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Im Geheimen agiert die SCP Foundation, um die Welt vor oftmals gefährlichen Anomalien zu retten – den SCPs. Sie werden gesichert, verwahrt und geschützt. Die Erforschung, nicht ihre Zerstörung ist das Ziel. Als Mitarbeiter*in gehörst du zu dieser weltweit agierenden Organisation. Wie wirst du deinen Teil zum Schutz der Welt beitragen?

SCP – The Tabletop RPG, herausgegeben von 26 Letter Publishing, ist ein Rollenspiel von Fans für Fans des SCP-Universums. Initiative und Hauptarbeit lagen hierbei bei Jason Keech. Von Januar bis Februar 2021 wurde das Projekt erfolgreich auf Kickstarter finanziert, seit Mitte des Jahres ist das Rollenspielsystem erhältlich.

Zum SCP-Hintergrund: In der realen Welt ist die SCP Foundation ein webbasiertes Projekt für kollaboratives Schreiben. Autor*innen verfassen hierzu Artikel über von ihnen erdachte Anomalien, sogenannte SCPs, in einer pseudo-wissenschaftlichen Schreibweise. Dabei werden die Anomalien und ihre Eindämmungsmaßnahmen beschrieben, wobei oft besondere Vorfälle, Anmerkungen und Versuche dokumentiert werden. Um die Texte noch authentischer zu machen, werden Textstellen, die offensichtlich kritische Informationen enthalten, geschwärzt.

Dies spielt sich in einem fiktiven Universum ab, in welchem die SCP Foundation die SCPs sicherstellt und erforscht. Im vorliegenden SCP – The Tabletop RPG schlüpft man in die Rollen von Mitarbeiter*innen dieser Organisation.

Die Spielwelt

Die SCP Foundation ist eine weltweit agierende Geheimorganisation in einem fiktiven Universum, die damit beauftragt wurde, entdeckte Anomalien zu sichern, zu verwahren, zu schützen und zu erforschen, um sie vollständig zu verstehen. Diese Anomalien können dabei jede erdenkliche Form annehmen: von Objekten über Lebewesen bis hin zu Orten. Die Foundation verfügt über nahezu unbegrenzte Mittel, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Denn manche Anomalien – oder SCPs – sind so gefährlich, dass sie das Ende der Welt auslösen können. Die Menschheit darf deshalb nie etwas über diese SCPs erfahren, da ansonsten eine Massenpanik als sicher gilt.

Secure.

Entdeckte Anomalien müssen gesichert werden.

Contain.

Gesicherte Anomalien müssen entsprechend verwahrt werden.

Protect.

Verwahrte Anomalien müssen geschützt werden. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Welt vor ihnen geschützt wird.

SCPs können verstörend…
SCPs können verstörend…

Unzählige Mitarbeiter*innen sorgen für einen möglichst reibungslosen Ablauf, doch die Arbeit mit unbekannten und gefährlichen SCPs lässt sich nie genau vorhersehen. Die Aufgaben und Zugänge des Personals sind klar geregelt. Zum einen durch die „Personnel Classification“, die von Class A bis Class E reicht. Beispielsweise sind Personen der Klassifikation A von größter Wichtigkeit für die Foundation und dürfen deshalb mit SCPs nicht in Kontakt kommen. Personal der Klassifikation D hingegen ist entbehrlich und wird insbesondere für Versuche mit gefährlichen SCPs verwendet. Meist handelt es sich bei Klasse-D-Personal um Menschen mit langen Gefängnisstrafen oder gar zum Tode Verurteilte.

Das „Security Clearance Level“ des Personals reicht von Level 0 bis 5 und beschreibt den Zugang zu Informationen, den eine Person hat. Doch selbst hierbei werden oft nur so viele Informationen preisgegeben, wie es nötig ist. Dies betrifft zum Beispiel Daten zu SCPs, um mit ihnen arbeiten zu können.

…aber auch unerwartet sein.
…aber auch unerwartet sein.

