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Knights & Legends bezeichnet sich als Dark Fantasy Tabletop RPG und führt zwei bis fünf SpielerInnen in die mittelalterliche Welt Ezora, in der Menschen, Orks, Zwerge und Elfen leben. Das Spiel ist auf Sessions mit ein bis zwei Stunden Spieldauer ausgelegt. Kann das funktionieren und Tiefgang bieten?

Knights & Legends bringt seine eigene Spielewelt Ezora mit, in der kurze Einzelabenteuer oder auch eine fortlaufende Kampagne gespielt werden können. Im Titelzusatz bezeichnet sich Knights & Legends als Dark Fantasy Rollenspiel, sollte folglich also tendenziell dem Horror zugetan sein und den Schwerpunkt auf Unheimliches sowie Düsteres legen. Hier ist bezüglich des Settings und spielbaren Figuren jedoch nichts feststellbar, daher ist der Titelzusatz irreführend.

Den Anfang macht eine schlichte, aber funktionale Kapitelübersicht, die um einen kleinen Absatz über das benötigte Spielmaterial ergänzt ist. Als Nächstes werden in einer knappen Einführung die Welt und das Spiel vorgestellt. Ein wichtiger Hinweis kommt leider nicht hier, sondern ohne besondere Hervorhebung erst auf Seite 30: „The game was designed for one or two hour sessions, depending on the complexity of the adventure crafted by the GM.“

Regelmäßige RollenspielerInnen werden wissen, dass ein Rollenspiel im Handumdrehen abendfüllend werden kann. Knights & Legends möchte eine Kurzversion hiervon bieten, was aber eine prominente Platzierung dieser Tatsache erfordert, um die Ausrichtung deutlich zu machen.

Die Spielwelt

Die Welt Ezora wird zunächst mit einer kleinen Karte abgebildet und zeigt die zwei großen Kontinente der Welt, Etheros und Thundra. Die Welt wird abgeschlossen dargestellt, was bedeutet, dass die Kontinente keine offenen Enden besitzen, sondern vollständig abgebildet sind. Ein Maßstab ist jedoch nicht vorgegeben, daher kann nach eigenem Ermessen skaliert werden. Als „gridded map“ wird die Weltkarte im Querformat auf einer eigenen Seite dargestellt, um die betitelten Regionen schnell auffindbar zu machen. Die Örtlichkeiten werden tabellarisch aufgelistet und haben neben den Kartenkoordinaten (z. B. B-3 für Pyro Peak) auch eine kurze Charakterisierung des Ortes (z. B. für Pyro Peak: A treacherous mountain full of loose rocks. Legends say a dragon rests here). Jede Region wird auf einer eigenen Seite im Detail vorgestellt, was angenehm übersichtlich ist. Unter den Regionen befinden sich auch die Herkunftsländer der spielbaren Rassen.

Auf Etheros liegt im Norden Lindfell, eine vorwiegend bergige Landschaft mit trockenem Klima und. Es ist die Heimat der Zwerge. Vancroft befindet sich zentral auf dem Kontinent und hat ein feuchtes, fruchtbares Klima. Das Königreich der Menschen befindet sich hier. Die im Süden liegende kleine Provinz Kenjiwah hat tropisches Klima und wird von einem meisterhaften Schmied verwaltet, dessen Werke weltweit bekannt sind.

World Map

Auf Thundra befindet sich im Südwesten das subtropische Loriwhyn mit einer gut gemischten Bevölkerung aller Rassen. Im Norden des zweiten Kontinents liegt die Heimat der Orks, sie wird Khimesh genannt. Man sagt, dass die überwiegend aus Wüste und Kargland bestehende Region wohl nur für die Orks ein adäquater Lebensraum sein kann. Elmora ist die größte Nation auf Ezora und liegt im Osten.

Die tropische, feuchte Region ist die Heimat der Elfen.

Neben wenigen Eckdaten und Kartenkoordinaten findet sich zu jeder Region eine kurze Abhandlung über die Geschichte, um eine grobe Vorstellung von den Verhältnissen in diesem Teil der Welt zu haben. Den Abschluss der Weltbeschreibung bildet ein leeres Formular im Design der bisherigen Ortsbeschreibungen, um eigene Örtlichkeiten zu erschaffen.

