Zombicide hat sich in der Welt der Brettspiele einen klangvollen Namen erarbeitet. Mit einer großen Anzahl Iterationen ist es zur Benchmark für Zombie-Spiele geworden. Nun ist eine Neuauflage der Box, die das Franchise begründete, auf dem Markt erschienen. Kann diese überzeugen?
2012 erschien im Zuge des The Walking Dead–Hypes ein Brettspiel auf den internationalen Märkten, dessen Name bis heute für Zombie-Fans wie das süße Gurgeln einer untoten Lunge klingt: Nach dem grandiosen Verkaufserfolg der allerersten Version des Spiels folgten zahlreiche thematische Spin-Offs. Es verschlug uns beispielsweise ins Mittelalter oder in den Weltraum. Auch der Film Kult-Klassiker Night of the Living Dead erhielt eine Version mit dem bekannten Spielprinzip. Nun ist Zombicide Zweite Edition erschienen, ebenfalls wie seine Vorgänger zunächst über Kickstarter finanziert. Asmodee bringt uns die Handelsversion lokalisiert nach Deutschland. Ist dieser Reboot eine gelungene Modernisierung des modernen Klassikers, oder ist es nur ein Versuch die Kuh zu melken, solange sie noch Milch gibt?
Inhaltsverzeichnis
Spielablauf
In diesem Abschnitt wird auf den generellen Spielablauf eingegangen, um sich einen groben Überblick verschaffen zu können. Wiederkehrende Fans der Zombicide-Reihe können diesen Teil überspringen und im Abschnitt „Die Unterschiede zur ersten Edition“ weiterlesen.
Spielvorbereitung und Spielziel
Eine Gruppe in Zombicide besteht immer aus sechs Überlebenden. Diese sechs Überlebenden werden auf die Spielenden aufgeteilt, so dass möglicherweise eine Person zwei Überlebende spielt. Ansonsten ist neben der Charakterwahl noch entscheidend welche Mission gespielt werden soll. Die Missionen bauen nicht aufeinander auf und können daher beliebig ausgewählt werden. Einen Kampagnenmodus gibt es in der deutschen Handelsversion nicht. Durch die klar strukturierten Kartenteile ist der Aufbau einer Mission schnell erfolgt. Verschlossene Türen sind beispielsweise schon eingezeichnet und müssen nicht durch Marker zu Beginn des Spiels angezeigt werden. Wenn der generelle Aufbau aus Kartenstapel bilden und Miniaturen aufstellen erledigt ist, wird die Startausrüstung verteilt. Dies ist nicht nur für die strategische Ausrichtung der Mission wichtig, sondern bestimmt auch, welche*r Überlebende das Spiel beginnt. Laut den Zombicide-Macher*innen hat die Person mit der Feuerwehraxt immer Recht und darf daher beginnen.
Die Gruppe gewinnt die Partie in dem Moment, wenn alle Missionsziele erfüllt worden sind. Die Gruppe verliert, wenn ein solches Missionsziel nicht mehr erreicht werden kann, mindestens ein Charakter stirbt oder wenn eine von der Mission festgelegte Bedingung für eine Niederlage erfüllt worden ist.
Überlebendenphase
Beginnend mit der Person mit dem Startmarker aktivieren alle reihum ihre Überlebenden. Zu Beginn (ohne Stufenaufstiege) sind drei Aktionen möglich. Eine Möglichkeit ist beispielsweise die Bewegung. Hierbei wird die eigene Miniatur von einer Zone in eine angrenzende bewegt. Möchte man eine Zone mit Zombies verlassen, muss eine zusätzliche Aktion eingesetzt werden, sollte man in eine Zone mit Zombies treten wollen, endet die Bewegungsaktion in der Regel sofort.
Befindet man sich in einem Gebäude und ist gerade nicht von Wiedergängern belagert, kann gesucht werden. Setzt man hierfür einen Aktionspunkt ein, darf die oberste Karten vom Ausrüstungsstapel gezogen werden. Dies darf nur einmal pro Zug ausgeführt werden.
