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Lasst euch sagen, aus alten Tagen – wie das Rollenspiel im Jahr 1984 aussah. Ulisses Spiele hat einige Abenteuer aus den Anfangstagen von Das Schwarze Auge neu aufgelegt. Lohnt sich ein Abenteuer Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler auch heute noch? Wir haben vier alte Abenteuer unter die Lupe genommen.

Wer die Achtziger verpasst hat, kann sie jetzt nachholen. Die entsprechende Zeitmaschine trägt den Namen Kaiser-Retro-Box und entspricht im Wesentlichen dem alten Abenteuer-Basis-Spiel aus der ersten Regeledition von Das Schwarze Auge. Damit auch darüber hinaus genug Spielmaterial vorhanden ist, hat Ulisses Spiele ebenfalls die alten Abenteuer neu aufgelegt, die damals in den Kaufhäusern und Fachgeschäften der Republik wie, glaubt man den Legenden, geschnitten Brot verkauft wurden.

Im Folgenden erfahrt ihr mehr zur Neuauflage von Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler, Der Wald ohne Wiederkehr, Das Schiff der Verlorenen Seelen und Die sieben magischen Kelche. Grundlage des Artikels war dabei die Let’s-Play-Variante, die neben den eigentlichen Abenteuern auch noch unterhaltsame Kommentare der Spieler aus der Let’s-Play-Runde von Ulisses Spiele bei YouTube enthält.

Sie sind natürlich auch in einer normalen Variante erhältlich, ebenso wie die Abenteuer Unter dem Nordlicht, Borbarads Fluch und Durch das Tor der Welten.

Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler

© Ulisses Spiele
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Mit diesem Abenteuer von Werner Fuchs nahm alles seinen Anfang. Das erste Einzelabenteuer für Das Schwarze Auge schickt die Helden in einen äußerst belebten Dungeon. Ohne, dass sie sich wehren können, werden sie von Graf Baldur Greifax von Gratenfels in einen Weinkeller gesperrt. Der einzige Ausweg ist ein Geheimgang, der in die Gewölbe unter der Burg des Grafen führt. Dort versklaven Orks einige Zwerge, hausen ein paar Höhlenschrate, wartet ein einsamer Troll samt Goblindiener, lagern die letzten Neandertaler und so weiter und so fort.

So abstrus die Bewohner des Dungeons in ihrer Gesamtheit aus heutiger Sicht wirken mögen, ist Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler ein durchaus unterhaltsamer Ausflug in einen größeren Dungeon. Zwar ist der Anfang sehr starr und setzt voraus, dass die Helden vom Grafen eingesperrt werden, ohne sich zu wehren. Das Ende aber ist sehr offen und bietet drei verschiedene Ausgänge aus dem Gewölbe. Vor über dreißig Jahren war dies wahrscheinlich auch ein gutes Argument in Sachen Wiederspielbarkeit des Abenteuers.

Der Wald ohne Wiederkehr

© Ulisses Spiele
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Auch dieses Abenteuer wirkt aus heutiger Sicht etwas unstimmig. Allerdings nicht wegen Neandertalern, sondern weil es die verfeindeten Königreiche Nostria und Andergast gänzlich anders darstellt, als es in späteren Publikationen vorgenommen wurde. Andergast wird in diesem Abenteuer zu einer Burg, auf der Wendolyn, ein Bruder des nostrischen Königs Kasimir residiert. Da der König auf eine wichtige Nachricht seines Bruders wartet, sollen die Helden nachsehen, warum es so lange mit der Antwort dauert. Dazu müssen sie allerdings durch den Wald mit dem einladenden Namen Wald ohne Wiederkehr.

Auch wenn dieses Abenteuer an einigen Stellen nicht gut gealtert ist, stellt es dennoch ein gut durchdachtes und relativ freies Abenteuer dar, in dem die Handlung von der Wildnis in den Dungeon wechselt. Dass die Helden nicht einfach so zu Wendolyn vorstoßen können, dürfte klar sein. Ein finsterer Magier hat Burg Andergast verwüstet und muss dringend gestoppt werden, bevor er mit seinen finsteren Schurkenplänen Erfolg hat. Wer Wert auf aventurische Kontinuität legt, muss die Handlung also etwas modifizieren, alle anderen genießen einfach zwei bis drei Spielabende im Wald ohne Wiederkehr.

Das Schiff der Verlorenen Seelen

© Ulisses Spiele
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Dieses Abenteuer von Claus Lenthe ist wahrscheinlich eines jener Abenteuer, das in der späteren Geschichte von Das Schwarze Auge mit der größten Mühe in den späteren Kanon gepresst wurde. Immerhin ist hier der erste Auftritt von Meisterpersonen wie dem Magier Rakorium Muntagonus zu finden, oder auch die erste Nennung von Ziliten und Krakoniern. Ebenso werden in Das Schiff der Verlorenen Seelen Seeschlangen vorgestellt und Dämonen erstmals richtig groß in Szene gesetzt.