Beschreibung einer Region

Insgesamt ist die Weltbeschreibung dürftig. Eine Entstehungsgeschichte fehlt, es werden nur die Landstriche vorgestellt, keine detaillierten Örtlichkeiten wie Städte oder Dörfer. Ein Überblick über die aktuellen Verhältnisse der Reiche bzw. Völker untereinander fehlt, ebenso das Wissen darum, wie der Kontakt zueinander ist. Gefahren und Bedrohungen für Land und Leute werden nicht genannt. Die Karte gibt Ideen, wie sich das Land hinsichtlich Wäldern und Bergen unterscheidet, bleibt aber ansonsten unspezifisch. Mit diesen Angaben lassen sich inhaltlich eher oberflächliche Abenteuer bauen. Für mehr Tiefgang bzw. Komplexität bedarf es deutlich mehr Vorbereitungszeit als die in der Einleitung angegebenen fünfzehn Minuten, da noch grundsätzliche Dinge am Setting in Eigenleistung ergänzt werden müssen.

Charaktererschaffung

Es folgt die Rassen- und Klassenvorstellung, die für die spätere Charaktererschaffung notwendig ist. Jede Rasse wird auf einer einzelnen Seite zusammen mit einer bildlichen Darstellung vorgestellt. Neben der Beschreibung der Rasse erfährt man die Verwundbarkeiten durch Elemente, Zauberei und physische Gewalteinwirkung. Dazu kommen die Basiswerte, bei denen zwischen männlich und weiblich unterschieden wird. Jeweils gleich auf der nächsten Seite kommen die wählbaren Klassen für die eben vorgestellte Rasse.

Alle Rassen können aus fünf unterschiedlichen Klassen wählen, z. B. Krieger bei Mensch, Mönch bei Zwerg, Schamane bei Ork und Assassine bei Elf. Neben einer knappen Beschreibung der einzelnen Klasse finden sich an dieser Stelle die Attributspunkte für die Charaktererschaffung sowie der Klassenbonus im Spiel.

Nach den Rassen und Klassen folgt eine Seite mit der Überschrift „Super Abilities“, die sich in Spells und Abilities aufteilt. Das Layout dieser Seite ist leider schlecht. Die Spells bzw. Abilities sind ohne Sortierung (zum Beispiel alphabetisch). Bezeichnung, Erklärung und Kosten bzw. Dauer sind nicht in einer Tabelle strukturiert, zudem ist alles gefettet. Die Seite ist nicht angenehm zu lesen, außerdem ist die Platzierung dieses Inhalts an dieser Stelle ungünstig, da keine Darlegung über die Verwendung erfolgt.

Die Charaktererschaffung rückt näher: In einem „Character Sheet Tutorial“ erfährt man, was in welchem Bereich des Charakterbogens eingetragen wird. An dieser Stelle wird ausführlich erläutert und erklärt, und mit einem beispielhaft ausgefüllten Charakterbogen abgeschlossen. Dieser Teil ist insgesamt gut verständlich und nachvollziehbar.

Die Regeln

In einem „Combat System Tutorial“ wird auf das Kampfsystem eingegangen. Es beginnt mit einer Erklärung der einzelnen Attribute und deren Bedeutung (was auch bei der Charaktererschaffung dargelegt werden könnte) und dem knappen Hinweis, dass bei Knights & Legends einfach gehaltene Formeln der Kern des Kampfsystems seien.

Exemplarisch wird ein Dire Wolf einer Heldenfigur gegenübergestellt und der Kampf abgebildet. Ein Waffenangriff bedeutet beispielsweise einen Wurf mit einem W20, hinzuaddiert wird die eigene Stärke, abgezogen wird die Stärke des Zieles und die Differenz ist der erlittene Schaden.

Zauberangriffe erfolgen mit demselben Schema, verwenden aber Weisheit für den Angriff, und abgezogen wird der Spirit-Wert des Zieles. Es bleiben Unklarheiten: Wann wird das Formular Basic Combat verwendet, wann das Formular Super Combos? Darf eine physische und magische Attacke ausgeführt werden, oder nur eines von beidem? Die Super Abilities haben klangvolle Namen wie „Assassin’s Strike“, „Dance of the Moon“ oder „Dragon Spin“, aber in der Anwendung bedeutet es lediglich, dass gemäß dem angegebenen Cooldown (in Runden) Würfel „absteigend“ gewürfelt werden: beispielsweise für eine Fähigkeit mit Cooldown von drei Runden W20, W12 und W10. Weitere Erklärungen erfolgen nicht, auch keine Hinweise auf sonstige Handlungsmöglichkeiten im Kampf.

