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Ein bisschen Spaß muss sein – oder? Am Rollenspieltisch gehen die Meinungen da stark auseinander: die einen bevorzugen dramatische Immersion, andere wollen sich die Gelegenheit, beim Spielen auch mal herzlich zu lachen, nicht verbieten lassen. Die richtige Balance dazwischen ist nicht immer leicht zu finden.

Hand auf‘s Herz, wie viele von euch dachten beim Titel dieses Artikels erst einmal: „Zu viel Humor? Aber das gibt es doch gar nicht!“? Sicherlich gar nicht so wenige. Und es stimmt ja: Rollenspiel ist ein Hobby und sollte in erster Linie Spaß machen und nach einem langen Arbeits- oder Studientag Entspannung bringen. In eine andere Welt zu entfliehen und in die Rolle eines Charakters zu schlüpfen, der sicherlich eigene Probleme hat, aber keines von denen, mit denen wir uns in unserem banalen Alltag herumplagen, ist ein wichtiger Faktor dabei. Ein anderer ist aber, aus sich herausgehen und einfach mal herzlich lachen, vielleicht sogar etwas albern sein zu können.

Gerade diese beiden Faktoren können aber in Konflikt stehen, wenn es darum geht, dass alle Anwesenden den größtmöglichen Spaß am Spielabend haben: für die einen ist ein hohes Maß an Immersion und die damit einhergehende Ernsthaftigkeit wichtig, die anderen legen Wert darauf, die lustigen Aspekte des Spiels auszunutzen. Das Zusammentreffen der beiden Einstellungen kann schnell allen den Spielspaß verderben: Zu viele unpassende Scherze verderben die Stimmung und lassen das Spiel in albernes Geplänkel abgleiten, völlige Humorlosigkeit aber wird den Rollenspielabend von einer geliebten Abendbeschäftigung in eine unangenehme Hausaufgabe verwandeln – heute müssen wir unsere Kampagne so und so viel weiterbringen, bloß keine Pausen in der Taverne, bloß kein Gespräch, das nicht in-game ist.

Ach, armer Yorick! Humor von Spielerseite

Ich gebe es zu, ich gehöre zu den Menschen, die sich bisweilen einen witzigen Spruch nicht verkneifen können, besonders, wenn andere (etwa die Spielleitung) sich eindeutig sehr, sehr ernst nehmen. Ganz besonders problematisch ist dieser Hang bei Horrorsystemen wie Call of Cthulhu. Grusel soll erzeugt und aufrechterhalten werden, Lachen stört nur. Außerdem hält es die SpielerInnen davon ab, sich in ihre Charaktere, die gerade womöglich kosmisches Entsetzen erleben müssen, hineinzuversetzen. Das stört nicht nur die SL, sondern auch die MitspielerInnen. Auch in anderen Spielsystemen gibt es Szenen, in denen Humor, vorsichtig gesagt, äußerst sparsam eingesetzt werden sollte: egal ob es gerade dramatisch, spannend, tragisch oder romantisch ist – wenn Mitglieder der Gruppe sich Mühe gegeben haben, Ambiente zu kreieren, gilt es zurecht als ziemlich unfein, dieses zu zerstören.

Galgenhumor als Bewältigungsstrategie.

Jedoch sollte dabei nicht vergessen werden, dass Humor ein Stilmittel ist, das schon seit langer Zeit in der Literatur benutzt wird, um unerträgliche Spannungsbögen und zu schwere Ernsthaftigkeit etwas abzumildern. Den Namen für dieses Stilmittel haben wir dem englischen Großdichter William Shakespeare zu verdanken: er nannte es Comic Relief. Auf Deutsch wird es manchmal als „komische Entlastung“ oder „Befreiung durch Komik“ übersetzt, aber der englische Begriff ist bei weitem der bekanntere. Shakespeare selbst hat es ausgiebig eingesetzt, auch und gerade in seinen Tragödien. Die bekannteste seiner Comic-Relief-Szenen ist wahrscheinlich der so genannte „Yorick-Dialog“ aus Hamlet, in dem der Titelheld leicht makaber über den (vermeintlichen) Schädel eines Hofnarren schwadroniert. Die Art von Humor, die Shakespeare hier anwendet, kann ohne Probleme als rabenschwarz bezeichnet werden – wenn es ins Ambiente der Spielwelt und der Kampagne passt, sollte das auch im Rollenspiel erlaubt sein.

