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Im Event Leviathan vereinigte ein neuer Schurke alle Geheimdienste und Terrorgruppen des DC-Universums. In Checkmate von Brian Michael Bendis und Alex Maleev kommt jetzt der Gegenschlag. Aber kann eine kleine Gruppe aus so verschiedenen Leuten wie Green Arrow, Lois Lane und Talia al Ghul tatsächlich eine globale Spionagearmee schachmatt setzen?

Handlung

Checkmate – Die Leviathan-Verschwörung setzt das Event Leviathan fort. In Leviathan übernahm eine unbekannte Macht alle wichtigen internationalen Spionagegruppen der DC-Erde:

  • A.R.G.U.S., ein amerikanischer Geheimdienst, der die Justice League unterstützte und von Wonder Womans Freund Steve Trevor geleitet wurde
  • Spyral, ein UN-Geheimdienst, der einst Batmans Protegé Nightwing rekrutierte
  • Die B.P.E., „Men in Black“, die Aliens und paranormale Wesen überwachen
  • Project Cadmus, die mit Alien-Technik und genetischer Manipulation experimentieren
  • Kobra, eine Terrororganisation religiöser Endzeit-Fanatiker
  • Und schließlich Leviathan, die Organisation von Talia al Ghul, Erzfeindin von Batman und Mutter seines Sohnes

Alle diese Organisationen wurden unterwandert, gestürzt und unter dem Namen Leviathan zu einem Moloch von Geheimorganisation zusammengefasst. Als Basis kaufte sie den osteuropäischen Zwergstaat Markovia auf, Heimat des Superhelden Geo-Force, und erlangte somit gleichzeitig die Mitgliedschaft in der UN. In Metropolis vereitelte Leviathan einen Plan von Lex Luthor und gewann so globale Sympathie. Nachdem die Organisation Leviathan sich ihrer Rivalen entledigte, erklärte sie, alle Regierungsgeheimnisse weltweit zu veröffentlichen, um sämtliche korrupten und schmutzigen Hinterzimmer-Geschäfte auffliegen zu lassen und damit die Welt zu retten. Der Anführer von Leviathan konnte zwar als Mark Shaw, ein ehemaliger Superspion, entlarvt werden, aber mit den Top-Secret-Akten aller Geheimdienste, vollem Zugriff auf geheimste Technologien aus dem Giftschrank und einem eigenen Land als Basis scheint Leviathan unaufhaltsam.

Die einzigen, die sich ihnen in den Weg stellen, sind Checkmate: Einstmals auch ein Geheimdienst, (DCs Antwort auf Marvels S.H.I.E.L.D.), ist das neue Checkmate eine kleine, zusammengewürfelte Truppe. Ein nur als „King“ bekannter Mann rekrutierte Steve Trevor, den ehemaligen B.P.E.-Direktor Mr. Bones, die maskierten Selbstjustizler Question und Manhunter, Green Arrow von der Justice League und die Reporterin Lois Lane. In einem Zweckbündnis schließt sich auch Talia al Ghul an, die sich an Mark Shaw für den Diebstahl ihrer Leviathan-Organisation rächen will, und ihr Sohn Damian Wayne, der aktuelle Robin.

In ihrem Hauptquartier, einer alten Kirche in Metropolis, versuchen diese ungleichen Verbündeten einen Plan auszuhecken, den übermächtigen Leviathan zu stoppen. Leider erreicht Checkmate selbst wenig in diesem Band. Lois Lane hat sich zum Beispiel in den letzten vierzig Jahren von Supermans „Jungfrau in Nöten“ zu einer intelligenten, starken und eigensinnigen Investigativreporterin entwickelt. In Checkmate findet sie zwar die entscheidenden Hinweise, deckt sie aber nicht selbst auf. Stattdessen werden sie ihr von anderen Personen (teils unbeabsichtigt) zugespielt. Und damit erreicht Lois Lane noch mehr als ihre Mitstreiter*innen: Green Arrow gerät zufällig in mehrere Kämpfe mit Leviathan-Agent*innen, die keine Auswirkungen auf die Hauptgeschichte haben. Steve Trevor, Mr. Bones und King verbringen den gesamten Band damit, in ihrem Versteck Pläne zu schmieden, die sie aber nie beenden, geschweige denn umsetzen. Insgesamt verhält sich Checkmate als Gruppe zu passiv.

Dazu kommt, dass nicht klar ist, was Checkmate überhaupt ist. Früher eine weltweite Organisation mit tausenden Mitgliedern, besteht es jetzt aus nicht mal einem Dutzend Leute. Besteht dieses neue Checkmate nur aus den paar Leuten, die sich selbst so nennen? Oder gibt es eine Verbindung zu der alten Organisation? Vielleicht sogar ein Regierungsmandat? In einer Szene wird Finanzierung und Aufsicht durch die US-Regierung angesprochen, abgesehen davon verhalten sich die Checkmate-Mitglieder aber völlig unabhängig. Soll Checkmate überhaupt ein festes Team sein, oder nur ein loser Verbund von Einzelpersonen, die Informationen austauschen? Und woher weiß Leviathan, dass es Checkmate gibt und wer dazugehört? Für die interne Logik der Geschichte sind das durchaus wichtige Fragen, die nicht beantwortet werden.