Die Spieler*innen verkörpern solches Personal der Foundation. Sei es im Bereich Sicherheit, Wissenschaft, Technik oder etwas anderes. Die Foundation hat viele Mitarbeiter*innen und dementsprechend vielfältig ist die Auswahl. In den meisten Szenarien wird für die Charaktere der Spieler*innen eine Class C und Level-2-Freigabe (die jedoch erhöht werden kann, wenn man sich entsprechend den Standards der Foundation verhält) empfohlen. Dies bedeutet, dass sie direkten Zugang und Informationen zu SCPs haben, die nicht als gefährlich oder feindselig eingestuft wurden. Es ist jedoch auch möglich, ein Szenario etwa als Klasse-D-Personal zu beginnen.

Die SCPs selbst werden in verschiedene Kategorien eingeteilt. Die erste Einteilung etwa ist die sogenannte „Containment Class“ und erfolgt anhand der Schwierigkeit, eine Anomalie erfolgreich und dauerhaft zu verwahren und der Menge an Ressourcen, die dafür benötigt werden. Hierzu gibt es, in aufsteigender Reihenfolge, die Kategorien „Safe“, „Euclid“ und „Keter“.

Die Aufgabenfelder in der Foundation sind vielfältig.
Die Aufgabenfelder in der Foundation sind vielfältig.

Um eine Vorstellung von der Vielgestaltigkeit der SCPs zu bekommen, hier drei Beispiele:

SCP 173: Eines der bekanntesten SCPs. Es ist eine annähernd humanoide Statue aus Beton, die ein extrem feindseliges Verhalten an den Tag legt. Solange es beobachtet wird ist es reglos. Sobald der Blickkontakt unterbrochen wird, sei es nur durch Blinzeln, kann es sich unnatürlich schnell bewegen und wird Personen in der Nähe durch Genickbruch töten.

SCP 682: Auch bekannt unter dem Namen „Hard-to-Destroy Reptile“. Dieses SCP ist ein intelligentes, der menschlichen Sprache mächtiges, reptilienartiges und sehr tödliches Lebewesen, das einen unbändigen Hass auf jegliches Leben verspürt. Unzählige Versuche haben ergeben, dass es zwar verletzt, aber nicht getötet werden kann. Vielmehr passt es sich an, wodurch es immer schwieriger wird, ihm zu schaden.

SCP 3008: Bei dieser Anomalie handelt es sich um eine IKEA-Filiale, die im Inneren unendlich ist. Da Personen, die das Gebäude betreten, zunächst nichts von dieser Unendlichkeit bemerken, ist es ihnen so gut wie unmöglich, es wieder zu verlassen. So haben sich ganze Gemeinschaften von gefangenen Menschen gebildet, die sich nachts gegen das dann feindlich werdende, deformierte Personal wehren müssen.

Das Regelwerk bietet die Beschreibung einer Anlage der Foundation, mit Lageplänen und NSC, die dort arbeiten, lässt der Spielleitung und den Spieler*innen ansonsten große Freiheiten in der Ausgestaltung weiterer Anlagen. Generell wird vor allem beschrieben, wie die Foundation organisiert ist. Welches Personal, Szenario oder an welchem Ort man spielt ist dabei relativ offengehalten. Es gibt zwar Empfehlungen, was etwa das Sicherheitslevel der Charaktere zu Beginn angeht, diese gelten jedoch eher als Richtlinien.  

Die im Buch beschriebene Anlage von außen.
Die im Buch beschriebene Anlage von außen.

Die Regeln

Die am häufigsten verwendeten Würfel in diesem System sind der W8, W10 und W12. Um eine Probe zu machen, greift man auf einen variierenden Pool dieser drei Würfelarten zu. Wie sich dieser Pool zusammensetzt, hängt davon ab, wie viele der Würfel bei der Charaktererstellung für eines der insgesamt acht Attribute gekauft wurden. Es dürfen maximal vier Würfel verwendet werden, die beiden höchsten Ergebnisse werden addiert und mit dem Wert einer passenden Fertigkeit verrechnet. Das finale Ergebnis muss eine von der Spielleitung festgelegte Schwierigkeit – im Normalfall zwischen 11 und 14 – erreichen oder übersteigen.