Beispiel eines Adventure Sheets

Nach dem Kampfsystem wird im „Adventure System Tutorial“ erklärt, wie man ein eigenes Abenteuer generiert. Nach einer kurzen Einführung geht es darum, eine Dungeon Map oder Area Map zu gestalten. Es werden Abkürzungen vorgeschlagen, die dabei verwendet werden können

(zum Beispiel TD für Trap Door, WS für Wall Switch oder BF für Boss Fight). Diesen Teil schließt ein gestaltetes und verwendbares Adventure Sheet ab. Zu jedem Adventure Sheet gehört das Adventure Script, in dem die Geschichte um diesen Ort des Abenteuers eingetragen werden soll. Direkt darunter befindet sich Raum für ein Event Journal, um Geschehnisse zu protokollieren. Diese Methode wirkt heutzutage eher altbacken und scheint früheren Rollenspielzeiten zu entstammen.

Jeder Held, jede Heldin benötigt gute Ausrüstung. Auf einer Seite mit dem Titel „Armory“ findet sich eine Liste mit Waffen und Rüstungen. Im Gegensatz zu den Super Abilities wurde hier eine Tabelle gestaltet. Sortierung in irgendeiner Form liegt nicht vor. Für jeden Gegenstand wird ein Preis aufgeführt, dessen Währung mit K$, gemäß Character Sheet als „kese“ bezeichnet, dargestellt wird.

Die einzelnen Gegenstände werden zwar kurz und prägnant beschrieben, wie sich jedoch der Erwerb auf die Werte der Spielfigur auswirkt, fehlt bzw. liegt nicht vor. Unter der Rubrik „Inventory“ wird eher exotischer Abenteurerbedarf wie „Elixir of the Gods“, „Fiery Dragon’s Brew“ oder „Icaru’s Draught“ aufgeführt. Hier wird allerdings bei der Beschreibung die spieltechnische Auswirkung aufgeführt.

Den Abschluss bildet eine Auflistung von möglichen Gegnern. In einer Tabelle werden Gegner wie Minotaur, Wraith oder Necromancer aufgelistet. Ihre Affinität wird angeführt und es gibt eine knappe Beschreibung. Hier steht bei manchen das Wort Boss in Klammern und hochgestellt dabei.

Abschließend kommt nun eine Zusammenfassung des bisherigen Inhalts. An dieser Stelle sind für Gegner ein Wertebereich für alle Eigenschaften angegeben (z. B. Health 10-150), um die zuvor genannten Gegner mit Zahlen auszustatten. Weiterhin finden sich ein Character Sheet, eine Seite für Notes, ein Aventure Sheet mit Adventure Script und Event Journal am Ende, einmal jede Seite mit grauem Hintergrund, dann nochmals printer friendly mit weißem Hintergrund.

Erfahrungsstufen, Abenteuerpunktvergabe und Regeln für das Verbessern der Spielfigur liegen nicht vor. Werte für Fertigkeiten bzw. Attribute wie Wahrnehmung, Charisma oder Athletik sind nicht vorhanden. Würfeln und Proben beschränken sich folglich nur auf den Kampf, alles Weitere muss bei Interesse erzählerisch gelöst werden. Die gewünschten kurzen Spielsitzungen können zwar mit dem System durchgeführt werden, Tiefgang bieten sie jedoch ohne erhebliche Eigenleistung nicht.

Add-ons

Der Zusatzbereich wird mit einem stimmungsvollen Bild einer Bestienmeisterin und ihren Wölfen eröffnet. Mit der Erweiterung werden Support Classes wie Musician oder Beastmaster eingeführt, die wie Multiclassing bei Dungeons & Dragons zu verstehen ist. Erklärt werden deren Besonderheiten und Eintragungen im Charakterbogen. Ebenfalls im Add-on enthalten sind drei spielbereite Abenteuer und ein Vordruck, um die Werte von Gegnern eintragen zu können.

