützling vor den fiesen Schergen der Welt unter dem Bett verteidigen müssen. Natürlich kommen diese auch direkt in der ersten Nacht, um die Lieblingskuscheldecke zu stehlen. Also nichts wie hinterher und auf ins Abenteuer. Über mehrere Seiten und Spielpläne, mit Kämpfen, Herausforderungen und Choose-your-own-Adventure-Mechaniken gilt es, die Decke zurückzuerobern, um das erste Kapitel abzuschließen. Danach warten sechs weitere Abenteuer; ein zusätzliches kann man zumindest auf Englisch bereits kostenfrei herunterladen. Für die Helden und Gegner gibt es liebevoll gearbeitete Plastikminiaturen, die danach schreien, angemalt zu werden.

Bei Komanauten geht es in jeder Partie um den Kampf gegen einen von mehreren sogenannten Obersten Dämonen, die in etwa den Todsünden entsprechen. Sie sind jeweils einer Lebensphase zugeordnet, die wiederum in Träumen von Dr. Strobal verarbeitet wurde. Das kann ein frühkindliches Zuhause-Szenario sein, aber auch ein Science-Fiction-, Western- oder Film-Noir-Abenteuer.

Jede dieser Welten besteht aus drei bis vier Doppelseiten mit Spielfeld, in welcher der Traum erzählt wird. Neben dem blanken Überleben ist es das Ziel, genug Hinweise zu sammeln, um durch Ausschlussverfahren herauszufinden, welchen Obersten Dämon es in diesem zufällig zusammengestellten Abenteuer zu bekämpfen gilt. In jeder Welt findet man einen Hinweis und so hüpft man weiter, bis man in der richtigen Welt landet.

Ist der Oberste Dämon besiegt, hat man das Spiel gewonnen und kann ihn bekleben (angelehnt an Legacy-Games), und sich in den Folgerunden um andere oberste Dämonen kümmern. Als Avatare stehen einem zu jeder Welt passende Charaktere (Elfen, Cowboys, Roboter) zur Verfügung, die in anderen Träumen dann mehr oder minder auffällig daherkommen und diese dadurch gefährlicher machen.

Jeder Spieler hat jedoch direkt drei Charaktere zur Verfügung: einen gewählten und zwei in der Reserve, die man noch nicht kennt. Sollten einmal alle Spieler gleichzeitig aus dem Spiel ausscheiden oder ein Spieler seinen dritten Charakter verlieren, so ist auch das Spiel und mit ihm die Welt verloren.

Cory kann sich ebenfalls mit einem Würfel verteidigen. Doch oh nein, er ist verängstigt. Glücklicherweise hat er drei Inspiration, um bei sich und alle anderen von negativen Statuseffekten zu heilen.

Das Fazit: Traum oder Koma?

Das Grundspielprinzip ist eine gelungene Mischung aus Glück und gemeinsamen taktischen Überlegungen. Der Schwierigkeitsgrad ist recht niedrig und dadurch kann man es durchaus auch mit Kindern spielen, was ja bei Der Herr der Träume auch so gedacht ist. Eine der größten Stärken liegt sicher in der Art und Weise, wie das kooperative Spiel funktioniert.

Durch das wechselseitige Heilen/Inspirieren und insbesondere durch das Abgeben von Würfeln an die anderen fühlt es sich stets gemeinschaftlich an und weder Alphagaming („einer spielt für alle“) noch Alleingänge (wie oft bei vielen Dungeoncrawlern) werden zu Problemfällen.

Hier eine Auswahl der bemalten Figuren. Sicherlich etwas plastischer, aber bei der Fülle der Charaktere in Komanauten sind Pappaufsteller die einfachere Lösung.
Hier eine Auswahl der bemalten Figuren. Sicherlich etwas plastischer, aber bei der Fülle der Charaktere in Komanauten sind Pappaufsteller die einfachere Lösung.

Die zusammenhängende Story von Der Herr der Träume ist so geschrieben, dass man direkt sein altes Kuscheltier herauskramen und umarmen möchte. Sie bietet insbesondere jungen Eltern mit heranwachsenden Kindern die Möglichkeit, ein gemeinsames Spielerlebnis zu teilen, um die Kleinen so schon einmal für die in ein paar Jahren anstehenden Pandemic Legacy– oder Gloomhaven-Fortsetzungs-Marathons fit zu machen. Und wenn das noch ein wenig dauert, bieten kleine Geschichten am Seitenrand noch Gesprächsstoff über Ängste und Moral.