Andererseits sind auch Leviathans Prioritäten nicht klar. Mark Shaw und seine Gefolgsleute reden ständig davon, eine „Neue Weltordnung“ zu schaffen. Der erste Schritt in Markovia scheint vielversprechend: In einem rustikal anmutenden Bauernland haben sie einen kilometerhohen Science-Fiction-Turm mit Alien-Technologie gebaut. Diesen Weg zu einer technologischen Utopie geht Leviathan jedoch nicht weiter. Auch die Ankündigung, alle Regierungsgeheimnisse zu veröffentlichen, wurde nicht wahrgemacht. Da Leviathan als Nachfolger der Geheimdienste bereits im Besitz der Geheimnisse ist, sollte das nur wenige Minuten auf WikiLeaks dauern. Stattdessen mauert Leviathan sich ein, verfolgt Checkmate und versucht Superman zu rekrutieren. Superman ist natürlich ein realpolitischer Machtfaktor, das erklärt jedoch nicht, warum Leviathan solange alles andere auf Eis legt.

Die Charaktere werden sehr ungleichmäßig genutzt. Lois Lane fungiert praktisch als inoffizielle Hauptfigur mit der meisten Präsenzzeit, während Green Arrow und Robin sich mit ungefähr gleich viel Präsenz den zweiten Platz teilen. Aber schon Gaststar Superman hat mehr Seiten, tut mehr und spielt eine wichtigere Rolle als zum Beispiel Steve Trevor, Mr. Bones oder Question. Für den nach Teambuch klingenden Titel Checkmate ist das etwas unerwartet – Lois Lane: Agent of Checkmate hätte vielleicht besser gepasst. Die entscheidenden Ereignisse des Finales geschehen fast ohne Einfluss der Checkmate-Gruppe, und dazu bleibt das Ende immer noch sehr offen. Natürlich gibt es auch gute Geschichten, in denen die Protagonist*innen mehr als Zuschauende agieren. Dazu braucht es aber eine spannende Handlung und aktiv handelnde Antagonist*innen, denen man zusammen mit den Protagonist*innen folgt. In Checkmate – Die Leviathan-Verschwörung gibt es aber leider nichts davon.

Angesichts des Autors ist die Geschichte auch etwas enttäuschend. Brian Michael Bendis ist einer der erfolgreichsten Comic-Autor*innen der letzten 20 Jahre, der seine ersten Erfolge bei Marvel mit Alias, Daredevil und Ultimate Spider-Man hatte. Diese Comics hatten einen starken Noir-Krimi Einfluss, der oft nicht weit entfernt von Spionagegeschichten liegt, wie man etwa an Ed Brubaker sehen kann. In Checkmate – Die Leviathan-Verschwörung hat Bendis allerdings nicht zu seinen frühen Stärken zurückgefunden.

Charaktere

Die Charaktere in Checkmate – Die Leviathan-Verschwörung sind ungleichmäßig ausgearbeitet. Wie bereits erwähnt hat Lois Lane die größte Rolle. Sie ist durchaus gut geschrieben und hat eine persönliche Motivation, da ihr Vater Sam Lane von Leviathan getötet wurde. Sam Lane war Chef der amerikanischen Geheimdienste im Senat und hinterließ Lois einen entscheidenden Hinweis, der sie zu einem Familiengeheimnis führen soll, das Leviathan stürzen kann.

Mark Shaw, der Anführer von Leviathan, ist die zweite Hauptfigur. Es gibt wiederholt Szenen aus seiner Sicht, wie er mit seinen Untergebenen zusammenarbeitet. Einerseits ist er ein klarer Idealist, der Superheld*innen und Superman bewundert und wirklich die Welt verbessern will. Andererseits erfährt man nichts Genaues über ihn, und einige seiner Handlungen sind moralisch sehr fragwürdig und stehen in Konflikt mit seinen hehren Zielen. Shaw wurde ursprünglich 1975 als Manhunter erfunden, ein maskierter  Kopfgeldjäger und Agent. Die Figur war allerdings nie sonderlich erfolgreich und die Hintergrundgeschichte spielt hier keine Rolle.

Diese Eigenständigkeit der Geschichte mag ein Vorteil für neue Lesende sein, im größeren Kontext des DC-Universums verwundert es jedoch. Zum Beispiel ist im Checkmate-Team die aktuelle und achte Manhunter, Kate Spencer. Ihre Verbindung zu Shaw, dem ehemaligen dritten Manhunter, wird jedoch nicht erwähnt. Zum anderen war Mr. Bones in Justice League – Infinite Frontier, das direkt vor Checkmate – Die Leviathan-Verschwörung spielt, ein Schurke, der mit seiner Behörde B.P.E. zahlreiche Held*innen und Aliens entführte, um ihre Lebensenergie an Darkseid, den Neuen Gott des Bösen, zu opfern. In Checkmate – Die Leviathan-Verschwörung spielt das allerdings keine Rolle. Um genau zu sein, spielt Mr. Bones eigentlich auch keine, da er nichts beiträgt außer in Gruppenszenen den Raum zu füllen. Genauso steht es auch um Steve Trevor, King, und, abgesehen von je einer Actionsequenz, auch Question, Manhunter und Robin. Anders als Lois Lane haben die anderen Checkmate-Mitglieder wenig bis gar keine Motivation, der Gruppe beizutreten und auch keinen Einfluss auf die Handlung.

