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Pathfinders zweite Edition ist fast ein Jahr alt und im letzten Monat endlich auch auf Deutsch erschienen. Zusammen mit den Vereinfachungen gegenüber der ersten Edition kamen vor allem neue Regeln und damit Entscheidungen für die Spieler. Welche Option ist wann besser? Ein paar davon schauen wir uns hier an.

Ein paar kleine Hinweise vorweg: Die generellen Regeln und Neuerungen von Pathfinder 2 haben wir uns vor einiger Zeit bereits angeschaut. Den zweiteiligen Artikel dazu findet ihr hier und hier. Ich werde hier zwar versuchen, die jeweils untersuchten Optionen kurz zu erklären, kann aber nicht versprechen, dass Leser, die mit Pathfinder 2 überhaupt nicht vertraut sind, alles vollständig nachvollziehen können. Da mir das Regelwerk nur auf Englisch vorliegt, werde ich teilweise englischen Begriffe verwenden.

Dungeons & Dragons 3.5 war nie als einfaches System gedacht. Auch dessen Nachfolger Pathfinder war entsprechend regellastig und bot damit den Spielern auf der einen Seite viele Optionen, auf der anderen aber auch bisweilen Kopfschmerzen, welche davon denn nun die bessere sei. Und auch wenn Pathfinder 2 deutlich weniger Optionen bietet als der Vorgänger – kaum verwunderlich, ist es doch auch noch keine 10 Jahre und damit 100+ Bücher alt – so gibt es die eine oder andere Stelle, an der man sich als Spieler fragt: Was machen ich denn nun genau am besten? Das kann sowohl beim Bau des Charakters der Fall sein als auch im Spiel selbst. Ein paar solcher Fälle habe ich mir ausgesucht und werde sie gemeinsam mit euch im direkten Vergleich unter die Lupe nehmen.

Nichtmagische Wundversorgung durch Experten

Einer der großen spielerischen Unterschiede zu Pathfinder 1 ist sicherlich, dass in der zweiten Edition nichtmagische Heilung eine wirklich gute Option ist. Mittels der Fertigkeit Medizin können (ohne weitere Talente) durch ein zehnminütige Behandlung Lebenspunkte wiederhergestellt werden. In der einfachsten Variante gegen Schwierigkeit 15 und bei Erfolg erhält das Ziel 2W8 Lebenspunkte zurück. So weit, so einfach.

Interessant wird es, sobald der Mediziner mindestens den Fertigkeitsrang Experte in Medizin hat. Denn dann hat er die Wahl, gegen eine höhere Schwierigkeit (20) zu würfeln, um mehr Trefferpunkte zu heilen (2W8+10). Dadurch steigt aber zum einen die Wahrscheinlichkeit auf Fehlschläge oder kritische Fehlschläge, und zum anderen sinkt die Chance auf einen kritischen Erfolg, der ebenfalls mehr geheilt hätte (4W8). Die exakten Regeln dazu könnt ihr in der offiziellen (englischen) Onlineversion der Regeln finden.

Vergleichen wir die beiden Optionen, ist ein normaler Erfolg der Expertenvariante minimal besser als ein kritischer Erfolg der normalen Variante (19 statt 18 Trefferpunkte im Schnitt). Entsprechend wäre für jedes Ergebnis über 20 die Wahl der Expertenvariante die bessere gewesen. Erreicht das Ergebnis gar 30 oder würfeln wir eine natürliche 20, so erzielen wir auch in der Expertenversion einen kritischen Erfolg und heilen ca. 28 Trefferpunkte. Erkauft wird dies mit den Ergebnissen zwischen 15 und 19, in denen die normale Variante Erfolg gehabt hätte, die Expertenversion aber nicht.

Der kritische Fehlschlag, also die gewürfelt 1 oder ein Ergebnis um 10 oder mehr unter der Schwierigkeit, fällt kaum ins Gewicht, da man mindestens Stufe 3 sein muss, um Experte zu werden und damit einen Mindestbonus von +7 erreicht (Experte selbst gibt ja auch +4). Da fehlen gerade einmal noch zwei Punkte Bonus, die man durch Weisheitsbonus, höhere Stufe, besseres Heilerwerkzeug, etc. erreichen kann, damit eine gewürfelte 2 bereits kein kritischer Fehlschlag mehr ist. Erst bei relativ hohen Werten von +14 bis +18, in denen die gewürfelte 1 bei der normalen Variante kein kritischer Fehlschlag mehr ist, entsteht hier wieder ein Unterschied.

