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Mit Mansions of Madness bekommt eines der besten Brettspiele in H. P. Lovecrafts Kult-Universum des Cthulhu-Mythos mit einiger Verspätung endlich eine Computerspiel-Umsetzung. Professorin Tillinghast braucht unsere Hilfe, also digitale Lupe geputzt und auf zu ihr! Aber was ist das? Sie öffnet die Tür nicht …

Vorgestellt wurde Mother’s Embrace bereits auf der Spiel 2018, damals noch als Mansions of Madness: Mother’s Embrace, danach wurde es jedoch sehr ruhig um den Titel. Ursprünglich sollte die Digitalumsetzung vom Brettspiel-Hit Mansions of Madness bereits im zweiten Quartal 2019 erscheinen. Die Umstrukturierungen im Hause Asmodee sowie Probleme mit dem damaligen Entwicklungsstudio scheinen für die knapp zweijährige Verzögerung gesorgt zu haben, so dann ist das Projekt nun im März als Arkham Horror: Mother’s Embrace, vermeintlich publikumswirksamer umbenannt, erschienen.

Für viele wirkt H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos ähnlich überstrapaziert als Brettspielthema wie Zombies, dennoch schwingt bei den Veröffentlichungen zu diesem Setting aus dem Hause Asmodee immer die Hoffnung mit, dass ein weiterer Qualitätstitel dabei herauskommt. Sowohl Arkham Horror (mittlerweile in der dritten Edition), als auch Mansions of Madness (in der zweiten Edition) und vor allem das Arkham Horror Kartenspiel (hier unsere Review) erfreuen sich großer Beliebtheit. Da Mansions of Madness ohnehin bereits mit umfangreicher App-Unterstützung gespielt wird, wirkt der Schritt zur digitalen Umsetzung nur folgerichtig. Schauen wir uns an, ob Asmodee hier einen weiteren Qualitäts-Hit liefert:

Genaueres Setting/Geschichte

Arkham Horror: Mother’s Embrace ist ein Detektivabenteuer und ein rundenbasiertes Strategiespiel. Zu Kampagnenstart wird die Hauptfigur aus einem von sieben bekannten Charakteren gewählt. Alle haben unterschiedliche Attribute, eine andere Fähigkeit und Hintergrundgeschichte sowie individuelle Stimmen (Audio aktuell nur auf Englisch verfügbar). Nach der Auswahl geht das Spiel auch schon los:

Wilhelmina Tillinghast, Professorin für Astronomie an der Miskatonic Universität, hat uns zu sich nach Hause eingeladen. Dort angekommen öffnet niemand die Tür, aber die Lichter sind an … also kurzerhand das Fenster aufgebrochen, um ins Haus zu gelangen. Bald danach sind Schreie aus einem anderen Stockwerk zu hören…

Als hartgesottene Ermittelnde wird den Schreien nachgegangen, allerdings scheinen auch andere auf dieser Spur zu sein und so begegnen wir im ersten Obergeschoss dem Agenten Roland Banks, der sich daraufhin der Ermittlung anschließt. Wer weiß, was die Schreie bedeuten? Da ist man als Team sicherlich besser gewappnet. Platz für ein drittes Teammitglied wäre noch, vielleicht hat sich in Tillinghasts Anwesen ja noch irgendwo jemand versteckt…

Oh, ein neues Teammitglied, wie praktisch. Drei Waffen machen mehr … äh, sechs Augen finden mehr Spuren als vier.

Hier möchte ich die Spoiler-Vorschau in die erste Mission aber beenden, letztlich bietet jede Mission bei Mother’s Embrace die Chance, weitere Charaktere zu treffen. Diese sind auch aus anderen Titeln der Arkham Horror-Welt von Fantasy Flight Games bekannt (zum Beispiel Jenny Barnes, Roland Banks, Agatha Crane, Carolyn Fern und Rex Murphy). Vor jeder Mission wird ab der zweiten ein ermittelndes Duo aus den bisher getroffenen Personen zusammengestellt und ein dritter Platz bleibt kontaktfreudig offen, das restliche Team macht so lange vermutlich Papierkram und leckt körperliche und geistige Wunden.