Die einzelnen Kapitel sind mit ihren fünf bis sechs Spielplänen allerdings oft zu lang, um in einem durchgespielt zu werden. Das ist etwas schade, da zwischen den Kapiteln quasi kein Speichern notwendig wäre. Wer nicht als Gruppe über vier bis sechs Stunden Zeit oder Aufmerksamkeitsspanne verfügt, muss dann „Zwischenspeichern“ und so die Gegenstände und Wattefüllungen nachhalten.

Einen Wermutstropfen inmitten all der Niedlichkeit bietet die sich doch irgendwann einstellendende Wiederholung. Wenige Standard-Gegnertypen und dadurch letztlich viele ähnliche Kampfsituationen sind eben nicht allzu abwechslungsreich – ein Problem, das bereits Maus und Mystik mit sich brachte. Allerdings gibt es auch immer erfrischend abwechslungsreiche Szenarien wie die anfängliche epische Rutschpartie auf einem Bollerwagen.

Eine Rutschpartie auf der Müllhalde. Bei jedem Unterpunkt sieht man, welche Aufgabe man erfüllen muss, um genug Schwung zu holen, aber nicht zu schnell zu fahren.
Eine Rutschpartie auf der Müllhalde. Bei jedem Unterpunkt sieht man, welche Aufgabe man erfüllen muss, um genug Schwung zu holen, aber nicht zu schnell zu fahren.

Diesem Problem will Komanauten dadurch begegnen, dass es keine kohärente Geschichte erzählt. Es werden vielmehr fünf von elf Settings ausgelost, in denen sich der Oberste Dämon verbergen kann und dann entschieden, wo man suchen möchte. So durchforstet man immer wieder mal andere Szenarien, bis man den entsprechenden Hinweis besitzt. In der Idee gut. Am Ende sorgt das jedoch dafür, dass man das erste Set-Up einer Welt zum dritten Mal durchspielt, aber nie das Ende dieser Geschichte sieht, da man dort immer nur wieder auf Durchreise ist.

Die einzelnen Doppelseiten spielen sich recht unterschiedlich und sind voll schöner Ideen, aber irgendwie will sich kein stimmiges Ganzes daraus ergeben. Das fängt bereits mit den Regeln an, die einen nur abstrakt dazu auffordern, bestimmte Kartentypen zu mischen, beiseite zu legen und aufeinanderzustapeln. Man versteht jedoch erst langsam während des ersten Spiels, was man da macht und warum überhaupt. Zudem ist das Buch deutlich kleiner (Außenbemessung) ausgefallen als beim geistigen Vorgänger, was einem im Vergleich sofort mit Bedauern auffällt.

Aber vor allem möchte ich wie bei den anderen liebevoll gestalteten Spielen von Hawthorne gerne (fast) alles entdecken und dabei eine stimmige Geschichten erleben. Doch stattdessen werde ich hin- und hergeschickt und was die Wiederspielbarkeit eigentlich erhöhen sollte, sorgt mit etwas Pech für die ewige Wiederkehr des Gleichen.

Ein weiteres Startszenario. Die Helden sind in ihren Magnabikes. Nich sind keine Gegner auf dem Spielplan, aber das kann sich hinter den entsprechenden Symbolen ändern, aber erst mal heißt es, keinen Unfall bauen.
Ein weiteres Startszenario. Die Helden sind in ihren Magnabikes. Nich sind keine Gegner auf dem Spielplan, aber das kann sich hinter den entsprechenden Symbolen ändern, aber erst mal heißt es, keinen Unfall bauen.

Wer ein etwas erwachseneres Spielerlebnis möchte – in einer ebenso bunten Welt – und einfach weniger vorzulesenden Text, für den ist Komanauten vielleicht das Richtige. Wer jedoch vor allem Geschichten liebt und wem ein großer Kuschelfaktor nicht direkt Zahnschmerzen bereitet, ist – mit oder ohne Kind – bei Der Herr der Träume sicherlich besser aufgehoben. Und wem das System liegt, der kann ja dann einfach die elf Komazonen von Komanauten jeweils als einzelne Stories durchspielen, auch wenn dann noch ein paar Hausregeln nötig wären.

Nur nicht aufwachen bevor die Helden den Tag gerettet haben. Wenn für das Mädchen oder Dr. Strobal eine Unruhe-Karte gezogen wird, kann das aber auch schon mal negative Effekte haben.
Nur nicht aufwachen bevor die Helden den Tag gerettet haben. Wenn für das Mädchen oder Dr. Strobal eine Unruhe-Karte gezogen wird, kann das aber auch schon mal negative Effekte haben.

Artikelbilder: © Asmodee Deutschland © Plaid Hat Games © depositphotos
Fotografien: Daniel Hoffmann

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