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Eine dunkle Saat, schreckliche Flüche und weitere Gefahren – diese Herausforderungen gilt es im mitgelieferten Abenteuer Honig im Gebälk der Rollenspielbox Mausritter zu bestehen. Mit einem Baukasten-Aufbau und hübschen Bebilderungen werden der Spielleitung passende Informationen für die Erzählung mitgegeben. Wie gut das im Spieltest funktionieren kann, erfahrt ihr hier.

Für eine Handvoll Kerne oder ein Töpfchen Honig auf in die große Welt: Als beispielhafter Schauplatz für ein Abenteuer befindet sich Honig im Gebälk in der Box von Mausritter. Die Charaktere werden an einen fremden Ort geschickt, wo sie einige Geheimnisse ergründen und hoffentlich ihre Mission erledigen können. Das gestaltet sich angesichts der Gefahren jedoch nicht so einfach. In einer Testrunde wurde neben dem Abenteuer auch das Regelwerk des Rollenspielsystems geprüft.

Spielwelt, Regeln und Charaktererschaffung

In Mausritter schlüpfen die Spielenden in die Rolle von Mäusen, die in einer Siedlung voller kleiner Nager zusammenleben und dort verschiedene Aufgaben übernehmen. Die Welt ist aus Sicht der kleinen Tiere riesig, gefährlich und uralt, weshalb sich nur die Tapfersten unter ihnen heraus trauen. Menschen zählen zu den größten Gefahren, tauchen aber nur am Rande auf. Das Setting selbst ist weitgehend offengelassen. Moderne Kleidung in den Illustrationen und Ausrüstung wie beispielsweise elektrische Taschenlampen und Fingerhüte verorten die Geschichten aber in eine eher modernere Epoche.

Die Welt in Mausritter ist alt und birgt so manche Gefahr für die kleinen Nager …
Die Welt in Mausritter ist alt und birgt so manche Gefahr für die kleinen Nager …

Gespielt wird hauptsächlich mit W6 und W20, für bestimmte Waffen sind weitere Würfel nötig. Drei Attribute werden im Spiel von den Charakteren regelmäßig getestet: Stärke, Geschicklichkeit und Willenskraft. Bei einer Probe muss der eigene Wert, der maximal bis zwölf geht, mit einem W20 unterboten werden. Besonders gefährlich wird es in den Kämpfen, da Angriffe der Einfachheit halber automatisch treffen. Fällt eine Maus auf null Lebenspunkte, ist sie tot. Diese Kombination lässt hinter dem niedlichen Äußeren eine Sammlung sehr harter Regeln erkennen, die mit Videospielreihen wie Dark Souls vergleichbar sind. Die Charaktererschaffung erfolgt über mehrere Zufallswürfe und kann in kurzer Zeit abgeschlossen werden. Einen längeren Ersteindruck zum System gibt es hier.

Spielbericht

Die Charaktererschaffung nach den Regeln funktionierte in der Testrunde ohne Probleme und war nach 20 Minuten mit einigen Personalisierungen beendet. Die Spielenden würfelten unter anderem ihre Werte, ihre Fellfarbe sowie ihre Profession mit entsprechender Ausrüstung aus. Für das Abenteuer wurden drei Mäuse unter Anweisung der Imkerin Kirsche Saatstreu angewiesen, etwas Honig für König Fenchel Markig den III. zu besorgen. Missionsziel sowie alle Namen waren über Tabellen ebenfalls zufällig bestimmt worden. Es folgt eine Zusammenfassung der Geschehnisse, die mögliche Spoiler enthält.

Die Nähe zum schwarzen Honig hat Bruder Zuckerguss stark verändert.
Die Nähe zum schwarzen Honig hat Bruder Zuckerguss stark verändert.

Zur Reise brachen eine Gefängniswach-Maus, eine Bibliotheks-Maus sowie eine mit magischen Fähigkeiten ausgestattete Käfig-Maus auf. Diese gelangten nach kurzer Zeit an den Schauplatz, wo sie in einem Sonnenblumenfeld eine große schwarze Sonnenblume erkennen konnten. Die Charaktere erspähten zahlreiche Bienen, die schwarzen Nektar sammelten und diesen in das Nest zurückflogen. Nachdem das Erklimmen der sonderbaren Pflanze scheiterte und einen Schwarmangriff verursachte, zog sich die Gruppe vorerst zurück. Gemeinsam erkundeten sie die riesige und verlassene „Menschenhöhle“, eine Blockhütte im Wald. Vorbei an zurückgelassenen Möbeln schlichen sie umher und fanden ein kesselartiges, dunkles Gebilde aus Metall, von dem ein langer Turm nach oben führte. Im sogenannten „Zuckertempel“ konnten die Charaktere mit einigen Kultmitgliedern sprechen, darunter dem Anführer Bruder Zuckerguss. Dieser bot ihnen an, der gläubigen Gemeinschaft beizutreten. Dafür müssten sie für ihn Honig sammeln, um damit die dunkle Gottheit der „Naschkatze“ zu besänftigen. Der Honig im Kochtopf des Bruders war anstatt goldgelb aber pechschwarz und schien eine gewisse Sucht beim Verzehr auszulösen.