So wird das Detektivteam im Laufe der Geschichte immer größer. Weitere Leute schließen sich an und helfen, herauszufinden, was mit Wilhelmina Tillinghast passiert ist. Wie der Titel verrät, spielt Arkham Horror: Mother’s Embrace im Kult-Universum von H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos. Daher ist davon auszugehen, dass die Geschichte übernatürlich und düster wird. Neben dem Tillinghast Anwesen werden auch andere typische Arkham Horror Orte wie zum Beispiel die Miskatonic Universität oder das Arkham Asylum Schauplätze der Geschichte.

Missionsabschluss, Ziel erreicht, aber das Team hat kräftig Traumata eingesammelt.

Features

Das Gameplay besteht dabei aus Abenteuerelementen und rundenbasierten Kämpfen. Ähnlich wie in der App bei Mansions of Madness wird durch die Umgebung navigiert und nach Hinweisen, Personen und Objekten gesucht. Anders als bei Brettspielappvorlage zeigt das Spiel eine drehbare 3D-Sicht (App hat eine Draufsicht). Gesteuert wird entweder mit einem Controller oder mit Maus und Tastatur. Die Tastatur-Steuerung ähnelt der einer typischen Shooter-Steuerung: WASD steuert den Charakter, E und Q drehen die Kamera, F bestätigt die Auswahl, Leertaste sprintet.

Die Tastaturbefehle für die Steuerung mit Maus und Tastatur.

Jeder Punkt, mit dem interagiert werden kann, wird im Spiel als leuchtender Punkt hervorgehoben. Wird dieser angeklickt, bewegt sich die Hauptfigur dorthin und der Punkt wird durch ein Symbol das die Interaktionsart (Lupe für Untersuchen, Treppe für Raumwechsel, Schloss für noch verschlossen usw.) anzeigt ersetzt. Bei vielen Interaktionen kann noch entschieden werden, was genau gemacht werden soll (zum Beispiel versuchen, eine Kiste aufzubrechen, sie zu schütteln oder sie anzusehen).

Ihre Charaktere können, abhängig von ihren Attributen, Hinweise geben, welche dieser Aktionen erfolgreich sein wird. Wird eine nicht erfolgreiche Option gewählt, bewegt das die Doom Clock vorwärts; erreicht diese wieder „12 Uhr“, verlieren alle Teammitglieder geistige Gesundheit.

Grausame Dinge werden typisch Arkham Horror regelmäßig passieren und der Verstand der Charaktere wird darunter leiden. Immer wenn besonders erschütternde Ereignisse eintreten, müssen die Ermittelnden Proben ausführen, ob der Verstand diese Eindrücke aushält oder Richtung Wahnsinn rutscht. Das Spiel würfelt im Hintergrund automatisch und wird der Test nicht geschafft, verliert das Teammitglied einen Punkt geistige Gesundheit. Wenn die geistige Gesundheit aufgebraucht ist, erleidet der Charakter ein Trauma (zum Beispiel Tagträumer, Kettenraucher, selbstverletzend) mit unterschiedlichen negativen Effekten. Zwischen den Szenarien (Missionen) können Charaktere im Büro zurückgelassen werden, um sich zu erholen und Traumata abzubauen. In jede Mission können in der Regel zwei Ermittelnde mitgenommen werden.

Neben der geistigen haben die Charaktere körperliche Gesundheitspunkte. Diese werden vor allem in den Kämpfen benötigt. Wie in den meisten Spielen wird der Charakter ausgeknockt, wenn seine Gesundheitspunkte aufgebraucht sind. Permadeath gibt es bei Mother’s Embrace nicht, die Teammitglieder können mit Gegenständen geheilt und wiederbelebt werden. Nach einer Kampfbegegnung werden alle Charaktere wiederbelebt und minimal geheilt.

Oh Gegner, manchmal wirkt eine Begegnung etwas zufällig, Zeit zu kämpfen jedenfalls, Waffen raus und in den Rundenmodus gewechselt!

Werden Gegner gefunden, wechselt das Spiel vom Abenteuer- in den rundenbasierten Kampfmodus.

