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„Der Gegner verpasst dir einen mächtigen Schlag. Du erleidest zwanzig Schaden.“ Du schaust auf deine Notizen herab. Damit ist dein Charakter tot. Unwiederbringlich tot. Ein Szenario, das vermutlich wenige SpielerInnen gerne erleben. Nicht zuletzt deshalb können Charaktertode ein schwieriges Thema am Spieltisch sein.

Der Tod des eigenen Charakters kann jeden ereilen. Schließlich kämpft man auch gegen fiese Monster, schlägt große Schlachten oder treibt sich in Höhlen herum, in denen ungeahnte Schrecken lauern. Manche Spielsysteme sind hierfür prädestinierter als andere. Cthulhu beispielsweise mehr als etwa Das Schwarze Auge. Aber dennoch haben alle genügend tödliches Potenzial, sodass man das Überleben eines Charakters bis ins Rentenalter hinein nicht als gegeben annehmen sollte.

Die womöglich größte Schwierigkeit fällt hierbei schnell auf: Man hat seinen Charakter liebgewonnen, spielt ihn vielleicht schon seit Jahren, und möchte sich nicht so einfach von ihm trennen. Besonders ein plötzlicher, unerwarteter Tod kann dann für Spieler ein Schock sein. Wie geht man also am besten damit um?

Welchen Einfluss habe ich als SpielerIn darauf?

Je nach Regelsystem ist das Ableben eines Spielercharakters mal mehr, mal weniger wahrscheinlich. Und darüber sollte man sich im Klaren sein. Nicht jedes System geht von nahezu unbesiegbaren, heroischen Recken aus. Manchmal verkörpert man eben nur ganz normale Menschen, für die es in einer heiklen Situation schnell um Leben oder Tod gehen kann. Nicht immer gibt es rettende Heiltränke, die einem eingeflößt werden können, ist ein Magier mit heilendem Zauber zur Stelle, kann die lebensbedrohliche Verletzung schnell genug behandelt werden.

Und so sollte man sich, systemunabhängig, von vornherein klar machen, dass der eigene Charakter keinen Anspruch auf ein ewiges Leben hat. Wer sich darauf einlässt, Abenteuer zu bestreiten, der muss auch mit den schlimmsten negativen Ausgängen leben können. Oder eben damit, nicht mehr zu leben. Insbesondere, wenn man sich bewusst und freiwillig in gefährliche Situationen begibt, muss man mit möglicherweise ungeahnten Konsequenzen rechnen. Ebenso kann eine rücksichtslose Spielweise zum frühzeitigen Tod führen.

Als SpielerIn sollte man also nicht sofort der Spielleitung oder den Würfeln die Schuld geben, denn beide tun dies sicherlich nicht aus Boshaftigkeit. Vielmehr sollte auch das eigene Verhalten reflektiert werden. Ein Gespräch mit der Spielleitung kann hierbei zu einem Kompromiss oder einer Lösung führen, mit der möglichst alle zufrieden sind.

Den Tod zulassen oder verhindern?

Vor allem im Kampf ist es sehr schwer, vorauszusehen, was passieren wird. Gut, der Erfolg der Spielercharaktere ist meist gewiss. Aber dennoch kann es „Ausreißer“ seitens der feindlichen NSC geben, die durch das Würfelergebnis der SpielleiterIn bestimmt werden. Ein plötzlicher glücklicher Schlag oder ein gut platzierter Schuss, dem der Spielercharakter nicht mehr entgehen kann. Und schon besteht die Möglichkeit, dass man ins Jenseits befördert wird.

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Als SpielleiterIn hat man durchaus die Wahl, ein gewürfeltes Ergebnis zugunsten der SpielerInnen zu ignorieren oder abzuschwächen. Es ist ebenso legitim, den Würfeln das letzte Wort zu lassen. Diese Möglichkeit kann schneller zu heiklen Situationen, aber auch zu Spannungen am Spieltisch führen, wenn die Kommunikation im Voraus nicht ausreichend war. Vor allem aber ist in einer solchen Situation folgendes zu beachten: Die Bindung der SpielerInnen an ihren Charakter. Man hat ihn erschaffen, verkörpert, entwickelt. Identifiziert sich vielleicht sogar auf gewisse Weise mit ihm. Je nach Immersion ist der Tod des Charakters also ein mehr oder minder schlimmes Ereignis für seine/n SpielerIn.

