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Rollenspielende wissen: Übersetzungen sind so eine Sache. Sie können gehörig in die Hose gehen, das Original um Längen schlagen oder alles dazwischen. The Troubleshooters hat im Original ordentlich vorgelegt, doch kann es nun auch in der Übersetzung überzeugen? Spirou-mäßig geht es also um die Welt.

Bereits 2022 haben wir über das englische Regelwerk von The Troubleshooters berichtet. Inzwischen hat Green Gorilla eine deutsche Übersetzung herausgebracht, die erneut genau unter die Lupe genommen werden soll. Der junge Verlag aus Wiesbaden arbeitet umweltfreundlich und klimaneutral und spendet 3% seiner Gewinne an Schutzprojekte für die namensgebenden Gorillas – Nachhaltigkeit als Grundkonzept.

Neben dem Regelwerk wird auch das ganze Bonusmaterial begutachtet, das es für Troubleshooters gibt: Stadt- und Ausrüstungskarten, Würfel, SL-Schirm und vor allem die besonderen Charakterbögen. Es folgt also ein Blick auf das Gesamtpaket des actiongeladenen Rollenspiels.

Triggerwarnungen

Krieg, Gewalt

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Die Spielwelt – Eine Welt voller Action

Die Charaktere dieser Spielwelt sind keine Geheimagent*innen, sondern einfach Menschen, die irgendwie immer wieder in Abenteuer gezogen werden. Dabei stehen sie auf der richtigen Seite des Gesetzes und helfen bei der Lösung verzwickter Situationen. Die Spielenden schlüpfen in die Rolle solcher Troubleshooter, deren Abenteuer sie dann über den gesamten Erdball führen können. Das ist die Grundprämisse von Troubleshooters.

Die bespielte Zeit ist um 1965 in dieser von der Realität beeinflussten Parallelwelt angesetzt. Der Kalte Krieg ist in vollem Gange, Geheimdienste haben Hochkonjunktur und Diktator*innen noch die dicken Zigarren im Mundwinkel. In einer geteilten Welt, in der die Berliner Mauer noch steht und der Wettlauf ins All gerade geendet hat – wenn auch anders als historisch bekannt – hält die Menschheit den Atem an. Während Reisen um den Globus Kulturen zusammenbringen, trennt sie doch ein „Eiserner Vorhang“.

Wer Troubleshooters spielt, ist reiselustig.
Wer Troubleshooters spielt, ist reiselustig.

Troubleshooters soll eine Art Fantasie-Tourismus sein, bei dem die Charaktere Abenteuer in franko-belgischer Manier erleben. Bei Asterix ist es Julius Cäsar, bei Spirou und Fantasio Zyklotrop und bei Tim und Struppi Rastapopoulos: der „Big Bad Evil Guy“ (BBEG). Für Troubleshooters ist das Graf von Zadrith, die Nummer Zwei der Geheimorganisation Oktopus.

Daraus ergibt sich eine bunte, actiongeladene Welt mit Spannungsfeldern an jeder Ecke, aber genügend Freiraum für eigene Interpretationen. Gewisse „Hot Spots“ werden detailliert beschrieben, es gibt 60er-Jahre-Stadtkarten von Berlin, Paris, Brüssel und London und ein Streckennetz von Air Majestique. Die Gegenspieler*innen haben große Pläne, die es zu vereiteln gilt.

Die Spielwelt ist natürlich mit der im englischen Regelwerk identisch, wie sollte es bei einer Übersetzung auch anders sein. Der lockere Sprachstil, der gewählt wurde, fügt sich gut ins Gesamtbild ein, unterstützt Stil und Flair der Welt und trägt somit dazu bei, sich gut hineinversetzen zu können.

Die Regeln – Einsatzleitung und Story-Punkte

The Troubleshooters nutzt ein Prozentwürfel-System, bei dem mit zwei zehnseitigen Würfeln auf beziehungsweise unter den Zielwert der entsprechenden Kompetenz gewürfelt wird. So könnten Charaktere extrem kompetent in Nachforschungen sein und mit einem hohen Wert von 85 starten. Dazu kommen Fähigkeiten, die Kompetenzen verbessern und mehr Optionen bieten. Ein guter Wert bei Nachforschungen könnte zum Beispiel durch die Fähigkeit Doppelte Staatsangehörigkeit unterstützt werden, mit der eine weitere Sprache für den Charakter hinzukommt, die bei Grenzkontrollen hilft und die Möglichkeit bietet, an passenden Stellen Story-Punkte einzusetzen.

Story-Punkte erhält man für erschwerte Proben, absichtliches Scheitern oder andere Komplikationen, die relevant sind. Auch Päsche (Karma) geben Story-Punkte. So kann die Orientierungslosigkeit eines Charakters dazu führen, dass sich dieser ständig verläuft. Diese Problematik kann Story-Punkte wert sein. Das führt dazu, dass die Spielenden sich selbst in teils brenzlige Situationen bringen oder gar ganz aus einer Szene raushalten, obwohl ihre Anwesenheit hilfreich wäre. In Maßen sorgt das für spannende Rollenspielmomente und durch die gewonnenen Punkte erhält man Zugang zu vielen nützlichen Sonderfähigkeiten – auch eine gewürfelte Probe kann damit umgedreht, also die 1er- und 10er-Stelle getauscht werden.

Schadens-, Erholungs-, Absorptions- und Zufallswürfe werden mit klassischen W6 gewürfelt. Dabei können sie explodieren, für gewürfelte 6en darf also ein weiterer Würfel über den Tisch rollen. Das Würfelset hat für den Erhalt von Wunden oder die Würfelexplosion entsprechende Markierungen auf den zahlen 4–6.

