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Spannung, Teamarbeit und jede Menge Charme – das unterhaltsame Pen-and-Paper The Troubleshooters entführt euch in eine glitzernde und aufregende Welt im Stile frankobelgischer Comics. Als buntes Spezialist*innen-Team gilt es mysteriöse Machenschaften aufzudecken oder riskante Raubüberfälle zu absolvieren. Welche Stärken und Schwächen das System hat, erfahrt ihr hier.

Es sieht zwar wie ein Comicbuch aus, ist aber durch und durch Rollenspiel. Die Rede ist von The Troubleshooters, einem schwedischen Pen-and-Paper im Stile von Tim & Struppi, Spirou und Fantasio oder Asterix. Als Gruppe schlüpfen die Spielenden dabei in die Rollen von Agent*innen, Abenteurer*innen und anderen Spezialist*innen, die ihre Missionen auf der ganzen Welt erleben. Dabei wird großer Wert auf das gemeinsame Erzählen spannender Geschichten gelegt.

Als Orientierung dient ein eigener Cast an sechs verschiedenen Figuren, die in Sprechblasen regelmäßig Regeln erklären oder die Informationen im Buch kommentieren. Wie es sich für die Comicgeschichten gehört, darf auch die böse und ominöse Organisation nicht fehlen: The Octopus. Diese finsteren Gestalten versuchen die Weltherrschaft an sich zu reißen, was natürlich nur von der eigenen Gruppe verhindert werden kann. Das System verspricht also eine bunte Mischung aus Action-Adventure, James-Bond-Stil, Humor und jeder Menge Teamwork.

Die Spielwelt

We make this step together, not as conquerors, not as representatives of Japan and France, but as humans from the planet Earth, and as explorers of a new world“ – Toyomi Ichi und Captain Yvette Collard nach der Landung auf dem Mond

Nostalgiebrille auf und los geht die Reise rund um den Globus: Wer auf den Charme der 1960er Jahre steht, wird an The Troubleshooters eine große Freude haben. Wie schon die Charakterbögen in Passform zeigen, wird den Spielenden eine international vernetzte Welt geboten. Der Glaube an Technik und Fortschritt ist durchweg optimistisch, gleichzeitig sind Dinge wie CDs, Internet und Smartphones noch ferner Luxus. Als Überblick für die Details ist im Regelwerk ein komplettes Kapitel rund um die Welt enthalten.

Damit die Abenteuer aber nicht zu einer historischen Nacherzählung werden, erlaubt The Troubleshooters sich einige fiktive Elemente zu unserer Geschichte. Dazu zählen beispielsweise einige neue Länder wie die Karibik-Diktatur San Ariel, die afrikanische Republik Zewange oder das Wüstenkönigreich Al-Ansur. Diese orientieren sich an existierenden Staaten, lassen aber genug Spielraum für eigene Geschichten und NSC.

Die gemeinsame japanisch-französische Landung auf dem Mond ist eines der wichtigsten Ereignisse bei The Troubleshooters.
Die gemeinsame japanisch-französische Landung auf dem Mond ist eines der wichtigsten Ereignisse bei The Troubleshooters.

Wichtig für das Jahrzehnt des Mauerbaus und der Cuba-Krise ist natürlich der schwelende Kalte Krieg, der die Welt in zwei Lager teilt. Das ist auch bei The Troubleshooters nicht anders. Als Gegenbewegung der Kooperation wurde aber die Geschichte leicht verändert. Symbolisch für das Wohl der Menschheit landete am 19. März 1964 eine japanisch-französische Rakete auf dem Mond und beendete den Wettlauf zwischen USA und Sowjetunion. Auch wenn beide Machtblöcke weiterhin versuchen ihren Einfluss zu stärken, zeigt dieses Beispiel die Kernidee der Welt (und von Rollenspiel allgemein): Zusammenarbeit führt zum Erfolg.

Für die detailverliebten Spielleitungen gibt es im gleichen Kapitel einige tolle Übersichten zu verschiedenen Metropolen. So können die Ausflüge nach Berlin, Kairo, Kyoto oder Leningrad mit einigen zusätzlichen Infos zur Kultur, wichtigen Schauplätzen und Beschäftigungsmöglichkeiten ausgeschmückt werden. Gleiches gilt für Frankreich und speziell Paris, die genretypisch als Ausgangspunkt verwendet werden.