Manchmal ist es aber gar nicht so wichtig, wie viel man heilt, sondern vielmehr, dass man überhaupt etwas heilt. Zum Beispiel, wenn der eigentliche Heiler der Gruppe bewusstlos am Boden liegt, oder aber wenn man mittels des Talents Battle Medicine das Ganze nicht im Laufe von 10 Minuten, sondern mitten im Kampf machen kann. In diesen Fällen kann es durchaus vorkommen, dass die normale Variante einen kleinen Vorteil hat.

Die erwartete Heilung pro Anwendung, sowie die Chance, überhaupt zu heilen, findet ihr in der folgenden Tabelle. Diese enthält die gleiche Betrachtung auch für die Fertigkeitsstufen Meister und Legendär. Da hier die Schwierigkeit aber jeweils gleich um 10 statt um 5 steigt, lohnt sich deren Einsatz erst etwas verzögerter.

Die Spalte „Schaden“ ist die Wahrscheinlichkeit auf einen kritischen Fehlschlag, welcher Schaden verursacht. „Nichts“ ist die Wahrscheinlichkeit, dass man einfach einen normalen Fehlschlag hat, also weder etwas heilt noch dem Ziel schadet. Die Spalte „Heilung“ gibt die statistisch zu erwartende Heilung pro Anwendung der Fertigkeit an.

Die grauen Bereiche entstehen dadurch, dass die höheren Fertigkeitsstufen erst ab bestimmten Charakterstufen zugänglich werden und niedrigere Boni hier nur durch Abzüge möglich wären.

Die Tabelle endet bei einem Bonus von +39, da ab hier die legendäre Variante in jedem Bereich die Beste ist.

Die Tabelle, inklusive der verwendeten Formeln, findet ihr am Ende des Artikels auch zum Herunterladen.

Power Attack, Double Slice oder einfach nur zwei Angriffe

Für Krieger, die versuchen wollen, einem Ziel maximalen Schaden zuzufügen, gibt es sowohl beim Charakterbau also auch im Spiel selbst mehrere Möglichkeiten: Die offensichtlichste ist dabei, eine Waffe mit möglichst großem Schadenswürfel zu verwenden und dann mehrmals (für die Betrachtung: zwei Mal) auf den Gegner zu dreschen oder mittels Power Attack einmal richtig feste zuzuschlagen. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz von zwei Waffen und dem Talent Double Slice. Da jede der genannten Optionen als zwei Attacken gilt und zwei Aktionen verbraucht, sind sie in dieser Hinsicht identisch, so dass wir diesen Aspekt bei der weiteren Betrachtung vernachlässigen können.

Da die einzelnen Optionen sich stark verändern, je nachdem welche Ausrüstung und Stärkeboni verwendet werden, müssen wir hier jedoch ein paar Annahmen treffen. Wir gehen hier von einem Stärkebonus von +4 aus (den die meisten Krieger zwischen Stufe 1 und 9 haben werden), sowie von nicht-magischen Waffen.

Für die Varianten des mehrfachen Angreifens wurde die Waffe mit dem größten Würfel bei zweihändiger Führung gewählt: Greataxe, Greatsword oder Maul, die jeweils bei W12 liegen. Die unterschiedlichen Schadensarten spielen für die Betrachtung keine Rolle.

Für die Haupthand des Kampfes mit zwei Waffen wurde eine Waffe mit maximalem Schadenswürfel bei einhändiger Führung gewählt. Die Liste ist lang, aber der Schadenswürfel ist immer W8. Für die zweite Waffe ist die Wahl, ebenfalls den W8 zu verwenden und dabei einen Malus von -2 auf den Angriff zu erhalten, oder eine Waffe mit Agile Trait zu verwenden, um diesen Malus zu umgehen. Der höchste Schaden, der dabei erreicht werden kann, ist der W6.

