Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Fünf Jahre lang publizierte das D&D-Fanzine Kobold Quarterly diverse Artikel zum Thema Magie. 2014 wurden diese Essays in einem Sammelband zusammengefasst.

Inhalte

Die zahlreichen Essays im Kobold Guide to Magic beschäftigen sich vor allem mit einem Widerspruch im Rollenspielhobby: Zauberei, so wie man sie aus Literatur und Film kenne, sei unwägbar, unerklärlich und allmächtig. Genau dieser Reiz gehe aber durch die Abstraktion und genaue Definition von Magie in Form von Regeln verloren. Scheint dieser Ansatz auf den ersten Blick doch sehr gradlinig, so gelingt es dem Sammelband, ihn auf vielfältige Art zu beleuchten.

Mehrere Artikel stellen das Fantastische, Unberechenbare von Magie in den Vordergrund, das im Englischen treffend mit „Sense of Wonder“ tituliert wird, und behandeln, wie dies am Spieltisch eingebracht werden kann. Ein Essay beschreibt, wie kodifizierte Spruchlisten durch die Erweiterung um variable Ereignisse, abweichende Effekte oder schlicht farbenfrohe Beschreibungen weniger berechenbar werden können; ein anderer Artikel schlägt vor, fest definierte Elemente wie punktgenaue Reichweiten zu entfernen oder die Wirkung von der Qualität der verwendeten Ingredienzen abhängig zu machen.

Aber auch Vorsicht sei geboten: So erläutern andere Beiträge, dass Magie zwar nicht bis in ihre kleinste Funktionsweise erklärt sein muss, Zauberei aber dennoch in sich schlüssig und mit ihren eigenen, nachvollziehbaren Regeln versehen sein muss.

Auch die Vielseitigkeit im Einsatz von Magie wird im Kobold Guide to Magic am Beispiel von anderen Kulturen und literarischen Vorlagen ausführlich beleuchtet. So betrachtet ein Artikel Magie und Mystik der alten Kelten, ein anderer sinniert darüber, wie Kreaturen der vier Elemente – Vogel- Maulwurfs- oder Fischmenschen – Magie mit ihrer natürlichen Umgebung verquicken könnten. Robert Jordans Serie „Das Rad der Zeit“ dient in zwei Essays als Beispiel für befleckte Magie und den unterschiedlichen Umgang der Geschlechter mit arkaner Kraft.

Weitere Artikel untersuchen Literatur und Mythen auf ihre Archetypen und andere Klassifizierungen. Wie äußert sich die doch sehr subtile Magie bei Tolkien, angefangen bei Adepten bis hin zu den Istari? Woher kommt Magie, und in welcher Form wird sie angewendet, sei es in wissenschaftlicher Form wie bei Astrologen und Orakeln, sei es in Form der Kanalisierung spiritueller Energie oder der Änderung des Weltgefüges selbst durch Gesang und Formeln.

Auch die Probleme einzelner Sprucheffekte und Phänomene werden angegangen. So führt ein Autor Gegenmittel auf für den übermächtigen Teleportationszauber, der den Spielern die Erforschung der Welt vorenthält und für viele Probleme eine zu einfache Lösung bereithält. Ein weiteres Essay widmet sich der Quelle und dem Zweck göttlicher Magie, ein anderes den Hürden im Umgang mit Wahrsagerei und Prophezeiungen.

Wieder andere Essays untersuchen die Präsenz von Magie im Alltagsleben: Wie kann man mit Recht und Gesetz gegen über die Stränge schlagende Zauberer vorgehen? Welche Vorteile bringen Kabalen und Zaubererlogen, agieren sie offen oder verborgen? Und wie schlage ich den besten Vorteil für mich heraus, wenn ein Dämon als Preis für seine Dienste meine Seele verlangt?