Mit etwas Glück können bessere Ergebnisse erzielt werden, als es eigentlich möglich wäre – durch die Mechanik der „Exploding Dice“: Jede maximal gewürfelte Augenzahl erlaubt das Werfen des nächstgrößeren Würfels. Zeigt also beispielsweise ein W8 eine Acht, dann darf zusätzlich ein W10 gewürfelt werden. Zeigt dieser wiederum eine Zehn, dann dürfen 2W12 zusätzlich gewürfelt werden. Auf diese Weise wird die Chance vergrößert, ein hohes Ergebnis zu erzielen.

Eine kleine bildliche Anleitung für das Verteilen der gekauften Attributswürfel.
Eine kleine bildliche Anleitung für das Verteilen der gekauften Attributswürfel.

Neben den Kapiteln ist das Regelwerk in fünf Abschnitte eingeteilt, die den Security-Leveln 0 bis 5 entsprechen. Die Kapitel im Abschnitt zu Level 0 können von allen gelesen werden. Mit jedem höheren Level sollte der Zugang immer weiter begrenzt werden. Empfohlen wird, den Spieler*innen zunächst vorrangig Zugang zu den Abschnitten zu gewähren, die dem Security Clearance Level ihrer Charaktere entsprechen. Der Abschnitt zu Level 5 ist hingegen der Spielleitung vorbehalten und enthält unter anderem Tipps, Ideen für Szenarien und eine Anleitung, um weitere SCPs mit dem Regelsystem zu entwerfen.

Insgesamt gibt es viele hilfreiche und interessante Informationen zur Foundation, somit jedoch auch eine Menge Text, der erst einmal gelesen werden will. Die nicht minder umfangreichen Regeln können im Spiel viel hin- und herblättern verursachen und an dieser Stelle nicht alle aufgelistet werden. Als Beispiel sei der Kampf genannt, der zwar recht realistisch ist, dadurch aber sehr viele Sonderregeln beinhaltet. So gibt es bei Feuerwaffen den „HIP Stance“, „READY Stance“ und „AIM Stance“, um eine Waffe abzufeuern. Je nach Haltung, aus der gefeuert wird, bekommt man einen Bonus oder Malus auf den Angriffswurf. Hat die Waffe einen Rückstoß oder bewegt man sich während des Zielens, wird die Haltung auf ein niedrigeres Level reduziert und man muss entweder die schlechteren Modifikatoren in Kauf nehmen oder Zeit aufwenden, um erneut zu zielen.

Um diese Fülle an Regeln besser kontrollieren zu können, finden sich am Ende des Buches zwei Seiten, auf denen die wichtigsten Regeln zusammengefasst werden. Zusätzlich helfen der vorhandene Index, sowie im Text verteilte QR-Codes, die auf nützliche Seiten verweisen.

Charaktererschaffung

Jeder Charakter verfügt über acht Attribute, wie Stärke, Gesundheit oder Intelligenz. Diese besitzen jedoch keinen festen Wert, sondern eine Anzahl an W8, W10 und W12, die bei der Erstellung gekauft werden. Die Fertigkeiten, wie Klettern, Überleben oder Wissenschaft, sind in drei Kategorien eingeteilt, die Punkte zum Verteilen zur Verfügung stellen. Anschließend wird für jede Fertigkeit, die erhöht wurde, ein W10 gewürfelt und das Ergebnis als Dezimalzahl angerechnet.

Charakterbogen und -erschaffung werden Schritt für Schritt erklärt.
Charakterbogen und -erschaffung werden Schritt für Schritt erklärt.

Daraufhin werden verschiedene passive Werte, wie Lebenspunkte oder Bewegungsgeschwindigkeit, ausgerechnet. Eigenschaften, wie etwa das Aussehen oder die Denkweise des Charakters, beeinflussen verschiedene der vorangegangenen Werte. Zuletzt wird der Charakter zum einen in die Foundation eingeführt, wobei seine Ausrüstung und Security Level festgelegt werden, zum anderen wird sein Hintergrund ausgestaltet. Insgesamt beinhaltet die Charaktererschaffung vor allem das Zuweisen von Werten und das Eintragen der verschiedenen Modifikatoren, sodass sie nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen sollte.

Der Charakterbogen wirkt auf den ersten Blick unübersichtlich, wird jedoch durch die einzelnen Schritte während der Erschaffung verständlich gemacht.