Um in Gebäude hineinzukommen, bedarf es meist offener Türen. Hierfür können die Überlebenden Ausrüstung nutzen, die das „Tür öffnen“-Symbol tragen. Offene Türen können nicht aus Schutzgründen wieder geschlossen werden. Sollte ein Gebäude zum ersten Mal geöffnet werden entfesselt man die Zombiebrut und setzt diese in die Dunklen Zonen des geöffneten Gebäudes indem für jede der Dunklen Zonen eine Zombiekarte gezogen wird. Das Öffnen der Türen kann, je nach Gegenstand, Lärm verursachen, welcher die Zombies in ihrer Phase anlocken kann. Man kann als Aktion absichtlich Lärm verursachen, um die Zombies zu einer bestimmten Zone zu locken.
Auch das Umsortieren des eigenen Inventars (sprich neue Waffen ausrüsten) und das Tauschen mit anderen Überlebenden verbraucht in Zombicide eine Aktion. Viele der auf diese Weise tauschbaren Gegenstände können nicht nur durch das Suchen, sondern auch durch das Aufnehmen von Zielmarkern in den eigenen Besitz übergehen. Diese Zielmarker bieten, je nach Mission, besondere Ausrüstung oder können Gegenstände, die aktiviert werden müssen, darstellen.
Zu guter Letzt sprechen wir über die wahrscheinlich wichtigsten Aktionen, um den Zombies standzuhalten: Nah- und Fernkampf. Im Nahkampf greifen die Überlebenden Zombies in ihrer Zone an, beim Fernkampf ist dies je nach Waffe und Sichtlinie über mehrere Zonen hinweg möglich.
Um einen Angriff zu initiieren, werden die Symbole auf der angelegten Waffe überprüft. Das Würfelsymbol gibt an, wie viele Würfel geworfen werden. Das Genauigkeits-Symbol zeigt an, welche Augenzahl mindestens getroffen werden muss, um einen Treffer zu landen, welcher dann so viel Schaden macht wie das Schadens-Symbol impliziert. Im Fernkampf ist zudem noch das Reichweiten-Symbol entscheidend. Erzielter Schaden kann im Nahkampf auf Gegner verteilt werden, im Fernkampf gibt es hierfür eine Prioritätstabelle, die abgearbeitet werden muss.
Fehlschläge, also Würfe die unter der Augenzahl des Genauigkeitssymbols liegen sind im Nahkampf zwar ärgerlich, aber zu verkraften. Im Fernkampf jedoch fügen Fehlschläge Eigenbeschuss zu, wodurch die anderen Überlebenden nicht durch die Zombies, sondern den Kugelhagel zu Schaden kommen. Überlebende in der Zielzone des Angriffes erhalten dann den Schaden, den die ausgerüstete Waffe anrichtet.
Zombiephase
Waren alle Überlebenden an der Reihe, geht es weiter mit den wandelnden Toten. Im ersten Schritt findet die Aktivierung der Horde statt. Je nach Situation greifen die Zombies entweder an oder bewegen sich. In der Reihenfolge sieht dies so aus, dass zunächst alle Angriffe abgehandelt werden und danach die Bewegungen.
Befindet sich mindestens eine Überlebendenfigur in der Zone eines Zombies wird diese angegriffen. Zombieangriffe sind immer erfolgreich und benötigen keinen Würfelwurf. Gibt es mehrere Überlebende in der Zone darf die Gruppe entscheiden, wie die Angriffe ausgeführt werden. Eine Zombieattacke fügt den Überlebenden immer exakt eine Wunde zu. Die erwachsenen Charaktere sterben nach drei, die Kinder nach zwei Wunden. Da die Zombies in der Gruppe arbeiten, stürzen sich alle Zombies in einer Zone auf die Überlebenden, selbst wenn mehr Schaden als verteilbar ist angerichtet wird.
Sollten keine angreifbaren Ziele zur Verfügung stehen, bewegen sich die Zombies. Hierzu wird zunächst das Ziel festgelegt. Die gegnerischen Figuren bewegen sich auf jeden Fall auf die Zone mit Überlebenden in Sichtlinie zu, die die meisten Lärmmarker enthält (auch Überlebende zählen als Lärmmarker). Wenn keine Überlebenden in Sichtlinie sind, bewegen sich die Zombies auf die Zone mit den meisten Lärmmarker zu. Die Entfernung ist in beiden Fällen egal. Sie bewegen sich eine Zone auf ihr Ziel zu und nehmen den kürzesten möglichen Weg. Gibt es mehrere valide Ziele wird die Zombiegruppe möglichst gleichmäßig aufgeteilt.
Die Ausnahme bilden die als „Läufer“ benannten Zombies. Diese haben zwei Aktionen statt nur einer. Die jeweils zweiten Aktionen werden ausgeführt, wenn alle Zombies einmal aktiviert wurden.
Im zweiten Schritt der Zombiephase erfolgt die Brut. Bei jeder Mission ist angegeben, wohin die Brutplättchen gelegt werden sollen. Dort erscheinen neue Zombies. Vom Startbrutplättchen aus im Uhrzeigersinn gehend, wird für jedes Brutplättchen eine Zombiekarte gezogen. Wie viele Zombies erscheinen, wird durch den Charakter mit der höchsten Stufe festgelegt (jede Stufe hat eine andere Farbcodierung).
Zwei Besonderheiten bei der Brutphase sind die Karten „Zombieansturm“ und „Extraaktivierung“. Bei dem Ansturm erhalten alle Zombies, die durch diese Karte ins Spiel kommen eine Aktivierung (Bewegung oder Angriff). Bei der Extra-Aktivierung kommen keine neuen Miniaturen auf das Spielfeld, aber alle auf der Karte angegebenen Zombietypen erhalten eine zusätzliche Aktivierung.
Ausstattung
Zombicide Zweite Edition macht schon ordentlich was her. Die Miniaturen sind, wie von CMON gewohnt, sehr hochwertig und ein kleines optisches Highlight. Für eine „Nicht-Kickstarter-Version“ finden sich hier ungewöhnlich viele unterschiedliche Modelle für eigentlich ein und denselben Zombietypen. Das erfreut das Auge und gibt den sabbernden Hirnfressern mehr Charakter. Die Miniaturen sind in einem kleinen Extra-Karton verpackt und werden in einer sehr zweckmäßigen Plastikummantelung sicher verwahrt. Da geht so schnell nichts kaputt.
Leider kann der Rest des Kartons in puncto „Aufbewahrung“ nicht mit der Lösung für die Miniaturen mithalten. Da kann es durchaus passieren, dass Marker oder Markierungsstifte im Karton herumfliegen.
Dafür ist das restliche Spielmaterial von der Qualität her ein Fest. Die Karten und Marker haben eine schöne Haptik und liegen gut in der Hand. Das Artwork der zweiten Edition wirkt um ein Vielfaches lebendiger und plastischer. Von der Qualität der Zeichnungen erinnert es eher an einen hochwertig produzierten Zeichentrickfilm als an einen aufstrebenden Indie-Comic. Das kleine Highlight im Karton sind die Überlebendentableaus. Selten war bei einer Handelsversion von Beginn an eine solch praktische Lösung für die Organisation der eigenen Charakterkarte vorhanden. Diese Tableaus muten an eine Deluxe-Variante oder ein Crowdfunding-Addon an und nicht wie etwas Serienmäßiges.
Lobend erwähnt werden darf auch die Spielanleitung, die sich kurzfasst und sehr gut strukturiert ist. Jeder Abschnitt wird von einem Zitat von einem der spielbaren Charaktere begleitet, die das eine oder andere Schmunzeln hervorrufen.