Ein weiterer Punkt ist die einzelne Betrachtung der SpielerInnen und ihrer Charaktere. Wenn eine/r der SpielerInnen bereit ist, jegliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen, dann sind es die anderen unter Umständen noch lange nicht. Und hier sollte sich die Spielleitung gut überlegen, ob sie die ganze Gruppe für die Entscheidung eines Einzelnen bestraft. Unter Berücksichtigung dieser Dinge hat man als SpielleiterIn verschiedene Varianten zur Auswahl, für die man sich entscheiden kann:

  • Den Würfeln gehorchen – Man akzeptiert jedes Würfelergebnis und verändert es nicht. Auch wenn dadurch ein Spielercharakter, beispielsweise im Kampf, so viel Schaden erleidet, dass er stirbt.
  • Den Würfeln trotzen – Das Würfelergebnis kann abgeändert oder völlig ignoriert werden, sodass es zu dem passt, was der/die SpielleiterIn für die Situation am geeignetsten hält. Dadurch besteht auch die Möglichkeit, das Leben eines Charakters zu verschonen. Hier kann man zwar argumentieren, dass ein Würfeln in diesem Fall doch gar nicht mehr notwendig ist. Aber es hält die Spannung für die SpielerInnen hoch und sie müssen ja nicht wissen, dass etwas am Ergebnis geändert wurde.
  • Regelauslegung – Wenn, vor allem durch Würfelpech, ein Spielercharakter im Sterben liegt, kann man die Regeln etwas dehnen. So gelingt etwa der lebensrettende Heilzauber doch, obwohl er eigentlich ganz knapp misslungen ist.
  • Gnade walten lassen – Wenn der Spielercharakter bereits bewusstlos am Boden liegt, dann schlägt der Gegner eben nicht noch einmal zu, sondern widmet sich einem anderen Mitglied der Gruppe, das noch kämpfen kann und eine größere Gefahr darstellt.
  • Alternativen schaffen – Es muss nicht gleich der Tod sein. Falls offensichtlich wird, dass dem/der SpielerIn das Ableben des eigenen Charakters überhaupt nicht behagt, kann man andere Möglichkeiten anbieten. Etwa eine körperliche Beeinträchtigung oder ein längerer Ausfall, um sich wieder vollständig zu erholen.
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Während dies vor allem auf Spielercharaktere zutrifft, die schon länger gespielt werden oder gespielt werden sollen, gilt anderes für die Charaktere eines One-Shots. Ein einmaliges, kurzes Erlebnis, für das spezielle Charaktere vorgegeben sind. Die SpielerInnen bauen in dieser Zeit keine allzu tiefe Bindung zu ihnen auf. So kann man als SpielleiterIn den Tod besser und vor allem gnadenloser einbauen. Es ist auch möglich, und der Atmosphäre alles andere als abträglich, wenn man einem Spielercharakter gar keine Wahl lässt und er oder sie einfach stirbt. Dadurch wird die Gefahr einer Situation mehr als deutlich und nimmt noch bedrohlichere Ausmaße an. Man kann sogar, besonders gut bei einem Horror-Setting wie Cthulhu, am Ende niemanden am Leben lassen oder die SpielerInnen im Ungewissen lassen, ob ihre Charaktere überlebt haben oder nicht.

Trotz all dieser Überlegungen sollte man auch eines nicht außer Acht lassen: Scheidet ein Spielercharakter aus dem Leben, so scheidet sein/e SpielerIn, zumindest erst einmal, aus dem Abenteuer aus. Geschieht dies ziemlich am Ende der aktuellen Sitzung, dann wird man wohl damit zufrieden sein, das restliche Geschehen nur als stummer Beobachter zu verfolgen. Geschieht es jedoch früher, dann sollte man ihn oder sie nicht außen vor lassen. Wenn ein Ersatzcharakter vorhanden ist, dann kann dieser an der nächsten passenden Stelle eingeführt werden. Ansonsten können kurzfristig ein oder mehrere NSC übernommen werden. Auf jeden Fall sollte man als SpielerIn nicht das Gefühl bekommen, ausgeschlossen zu werden.

Die Inszenierung

Es ist nun also passiert: Einer der Spielercharaktere ist tot. Ob durch einen Kampf, einen tiefen Sturz oder ein anderes Unglück, sei jetzt einmal dahingestellt. Wichtig ist, dass sein Ableben stattgefunden hat oder zumindest nicht mehr zu verhindern ist. Falls sich die Spielleitung schon zuvor Gedanken darüber gemacht hat, können diese jetzt angewendet werden. Ansonsten muss improvisiert werden.