Die Regeln

The Troubleshooters basiert auf den Klassischen W100-Systemen wie Call of Cthulhu mit zwei zehnseitigen Würfeln, welche die Chance von 1 bis 100 Prozent verwenden. Um einen Wurf erfolgreich zu schaffen, muss unter den entsprechenden Wert auf dem Charakterbogen gewürfelt werden. Ansonsten wird auf einen Pool an W6 gesetzt, etwa wenn es um Trefferpunkte und Waffenschaden geht. Hinzu kommen einige Zusatzregeln, welche das Spielgefühl auflockern.

Manchmal kann gutes Karma die Charaktere retten… oder schlechtes Karma sie in Schwierigkeiten bringen.
Manchmal kann gutes Karma die Charaktere retten… oder schlechtes Karma sie in Schwierigkeiten bringen.

Da wäre zum Beispiel Karma. Immer wenn beide zehnseitige Würfel die gleiche Ziffer zeigen (11, 22, 33, und so weiter), erhalten die Spielenden Karma. Liegt die gewürfelte Zahl unter dem notwendigen Wert, erhalten sie einen Bonus auf den nächsten Wurf. Liegt die gewürfelte Zahl darüber, ist es stattdessen ein Malus. Nach dem nächsten Wurf ist das Karma wieder abgehandelt.

Boni und Mali äußern sich in der Regel in Pips. Damit sind leicht erhöhte Chancen auf Erfolg oder Misserfolg gemeint. Wenn Pips im Spiel sind, wird bei dem Würfelwurf zunächst der Einserwürfel angeschaut. Jetzt kommt es darauf an, ob der Charakter über positive Pips als Vorteil oder negative Pips als Nachteil verfügt. Ist die Zahl kleiner oder gleich dem positiven Pips-Wert, gilt der Wurf als ein Erfolg, selbst wenn die Zehnerstelle viel größer ist als der tatsächliche Wert. Bei einem negativen Pips-Wert ist der Wurf ein Misserfolg, wenn die Zahl kleiner oder gleich ist, auch wenn der Wurf sonst regulär geschafft worden ist. Regeltechnisch erhöhen sich so die Chancen auf Erfolg entweder um ein paar Prozentpunkte oder sie sinken um ein paar Prozentpunkte.

Weil das auf den ersten Blick kompliziert wirkt, ein Beispiel:

Ein Charakter mit Investigation auf 60 hat bei der Observation ein Fernglas mit einem Bonus von +2 Pips dabei. Es wird eine 92 gewürfelt, was eigentlich ein Misserfolg wäre. Da bei Pips aber nur der Einserwürfel gewertet wird und diese Zahl 2 gleich den +2 Pips ist, ist der Wurf dennoch geschafft. Ebenso verhält es sich bei negativen Pips: Der gleiche Charakter, ohne Fernglas und dafür im Nebel mit -2 Pips, würfelt eine 22 auf Observation. Obwohl die 22 sonst ein Erfolg wäre, ist es durch die negativen Pips nun ein Misserfolg. Als kleinen Trost darf sich der Charakter zumindest über einen Storypoint freuen.

Womit wir bei der nächsten wichtigen Mechanik sind, den Storypoints. Diese können auf verschiedene Arten im Spiel gesammelt werden. Dazu gehören beispielsweise kritische Erfolge und Misserfolge. Hauptsächlich bekommen die Spielenden die Punkte aber immer dann, wenn sie bewusst Herausforderungen oder Twists in die Handlung einbauen. Das kann eine ausgespielte Schwäche sein, ein Versagen trotz gelungenem Wurf oder eine Verzögerung, weshalb der Charakter später oder gar nicht an der Szene teilnimmt.

pielende können bewusst Komplikationen ausspielen. Dafür bekommen sie im Gegenzug Storypoints.
pielende können bewusst Komplikationen ausspielen. Dafür bekommen sie im Gegenzug Storypoints.

Wozu nun diese Mühen? Um damit im Anschluss das Abenteuer dynamischer und spannender zu machen. Die Spielenden können mit Storypoints ihre Abilities, also besondere Fähigkeiten, aktivieren oder ein Würfelergebnis des W100 umdrehen, um die Aktion trotzdem zu schaffen. Außerdem dürfen sie mit genug Storypoints kleine und größere Details hinzufügen. Die Gruppe braucht dringend ein paar Handschuhe, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen? Für einen Storypoint liegt zufällig ein passendes Paar noch im Kofferraum des Fluchtwagens.