Erscheinungsbild

Für diesen Ersteindruck lag die PDF-Ausgabe vor. Das Werk ist im US-Letter-Format, vollfarbig und hat sechzig Seiten. Auf dem Cover ist eine Frau in Plattenrüstung abgebildet, die ihren Helm an der Seite trägt. Neben dem Titel stehen die Hinweise „Core Book“ und „2nd Edition“. Es gibt eine Kapitelübersicht zu Beginn, ein Stichwortverzeichnis liegt nicht vor. Der Text ist durchwegs gefettet und abschnittsweise kursiv formatiert. Die Schriftgröße des Fließtextes ist eher klein, die Überschriften wirken hierzu unverhältnismäßig groß. Das gesamte Textlayout wirkt eher schlicht, ist aber überwiegend gut lesbar und erfüllt somit seinen Zweck. Die enthaltenen Illustrationen sind durchwegs sehr hochwertig und wirken professionell.

Beim Ausdruck der PDF-Datei wurden auch nach mehreren Versuchen etliche Seiten nicht ausgedruckt. Da jedoch nicht feststellbar ist, ob es sich um einen Fehler in der PDF-Datei oder meinem System handelt, fließt das nicht in die Bewertung ein, soll aber nicht unerwähnt bleiben.

Die harten Fakten:

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Homepage von Knights & Legends werden alle zusätzlich erhältlichen Produkte wie Shadow Lords und Lost Relics vorgestellt. Auf YouTube gibt es einen Knights & Legends-Kanal mit Vorstellungs- und Trailervideos.

Fazit

Knights & Legends bezeichnet sich als Dark Fantasy RPG, aber sowohl Setting als auch spielbare Figuren bieten weder Horror, noch Unheimliches oder Düsteres. Daher ist der Titelzusatz irreführend, High Fantasy wäre richtig gewesen. Das Spiel ist auf kurze Sessions von ein bis zwei Stunden ausgelegt und die zu spielenden Szenarios sind vorwiegend Dungeon Crawler, die auf einer DIN-A4-Seite einfach und schnell entworfen werden können.

Der Hinweis auf die bewusst kurz angelegten Spielsessions hätte früher und prominenter platziert werden müssen, da bei Rollenspielen normalerweise abendfüllende Inhalte üblich sind. Die Spielwelt Ezora wird zwar mit einer Karte und Regionen vorgestellt, bleibt aber insgesamt dürftig und oberflächlich. Die Charaktererschaffung ist dank dem Character Sheet Tutorial gut nachvollziehbar und schnell durchgeführt.

Das Kampfsystem ist schnell und direkt, aber auch anspruchslos. Zudem scheint es einziger Kern des Spieles zu sein, da Werte für Attribute bzw. Fähigkeiten nicht vorliegen und folglich nicht geprüft werden können. Ebenso gibt es keine Erfahrungsstufen, Abenteuerpunktvergabe und Regeln für das Verbessern der Spielfigur. Für Ausrüstung und Inventar gibt es eine kleine Auswahl, wobei Waffen und Rüstungen die Spielwerte der Charaktere nicht verändern.

Das Textlayout wirkt sehr einfach und scheint einem Schreibprogramm direkt ohne weitere Gestaltung entnommen zu sein. Die Illustrationen sind vollfarbig, professionell und durchwegs gelungen.

Was Knights & Legends insgesamt bietet, ist sehr spärlich. Insbesondere die fehlerhafte Betitelung als Dark Fantasy RPG und die fehlende Möglichkeit der Spielfigurverbesserung, weder durch Erfahrungsstufen, noch durch Ausrüstung, fallen negativ auf. Gerade letzteres wäre für einen Dungeon Crawler, der Knights & Legends sein will, unerlässlich. Wer storyintensive Abenteuer auch außerhalb Kampfsituationen mit Knights & Legends erleben will, muss viel Eigenarbeit hineinstecken.

Dieser Ersteindruck basiert auf dem Erstellen eines Charakters und testen des Würfelsystems. Ein Spieltest ist nicht geplant.

Artikelbilder: © Felix Arts, Bearbeitung: Roger Lewin
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Über den Autor

Kilian Braun ist seit vielen Jahren Phantastikfan und leidenschaftlicher Spiele-Spieler. Über DSA kam er zum Tischrollenspiel und probiert mittlerweile gern unterschiedliche Systeme aus. Er ist Autor von Romanen und Kurzgeschichten im Bereich Fantasy und Science-Fiction.

 

 

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