Die drei Mäuse entschieden sich, zunächst mitzuspielen und den gesammelten Honig zu verstecken. Beim Sammeln folgte ein weiterer Schwarmangriff. In diesem verletzte sich die Käfigmaus und zog sich zusätzlich einen anhaltenden Fluch zu, der Nachteile auf Würfe mit sich brachte. Während einer längeren Rast der restlichen Gruppe wagte sich die Gefängniswach-Maus allein den Turm im Zuckertempel hinauf und ins Gebälk. Sie traf auf weitere Kultmitglieder, die für das Honigsammeln gegen die Bienen kämpften und ebenfalls Flüche abbekommen hatten. Statt in eine Konfrontation zu geraten, freundete sich der Charakter schnell mit den anderen an. So schaffte er es, eine weitere Honiglieferung zu vereinbaren, welche anschließend von der Gruppe mitgenommen werden konnte.

Mit ihrer Beute kehrten die Mäuse angeschlagen, aber erfolgreich in ihre Siedlung zurück und warnten die Imkerin Saatstreu vor dem dunklen Einfluss vor Ort. Es wurde überlegt, mit einer größeren Streitkraft zurückzukehren, um mehr über den mysteriösen schwarzen Honig zu lernen und womöglich den Fluch zu brechen.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Das gesamte Abenteuer Honig im Gebälk funktioniert als Werkzeugkasten auf sechs A5-Seiten ohne vorgefertigte Handlung. Das erfordert von der Spielleitung einiges an Improvisation. Mit verschiedenen Tabellen lassen sich unter anderem zufällige Begegnungen, Flüche bei Bienenstichen oder der passende Auftrag zum Start auswürfeln. Der eigentliche Schauplatz wird auf zwei Seiten mit mehreren Infokästen präsentiert. Darin erhält die Spielleitung eine grobe Beschreibung und, angedeutet, Verbindungen und mögliche Begegnungen Als grobe Orientierung ist außerdem eine kurze Abfolge der Geschehnisse abgedruckt.

Spoiler

Das Übel geht von der verfluchten schwarzen Sonnenblume aus. Diese ruft die Bienen, um sich an ihr zu nähren. Aus dem dunklen Nektar gewinnen sie dunklen Honig und füttern ihre Königin damit. Die Sonnenblumenkerne hingegen sammelt und frisst das Stinktier Schig, welches dafür auch gegen Mäuse kämpft. Die Kultmitglieder des Zuckertempels schließlich haben sich aus Angst vor der örtlichen Katze im Ofen der alten Hütte versteckt und sammeln den verfluchten Honig, um diese böse „Gottheit“ damit von sich abzulenken.

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Für unerfahrene Spielleitungen, die eine vorgegebene Struktur bevorzugen, kann Honig im Gebälk eine große Herausforderung bedeuten. Es gilt einerseits auf die freien Entscheidungen der Spielenden zu reagieren, welche die Areale frei erkunden. Andererseits kann durch die herausfordernden Kämpfe eine Auseinandersetzung mit etwas Würfelpech schnell im Tod aller Gruppenmitglieder enden. Das auszubalancieren benötigt etwas Erfahrung. Abseits davon reichen die Informationen des Schauplatzes aus, um ein bis zwei Sitzungen am Spieltisch mit interessanten Situationen zu füllen.

Mir hat es Spaß gemacht, mich an dem groben Gerüst entlangzubewegen und schnell Ideen von mir und den Spielenden mit in die Handlung einzufügen. Das kann beispielsweise sein, sich einen Transportweg des Honigs zu überlegen, der auf der Karte nicht feststeht, oder alle Kultmitglieder als Anspielung nach bekannten Süßigkeiten zu benennen, um ihnen etwas mehr Persönlichkeit zu verleihen.