Am oberen Bildrand befindet sich auch im Abenteuermodus eine Leiste mit Porträts der Teammitglieder und ihren Gesundheitspunkten. Im Kampf wird diese Leiste zur Initiativeleiste umfunktioniert, welche die Reihenfolge der Charaktere und Gegner anzeigt, in der sie handeln dürfen. Die individuelle Initiative jedes Charakters entscheidet, wie früh er im Kampf an der Reihe ist.

Jedes Teammitglied hat pro Runde fünf Aktionspunkte (AP). Jede Aktion kostet ein bis fünf AP. Unterschiedliche Waffen haben unterschiedliche Werte und kosten unterschiedliche AP. Es gibt die Kampfformen Nahkampf, Fernkampf und Magie, jeder Charakter ist in jedem dieser Kampfstile und der Initiative entweder gut, normal oder schlecht. Gewöhnungsbedürftig ist die Bewegungssteuerung im Kampf: Wird die Aktion Bewegen gewählt, muss anschließend wieder mit WASD zum Zielpunkt navigiert werden. Abhängig von Bewegungsweite und Ausrüstung werden die dafür benötigten AP angezeigt und verbraucht, wenn die neue Position bestätigt wird. Ein Abbruch teleportiert die Figur zurück zum Ausgangspunkt.

Bewegung im Kampf ist unnötig hakelig.

Eine Zielanwahl per Maus und die Bewegung der Figur erst nach Bestätigung wäre hier intuitiver. Neben bewegen und kämpfen können Gegenstände benutzt oder mit Teammitgliedern getauscht, Waffen nachgeladen oder die Aktion „Überwachung“ gewählt werden. Überwachung legt eine Richtung fest, die mit der aktiven Waffe angegriffen wird, sollte sich dort ein Gegner hineinbewegen.

Aktionsauswahl und Aktionspunktevorrate im rundenbasierten Kampf.

Ist der letzte Gegner oder das eigene Team besiegt, endet der Kampf, das Spiel wird im Abenteuermodus fortgesetzt und die nächsten Spuren verfolgt. Zwischen den Kämpfen kann auch über das Inventar auf Gegenstände zugegriffen werden. Die Steuerung ist hakelig, aber es können Waffen nachgeladen und Heilgegenstände verbraucht oder Ausrüstung im Team getauscht werden. Das spart Aktionspunkte im Kampf.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Asmodee Digital
  • Publisher: Asmodee Digital
  • Plattform: PC
  • Sprache: Englisch (Audio), Untertitel und Interface auch: Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch
  • Mindestanforderungen: Intel Core 2 Duo E4700 2.6 GHz, 4 GB RAM, NVIDIA Geforce GTX 460
  • Genre: Adventure, RPG
  • Releasedatum: 23.03.2021
  • Spielstunden: 30
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: 16
  • Preis: 19,99 EUR
  • Bezugsquelle: Steam

 

Fazit

Wie bei den meisten Arkham Horror-Titeln lebt auch Mother’s Embrace vom Setting oder der Spannung, mit der man auf das Entfalten der Story wartet. Leider muss ich sagen, dass Arkham Horror: Mother’s Embrace für mich weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, da dieses Arkham-Feeling nicht wirklich aufkommen will. Aber fangen wir mit den positiven Punkten an:

Auch Marie Lambeau ist schon in anderen Arkham Horror Spielen mit von der Partie.

Kennt man andere Arkham Horror Titel aus dem Hause Fantasy Flight Games, fühlt man sich direkt zuhause, da bekannte Charaktere auftauchen, Fähigkeiten und Charakter- sowie Gegenstandkonzepte vertraut wirken.

Die Sprachausgabe ist in meinen Augen gut genug, was aber dadurch positiv beeinflusst sein mag, dass ich kein englischer Muttersprachler bin, aber gerne Englisch konsumiere. Dass die anderen Sprachen hier fehlen, ist zumindest kein Plus. Die Steamrezensionen stehen auch den englischen Stimmen eher kritisch gegenüber, ich denke allerdings, dass es viele vergleichbare Titel mit deutlich schlechterer Sprachausgabe gibt.