Nutzen

Der Kobold Guide to Magic betrachtet das Phänomen der Magie im Rollenspiel von vielen verschiedenen Blickwinkeln. Bei jedem der vielseitigen Beiträge merkt man, dass die Autoren frischen Wind in die festgefahrenen Wege bringen wollen, mit denen Magie in unserem Hobby abgewickelt wird. Mir persönlich haben dabei besonders gut die Artikel gefallen, die die literarischen Ursprünge der bis heute präsenten Archetypen und Klischees untersuchen, so etwa die Eigenarten der Zauberer Merlin und Gandalf oder eben die verschiedenen Wege, mit denen Tolkien Magie in Mittelerde darstellt.

Obwohl die Essays ursprünglich in einem Fanzine für Dungeons & Dragons erschienen, betrachten nur wenige Beiträge die Funktionsweise von Magie in diesem Rollenspielklassiker. Tatsächlich haben die meisten Artikel einen ganz allgemeinen Ansatz, der den Einsatz in jedem beliebigen System ermöglicht. Auch sind die in den Essays beschriebenen Einfälle und Konzepte so gehalten, dass eine Runde nicht groß die Mechanismen des in der eigenen Runde verwendeten Produkts umschreiben muss, sondern diese Vorschläge stattdessen während der Erzählung im Spielfluss oder in Form neuer Elemente der Geschichte einbringen kann.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der geforderte Preis von 24,99 USD für diesen Sammelband erscheint mir für ein reines PDF ein wenig hoch. Zwar erhält man ein umfangreiches Buch mit durchweg gut geschriebenen Texten namhafter Autoren, allerdings kann man für einen vergleichbaren Preis auch gedruckte Bücher in aufwändigerer Aufmachung erstehen. Den zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Rezension auf knapp die Hälfte reduzierten Preis empfinde ich eher als angemessen.

Erscheinungsbild und harte Fakten

Cover Guide to Magic KOBOLD PRESSDie Optik des Kobold Guide to Magic ist vor allem zweckmäßig. Neben dem farbigen Einband präsentiert sich das gesamte Innenleben in schwarz-weiß ohne Illustrationen. Sämtliche Texte sind einspaltig gesetzt, wegen des Buchformats von knapp über Din A5 aber gut lesbar. Zudem sorgen großzügige Leerseiten zwischen den einzelnen Abhandlungen für Übersichtlichkeit.

Alle Essays sind durchweg gut geschrieben und lesen sich flüssig und anregend. Jeder Beitrag vermag es, seine Ideen und Vorschlägen dem Leser gut zu vermitteln. Der vertrauliche Tonfall, der den Leser direkt anspricht, lockert die Lektüre zusätzlich angenehm auf.

Das PDF verfügt über Lesezeichen zu jedem Beitrag, der Text ist kopierbar.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Kobold Press
  • Autor(en): Wolfgang Baur, Clinton J. Boomer, David Chart, David “Zeb” Cook, Monte Cook, James Enge, Ed Greenwood, Jeff Grubb, Kenneth Hite, James Jacobs, Colin McComb, Richard Pett, Tim Pratt, John D. Rateliff, Thomas M. Reid, Aaron Rosenberg, F. Wesley Schneider, Ken Scholes, Amber E. Scott, Willie Walsh, Martha Wells, Steve Winter
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 159
  • ISBN: 978-1-936781-11-9
  • Preis: 24,99 USD, zur Zeit der Rezension reduziert auf 14,99 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG

Fazit

Der Kobold Guide to Magic betrachtet das Phänomen der Magie in all seinen Facetten, sei es die Quelle arkaner Kraft, der Umgang von Zauberern damit oder die Problematiken spezieller magischer Phänomene. Die jeweiligen Essays sprühen dabei vor neuen Blickwinkeln und inspirierenden Vorschlägen. Jeder Artikel dieses Buches ist anregend und flüssig geschrieben und sorgt für eine unterhaltsame Lektüre.

Da diese Bandbreite an Ideen zudem systemunabhängig präsentiert wird, kann jede Spielrunde die Einfälle dieses Sammelbandes mit nur wenig Aufwand in ihr eigenes Spiel übernehmen.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Kobold Press

 

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein