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Die Fantastic Four feiern ihr Jubiläum. Zur Feier des Tages erscheint nun auf Deutsch ein Band, der sich die Frage stellt, wie die Geschichte der vier Helden verlaufen wäre, wenn sie in den 60 Jahren genauso gealtert wären, wie jeder andere auch. Wird in dieser alternativen Zeit Galactus gewinnen?

Vor zwei Jahren erschien Spider-Man: Die Geschichte eines Lebens, in dem die Frage gestellt wurde, wie Spider-Mans Leben verlaufen wäre, wenn er seit 1962 normal gealtert wäre, statt wie es im Marvel-Universum üblich ist, dass nur alle vier Jahre ein Jahr vergeht. Nun zum sechzigsten Geburtstag von Marvels erster Familie, erscheint nun ein Band mit demselben Untertitel zu den Fantastic Four. Wie viele von euch wissen, waren die Fantastic Four der Ursprung von dem, was wir heute als Marvels Erde-616 bezeichnen.

Erst durch ihren Erfolg waren spätere Erfolgstitel wie Spider-Man, Hulk, die Avengers oder X-Men überhaupt erst möglich. Innerhalb weniger Jahre trafen die vier Held*innen auf Black Panther, die Inhumans, die Skrulls und Galactus. Sie kämpften gegen Doctor Doom, den Mad Thinker, Annihilus oder Red Ghost. Doch im Gegensatz zu Spider-Man spielten all diese großen Geschichten in den ersten zehn Jahren. Spätere Geschichten, wie die Trennung von Sue oder der Tod von Johnny Storm erreichten nie die Popularität der ersten Erfolge. Somit ist auch klar, dass dieser Band anders aussehen wird, als Spider-Man: Die Geschichte eines Lebens, bei dem die wichtigsten Ereignisse immer zum korrekten Zeitpunkt auftraten. Der große Aufhänger dieses Comics ist die Galactus-Saga. Doch kann ein Comic funktionieren, bei dem Mr. Fantastic über sechs Jahrzehnte versucht die Invasion der Erde zu verhindern?

Fantastic Four – Die Geschichte eines Lebens

Nachdem die Sowjets 1961 den ersten Mann ins Weltall befördern, ist John F. Kennedy in Handlungszwang. Er engagiert Reed Richards, um ein Weltraumprogramm auf die Beine zu stellen. Dr. Ricardo Jones wird ihm zur Seite gestellt. Doch die Konkurrenz zwischen den beiden ist so groß, dass der Start der Aktion hinausgezögert wird. Also beschließt Reed Richards zusammen mit seiner Freundin Susan Storm, deren Bruder Johnny und dem erfahrenen Piloten Ben Grimm in die Forschungseinrichtung einzudringen und den Start selbst einzuleiten. Doch sie treffen auf kosmische Strahlung und entwickeln Superkräfte. Gleichzeitig wird dadurch ein Wesen namens Galactus auf sie aufmerksam, das Reed als größte Gefahr für die Menschheit ansieht. Sogleich beginnt er, die Welt auf das Eintreffen des Außerirdischen vorzubereiten.

Kenner*innen der Materie merken direkt, dass hier zwar die Ursprungs-Geschichte der Helden nacherzählt wird, aber kleinere Änderungen vorgenommen werden. Gerade die Tatsache, dass Galactus bereits in die erste Reise eingebaut wird, stellt eine große Veränderung dar. Galactus selbst wird zum Aufhänger des kompletten Bandes. Denn das Eintreffen des Riesen wird nicht vor dem Jahr 2000 passieren. Diese Änderung hat in dem Comic wesentlich mehr Auswirkungen auf die Geschichte als es die Einbettung in das Weltgeschehen und das Fortschreiten der Zeit für die Held*innen hat. Auch werden viele Ereignisse aus den Comics sehr frei und in der falschen Reihenfolge nacherzählt. So dauert es bis 1994, bis Ben zum ersten Mal auf Alicia trifft. Auch scheinen die Held*innen abseits von Galactus auf keine Außerirdischen wie die Skrulls oder Annihilus zu treffen.