Entsprechend erhalten wir die folgenden Werte:

  • Schaden für Angriff mit Zweihandwaffe: 1W12+4, Schnitt: 10,5
  • Schaden für Angriff mit Zweihandwaffe und Power Attack: 3W12+4: Schnitt: 17
  • Schaden für Angriff mit Haupthand/Zweithand mit Malus: 2W8+4, Schnitt: 8,5
  • Schaden für Angriff mit Zweithand ohne Malus: 2W6+4, Schnitt: 7,5

Für Power Attack wird dabei nur ein einziges Mal gewürfelt, für alle anderen Varianten zwei Mal, wobei teilweise ein Malus auf den Wurf erfolgt. Alle Varianten, außer einfach nur zwei Mal zuzuschlagen, rechnen den Schaden für Schadensreduktionen zusammen, so dass hier bei entsprechender Reduktion diese normale Variante im Nachteil ist.

Da die tatsächlichen Werte für Rüstungsklasse und Angriffsbonus gegeneinander verrechnet werden können, wird in der Tabelle nur der Mindestwurf zum Treffen angegeben. Da eine natürliche 1 immer verfehlt, beginnt die Tabelle bei 2.

Power Attack ist also in den allermeisten Fällen statistisch gesehen die beste Variante. Jedoch ist es auch nur ein einzelner Wurf, also alles oder nichts. Wenn man lieber zwei Mal würfeln will, um die Chance zu erhöhen, überhaupt Schaden zu verursachen, ist bei einfachen Gegnern, also denen, die man relativ leicht trifft, die beste Variante, einfach zweimal zuzuschlagen. Insbesondere auch, weil man den Schaden dann eventuell auf zwei Ziele verteilen kann. Erst ab einem Mindestwurf von 11 gewinnt Double Slice mit einer Agile-Waffe hier das Rennen.

Interessant ist insbesondere auch, dass es eigentlich nie Sinn ergibt, mit zwei Waffen zu kämpfen, bei denen die zweite NICHT Agile ist.

Wir haben für dieses Ergebnis eine Menge Annahmen getroffen. Daher ist es interessant zu sehen, wie sich Änderungen dieser Annahmen auf das Ergebnis auswirken. Zum Beispiel durch eine Striking Rune, die jeweils einen zweiten Schadenswürfel hinzufügt:

Hier sieht man, dass die rohe Gewalt des einfach doppelten Zuschlagens meist im Vorteil ist – vorausgesetzt, der Gegner hat keine Schadensreduktion. Erst bei schwer zu treffenden Gegnern (14+) gewinnt die Variante Double Slice mit einer Agile-Waffe.

Und wenn wir noch ein Stück weiter gehen? Ab Stufe 10 steigt der Attributsbonus auf +5, Power Attack bekommt einen weiteren Würfel hinzu, ab Stufe 12 kommt mit der Greater Striking Rune auch der dritte Schadenswürfel für die Waffen ins Spiel. Interessanterweise ändert das zwar die Zahlen, aber nichts an der Tatsache, was wann die beste Variante ist:

Power Attack scheint also für die ersten paar Stufen die beste Wahl zu sein, verliert danach aber gegenüber allen anderen Varianten an Boden, da es nicht schnell genug mitwächst. Einfach zweimal zuzuschlagen ist oftmals die beste Option, aber Kampf mit zwei Waffen hat im Kampf gegen schwierige Gegner, also solche, die schwer zu treffen sind oder eine Schadensreduktion haben, ebenfalls Glanzmomente.

Größerer Würfel gegen bessere Crits

Für unsere letzte Betrachtung bleiben wir beim Verursachen von Schaden, schauen uns aber dieses Mal Waffen an, die besonders viel Schaden verursachen, wenn ein kritischer Treffer erzielt wird. Dabei gibt es zwei Varianten: Zum einen wäre die Eigenschaft Deadly zu nennen, die bei kritischen Treffern einfach einen zusätzlichen Würfel in festgelegter Höhe verursachen. Und zum anderen gibt es Fatal, was ebenfalls einen zusätzlichen Würfel verursacht, aber auch alle Schadenswürfel der Waffe durch größere ersetzt.