Grafik und Sound sind für mich völlig okay, allerdings ist die Bewegung in der Welt eher hakelig, die Figuren bleiben gerne an Kanten hängen und die Kamera fühlt sich oft in der falschen Position oder zu nahe am Charakter an. Einige Dinge nerven früh, zum Beispiel ändert sich fast nach jeder Objektinteraktion die Kamera und es beginnt eine „Zwischensequenz“ – auch wenn nur ein kurzer Satz ausgegeben wird. Es fühlt sich unnötig an und stört das ansonsten recht flüssige Gameplay.

Leider sind auch die Abenteuerelemente sehr beliebig. Es wird auf alles geklickt, was als klickbar angezeigt wird und fertig. Es gibt keine herausfordernden Rätsel, keine ausreichenden Strafen. Es gibt nicht einmal Mini-Spiele wie in Mansions of Madness oder gar Möglichkeiten, Hinweise zu kombinieren, um etwas herauszufinden. Hinzu kommt, dass auch die rundenbasierten Kämpfe ziemlich belanglos und wenig innovativ wirken. Auch der Schwierigkeitsgrad ist eher niedrig, selten ist mehr als ein Teammitglied von einem Knock-Out bedroht, die Traumata wirken sich kaum aus. Selbst die Wahl der Charaktere für die Missionen wirkt sich gefühlt überhaupt nicht aus.

Ziele und zusätzliche Hinweise werden automatisch protokolliert.

Zusammenfassend würde ich nur großen Arkham Horror-Fans empfehlen, das Spiel einmal durchzuklicken, die Geschichte ist völlig O.K., wenn auch sehr gradlinig und wenig überraschend. Da wir uns abwechselnd durch die Spuren klicken und kämpfen, kommt auch keine wirkliche Langeweile auf. Einschränkend würde ich ergänzen, dass es mir mit den Arkham Horror Brettspielen ähnlich ging, die Geschichten sind nett, die Spielmechanik trägt für mich das Spiel am Ende aber nicht wirklich und büßt für mich so schnell Wiederspielbarkeitsreiz ein. Fans gibt es aber auch bei diesen Titeln zahlreiche.

Letztlich würde ich sagen: Wer hier ein taktisches rundenbasiertes Strategiespiel erwartet oder eine komplexe Geschichte mit herausfordernden Rätseln, sollte nicht zugreifen, wer aber ein atmosphärischen Detektivabenteuer mit einfachen rundenbasierten Kämpfen mag und die beschriebenen Probleme akzeptieren kann, bekommt für einen angemessenen Preis (20 EUR, häufiger für 12 bis 15 im Angebot) ein paar Stunden mit Arkham Horror Geschichte – Unterhaltung muss ja nicht unbedingt herausfordernd sein. Die insgesamt eher durchschnittlichen Bewertungen auf Steam zeigen, dass es an diesem Spiel zwar einiges zu mögen gibt, aber viele Leute für den Preis schon deutlich mehr erwarten. Da die meisten anderen Brettspielumsetzungen auch in diesem Preissegment zu finden sind, würde ich die Meinung unterstützen, da die Alternativen meist deutlich mehr Anspruch im Spiel mitbringen.

Die Bewertungen sind für bereits zwei Monate seit Release nicht zahlreich und nicht sehr positiv.

Ich habe selbst fünf Missionen gespielt, davon die letzten beiden aber schon eher nebenbei durchgeklickt, ich glaube nicht, dass ich das Ende noch erleben werde. Letztlich scheint mich ein Bug am Beenden von Mission 5 zu hindern. Im finalen Kampf kann ich in Runde 2 mit einem Ermittler nicht mehr handeln und das Spiel lässt sich nicht weiterspielen, auch nach Laden des letzten Checkpoints nicht… Ich gebe auf… Schade, mehr Potenzial war definitiv da.

  • Arkham Horror / Lovecraft Thema
 

  • Sehr geradlinig
  • Geringer Schwierigkeitsgrad
  • Umständliche Steuerung

 

Artikelbilder: © Asmodee Digital
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Denise Hollas
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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