Am Ende jeder Sitzung erhält man Erfahrungspunkte, und kann Fertigkeiten erhöhen – teilweise sogar schon während des Spielens. Die Menge an Erfahrungspunkten richtet sich nach der Länge des gespielten Szenarios. Wenige pro Sitzung bei einer langen Kampagne und viele bei einem One-Shot. Es existieren weder Klassen noch Stufen und momentan ist es nur möglich, einen Menschen zu spielen und nicht etwa ein SCP.

Erscheinungsbild

Das Cover zeigt vier Personen, die vor dem Eingang zu Anlage 093, die im Buch beschrieben wird, stehen. Es handelt sich dabei um Mitarbeiter*innen der Foundation. Die Atmosphäre wirkt düster und angespannt, was durch die Größe des Raumes, in dem sich die Personen befinden, noch verstärkt wird.

Die im Buch verwendete Schrift ist angenehm, wobei manche kleineren Abschnitte wie mit einer Schreibmaschine geschrieben wirken, was schwieriger zu lesen ist. Der Text wird immer wieder von Tabellen, Unterüberschriften, Kästchen und stimmungsvollen Bildern unterbrochen. Teilweise wirkt er jedoch überladen. Ein Index, sowie die Aufteilung in Security Level vereinfachen die Navigation. Die Tatsache, dass das PDF die Möglichkeit bietet, jede Seitenzahl, die im Text erwähnt wird, anzuklicken, um zu ihr zu gelangen, ist ebenfalls sehr praktisch.

Die harten Fakten:

  • Verlag: 26 Letter Publishing
  • Autor*in(nen): Jason Keech, Ethan Severson, Rob Leigh
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover, PDF
  • Seitenanzahl: 292
  • ISBN: ‎ 9798524671998
  • Preis: ab 49,99 USD (Hardcover), 19,99 USD (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, DriveThruRPG

 

Fazit

SCP – The Tabletop RPG behandelt ein eher ungewöhnliches, aber interessantes Thema. Durch das kollaborative Schreiben des Projektes der SCP Foundation sind sehr viele Informationen zu Hintergründen und den verschiedensten SCPs vorhanden, die alle für das eigene Rollenspiel verwendet werden können. Wenn man das nicht möchte, kann man sich die Foundation nach den eigenen Vorstellungen erstellen.

Insgesamt ist es ein solides, aber regellastiges System, das manchmal etwas zu viel will und deshalb unnötig kompliziert wirkt. Ob dieser Eindruck bleibt oder ob er sich legt, wird der Spieltest zeigen.

Was hilft, sind in jedem Fall der Index und kleine Boxen, die wie interne Memos mit Kommentaren von Mitarbeiter*innen gestaltet sind. Auch QR-Codes, die auf hilfreiche Seiten verweisen, und ein ganzes Kapitel, das beispielhaft eine Sitzung zeigt, in der die wichtigsten Regeln behandelt werden, sind hier positiv zu nennen. Dennoch bleibt die Frage, ob das System sich für Neulinge eignet. Die Lektüre des Regelwerkes vermittelt zumindest den Eindruck, dass erfahrene Rollenspieler*innen besser in diesem System aufgehoben sind.

Für Rollenspieler*innen, die Fans des SCP-Universums sind, lohnt sich dieses Regelwerk. Und wer sich noch nicht mit der Thematik beschäftigt hat, aber Mystery, Horror und Übernatürlichem nicht abgeneigt ist, sollte dem auf jeden Fall eine Chance geben. Währenddessen arbeitet die Foundation im Geheimen weiter und sorgt so für die Sicherheit der Welt. Dabei kann sie eines immer gebrauchen: neue Mitarbeiter*innen.

Dieser Ersteindruck basiert auf dem Lesen des Regelwerkes als PDF. Hier findet ihr den Spieltest zu SCP und dessen Ergebnis.

  • Viele Freiheiten
  • Interessantes Konzept mit viel Hintergrund
  • Liebe zum Detail
 

  • Regeln wirken teilweise unnötig kompliziert
  • Eher ungeeignet für Neulinge
  • Sehr viel Einarbeitung seitens der SL nötig

 

Artikelbilder: © 26 Letter Publishing, Creative Commons Sharealike 3.0
Screenshots: Ayleen Schmidt
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Rick Davids
Dieses Produkt wurde durch die Einnahmen auf Patreon finanziert.

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