Für Zweihandwaffen gibt es als jeweils beste Varianten W12, W10 mit Deadly W10 und W10 mit Fatal W12.

Einhandwaffen gibt es mit W8, W6 mit Deadly W8 und W6 mit Fatal W10.

Agile Einhandwaffen (was zum Beispiel für den Kampf mit zwei Waffen relevant ist) liegen bei W6, W4 mit Deadly W8 und W4 mit Fatal W8.

Was auf den ersten Blick deutlich wird: Wenn es um das reine Schadenspotenzial geht, ist Fatal den Deadly-Waffen zumindest vor Stufe 12 – wenn die Greater Striking Rune ins Spiel kommt – klar überlegen. Nicht nur, dass die kleineren Schadenswürfel der Waffe aufgewertet werden, sondern auch der Zusatzwürfel ist größer als bei den vergleichbaren Waffen mit Deadly. Da es aber bei den Deadly-Waffen eine deutlich größere Auswahl gibt und diese teilweise weitere wünschenswerte Eigenschaften wie Reach, Trip, etc. mitbringen können, ist es dennoch sinnvoll, sie mit den ebenfalls relativ flexiblen Waffen ohne besondere Effekte bei kritischen Treffern zu vergleichen.

Für den Vergleich treffen wir die gleichen Annahmen wie im Abschnitt zuvor: Ein Schadenswürfel, Stärkebonus von +4 auf den Schaden.

Hier sieht man, dass es keinen klaren Sieger gibt. In bestimmten Bereichen ist die normale Waffe vorne, meist ist es aber die Waffe mit Fatal. Diesen größeren Schaden erkauft man sich dadurch, dass es hier aber keine weiteren Waffeneigenschaften gibt. Will man die größere Auswahl an Eigenschaften haben, so sind jeweils in etwa der Hälfte des Spektrums die normalen oder die Deadly-Waffen besser. Und da sich durch iterative Attacken der Mindestwurf bei jedem Angriff verändert, gleicht sich dies in den meisten Fällen relativ gut aus.

Verändern wir die Voraussetzungen, so dass zwei Schadenswürfel von der Waffe kommen, ändert sich das Bild etwas. Dazu kommt noch, dass die kämpfenden Klassen auf den entsprechenden Stufen die Critical Specialization für ihre Waffen bekommen. Bei den Picks, die die einzigen Fatal-Waffen im System sind, fügt diese Spezialisierung weiteren Schaden bei kritischen Treffern hinzu. Dies ist in die Berechnung mit eingeflossen. Die Zusatzeffekte der anderen Waffen sind nicht direkt als Schaden zu beziffern und entsprechend nicht mit abgebildet.

Die Deadly-Waffen verlieren jeglichen Vorteil, und auch die Bedeutung der Fatal-Waffen sinkt – zumindest, wenn wir von zweihändigen Waffen sprechen. In den anderen Kategorien gewinnen diese Waffen das Rennen um den Schaden in den meisten Fällen. Was sie aber nicht unbedingt zu den besten Waffen macht, denn die anderen Waffen verursachen weitere Effekte bei kritischen Treffern, die in vielen Fällen besser sein können als purer Schaden.

Mit der Greater Striking Rune erhöht sich der Zusatzeffekt von Deadly-Waffen ein wenig, was aber auch nicht ausreicht, um gegenüber den beiden anderen wirklich an Boden zu gewinnen:

Die Vorherrschaft der Fatal-Waffen geht hier ein bisschen zurück. Und das vor Beachtung der Tatsache, dass die anderen Waffen auch Effekte durch die Critical Specialization haben, die nicht direkt in Schadenspunkten zu beziffern sind.

Damit sind wir für heute auch schon am Ende unseres Artikels angelangt. Habt ihr ähnliche Fälle, von denen ihr gerne wüsstet, was denn nun genau wann die bessere Wahl ist? Dann hinterlasst einen Kommentar. Wenn genug davon zusammenkommen, werde ich diese dann in einem Folgeartikel untersuchen.

Wenn ihr selbst ein wenig mit den Zahlen spielen wollt, so findet ihr die verwendeten Tabellen und Formeln hier zum Download.

Titelbild: © Paizo LLC, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur, Überarbeitung: Roger Lewin

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