Insgesamt können einige der Regeln rund um Karma, Pips und Storypoints zu Anfang noch ungewohnt und kompliziert wirken. Mit etwas Spielerfahrung steckt dahinter aber ein kluges System, welches die Geschichte abwechslungsreicher macht. Gerade das Herausnehmen aus einer Szene ist eine gelungene Mechanik, um Rollenspiel zu fördern und Zurückhaltung zu belohnen. Anstatt dass sich ständig alle Charaktere um das Rampenlicht bemühen müssen, können die Spielenden in gewissen Szenen anderen den Vortritt lassen und werden dafür mit Storypoints sogar noch belohnt.

Charaktererschaffung

Das Erstellen eines Charakters ist sehr übersichtlich mit einem 10-Schritte-Plan in wenigen Minuten zu erledigen. Spielende wählen zunächst ein Template, einen Archetyp mit vorgegebenen Fertigkeiten. Das kann beispielsweise der*die neugierige Ingenieur*in, der*die Rennfahrer*in oder der*die akrobatische Dieb*in sein. Jeder Charakter verfügt außerdem über zwei besondere Fähigkeiten sowie eine Komplikation, die etwas mehr Spieltiefe verleihen. Um möglichst barrierefrei Geschichten zu erzählen, kann jede Figur Englisch und Französisch sprechen. Nicht zuletzt dürfen sich die Spielenden Ausrüstung aussuchen sowie ihre Fertigkeiten und ihr Aussehen individualisieren.

Charaktere in The Troubleshooters sind Expert*innen auf ihrem Gebiet, bleiben aber trotzdem menschlich.
Charaktere in The Troubleshooters sind Expert*innen auf ihrem Gebiet, bleiben aber trotzdem menschlich.

Als letzter Punkt wird in gemeinsamer Runde geklärt, wie die Charaktere sich kennengelernt haben. Das funktioniert anhand einer Tabelle mit 100 internationalen Orten, zu denen sich zwei Spielende zusammen eine Geschichte ausdenken. Ob zufällige Begegnung in Stockholm, vergangene Mission in Buenos Aires oder spannende Verfolgungsjagd in Sydney, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Noch ein Wort bezüglich der allgemeinen Fähigkeiten der Charaktere. Eine Gruppe in The Troubleshooters ist in der Regel ein Team aus weltweit herausragenden Expert*innen, den sprichwörtlichen Besten der Besten. Das ermöglicht es ihnen, möglichst heroische Aktionen zu vollführen und gekonnt in letzter Sekunde die Situation zum Guten zu wenden. Das bedeutet aber nicht, dass immer alles nach Plan verläuft. Charaktere können und werden scheitern. Genau dieser offene Umgang lässt die Handlung jedoch lebendig wirken.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Mit dem Grundthema des Systems lassen sich vor allem Spionage- und Erkundungsabenteuer wunderbar spielen.
Mit dem Grundthema des Systems lassen sich vor allem Spionage- und Erkundungsabenteuer wunderbar spielen.

Durch eine große Übersichtlichkeit innerhalb der Kapitel können Neulinge wie erfahrene Spielleitungen schnell in die Feinheiten des Systems einsteigen und sich zurechtfinden. Das Grundregelwerk verfügt über ein komplettes Kapitel allein für die Spielleitung, in dem am laufenden Band nützliche Tipps vorgestellt werden. Angefangen von der Konstellation der Gruppe über die Vorbereitung auf Spielrunden bis zur Gestaltung einer ganzen Kampagne bekommt die SL einige sinnvolle Ratschläge vermittelt. Das Regelwerk selbst ist, bezogen auf die Spielmechanik, offen gestaltet und bietet genug Möglichkeiten, um sich kreativ auszutoben.

Spielbarkeit aus Spieler*innensicht

In der Testrunde gab es zu Beginn einige Schwierigkeiten, sich vor lauter Pips, Karma und Storypoints mit all den Möglichkeiten zurechtzufinden. Nach einer gewissen Eingewöhnung klappte der Umgang mit den Regeln aber relativ gut. Vor allem die Vorteile, als Spielende selbst das Geschehen erzählerisch mitgestalten zu können, wurde positiv hervorgehoben. Gleiches gilt für die vielen Anregungen, die zum gemeinsamen Rollenspiel untereinander anregen. Hierbei würden insbesondere die Storypoints sehr helfen.

