Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Sprechende Tiere, Feen, Märchengestalten – der Waldbruder stößt in seinem Wald auf allerlei Phantastisches. Mal führt er Protokoll, wenn die Blumen ihre Blumenkönigin wählen. Mal deckt er das Geheimnis des Osterhasen auf. Stets gibt es etwas Neues zu erleben für ihn, der die Welt der Menschen hinter sich gelassen hat.

Im Sammelband In der Waldklause finden sich die Leser*innen in einem märchenhaften Wald wieder. Hier wohnt der Waldbruder in seiner Klause. Er hilft den Tieren, den Märchengestalten und dem Wald wo er nur kann, und erzählt diese Geschichten den Kindern, die ihn besuchen.

Die Geschichten wurden von Augustin Wibbelt, einem Priester und somit frommen Mann, geschrieben. Seine daraus resultierenden Ansichten spiegeln sich in denen des Waldbruders wider und spielen oft eine Rolle. Ein märchenhafter Wald ist dabei primärer Schauplatz, und er beherbergt nicht nur Tiere.

Story & Charaktere

Das Buch beginnt damit, dass die Hauptperson, vermutlich ein Priester oder Mönch, genug von der stressigen Welt hat und sich in eine Waldklause zurückzieht, um dort in Frieden mit der Natur zu leben. So wird er zum Waldbruder, der mit Tieren und Pflanzen reden kann. Er lebt zwar ein einfaches Leben, aber da er ein geselliger Mensch ist, lädt er Kinder zu sich ein und erzählt ihnen Geschichten über das, was er im Wald erlebt.

Diese Einladung stellt das erste Kapitel dar. Die Geschichten, die der Waldbruder erzählt, sind in die vier Jahreszeiten und die drei Jahre, über welche die Erzählungen reichen, aufgeteilt. Jedes Jahr beginnt mit dem Winter und endet mit dem Herbst. Jede Jahreszeit ist dabei in mehrere kleine Geschichten aufgeteilt, die meist drei bis vier Seiten lang sind.

Während dieser drei Jahre erlebt der Waldbruder die unterschiedlichsten Dinge. Er hilft den Tieren und Pflanzen bei ihren Problemen, und manchmal helfen sie auch ihm. Er lernt Märchen- und Sagengestalten kennen, wie etwa die Sieben Zwerge oder Aschenputtel. Feen und Kobolde begegnen ihm, und er bekommt es sogar mit Max und Moritz oder Hexen zu tun. Dabei werden immer wieder Phänomene aus einer Mischung aus christlicher und phantastischer Sicht erklärt. So zum Beispiel, warum die Nachtigall am schönsten singt, oder warum das Schneeglöckchen schon blühen kann, obwohl noch Schnee liegt.

Der Waldbruder ist ein christlicher und frommer Mensch, der sich um den Wald sorgt. Er kann aber auch streng sein und versucht stets den Frieden und die Harmonie zu wahren. Die Tiere sind stark personifiziert. Sie können reden, und manche tragen Kleidung oder rauchen Pfeife. Immer wieder verwendet der Waldbruder gar das Wort Person, wenn er ein Tier meint. Manche der Tiere weisen dabei Eigenschaften auf, die ihnen typischerweise zugeschrieben werden. So etwa Frau Eule, die sehr schlau und gelehrt ist. Viele der Tiere verstehen sich sehr gut mit dem Waldbruder, die Fleischfresser jedoch werden als Bösewichte dargestellt, insbesondere der Fuchs. Die Tatsache, dass sie Tiere essen, wird auch vom Waldbruder als schlechtes Verhalten angesehen. Das Fressen von Tieren ab Mäusegröße und abwärts scheint jedoch akzeptiert zu sein.

Neben den Tieren werden ebenso Pflanzen personifiziert, aber auch Konzepte wie etwa Märchen, Legenden oder Jahreszeiten machen in menschlicher Form Bekanntschaft mit dem Waldbruder.

Da der Waldbruder sich von einem Leben in der Welt der Menschen abgewandt hat, wird diese als nicht erstrebenswert beschrieben, der Wald hingegen fast paradiesisch, wobei auch dort die Ansässigen ihre Probleme untereinander haben. 

Waldklause_1Schreibstil

Die Ausdrucksweise ist teilweise veraltet. Einige Worte und Phrasen werden inzwischen nicht mehr benutzt und wirken altmodisch. Dennoch lassen sich die Geschehnisse gut verfolgen, da die Geschichten so geschrieben sind, als würde der Waldbruder sie den Kindern erzählen, die ihn besuchen. Sie sind demnach aus der Ich-Perspektive in einfacher, aber ausgeschmückter Sprache gehalten.

Die einzelnen Geschichten werden linear aus der Sicht des Waldbruders erzählt und nehmen manchmal Bezug aufeinander. Viele davon kann man dennoch unabhängig voneinander lesen.