Die Helden müssen ein Schiff voller Feinde entern, um einen magischen Kristall zu vernichten, weil es ihnen ein kauziger Magier befiehlt und mal eben ganz Aventurien retten. Um diese Tragweite zu vermitteln, werden Gegnerhorden aufgeboten, die heutzutage selbst hochstufige Helden ins Schwitzen bringen würden. Das Schiff auf hoher See ist zudem ein beeindruckender Schauplatz, der ein Gefühl der Isolation und Ausweglosigkeit erzeugt. Mit ein bisschen Arbeit ist Das Schiff der Verlorenen Seelen auch heute noch ein spannendes und durchaus episches Abenteuer.

Die sieben magischen Kelche

© Ulisses Spiele
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Abenteuer Nummer Vier ist die direkte Fortsetzung von Das Schiff der Verlorenen Seelen. Leider schafft es Die sieben magischen Kelche nicht so wirklich, den Spannungsbogen zu halten. Die Helden kommen erneut in einen Dungeon, in dem wieder einmal ein paar Orks lauern. Die Schwarzpelze scheinen früher deutlich mobiler gewesen zu sein, findet sich der Dungeon doch in einer Stufenpyramide in H’Rabaal in Südaventurien, sehr fern des Orklandes. 

Wie dem auch sei, dieses Abenteuer ist ebenfalls mit ein bisschen Arbeit durchaus spannend und episch zu gestalten. Dieses Mal sollen die Helden für Rakorium die titelgebenden sieben magischen Kelche wieder vereinen und ihren wahren Besitzern durch ein magisches Ritual zukommen lassen. Sechs wurden leider geraubt und befinden sich nun in H’Rabaal, also erscheint es nur wenig logisch, die Helden mit dem verbliebenen Kelch sozusagen mitten ins Feindesland zu schicken. Wenn der Spielleiter es aber geschickt anstellt, wird gerade dadurch die Epik der Situation spürbarer. Geraten die Feinde an die sieben magischen Kelche, ist Aventurien in ernster Gefahr. Einmal mehr geht es also um alles und die Helden müssen den Tag retten.

 

Erscheinungsbild

Vor allem die ersten drei Abenteuer überzeugen durch die Illustrationen von Bryan Talbot, unter denen nur wenige Ausfälle, dafür aber umso mehr kleine Meisterwerke zu finden sind. Im Vergleich mit der Basis-Box ist hier ein qualitativer Sprung nach vorne deutlich zu erkennen, auch wenn die Illustrationen wahrscheinlich alle im gleichen Zeitraum entstanden sind. Gut, wer altbackene Zeichnungen generell verachtet, wird keineswegs zufrieden sein, ist vermutlich aber auch nicht ganz Teil der Zielgruppe.

Ebenso sind die Chibi-Illustrationen Geschmackssache. Die verkindlichten Anime-Zeichnungen der Figuren aus der Let’s-Play-Reihe von Ulisses Spiele bei YouTube zieren die Seiten der Abenteuer. Wer sie absolut nicht mag, wird immerhin durch die unterhaltsamen und ironischen Kommentare von Markus Plötz, Mháire Stritter und Michael Mingers entschädigt. Wie auch in der Let’s-Play-Version der Basis-Box kommentieren sie die Abenteuer anhand ihrer Erfahrungen als Spieler der Abenteuer und machen die teilweise doch recht drögen Hintergrundtexte zu einer amüsanten Lektüre. 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Autoren: Ulrich Kiesow, Werner Fuchs, Claus Lenthe
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: PDF / Softcover
  • Seitenanzahl: 4 x 62
  • ISBN: 978-3957528933 / 978-3957528940 / 978-3957529770 / 978-3957528964
  • Preis: je 12,95 Euro (Softcover) oder 4,99 Euro (PDF) / Let’s-Play-Variante 14,95 Euro (Softcover) oder 7,49 Euro (PDF)
  • Bezugsquelle: Amazon, DriveThruRPG. Sphärenmeister

 

Fazit

Ein Gesamtfazit aus vier Abenteuern zu ziehen, ist natürlich nie ganz angemessen. Betrachtet man jedoch die vier Abenteuer als ein Paket und lässt sie in ihrer Gesamtheit auf sich wirken, dann kann man Schlüsse daraus ziehen, inwiefern sie ihrer Aufgabe gerecht werden, Spieler aus dem Jahr 2018 für Abenteuer aus dem Jahr 1984 zu begeistern. Zunächst fällt auf, dass die Abenteuer allesamt noch einigermaßen gut spielbar sind. Wenn Spieler und Spielleiter unbefangen und ohne Vorerwartungen an die Sache herangehen, ist dies sogar ohne Ironie möglich.

Die damaligen Abenteuer waren sehr modular aufgebaut und verzichten in einigen Fällen sogar auf vordefinierte Finalbegegnungen. Damit sind sie offen gestaltet und erreichen – Eigenarbeit des Spielleiters vorausgesetzt – dadurch einen Grad an Spielfreiheit, den heutige aventurische Abenteuer, die ständig ein Auge auf den Metaplot werfen müssen, gar nicht erreichen. Gut, das klingt jetzt vielleicht etwas hochtrabend, sollte aber verdeutlichen, dass man mit diesen Abenteuern zwanglosen und unkomplizierten Spaß haben kann – vorausgesetzt, der Spielleiter klopft sie vorher einmal ordentlich ab.

Artikelbild: Ulisses Spiele, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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