Witz und Metawitz: Scherze im Spiel

Überhaupt gilt: ein Witz, der passt, kann das Ambiente gar nicht zerstören. Ein Weg, wie etwas Humor in die Spielrunde gebracht werden kann, ohne in Gespräche und Diskussionen abzugleiten, die gar nichts mehr mit der Spielwelt zu tun haben, ist die optionale Regel, dass Witze zwar erlaubt sind, aber nur, wenn sie in die Welt passen. Diese Regel wird im LARP schon angewendet, und bedeutet in erster Linie, sich zu überlegen: „Würde mein Charakter diesen Spruch in dieser Situation bringen?“ Nun ist zwar nicht jeder Charakter eine fromme Paladinin oder ein schlecht gelaunter Privatdetektiv. Aber selbst die größten Scherzkekse halten sich wahrscheinlich zurück, wenn die Konsequenz für einen Witz über des Königs pinke Pantoffeln der Galgen sein kann.

Man sollte abwägen: Würde mein Charakter diesen Spruch in dieser Situation bringen?

Und auch bei weniger dramatischen Konsequenzen für die Charaktere: ein bisschen gesellschaftliches Feingefühl lässt die meisten schon zweimal überlegen, was sie wann sagen wollen. Letztlich kann der Witz ja immer noch später in der Taverne vor den anderen Spielercharakteren zum Besten gegeben werden (wo er dann gegebenenfalls von Spionen des Königs mitgehört wird). Diese Regel ist nicht umsonst optional: Manche Gruppen schaffen es sehr gut, auch nach einem Spruch, der klar in die reale Welt gehört, wieder in das Spiel zurückzufinden, aber manchmal lohnt es sich, Menschen, die sich leicht ablenken lassen, dadurch im Spiel zu halten.

Galgenhumor: Scherze zum Selbstschutz

Die engere Definition von Humor ist, laut Wikipedia, „die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen“. Anders ausgedrückt, Humor ist so etwas wie ein Selbstschutzmechanismus, wenn es mal nicht so gut läuft. Und wie oft läuft etwas, oder vielleicht auch alles, was die Spielercharaktere anfangen, schief! Sei es Würfelpech im Kampf mit einem Monster, die fehlerhafte Planung einer Mission oder gar Verrat in der Gruppe – immer wieder ergeben sich Situationen, die für die Charaktere ärgerlich, gefährlich, mitunter sogar tödlich sein können. Bisweilen hilft nur Galgenhumor, um mit so einer Situation fertigzuwerden.

Galgenhumor als letzter Ausweg vor dem Verzweifeln?

Galgenhumor ist die reinste Form des Comic Relief: Ein Scherz über, am Rande von, oder kurz vor der absoluten Katastrophe kann deren Konsequenzen oft weniger hart erscheinen lassen. Wenn ein lang gespielter Charakter stirbt, ist es manchmal ein Trost, wenn er das wenigstens mit einem guten Witz auf den Lippen tut. Wie bei Shakespeares Hamlet darf der Humor hier gerne so schwarz werden, wie es der Gruppe beliebt. Hier gilt aber ganz eindeutig: Über das eigene Elend zu scherzen ist OK – sich über das anderer lustig zu machen, ein No-Go. Eigentlich klar, oder?

Humor von Seiten der Spielleitung

Der Spielleiter oder die Spielleiterin ist nicht immer nur die graue Eminenz, die über das ordnungsgemäße Absolvieren des Plots wacht. Bisweilen hat er oder sie sogar selbst einen Sinn für Humor und will – wer hätte das gedacht – sogar selbst ein wenig Spaß haben. Wie oben erwähnt, ist es dabei schon recht angenehm, wenn die Gruppe den mühsam ausgearbeiteten Plot und das Ambiente nicht komplett entgleisen lässt und mit ein bisschen Spielspaß bedenkt. Andererseits kann auch von hinter dem Schirm Comic Relief eingebracht werden – besonders dann, wenn die Gruppe über lange Zeit ernsthaft gespielt hat und/oder sich plottechnisch in einer Sackgasse befindet.

Der lustige Charakter sollte nicht ins Alberne abgleiten.