Zu Beginn jedes Kapitels, die in Form von Jahreszeiten dargestellt werden, gibt es eine Übersicht der darin enthaltenen Geschichten mit entsprechender Seitenangabe. Um einzelne Geschichten besser finden zu können wäre es allerdings vorteilhaft gewesen, zu Beginn des Buches eine Übersicht hinzuzufügen, auf welchen Seiten die jeweiligen Kapitel beginnen.

Der Autor und der Verleger

Der ursprüngliche Autor dieser Geschichten, Augustin Wibbelt, wurde 1862 in Westfalen geboren. Er entschied sich, Priester zu werden, schrieb aber auch Artikel und humorvolle Erzählungen im Münsterländer Platt. Ende der 1920er Jahre entstanden die Geschichten über den Waldbruder. Für Nicolai Bonczyk, den Verleger des Mantikore Verlages, gehörte es zur Kindheit, diese Geschichten insbesondere in der Weihnachtszeit vorgelesen zu bekommen. Ursprünglich gehörten die Bände über den Waldbruder seiner Großmutter. Als er erfuhr, dass ihr schon immer einer der vier Bände gefehlt hatte, machte er sich auf die Suche danach und wurde schließlich fündig. So entstand die Idee, alle vier Bände in einem märchenhaften Sammelband, der potenziell für jede Altersklasse geeignet ist, zusammenzufassen.

Erscheinungsbild

Das Cover des Buches ist in dunklen Farben gehalten und zeigt eine nächtliche Szene. Im Kontrast dazu steht der Titel, der in weiß und blau-grau gehalten und leicht erhaben ist. Zu sehen ist ein kleines, beleuchtetes Haus in einer Vollmondnacht. Die Tür steht halb offen, sodass Lichtschein nach draußen dringt. Dadurch sind auch die Schatten zweier Klauenhände eines Wesens zu sehen, das sich im Haus befinden muss. Dieses Detail will nicht so recht zu den Geschichten passen, zumal davon auszugehen ist, dass es sich bei dem abgebildeten Haus um die Klause des Waldbruders handelt. Im Vordergrund rahmen ein stilisierter Hirsch und Hase den Namen des Autors ein. Umgeben wird die Szene von Bäumen, die mit ihren Kronen ebenfalls Klauenhände bilden und somit fehl am Platz wirken.

Der Text im Inneren wird immer wieder durch Illustrationen aufgelockert. Es sind schwarz-weiße Zeichnungen in unterschiedlichen Größen, die eine Szene der jeweiligen Geschichte darstellen.

Die Schrift weist eine angenehme Größe auf, wobei die Überschriften und der jeweils erste Buchstabe einer Geschichte in verschnörkelter, aber gut lesbarer Schrift verfasst sind. Die Seitenzahlen sind rechts und links von Ornamenten eingefasst.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore Verlag
  • Autor*in(nen): Augustin Wibbelt
  • Erscheinungsdatum: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Gebundenes Buch, E-Book
  • Seitenanzahl: 542
  • ISBN: 978-3-96188-112-3
  • Preis: 19,95 EUR (Gebundenes Buch), 9,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

Fazit

In der Waldklause ist ein Sammelband aus vielen kleinen Geschichten, die fröhlich, lustig,Waldklause_2 aber auch traurig oder lehrreich sein können. Sie eignen sich zum Selbst-Lesen, aber vor allem, um vorgelesen zu werden. Da sie allesamt jeweils nur wenige Seiten umfassen, kann man jederzeit aufhören und zu einem anderen Zeitpunkt weiterlesen. Es ist auch möglich, nur einzelne Geschichten zu lesen. Manche bauen zwar mehr oder weniger aufeinander auf, dennoch ist es in der Regel ohne Weiteres möglich, sie zu verstehen. Die Zeichnungen von Hauke Kock bieten dabei eine passende bildliche Untermalung, auch wenn nicht jede Geschichte ein Bild besitzt. Zu empfehlen ist das Vorwort, da der Verleger seine Motivation beschreibt, die schließlich zur Entstehung dieses Buches geführt hat.

Zu beachten ist, dass die Geschichten von einem Priester verfasst wurden. Sie sind stark von Christlichkeit und Frömmigkeit geprägt. Dies betrifft sowohl die Ansichten des Waldbruders als auch die vieler Waldbewohner*innen, und beides ist oft Thema oder spielt eine Rolle. Da die Geschichten in den 1920er Jahren entstanden, sind die Geschlechterrollen entsprechend der damaligen Ansichten verteilt und längst nicht mehr zeitgemäß. Zudem sei Eltern, die nicht sicher sind, wie ihr Kind auf den plötzlichen Tod eines Tieres reagiert, geraten, sich die Geschichten zuerst durchzulesen, bevor sie vorgelesen werden.

Dennoch können die unterhaltsamen und kurzweiligen Geschichten dieses Sammelbandes viele Stunden Freude bringen. Egal, ob allein gelesen, als Gute-Nacht-Geschichte oder im Familienkreis vorgelesen.   

 

Artikelbilder: Fotografien: Ayleen Schmidt | © Mantikore Verlag
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Rick Davids
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein