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Lorakis, die Welt von Splittermond, steckt voller alter Geheimnisse. Im Orakel von Ioria senden die Götter den Sterblichen Prophezeiungen, um diese Mysterien zu lüften. Leicht sind die Weissagungen jedoch nicht zu entschlüsseln. Dies müssen auch die Abenteurer erfahren, die Das Prisma

Das Shahirat Shahandir ist der westlichste Teil des Reiches des Padishahs von Farukan. Diese Großmacht im Osten von Lorakis ist in seiner Beschreibung geprägt von orientalischen Elementen. Gut 60 Jahre vor Beginn der Spielzeit gelang es den Truppen des Padishahs, einen Teil des benachbarten Reiches Dalmarien zu erobern. Das Shahirat Shahandir entstand dort, wodurch sich ein Kulturgeflecht bildete, das Erinnerungen ans irdische Südosteuropa der frühen Neuzeit weckt. In dieser Gegend und auch vor dem Hintergrund der Eroberung sowie den dadurch entstandenen Spannungen zwischen Eroberern und Eroberten, spielt das Abenteuer Das Prisma von Peter Menke.

Alte Prophezeiungen und frische Rätsel

Das Abenteuer beginnt in der Stadt Vilnur. Die Spielfiguren werden von einer jungen Adligen angeworben, die gleichzeitig den Priestern des eingangs erwähnten Orakels von Ioria als Wahrheitsfinderin dient. Das Prisma enthält zwar alle relevanten Informationen zum Orakel, aber damit zumindest die Spielleitung grundlegendes Wissen über dessen Standort und Hintergrund zur Verfügung hat, sollte der Band Splittermond – Die Welt vorliegen. Gleiches gilt auch für die Darstellung Shahandirs, des eigentlichen Abenteuerschauplatzes, aber in dieser Hinsicht übertrifft die Beschreibung im Abenteuer den Inhalt der wenigen Seiten im genannten Band.

Die Pflanzenprophezeiung

Die Wahrheitsfinderin Diriona Mabilis ist aktuell mit der Auflösung der so genannten Pflanzenprophezeiung beschäftigt. Zwar weiß sie bereits, dass die Lösung in den Goldtälern nahe Vilnur zu finden sein muss, konnte ihre Suche aber aufgrund einer Beinverletzung nicht fortsetzen. Die Abenteurer sollen diese Aufgabe nun übernehmen.

Trotz seiner allgemeinen Linearität beginnt Das Prisma mit einem relativ offenen Teil. Die Spielfiguren bewegen sich innerhalb der lieblichen Landschaft, die von schroffen Hügeln aber auch fruchtbaren Tälern voller Sonnenblumen und Weizenfelder, geprägt wird. Bei ihrer Suche stoßen sie auf verschiedene Orte und Personen, wobei sie der Auflösung der Prophezeiung immer näherkommen. Wer bereits einen Teil des Geheimnisses erblicken möchte, schaut bitte diskret in den folgenden Spoilerkasten.

Das Prisma – welches Geheimnis steckt dahinter?

Spielleiter-Information

Die Lösung der Pflanzenprophezeiung führt die Spielfiguren schließlich zu einem alten Herrenhaus, in dem die letzte Erbin einer alten dalmarischen Familie seit der Eroberung durch die Farukaner in Abgeschiedenheit lebt. Die Verbitterung gegenüber den neuen Verhältnissen und die Historie der Region lassen sich vor diesem Hintergrund gut darstellen. Dass die Prophezeiung dazu führt, ein altes Familiengeheimnis zu lüften und dem Landstrich zudem ein bisschen Frieden zurückzugeben, ist ein schöner Nebeneffekt der Suche.

Was Diriona Mabilis und somit auch die Abenteurer allerdings nicht wissen: Die oberen Wahrheitsfinder erhoffen sich von der Auflösung der Pflanzenprophezeiung einen Hinweis auf eine viel geheimnisumwittertere Weissagung. Seit Jahrhunderten empfangen die Priester des Orakels von Ioria einmal pro Generation so genannte „Hochweise Gesichter“, Sprüche, die auf einen Gegenstand hinweisen, der jede Prophezeiung zu entschlüsseln vermag. Diesen Gegenstand nennen sie inzwischen Prisma, die Sprüche bezeichnen sie als Prismaparaphrasen.

Da die siebzehnte Prismaparaphrase auf einen Standtort in Shahandir hinweist, sind für die Wahrheitsfinder nun all jene Prophezeiungen von besonderem Interesse, die einen Bezug zu Shahandir haben. So auch die Pflanzenprophezeiung, mit deren Lösung Diriona Mabilis beauftragt wurde. Da die Wahrheitsfinderin jedoch nichts über diesen Hintergrund ihres Auftrages weiß, ihn sogar als unwichtig einstuft, nimmt sie eine Beinverletzung zum Anlass, das Geld ihrer Familie zur Anwerbung einiger Ermittler einzusetzen.

Letztlich wird sich dieser Irrtum als Glücksfall herausstellen, denn natürlich sind es schließlich die Abenteurer, die dem Prisma auf die Spur kommen. Um was es sich bei diesem Gegenstand genau handelt, würde einen weiteren Spoilerkasten erfordern, den wir uns an dieser Stelle lieber sparen. So viel sei gesagt: Den Großteil des Abenteuers nimmt die Lösung der Pflanzenprophezeiung ein, sobald das Prisma erkannt wurde, geht es bereits mit großen Schritten Richtung Finale. Diese Wendung gibt dem ansonsten eher beschaulichen Abenteuer aber noch einmal etwas Schwung.