Eine Möglichkeit Comic Relief als SL einzubringen, ist die, die auch häufig in Film und TV angewendet wird: Der „lustige“ Charakter. Gimli Gloinssohn, gespielt von John Rhys-Davis, aus der Verfilmung der Herr der Ringe ist beispielsweise so ein Charakter. Ein NSC, der die Gruppe begleitet, darf durchaus lustige Eigenschaften haben – solange er nicht die ganze Geschichte ins Alberne kippt. Das passiert besonders dann, wenn der Charakter außer seiner Lustigkeit keine anderen Eigenschaften hat und komplett zweidimensional bleibt, oder, wenn er komplett nutzlos ist und die Gruppe ohne deren Schuld in Gefahr bringt. Die Ausnahme dazu sind Charaktere, die wichtig für den Plot sind, etwa der feige Prinz, den die Gruppe beschützen soll, oder solche, die die Charaktere selbst bei sich aufgenommen haben, wie etwa der niedliche, aber nicht gerade wohlerzogene Pseudodrache, der der Pathfinder-Magierin zugelaufen ist.

Ein anderer Weg, einen Comic-Relief-NSC einzubringen, ohne dabei ein neues Gruppenmitglied zu erschaffen, ist ein „wiederkehrender Charakter“, der, mehr oder weniger realistisch, der Gruppe immer mal wieder über den Weg läuft. Ein Beispiel dafür ist der Kohlhändler aus der Fernsehserie Avatar: The Last Airbender. Auch hier gilt es allerdings, mit Fingerspitzengefühl herauszufinden, ob der Scherz gerade passt.

Spiele mit erhöhtem Spaßpotenzial

Schließlich gibt es für SpielleiterInnen und solche, die noch SpielleiterIn werden wollen, die Möglichkeit, die ernsthafte Kampagne für einen Abend auf Eis zu legen, und einfach mal etwas anderes zu machen. Es gibt eine Menge Spiele, die nur darauf ausgelegt sind, Spaß zu bringen, zum Beispiel Ratten! mit seinem Nachfolger Ratten im Weltraum!, Kobolds Ate My Baby, Nefertiti Overdrive und viele mehr. Aber auch „ernsthaftere“ Systeme, deren Grundidee nicht explizit auf Humor ausgelegt ist, können für einen Abend zum Spaß-Spiel gemacht werden. Es darf zum Beispiel ausprobiert werden, gespielte Charaktere von einem „düsteren“ System in ein etwas lustigeres umzuschreiben, also beispielsweise von Call of Chtulhu auf Cthulhu Pulp oder Hollow Earth Expedition. Aber auch mit einer Gruppe, die ihre üblichen Charaktere nicht aufgeben möchte, kann die Spielleitung ein spaßigeres Abenteuer einflechten: Einfach mal eine Mission spielen, die nicht ins übliche Portfolio der Gruppe passt und vielleicht ein bisschen mehr Fluff als Bezahlung oder Erfahrungspunkte bringt.

Konflikt der Kulturen: Stimmungskiller vs. Spaßbremse

„Stimmungskiller“ mag die Person genannt werden, die mitten in der dramatischen Beschreibung einen Witz reißen muss, „Spaßbremse“ die, die jeden Scherz im Spiel mit einem bösen Blick bedenkt. Zu viel Humor im Rollenspiel macht das Ambiente und die Spannung kaputt, zu wenig macht es trocken und beraubt alle Anwesenden des Comic Reliefs, der kurzfristigen Entspannung in einer ansonsten ernsthaften Kampagne. Ein witziger Spruch zur richtigen Zeit kann in miesen Situationen sogar die Laune der Gruppe retten, wenn sonst alles verloren scheint.

Konflikte zwischen den „Immersiven“ und den „Scherzkeksen“ sind vorprogrammiert.

Um sicherzustellen, dass möglichst wenig Konflikte zwischen den „Immersiven“ und den „Scherzkeksen“ entstehen und trotzdem alle Spaß am Spiel haben, kann es helfen, ein paar Regeln aufzustellen und zu beachten:

  1. Humor zulassen – Comic Relief ist ein altes literarisches Stilmittel, das über düstere Phasen hinwegtrösten kann.

  2. Lache über dich selbst, nicht über andere.

  3. Scherze als dein Charakter, nicht als du selbst – so lässt sich das Abgleiten in out-game Gespräche verhindern.

  4. Lass anderen Raum zum Spielen – wenn andere eine dramatische Szene spielen, ist es manchmal besser, einfach die Klappe zu halten.

Diese Liste an Regeln ist bei weitem nicht vollständig, und manche mögen nicht für euch funktionieren. Wie bei so vielen Problemen, die in Rollenspielgruppen auftauchen können, kommt es auch hier auf die Persönlichkeiten an, die um den Spieltisch sitzen. Damit alle zu ihrem Recht kommen, braucht die Gruppe zweierlei: Kommunikation und Empathie für die Mitspielenden.

 

Artikelbilder: © creatista, © SIphotography, © konstantynov, © kues | depositphotos.com, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

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