Auf jeden Fall sollte die Szene mit mehr als einem beiläufigen Satz behandelt werden. Schließlich wird man als betroffene/r SpielerIn gerade damit konfrontiert, den eigenen Charakter jetzt nicht mehr spielen zu können. Sofern es die Situation zulässt, sollte dem sterbenden Charakter die Möglichkeit gegeben werden, ein paar letzte Worte zu sagen, bevor er endgültig stirbt, auch wenn er nach den Regeln eigentlich schon tot wäre. Den anderen Spielercharakteren sollte ebenfalls die Möglichkeit eingeräumt werden, auf das Geschehnis zu reagieren. Denn hier bietet sich großartiges rollenspielerisches Potenzial, je nachdem, wie ihr Verhältnis zu dem Sterbenden war.

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Doch auch nach dem endgültigen Tod ist es noch längst nicht vorbei. Soll es eine Beerdigung geben? Gab es noch offene Wünsche oder Erledigungen des Verstorbenen? Wollen die anderen ihm auf irgendeine Weise gedenken oder ihn ehren? Lässt sich daraus vielleicht sogar ein kleines Abenteuer improvisieren? Des Weiteren wird nun ein neuer Charakter benötigt, der in die Gruppe eingeführt werden muss. Vielleicht hat dieser ja eine Verbindung zu dem Verstorbenen?

Natürlich kann der Tod eines Charakters auch einfacher dargestellt werden. Vor allem, wenn es die äußeren Zustände gerade nicht zulassen. Befindet man sich auf einem Schiff und geht bei einem schweren Sturm über Bord, dann ist es schwierig, rechtzeitig zur Stelle zu sein. Aber auch hier kann man zumindest dem/der SpielerIn des betroffenen Charakters Zeit geben, um zu beschreiben, wie dieser seine letzten Minuten erlebt. Gleiches gilt, wenn sich ein/e SpielerIn aktiv dazu entscheidet, den Charakter zu opfern, um beispielsweise die Gefährten zu retten. Auch hier sollte die Möglichkeit gegeben sein, die Handlungen beschreiben zu können.

Ein anderer Fall tritt ein, wenn der Tod von vornherein geplant ist. Wenn sich also vor Beginn des Spielabends SpielleiterIn und betreffende/r SpielerIn darüber verständigt haben. Dies kann mehrere Gründe haben: Man möchte seinen Charakter lieber heldenhaft abtreten lassen, als ihn in den Ruhestand zu schicken. Es wird ein baldiger Tod des Charakters befürchtet, und man möchte wenigstens ein wenig Einfluss auf dessen Ende haben. Oder man will diesen Charakter ganz einfach nicht mehr spielen.  Als SpielleiterIn sollte man diese Wünsche respektieren, sofern sie nicht zu überzogen sind, und versuchen, sie in das Spielgeschehen einzubauen.

Abschließend: Die Kommunikation zwischen SpielleiterIn und SpielerInnen

Auch hier, wie bei so vielen Themen am Rollenspieltisch, sind die Kommunikation und Kompromissbereitschaft zwischen SpielleiterIn und SpielerInnen das A und O. Denn nur so kann der Spielabend zu einem Erlebnis werden, das niemandem den Spaß an zukünftigen Treffen nimmt. Die ganze Gruppe, also SpielleiterIn und SpielerInnen, sollten sich zusammensetzen und zumindest über einige Eckpunkte Klarheit schaffen:

Wie sehr lässt man Würfelpech das Geschehen beeinflussen? Haben die Würfel immer Recht, oder darf man situationsabhängig anders entscheiden? Welche Aktionen seitens der SpielerInnen führen wahrscheinlicher dazu, dass ihre Charaktere sterben? Welche Handlungen schließen sie von der Gnade der Spielleitung aus? Und wie viele Warnungen sollte man als SpielleiterIn geben, bevor eine gefährliche Situation tödlich wird? Findet man hierbei einen gemeinsamen Nenner, dann steht einem erfolgreichen Zusammenspiel nichts mehr im Wege. Zumindest bei dem Thema Charaktertode.

Artikelbild: Depositphotos | luislouro / homeworks255, Bearbeitet von Verena Bach

2 Kommentare

  1. Ja, Würfelergebnisse ignorieren ist völlig legitim, wenn man langweilig leiten möchte. ;-)
    Ich verweise mal auf das Extrem-Beispiel Donnerhaus-Blog: Die halten Kämpfe für grundsätzlich langweilig, eben weil sie keine Spieler-Personnagen sterben lassen.

    Gute Spielleiter überlegen sich vor dem Würfeln, ob sie alle Ergebnisse für akzeptabel halten.

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