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Wie erhält ein beinahe in Vergessenheit geratener Gott seine Macht zurück? Diese Frage treibt die Handlung von Neil Gaimans berühmtem Werk American Gods, das von Amazon als Serie umgesetzt wurde. Die Comicadaption des Romans geht in die dritte Runde, und wir haben die Graphic Novel einem Kurzcheck unterzogen.

Normalerweise kann ich Fortsetzungen ohne nennenswerte Fortschritte der Haupthandlung nicht leiden. American Gods bildet eine Ausnahme. Denn trotz des sehr langsamen Erzähltempos zieht mich die Handlung in ihren Bann. Beim ersten Band fasziniert das Unbekannte. Sowohl der Protagonist Shadow Moon als auch der Leser erkennen, dass man in eine ungewöhnliche Lage gestolpert ist. Das ist beim zweiten Band nicht mehr Fall. Schnell wird die übernatürliche Natur aller Beteiligten klar gemacht. Doch anstelle einer Eskalation wartet eine intensive Charakterstudie des Protagonisten. Das macht den dargestellten Machtkampf glaubwürdiger. Denn man erkennt aus der Sicht eines Sterblichen, welche Tragweite der von Mr. Wednesday (Odin) geplante Konflikt annehmen kann.

American Gods Bd. 3: Ich, Ainsel Buch 1/2 folgt dabei dem gleichen Ansatz wie sein Vorgänger. Der Fokus liegt auf Shadow Moon und seiner Wahrnehmung des Götterkampfes. Welchen Eindruck hinterlässt diese Graphic Novel damit?

Handlung & Charaktere

Wie in den beiden Bänden davor entfaltet sich die Handlung sehr langsam. Nach den Ereignissen des letzten Bandes prangt auf Shadows Rücken mehr und mehr eine Zielscheibe. Mr. Wednesday entscheidet sich deswegen, seinen Helfer in die kleine Stadt Lakeside zu schicken. Dort kann er angeblich von der Bildfläche verschwinden. Doch verfolgt der skrupellose Mann in Wahrheit einen weiteren Plan?

Der Großteil der Handlung begleitet Shadow daraufhin bei seiner Ankunft und dem Leben in Lakeside. Dabei werden neue Charaktere, wie der gutmütige Sheriff Chad Mulligan und weitere Stadtbewohner, eingeführt. Auf den ersten Blick hat das Leben in der Pampa keinen großen Einfluss auf die Haupthandlung. Doch zum einen wird Shadow über die gesamte Zeit von seltsamen Visionen geplagt. Zum anderen bildet das simple Leben in Lakeside einen krassen Kontrast zu den Erlebnissen der vorherigen Bände. Die schier unbezwingbare Aufgabe vor Shadow wird dadurch deutlicher.

Gegen Ende des Bandes erfolgt der Einbau weiterer mythologischer Elemente. Shadow begleitet Mr. Wednesday bei der Rekrutierung der charmanten Easter. Doch das eigentliche Highlight ist die Geschichte über die Ankunft fremder Götter in Amerika. In jedem Band wird in diesem Abschnitt beleuchtet, wie fremde Gottheiten ihren Weg in die neue Welt fanden. In American Gods Bd. 3: Ich, Ainsel Buch 1/2 liegt der Fokus auf zwei afrikanischen Zwillingen. Der Leser erfährt ihre komplette Lebensgeschichte und ihre Mythologie. Dabei versteht es dieser Abschnitt, auf wenigen Seiten eine zutiefst packende Geschichte voller Emotionen zu erzählen. Tatsächlich war diese abschließende Handlung für mich das Highlight des Bandes.

Zeichnungen & Kolorierung

Wie in den beiden Vorgängern ist der Zeichenstil äußerst minimalistisch. Stellenweise erinnert er fast an Skizzen. Charaktere stehen im Vordergrund, ansonsten weisen die Panels wenige Details auf. Die Kolorierung ist überwiegend in den Farben Weiß und Blau gehalten und wirkt damit kalt. Dadurch passt sie zur winterlichen Atmosphäre der Handlung in Lakeside.

Visuell am meisten hebt sich das Kapitel über die Ankunft in Amerika ab. Der Wechsel in afrikanische Umgebungen bringt auch eine Veränderung der Farbtöne mit sich. Diese sind wärmer und farbenfroher, beispielsweise durch intensive Töne von Orange und Grün. Das trägt dazu bei, dass der Endspurt des Bandes den größten Eindruck hinterlässt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autor: Neil Gaiman, P. Craig Russell
  • Zeichner: Scott Hampton
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 144
  • Preis: 19,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

American Gods Bd. 3: Ich, Ainsel Buch 1/2 setzt den erzählerischen Stil seiner Vorgänger fort und übernimmt dabei sowohl deren positive als auch deren negative Elemente. So schreitet die Rahmenhandlung nur zäh voran, was für ungeduldige Leser ein Grund sein dürfte, auf einen Kauf zu verzichten. Im Gegenzug erhält man aber sorgfältige Charakterentwicklung und eine Vielzahl von interessanten Andeutungen. Der skizzenhafte Zeichenstil ist ebenfalls konsistent mit den ersten beiden Werken. Wem diese gefallen haben, der kann demnach unbesorgt zugreifen.

 

Artikelbilder: © Splitter Verlag, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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