(K)eine Nacherzählung

Gerade Leser*innen, die nur sporadisch Kontakt zu den Fantastic Four haben, werden hiermit aber viel Spaß haben können. Der Kern aller Geschichten wird erhalten und auch die Charaktere verhalten sich so, wie man sie kennen und lieben gelernt hat. Dabei hilft auch der Kniff, dass jedes Kapitel aus der Perspektive von einer anderen Person geschrieben ist. Beim fünften Kapitel darf dann Franklin, der Sohn von Sue und Reed, von seinen Erlebnissen berichten, der zu diesem Zeitpunkt schon ein erwachsener Mann ist. Das führt zu einigen spannenden Blickwinkeln und jedes Zeitalter hat seine eigene Tonalität. So stehen die 70er Jahre hier durch Sues Perspektive auch für die Emanzipierung der Frau oder in den 80er-Jahren kommt es zur Eskalation des kalten Krieges, während Johnny zu seinem vierzigsten Geburtstag das Leben immer noch als Party sieht. Gerade diese Momente sind es, die diesen Comic zu etwas Besonderem machen.

Leser*innen sollten nicht erwarten, dass dieser Comic ähnlich wie der Spider-Man-Band ein Best-Of der besten Geschichten der ersten Familie bietet. Dies hier ist eine Neuerzählung des Lebens der vier Held*innen. Dadurch bekommt man wohl eines der interessantesten Erlebnisse geboten, die es zu den Fantastic Four in den letzten Jahren gegeben hat. Die Grundstory erzählt das Klischee eines Wissenschaftlers, der eine Bedrohung für die Menschheit erkennt, aber von der Allgemeinheit verlacht wird. Dadurch wird Reed hier zur einzigen Hoffnung, um die Erde vor Galactus zu schützen. Weil diese außerirdische Bedrohung immer präsent ist, aber dann doch nicht erscheint, wirkt die Handlung teilweise aber auch etwas schleppend. Alle anderen Geschichten werden dadurch etwas in den Hintergrund gedrängt.

Zeichnerisch macht der südafrikanische Künstler Sean Izaakse nicht viel falsch. Auch im Run von Dan Slott hat er bereits die Fantastic Four gezeichnet und man sieht den Zeichnungen an, dass er die Quintessenz der Figuren verstanden hat und wie viel Spaß er hat, den junggebliebenen Johnny mit ersten Alterserscheinungen oder Ben in modischen Klamotten zu zeichnen. Emotional und erzählerisch funktionieren die Bilder, auch wenn sie nicht groß aus der Masse herausstechen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in: Mark Russell
  • Zeichner*in: Sean Izaakse
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 196
  • Preis: 22 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Fazit

Dieser Comic ist vermutlich der beste Fantastic Four-Comic der letzten Jahre und für Fans uneingeschränkt zu empfehlen. Dennoch gebe ich nicht die Höchstwertung, denn ich sehe an vielen Stellen Verbesserungspotential. Die stetige Bedrohung durch Galactus sorgt zwar für einen zusammenhängenden Handlungsbogen und ist der Hauptmotor der Spannung in diesem Comic, doch er führt auch dazu, dass er sich ganz anders anfühlt als der besonders gelungene Spider-Man-Comic mit selbem Titel und das Gefühl entsteht, dass die Haupthandlung nur schleppend voran geht.

Das Leben der Fantastic Four verläuft hier gänzlich anders als das der bekannten Held*innen, auch wenn die wichtigsten Etappen irgendwann erzählt werden und dabei darauf geachtet wird, dass es sich doch immer nach den Figuren anfühlt, die wir lieben gelernt haben. Wer noch nie einen Fantastic Four-Comic in der Hand hat, darf hier gerne einmal reinschnuppern und so ein Gefühl für die Held*innen entwickeln. Die größten Geschichten der Fantastic Four stammen aus den 60ern und das merkt man diesem Band einfach an. Gleichzeitig merkt man aber auch, wie universell diese Erzählungen schon damals waren und dass sie auch in modernisierter Version noch heute funktionieren.

  • Interessanter neuer Blickwinkel auf das Leben der Fantastic Four
  • Spannung durch eine außerirdische Bedrohung
  • Die Fantastic Four in ihrer reinsten Form
 

  • Ganz anders als Spider-Man: Die Geschichte eines Lebens
  • Teilweise schleppende Erzählung

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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