Sehr guten Anklang fanden die vielen Tipps und Anregungen, um mehr Rücksicht untereinander beim gemeinsamen Erzählen der Geschichte zu nehmen. Diese Mechaniken wurden unaufdringlich ins Regelwerk eingefädelt und erhöhten so insgesamt den Spielspaß. Dank der Zufallstabellen und der guten Übersicht konnten die Charaktere sehr detailliert ausgestaltet und angepasst werden, ohne dadurch etwas an ihrer Kompetenz einzubüßen. Nicht zuletzt wurde auch die Umsetzung des Comic-Themas sehr gelobt.

Spielbericht

Für die Rezension wurde das Einstiegsabenteuer The U-Boat Mystery gespielt, welches aufgrund des Umfangs noch eine eigene Rezension bekommen wird. Die Charaktererstellung während der ersten Sitzung verlief aber wie im Regelwerk angedacht. Durch die gemeinsamen Verknüpfungen entwickelten die Spielenden gleich Dynamiken in der Gruppe, die für sehr viel Spaß am Spieltisch sorgten.

Erscheinungsbild

Wer Comics im frankobelgischen Stil mag, bekommt hier immer wieder wunderschöne Illustrationen und Comic-Sprechblasen geboten.
Wer Comics im frankobelgischen Stil mag, bekommt hier immer wieder wunderschöne Illustrationen und Comic-Sprechblasen geboten.

Allein das Lesen des Regelwerks kann bereits eine große Freude bereiten. Dazu tragen die wunderbar stilvollen und gleichzeitig informativen Sprechblasen der verschiedenen Figuren bei, die zu Beginn des Buches als Team vorgestellt werden. Immer wieder finden sich wunderschöne Illustrationen als Auflockerungen, in denen teilweise bekannte Witze und Tropen zu entdecken sind.

Sehr positiv hervorzuheben ist die bereits erwähnte Übersichtlichkeit. Neben einem umfassenden Index besticht vor allem das Inhaltsverzeichnis mit einer guten Struktur, sowie direkten Verlinkungen in der PDF-Fassung. Gleiches gilt in den jeweiligen Kapiteln, die neben den erwähnten Sprechblasen mit Infokästen punkten.

 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Helmgast/ Modiphius Entertainment
  • Autor*in(nen): Krister Sundelin
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF/Druck
  • Seitenanzahl: 236
  • ISBN: 978-1-912743-77-3
  • Preis: 42 EUR (Druck)/ 16 EUR (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Sphärenmeister

 

Fazit

Die lobenden Worte mögen es immer wieder angedeutet haben, aber hier noch einmal in Kürze: The Troubleshooters ist ein wunderbares System. Das beginnt bereits mit dem übersichtlichen und informativen Aufbau, der den Einstieg für unerfahrene Spielleitungen und Gruppen erleichtert. Wichtige Tipps für Gruppendynamik und gutes Rollenspiel motivieren dazu, gemeinsam Geschichten zu erzählen und auf den Spaß aller in der Runde zu achten.

Die Templates ermöglichen die Zusammenstellung eines bunten und inklusiven Teams.
Die Templates ermöglichen die Zusammenstellung eines bunten und inklusiven Teams.

Ergänzt wird das schlanke W100 System um einige schlaue Kniffe wie etwa Storypoints, die Kooperation und Twists zum Wohle der Handlung belohnen. Zwar braucht es hier und da einige Versuche, bis alle Regelfeinheiten im Spiel richtig angewendet werden. Sobald das aber drin ist, läuft die Erzählung dafür umso besser und erlaubt auch kreative Einflüsse der Spielenden.

Abgerundet wird das Komplettpaket von einem sehr hübschen europäischen Comicstil der 1960er Jahre. Von der ersten bis zur letzten Seite finden sich immer wieder hochwertige Szenenbilder, Sprechblasen und Stilmittel, die das Lesen des Regelwerks zu einem unterhaltsamen Zeitvertreib machen. Wer auf frankobelgische Klassiker wie Tim & Struppi oder Asterix steht, wird sich direkt wohlfühlen. Und wer Comics nun so gar nichts abgewinnen kann, bekommt trotzdem ein solides System geboten. Bleibt zu hoffen, dass es bald auch eine Übersetzung auf Deutsch gibt. Zu unserem Spieltest kommt ihr hier

  • Toller Comicstil, schönes Design
  • Viele Tipps für gutes Rollenspiel
  • Detailreich, übersichtlich, Fokus auf Spaß
 

  • Einige Regeln brauchen Gewöhnung

 

Artikelbilder: © Helmgast
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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