Zusätzliche Dynamik bekommt die Handlung außerdem durch die Gegenspieler im Hintergrund verliehen. Diese Personen sind ebenfalls dem Prisma auf der Spur und folgen der Fährte der Abenteurer. Wenn diese sich auffällig verhalten, kann sich die Spielleitung entsprechende Aufmerksamkeitspunkte notieren. Je höher dieser Wert steigt, desto gefährlicher werden die Gegenspieler.

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Entspannte Rätselsuche

Das Prisma ist ein Abenteuer, das mit sehr wenig Action auskommt. Kämpfe können zwar eingebaut werden, finden aber so gut wie nicht statt. Es schlägt also die Stunde der intellektuellen Charaktere, die sich gerne in staubigen Archiven herumtreiben und alte Folianten studieren. Kämpfer sollten zumindest ein Grundmaß an Wissensfertigkeiten mitbringen, sich auf Etikette verstehen, oder aber mit einer Rolle im Hintergrund zufrieden sein.

Das Abenteuer besitzt einen klaren Aufbau, was angesichts seiner Komplexität auch notwendig ist. Zu Beginn eines jeden Abschnitts, gibt ein kurzer Infokasten eine praktische Übersicht darüber, was als nächstes passieren wird, was das Ziel der Spielfiguren sein sollte, wie sie es erreichen können und welche Auswirkungen sich ergeben können.

Die Krux an Das Prisma ist, dass das Abenteuer insgesamt sehr komplex ist. Die Spielleitung kann nach intensiver Vorbereitung dank des klaren Aufbaus leicht die Übersicht bewahren, die SpielerInnen werden mental aber mehr als sonst gefordert sein. Mehr als die Frage nach den geeigneten Charakteren, stellt sich also die Frage nach den geeigneten Personen, die Spaß an einem derart verkopften Abenteuer haben. Denn auch wenn die Stimmung sich durch die entschleunigte Handlung und das farbenfrohe Setting schnell entspannen kann, sollte trotz aller Gemütlichkeit die Konzentration nicht verloren gehen. Obwohl die Handlung sehr geradlinig aufgebaut ist, schreitet sie ohne entsprechende Lösungen durch die SpielerInnen und daraus folgende Aktionen nicht voran.

Erscheinungsbild

Das Prisma ist insgesamt ansprechend gestaltet. Die schwarze Schrift auf dem einfachen weißen Papier ist gut zu lesen. Kleine Infokästen heben sich durch Grauschattierungen vom Rest des Textes ab und sind in erträglicher Anzahl im Abenteuer verteilt.

Wie auch die anderen regulären Softcover-Abenteuer von Splittermond ist Das Prisma farblos gehalten. Illustrationen wird durch Grauschattierungen mehr Dynamik verliehen, doch dadurch erscheinen sie teilweise zu dunkel und sind nicht immer sofort zu verstehen. Die Porträts der Nichtspielercharaktere sind hingegen durch ihren feinen Strich gut gelungen.

Auch die Handouts haben eine angemessene Größe und sind gut lesbar. Da es sich vornehmlich um pseudo-handschriftliche Notizen, Archivtexte, Chronik-Einträge und dergleichen handelt, war es eine gute Entscheidung, diesen Handouts den Platz zu geben, den sie brauchen, um lesbar zu bleiben. Wären sie stattdessen eng auf die Seiten mit den Kopiervorlagen gesetzt worden, um Platz zu sparen, hätte dies für Frust beim Lesen, beziehungsweise Entziffern, sorgen können.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Uhrwerk Verlag
  • Autor: Peter Menke
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover / PDF
  • Seitenanzahl: 72
  • ISBN: 978-3-95867-211-6
  • Preis: 14,95 Euro (Softcover) / 8,99 Euro (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Sphärenmeister

 

Fazit

Das Prisma ist ein sehr gut gelungenes Abenteuer, das sich aber nur an eine eingeschränkte Gruppe von SpielerInnen richtet. Das Aufdecken alter Mysterien und das Lösen knackiger Rätsel stehen hier im Vordergrund. Das erfordert nicht nur die passenden Charaktere, sondern auch die richtigen Personen am Spieltisch. Wer sich gerne zwei bis drei Spielabende mit Recherche in Archiven und Ermittlungen in alten Anwesen beschäftigt, wird hier endlich das Abenteuer finden, das er oder sie schon so lange sucht. Wer eher auf launige Runden mit viel Action steht, sollte lieber einen Bogen um Das Prisma machen.

Hat man sich aber erst einmal auf diese Voraussetzungen eingelassen, wartet ein sauber strukturiertes Abenteuer, das trotz seiner verkopften Handlung Dynamik und Spannung entfaltet. Dass die Handlung trotz des Schwerpunkts auf Recherchearbeit nicht in einer überlaufenen Stadt und deren Archiven, sondern auf dem beschaulichen Land stattfindet, sorgt für einen ganz eigentümlichen Charme. Auf diese Weise gelingt auch die Einbettung in die spannende Historie der Region. All diese Elemente machen Das Prisma zwar nicht zu einem makellosen Abenteuer, aber schließlich doch zu einem bemerkenswerten Abenteuer, das unter Splittermond-SpielerInnen in guter Erinnerung bleiben dürfte.

Artikelbilder: © Uhrwerk Verlag, Bearbeitung: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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