Diese Eigenständigkeit existiert, in klar negativer Form, auch in der Charakterisierung der Figuren. Alle sprechen auf genau dieselbe hippe und flippige umgangssprachliche Art. Bendis Stil Dialoge zu schreiben, ist klar von Kult-Regisseuren der 90er wie Quentin Tarantino, Kevin Smith und Joss Whedon geprägt. Für einige Charaktere wie Lois Lane, Green Arrow oder Kate Spencer passt das. Dann gibt es Figuren wie Mr. Bones, Steve Trevor und Question, die seit Jahrzehnten eigentlich mit schroffem, professionellem Tonfall etabliert sind, plötzlich aber freche Sprüche durch die Gegend werfen. Einen richtigen Schock erzeugt das aber bei Talia al Ghul. Sonst hat sie stets perfekte Manieren, sich immer unter Kontrolle und drückt sich immer mit gewählten und bedachten Worten aus, wie die Prinzessin, zu der ihr Vater Ra’s al Ghul sie erzogen hat. In Checkmate ist sie nicht wiederzuerkennen. Eigentlich sehr unterschiedliche Charaktere sind dadurch in Gesprächen kaum auseinanderzuhalten.

Zeichenstil

Die Zeichnungen sind sehr schön anzuschauen und das Beste am Comic. Alex Maleev, ein bulgarischer Zeichner, arbeitet schon lange mit Bendis zusammen, unter anderem auch im obengenannten Daredevil-Comic. Der Zeichenstil ist etwas stilisiert, aber doch realistisch und ausdrucksstark. Die Figuren sind gut getroffen und klar erkennbar. Die meist gedämpften Farben erzeugen eine stimmige Atmosphäre. Gelungen ist vor allem die Trennung von Leviathan und Checkmate: Leviathans Turm wird tagsüber gezeigt, wie er bis hoch über die Wolken ragt, und hat einen sauberen Hightech-Look, mit hellen und warmen Orange- und Gelbtönen. Die Checkmate-Szenen spielen zumeist nachts oder im Dunkeln, in heruntergekommenen Gassen, Hinterzimmern oder der ehemaligen Kirche, die Checkmate als Basis dient. So werden die klassischen Helden- und Schurkenrollen symbolisch auf den Kopf gestellt: Checkmate lauert in der düsteren und dreckigen Schattenwelt der Spionage, während sich Leviathan als Retter der Zukunft präsentiert. Leider stellt die Handlung diese Idee nicht so gut dar wie die Zeichnungen.

Erscheinungsbild

Am Erscheinungsbild ist wie üblich bei Panini nichts auszusetzen. Die Verarbeitung ist qualitativ hochwertig, der Druck gut, und das Cover präsentiert die Kerntruppe von Checkmate mit passender Schachbrettsymbolik.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor: Brian Michael Bendis
  • Zeichner: Alex Maleev
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 204
  • Preis: 22 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

Fazit

Checkmate sieht vielversprechend aus, aber wie oft in der Welt der Spion*innen täuscht der erste Eindruck. Die Grundidee, die mit dem Leviathan-Event begann, bot durchaus Potenzial. DCs Welt der Superagent*innen und Geheimdienste neigt zum unkontrollierten Zuwuchern mit immer neuen Behörden und Geheimdiensten, deren Aufgaben und Zuständigkeiten sich überlagern. Das ist, sieht man sich die tatsächlichen Geheimdienste der USA an, zwar realistisch, beim Worldbuilding einer fiktiven Welt allerdings eher verwirrend. DC hat so eine Neuordnung schon 1989 mit dem Janus Directive erfolgreich durchgeführt, und 30 Jahre sowie fünf Reboots später bestand hier wieder Zugzwang für DC. Autor und Zeichner klangen passend und das Team besteht aus eigentlich interessanten Figuren, die auch spannende interne Konflikte versprachen.

Aber leider war schon der Vorgängercomic Leviathan, in dem die neue Organisation entsteht, nicht sonderlich überzeugend, denn auch dort spulte sich die wenig spannende Handlung unabhängig von den Protagonist*innen ab. Das offene Ende von Checkmate – Die Leviathan-Verschwörung lässt höchstens die Hoffnung, dass vielleicht ein dritter Band die Neuordnung der Spionage-Welt abschließt und den Handlungsfaden rettet. Ansonsten hat sich Checkmate leider selbst matt gesetzt.

  • Schöne Zeichnungen
  • Spannender Ausgangspunkt
 

  • Helden handeln nicht
  • Unklare Details
  • Offenes Ende

Artikelbilder: © Panini
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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