Die harten Fakten:
- Verlag: Asmodee, CMON
- Autor*in(nen): Raphaël Guiton, Jean-Baptiste Lullien, Nicolas Raoult
- Erscheinungsjahr: 2021
- Sprache: Deutsch
- Spieldauer: 60 Minuten
- Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 5 6
- Alter: ab 14 Jahren
- Preis: ca. 80 EUR
- Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo
Die Unterschiede zur ersten Edition
Die zweite Auflage bietet neben neuen Miniaturen und Artwork auch einige Regelanpassungen. Daher schauen wir uns diese Neuerungen im Detail an.
Schon in der Spielvorbereitung geht alles etwas fixer vonstatten. So sind verschlossene Türen bereits auf Gebäuden eingezeichnet und Angeberwaffenkisten und Zielplättchen befinden sich an festgelegten Orten auf den Kartenteilen.
Auf den Ausrüstungskarten finden sich neue Symbole wie Waffen- und Munitionsarten wieder. Die beiden Ausrüstungen „Molotow-Cocktail“ und „Scharfschützengewehr“ müssen nicht mehr gebaut werden, sondern sind normale Gegenstände. Die Regeln für den Eigenbeschuss bei Fernkampfwaffen wurde angepasst und vereinfacht und ebenso die Regeln für die Zielprioritäten.
Auch bei den Antagonisten des Spiels, den Zombies, hat sich etwas getan. So gibt es beispielsweise sogenannte Zombieanstürme, sowie neue Regeln für die Monstren und die Zombiebewegung. Auch die Brut wurde angepasst. Der Schritt „Brut“ beginnt nun immer auf dem Startbrutplättchen und in Gebäuden findet diese nur noch in den Dunklen Zonen statt um den Prozess zu vereinfachen. Erwachsene Überlebende werden bei Zombieangriffen nun bei drei und Kinder bei zwei Wunden getötet.
Bonus/Downloadcontent
Auf der Seite von Asmodee sind die Anleitung und die Missionen zum kostenlosen Download verfügbar.
Wer einen 3D-Drucker besitzt, sollte einen Blick auf das kleine, aber feine Insert des Thingiverse-Users hckling werfen.
Fazit
Ist Zombicide ein bahnbrechendes Spielerlebnis, welches seinesgleichen sucht? Nein, auf keinen Fall. Macht Zombicide Spaß? Und wie es das tut! Dieses Spiel ist durch und durch ein kurzweiliges Vergnügen. Die Regeln sind sehr schnell verinnerlicht und legen keinen Wert darauf besonders ausgefallen, anspruchsvoll oder sonst etwas zu sein. Es ist ein wenig wie ein gutes Videospiel-Beat ‚em up aus den 1990ern: Es ist einfach zu verstehen, was zu tun ist, aber man muss sich schon ein wenig anstrengen und gegebenenfalls ein wenig nachdenken. Wenn man diese beiden „Zutaten“ bedenkt, kann man den Gegnerhorden gehörig die vermodernde Kauleiste polieren. Wer an Zombicide mit dem Gedanken an einen die Hirnzellen trainierenden Gedankenzwirbler herantritt wird bitter enttäuscht.
Wer einschätzen kann, worauf man sich hier einlässt, wird hervorragend unterhalten. Auch die Frage, ob es einer zweiten Edition bedurfte, kann mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Diese neue Edition bringt den kultigen Franchise-Start in ein neues Zeitalter und hat das Regelwerk sinnvoll optimiert, sowie den Aufbau des Spiels intelligent verkürzt. Einziger Wermutstropfen ist, dass der Handelsversion eine motivierende Kampagne fehlt. So ist es „nur“ ein herrlich brutales, zügig gespieltes, Zombie-Schlacht-Spektakel mit episodenhaften Missionen. Aber damit kann man durchaus viel Spaß haben.
- Sinnvolle Regelanpassungen
- Tolle, abwechslungsreiche Miniaturen
- Auf bizarre Weise entspannt das Zombieschnetzeln
- Eine zusammenhängende Kampagne wäre schön gewesen
Artikelbilder: © CMON, © Asmodee
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.