Spielbarkeit aus Spieler*innensicht

Die Rückmeldungen aus der Testrunde fielen zu großen Teilen positiv aus. Die Spielenden lobten zunächst die niedliche und stimmungsvolle Aufmachung und hatten großen Spaß an der Charaktererstellung. Gleiches galt für die Umschreibungen alltäglicher Gegenstände als riesige und verzerrte Dinge aus Sicht der Mäuse. Die Fähigkeiten der Magie wurden zunächst als stark eingeschätzt, bis ein misslungener Wurf die potenzielle Gefahr durch Schaden an den Attributs-Werten zeigte.

Die verfluchten Bienen sind mit ihren Angriffen sehr gefährlich im Kampf.

Kritischer sahen die Spielenden dagegen das eher unnachgiebig wirkende Regelwerk. So schaffte eine Maus es im Verlauf des Abenteuers Mali für alle drei Attribute anzusammeln, weshalb alle Würfe mit Nachteil für die restlichen Geschehnisse getätigt wurden. Für die Aufhebung hätte der Charakter eine komplette Rast, also eine Woche in Sicherheit verbringen müssen. Der betroffene Spieler war damit außen vor und musste in mehreren Fällen von der Gruppe gerettet werden.

Durch das harte Kampfsystem wählten die Spielenden häufig einen vorsichtigen und heimlichen Weg, um Situationen zu lösen. Das beinhaltete viel Charakterspiel und sorgte für einige spaßige und schöne Diskussionen unter den Mäusen. Nach den Konfrontationen mit anderen feindlichen Tieren wurde schnell gerastet, um entstandene Schäden soweit möglich zu heilen. Insgesamt wurde die Testrunde als spaßig und interessant bewertet. Inwiefern sich Motivation für eine längere Kampagne oder ähnliches finden lässt, bleibt offen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Loosing Games/ System Matters
  • Autor*in(nen): Isaac Williams
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Box/PDF
  • Seitenanzahl: 44
  • ISBN: 978-3-96378-098-1
  • Preis: 49,95 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, System Matters, Sphärenmeister

Fazit

Ein alter Ofen in der Hütte dient dem Kult als großer und sicherer „Zuckertempel“.
Ein alter Ofen in der Hütte dient dem Kult als großer und sicherer „Zuckertempel“.

Mit Honig im Gebälk wird die Box von Mausritter um einen soliden Abenteuer-Baukasten aufgewertet. Mithilfe des übersichtlichen und knappen Regelwerks lässt sich in kurzer Zeit eine unterhaltsame Handlung für ein bis zwei Sitzungen auswürfeln. Auch die Charaktererschaffung ist schnell erledigt und lässt genug Freiraum für Personalisierung. Da keine feste Geschichte vorgegeben ist, muss die Spielleitung regelmäßig improvisieren und sich etwas einfallen lassen. Das kann für einige eine Erleichterung sein. Neulinge oder Spielleitungen, die lieber einer Handlung folgen, könnten damit aber Schwierigkeiten haben.

Die Gruppe in der Testrunde lobte die immersive Erfahrung aus Sicht der Mäuse und die niedliche Welt. Die Kämpfe und deren Folgen hingegen wurden kritischer betrachtet. Bereits ein paar Misserfolge beim Würfeln sammelten eine Vielzahl an Mali an, mit denen ein Weiterspielen des Charakters fast unmöglich wurde. Bei einem möglichen Publikum ab acht Jahren würde ich der Spielleitung raten, einige Effekte abzuschwächen, um keinen Frust am Spieltisch zu verursachen.

Aus dem Spieltest senkt sich aufgrund der Härte der Kämpfe von Honig im Gebälk die Gesamtwertung für das System etwas. Wer auf klassische Hexagon-Erkundungen, herausfordernde Gefechte und niedliche Maus-Zeichnungen steht, wird dennoch jede Menge Spaß an Mausritter haben. Für alle anderen bleibt das Regelwerk ebenfalls solide und kann mit ein paar Anpassungen ebenfalls weiterempfohlen werden.

  • Hübsche Karte mit einfachen Textblöcken
  • Zufallstabellen lockern die Handlung auf
  • Alles auf einen Blick, fast kein Blättern
 

  • Viel Improvisation gefragt
  • Kämpfe sehr gefährlich und tödlich

 

Artikelbilder: © System Matters
Layout und Satz: Milanko Doroski
Lektorat: Susanne Stark
Fotografien: Andreas Schellenberg
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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