Die Regulierung all dieser Aspekte liegt dabei typischerweise bei der SL, die bei Troubleshooters Einsatzleitung heißt. Sie verteilt auch Pips (besondere Modifikatoren auf Proben) und leitet besondere Showdowns ein. Die Unmengen an Ausrüstung, welche auch mit Ausrüstungskarten auf den Spieltisch gebracht werden können, und die Vielzahl an Möglichkeiten kann zu Beginn erschlagend wirken, aber in kürzester Zeit hat man genügend Überblick, um souverän durch das Buch und die Optionen zu navigieren. Das Regelkorsett ist nicht so eng und erlaubt actiongeladene Spielszenen mit der richtigen Prise Wahnsinn.

Charaktererschaffung – Ausweis, bitte!

Die Charaktererschaffung ist in wenigen Schritten abgeschlossen. Dabei ist es wichtig, sich im Vorfeld gemeinsam auf ein Leitmotiv zu einigen, dem die Gruppe folgt: Das kann eine Gruppe neugieriger Abenteurer*innen sein oder die Gauner*innen, die den nächsten Clou planen. Vier dieser Konzepte werden vorgeschlagen und decken eigentlich alles ab, was die Spielwelt bieten möchte.

Mithilfe einer Schablone wird eine Art Archetyp festgelegt, so etwas wie Diplomat*in oder Spitzensportler*in. Damit kommen Kompetenzen einher, die noch anpassbar sind. Daraufhin wählt man Fähigkeiten, eine Komplikation und errechnet die Vitalität. Nach der Wahl der Sprachen muss der Charakter nur noch individualisiert und gestaltet werden. Damit der Einstieg ins Abenteuer erleichtert wird, gibt es für jeden Charakter noch Plot-Aufhänger, die von der Einsatzleitung genutzt werden, um die Charaktere in die Geschichte zu ziehen.

Charaktere sind zwar nicht unbedingt Spezialagent*innen, aber dennoch liegt ihre Kompetenz in der Regel über dem Durchschnitt „normaler Menschen“. Abenteuerlust hat eben auch ihre Vorteile.

Die ganzen Informationen trägt man in die Charakterbögen in Reisepassformat ein, die digital und ausgedruckt verfügbar sind. Darin können Reisen auch mit Stempeln festgehalten werden. Dies ist ein weiterer Aspekt, der zur Immersion beiträgt.

Erscheinungsbild – Comic-Deluxe-Ausgabe

Die Illustrationen sind einfach wunderschön.
Die Illustrationen sind einfach wunderschön.

Das Hardcover im A4-Format ist hervorragend verarbeitet und komplett umweltfreundlich und klimaneutral in Deutschland gedruckt. Die stilechten Illustrationen im franko-belgischen Comic-Stil sind hinreißend und während die Charaktere auf den Seiten Diskussionen mit der Einsatzleitung führen, greift der Charme des Buches bedingungslos.

Die Struktur ist tadellos und es fehlt niemals an Übersichtlichkeit – für die Einsatzleitung liefert ein Sichtschirm die wichtigsten Tabellen. Darüber hinaus sorgen die besonderen Gimmicks für ein rundum gutes Gesamtgefühl. Neben dem bereits Genannten sind nicht zuletzt die Stadtkarten eine Bereicherung, die das Reisegefühl hervorheben, sowie die Blaupausen für das bereits erhältliche Abenteuer Das U-Boot-Geheimnis. Alles daran ist sehr stimmig.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Green Gorilla
  • Autor*in(nen): Krister Sundelin, Brandon Bowling
  • Illustrator*innen: Ronja Melin, Krister Sundelin, Elinore Rönning, Theodor Rönnudd, David Öqvist
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 222
  • ISBN: 9783949214158
  • Preis: 49,95 EUR (Grundregelwerk), ca. 182 EUR (Gesamtpaket)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Green Gorilla Shopidealo, Sphärenmeister

 

Fazit – Ich packe meinen Koffer …

The Troubleshooters ist als Spiel ein Erlebnis. Selbst das Grundregelwerk allein kann überzeugen und hat trotzdem viele Helferlein: Vor allem die Stadtkarten und Charakterbögen als Reisepässe unterstützen neben hervorragenden Illustrationen das Spielgefühl. Ein erlebter Action-Agent*innen-Comic mit spannenden Geschichten im Schlepptau.

Was begehrt das Agent*innenherz?
Was begehrt das Agent*innenherz?

Comic-Fans kommen in dieser Spielwelt ebenso auf ihre Kosten wie Agentenfilm-Liebhaber*innen oder Backpacker*innen. Auch für Kinder könnte das Spiel ein durchaus gelungener Einstieg in die Welt der Rollenspiele sein, wenn die Kriegsthematik nicht fokussiert wird. Je nach Spielstil ist dies aber problemlos möglich.

Das Würfelsystem ist einfach und altbekannt, hat aber einige Kniffe, die zwar ungewohnt sein, doch schnell gemeistert werden können. Dann entsteht eine actiongeladene Jagd um den Globus, die sich lohnt. Neben dem U-Boot-Geheimnis kann man hoffen, dass noch weitere Abenteuer erscheinen: der verborgene Tempel im Himalaya, das Gedankenkontrollfeld oder die Plünderung des Inka-Grabes in den Anden vielleicht.

Die gelungene deutsche Übersetzung erhält fünf von fünf Visa. Gute Reise!

 

  • Wunderschöner Comic-Stil
  • Actiongeladenes, charmantes Setting
  • Gelungenes Gesamtpaket

 

 

 

Artikelbilder: © Helmgast AB/Green Gorilla Michael Weber
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Maximilian Düngen
Fotografien: Norbert Schlüter

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